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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940705027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894070502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894070502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-05
- Monat1894-07
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Eocr." und läutet: „Der Bundesrath wird vor seiner Vertagung über das Jesuiteugesetz Beschluß fassen und die Aushebung desselben »blehee». Die Bermulhung, daß Preußens Abstimmung gegen Lie il«'Hebung zwcifelhast geworden sei, ist grundlos. Frag, lich ist nur, ob es gelingt, einen einstimmige» Beschluß herbei- zistihreu." Daß eine Art von Kraftprobe stattsinden werde, wird also illgezeben; erfreulicher Weise wird aber versichert, daß Preußen nicht auf derjenigen Seile sich befindet, welche die Beseitigung deS Zesuitcnacjetzes herdcisührcn mochte. Welche Regierung oder welche Negierungen auf dieser Seite sich be- stntcn, wirb man ja woht erfahren. Bayern wird sich aus dieser Leite wohl nicht befinden, wenn die anscheinend gleich falls ossiciösc Meldung sich bestätigt, der bayerische Antrag aus Wiederzutassung der R e d e in p l o r i st e n sei im Bundcsralhe bereits zur Annahme gelangt oder werde zur Annahme gelangen und die bayerische Regierung werbe infolge dieser Eonecssion an dem in dieser Leise ulodisicirten Zcsuitenzesetze sesthallen. Tiefe Evn- cession würde freilich den Werth der bayerischen Zustimmung zur Ausrechterhattung des modificirten Zesnitengesetzes wesent lich hcrabsctzcn. Za, wir müssen gestehen, daß uns die Wicrcrzu- lassung der Redemptoristen fast eben so bedenklich erscheinen würde, wie die des Jesuitenordens selbst. Die beiden Ge nossenschaften sind sich verwandt wie zwei leibliche Schwestern. Sie haben dieselben Ordensregeln und dieselben Ziele, unter denen die Mission in protestantischen Ländern voransteht. lieberall noch, wo die Jesuiten ausgewicsen waren, traten die Redemptoristen an ihre Stelle, schien deren Wirksamkeit fort und halfen ihnen die Wege zur Rückkehr bahnen. Es möge» cst genug dieselben Personen gewesen sein. Mit vollem Rechte hat daher auch seiner Zeit der Bundesrath die Redemptoristen als eine den Jesuiten verwandte Eongregation erklärt und aus dem deutschen Reiche ausgeschlossen. AuS Wien meldet heute der Telegraph, daS „N. W. Tagbl." lasse sich telegraphisch aus Paris melden, die beiden be anadizten fraiizüfischcn Marinc-Lssikirre erklärten, daß sie zwar in Gl atz bei ihrer Abreise von der Menge auf dem Bahnhofe begrüßt, aber auf dem Wege dahin nicht .acclamirt" oder gar mit Blumen beworfen worden seien, wie ein Berliner «cnsationsbtatl gemeldet habe. Auch die „Glatzer Zeitung" erklärt die Meldung von der Blumcn- demonstration für unwahr. DaS ist höchst erfreulich; die vom Kanzler Leist mit Vorliebe verwendeten Instrumente werden dadurch aber nicht überflüssig für den Ort, an dem die beiden Officiere einen Theil ihrer wohlverdienten Strafe verbüßten. Diese Instrumente würden mit demselben Rechte an dem Glatzer Fabrikanten der Sensat ionsnachricht zur Anwendung gebracht werden, mit dem sie bei den angeblichen Leranstaller» der Blumendemonstration zur Verwendung gekommen wären. Hoffentlich läßt man in Glatz keine Mühe sich verdrießen, um diesen Fabrikanten der Dunkelheit zu entziehen und nach Gebühr zu belohnen. — Die Aeußerungen der beiden fran zösischen Ossiciere über die ihnen in Glatz von den preußischen Osficieren zu Theil gewordene zuvorkommende Behandlung veranlassen übrigens einen Freund der „Kreuz-Ztz", aus daS gelegentliche Benehmen russischer Osficiere gegen preußische binzuweisen und daran die Forderung zu knüpfe», man möge die russischen Herren doch moros lehren. Der Gewährsmann der „Kreuz-Ztg." schreibt nämlich: „Vor wenigen Tagen — am 23. Juni — batte ich auf dein Bahuhose der Stadt Zarotichin Gelegenheit, eine Begegnung zwischen russische» und preußischen Lssicieren zu beobachte», und ich halte cs für richtig, das hierbei von den russischen Lssicieren für angemessen erachtete Benehme» festzunagelii, um so mehr, als es ein grelles Licht entweder auf de» Bildungsgrad oder die innere Gesinnung der Herren Lssiciere unseres HandetSverlragS-Nachbar» wirst. Die russischen Lssiciere benutzen unsere preußischen Grenz- eisenbahnen ausschließlich, uni von einer Grenzgarmson zur andere» zu komme», bez. zu ihren Dienstreisen zwischen Warschau und de» russisch.polnischc» Greuzgarnisonen, da sic selbst drüben keine Eisen- bahnen in der Nähe der Grenze habe». Die Herren fahre» dann in voller Uniform, natürlich auch mit dem Säbel bewaffnet. Am genannten Tag, stiegen in der preußischen Stadt Jarot- chin sechs russische Lssiciere in Uniform aus dem von Kreuz- burg kommenden Zuge. Gerade vor ihrem Coups stand zu- fällig ein preußischer Major in voller Uniform ohne Paletot. Sämmtliche russische Lssiciere gingen einer nach dem anderen an den, preußischen Major vorbei, und kein einziger hielt es für liöthig, zu grüßen, vielmehr sagen sie ihn so etwa in der Art an, als warteten sie hochinüthig darauf, von dem Preußen zuerst gegrüßt zu werden. Ein russischer Geiicralstabsossicicr und ei» Oberst kamen zuletzt: auch dierbci wurde ein Gruß nicht gewechselt, obwohl der preußische Major ersichtlich sich anschickle, diese Herren ihrer höheren Edarge enlspr'chend ans Courtoisie zn grüßen; er unterließ es aber, weil die Herren Russen auch nicht im Mindesten Miene machten, den Gruß zu erwidern, oder, wie man woht er- warten tonnte, ihm zuvorzukommcn. Diese Begegnung machte einen durchaus peinlichen Eindruck und trug den Stempel der herausforderndsten Feindseligkeit; man wird es natürlich dem preußischen Etabsossicier nickt verdenken, daß er die jungen russischen Lieutenants auf preußijchem Grund und Boden nicht zuerst grüßte. Gleich daraus meldete sich der preußische Major einem preußischen General, der ebensall» auS dem Zuge stieg — der General trug ebenfalls keine» Mantel — seine Charge war also wohl kenntlich. Tie Abstattung dieser Meldung wurde von de» russischen Lssicieren bcobachlet; als die russischen Herren gleich daraus an dein preußischen General vorbeigingen, grüßten sie auchdiesennicht, sehen sich dann aber zur Genüge nach ihm um. Schließlich standen dort noch drei preußische Jnsaiilcrie-Lfficiere, die auch nicht gegrüßt wurden. Ich würde es sur angemessen, halte», wenn von unserer Seite den russischen Militairbehördc» empfohlen würde, den russi- scheu Osficieren das Betreten preußischen Grund und Bodens bis zur nächsten Mobilmachung zu verbieten — denn einmal darf es unseren Behörden nicht gleichgiltig sein, daß unseren Lssicieren im eigenen Lande dieser Ausdruck vollkom mener Mißachtung durch russische Lssiciere geboten wird —, ferner aber werden die russischen Behörden cs selbst nicht angenehm empfinden, daß ihre Lssiciere sich bei uns tactloS benehmen. Was wäre denn die Folge gewesen, wenn ein einziger der zahlreichen Zeugen dieser unangenehm ausfallenden Borgänge die russischen Lssiciere einfach gestellt und ihnen die Beachtung der allernothwendigslen landesüblichen Anstandsregel» preußischen Lssicieren gegenüber anempsohlen hätte? Wider- und Gegenrede hätte» zweifellos einen „Grenzsall" hcrbeigesührt. denn diese Art östlicher Nachbar» ist uns hier als grob und hochfahrcnd zur Genüge bekannt. Unseren Lssicieren ist das Ueberschreiten der russische» Grenze überhaupt ver boten — im Ausnabwesall haben unsere Herren gelegentlich im Manöver hier und da wohl die Grenze besuchsweise überschritten, doch mußte» sie daun vorher aus der russischen Grenzwache den Sabel oblegen." Ist das Alles richtig, so beweist cS jedenfalls, daß daS russische LfsicierScorps recht ungebildete und politisch sehr unreife Elemente enthält, denen eS nichts schaden könnte, wenn sie von ihren Vorgesetzten eine Belehrung über die Pflichten der Höflichkeit empfingen. Um dieser ungebildeten Elemente willen eine Maßregel eiiitreten zu lassen, welche die ganze russische Armee und denZaren kränken müßte, das würde vielleicht »ock mehr als einen „Grenzfall" provocircn, der nicht einmal im Interesse jener Deutsche» läge, die mit dem russischen Handels verträge unzufrieden sind. Ungebildete und rohe russische Ossicicre »ach Gebühr zu behandeln, überläßt inan wobt am besten Denen, die von solcher Unbildung und Robheit z» leiten Kaden. Die deutschen Osficiere werde» das auch ohne Nalh- chläze und Intervention der .Kreuzzcitung" fertig bringen, ebenso wie sie im ErnstsaUc auch solchen französischen Ossi- cicren gegenüber, denen sie im Frieden alle zulässige Höflich keit erweisen, ihre Pflicht kennen und erfüllen werden. Zn Belgien dürsten nun doch die Liberalen aller Schattirungcn, vielleicht mit Ausnahme der Sociakisle», bei den nächsten Wahlen zusammciigeben, um die klerikale Mehr heit in der Kammer zu brechen. Ehe eS aber aus dem radicalcn Eongrcß am I. Juli zu einem, dieses Bündniß anbaknendcn Beschlüsse kam, trat der Gegensatz zwischen den „Alten" unter Führung von Föron und Zanson und den „Zungen" unter Furncmont, Brunet und Pcrgameni noch einmal grell zu Tage, und cö hatte eine Zcitlang den An schein, als ob cs zur offenen Spaltung im radicalen Lager kommen würde. Schließlich aber kcbrtc sich der Eongrcß nicht um die Rivalität der Führer, sondern nahm nach langer und bestigcr Beralkung, worin Zanson für die Verbündung sämmtlicher antiklerikaler Gruppen, d. h. Auf tcllung einer gemeinsame» Bcwerberlistc unter Anwendung deS Grundsatzes der verbättnißmäßigen Vertretung und Föron sür die sofortige Abschaffung des MehrstimmenrechtS bei den Gemeinde- und ProvinzialrathSwabten eintrat, mit un geheurer Mehrheit den Antrag Föron'S an und beschloß betreffs der Wahlbündnisse, daß den einzelnen Wahl- Vereinigungen in dieser Hinsicht vollständig freie Hand zu lassen sei. Hiermit ist wenigstens die Möglichkeit eines Wahlbündnisses sämmtlicher antiklerikaler Parteien zugestanden. Es bleibt nunmebr abzuwarten, ob der Brüsseler fortschrittliche Wahlverein, auf den eS in erster Linie an kommt, von dieser Möglichkeit Gebrauch macken wird, und wenn ja, ob dann auch die gemäßigte» Liberalen und die Socialistcn bereit sein werde», sich durch Vermittelung der Radicalcn die Hände zu einem derartigen Bündnisse zu reiche». Eine Einigung aller liberalen Slreitlräste ist um so nolhwcndiger, als daS Pluralwahlsystem bekanntlich ohne hin die klerikale Partei in bedaucrnsivertker Weise begünstigt, und der Kampf nicht mit gleichen Waffen geführt werden wirb. Zeder französische Präsident hatte bisher mit dem Mißtrauen zu kämpfen, daß seine Politik stets daraus ge richtet sei, sich die Majorität des künftigen EongresscS zu sichern. So schien cS. als wäre daS Oberhaupt der Re publik nicht frei von Eigennutz und gegenüber seinen Neben buhlern befangen. Wie oft wurde Earnot angegriffen, weil die falsche Meinung verbreitet war, er wolle die hervor ragenden Persönlichkeiten der Republik abnützen, um der einzig mögliche Eandidal für die Präsideutschast zu bleiben. ES ist seither bekannt geworden, daß Earnot fest entschlossen war, sich inS Privatleben zurnckzuzichen. Easimir Pe r ie r handelt jedoch weise, diese Absicht jetzt schon cmzukündige», denn nun ist er in den nächsten sieben Zähren vor dem Verdachte geschützt, in seiner Politik die Stütze einer dauernden Macht zu suchen. Rach siebe» Zähren wird Easimir Pericr daS Elysec verkästen, um wieder ein ein facher Bürger zu werben. Eö liegt darin ein Zug der Größe. Ein Präsident der französischen Republik, der seine Würde niedcrlegt, hat damit aus daS politische Leben ver zichtet, denn er kann sich nach der geltenden Sitte weder in die Kan,incr noch in den Senat wählen kaffen. Easimir xrier wird dann vicruntfünfzig Zähre alt sein, und cS ist ein hartes Opfer, aus der Höhe der männlichen Kraft von jeder politische» Thätigkeit entfernt zu bleiben. Die Gegenwart wird ihm jedoch den künstigen Verlust ersetzen. Ein Präsident, dem der Eongrcß nichts mehr zu bieten bat, der nickt um Stimmen zittern und Anbänger werben muß, ist ein wahrer Schiedsrichter der Parteien, denn er ist von ihnen voll- iäntig unabhängig: er kann das Vertrauen der parla mentarischen Führer ohne jede Einschränkung genießen, denn er ist kein Hindernis; ibrcS Ehrgeizes; er wird die chwercn Krisen vermeiden. die auch daS Elysse zuweilen nicht geschont haben, weil der Präsident als Cantidat galt. — Z» der politischen Haltung Frankreichs nack außen wird, wie wir schon audeuteten, durch den Präsikentcnwcchscl voraussichtlich sich nichts ändern, denn Easimir Pericr wird noch weniger in der auswärtigen als in der inneren Politik vo» den Wegen seines Vorgänger- ab Weichen. Kriegerischer Ueberciser, auch in der Ration, dürste »och nicbr gedämpst werden durch die wachsenden inneren Schwierigkeiten und die Aufgabe, mit fester Hand die revolu tionär-anarchistische Bewegung niederzuhaltcn. Jede auf an deres als die möglichste Wahrung des internationalen FriedenS abziclcntc auswärtige Politik der französischen Staatsmänner würde lediglich die Geschäfte der Anarchisten betreiben Helsen, wclckc letzteren nur zn genau wisse», daß ibr Weg durch große Katastrophe», gleichviel ob Weltkrieg oder Weltrcvolutio». führen muß. Wer daher den anarchistischen Bestrebungen nickt direct oder indirect Vorschub leisten will, wird den Ge danken an die geflissentliche Hcransbcschwörung ernster inter nationaler Gefahren mit Entschiedenheit von sich weisen. Da rüber scheint Easimir Pericr völlig mit sich im Reine» zu sein. Er ist ohncdicS ein rubigcr, besonnener, abenteuerlichen Gelüste» nicht geneigter Mann, er wird gewiß das Seine thun, fried liche Beziehungen zwischen den Völkern zu pflegen, und dem seiner Ration lies eingeprägtcn Haß gegen Deutschland und auch gegen Zlalicn nickt leichtfertig neue Nahrung zu- sührcn. ZcdcnjallS hat Europa nicht den geringste» Anlaß, Perier weniger Vertrauen entgegenzubringc» ats seinem Vorgänger. — Wenn wir kürzlich miuheiltcn. der Präsident der französischen Republik babc eine deutsche Erziehung genossen, so ist zu berichtigen, baß sein Er zieher Oi. cLlruve nicht ans Hannover, sondern anS Halber stadl stammt. Er lernte die Familie Perier >858 in Paris kennen, als Casimir Perier einen Erzieher für seine beiten Söhne Easimir und Peter suchte. Seine Wahl siel sebr schnell aus Iw. Struve, daS Verhältnis; zwischen der Familie Perier und ihm wnrdc von Zahr zu Zabr schöner und inniger, und vor allen Dingen gestaltete sich das zwischen dem Lebrer und dem ältesten Schüler zu einem selten freund- schaftlichen und vertraulichen. Nachdem die Gymnasialstudirn aus dem Lycöe FonlancS in Paris mit glänzendem Erfolge beendet waren, bereitete I>r. Struve im Verein mit einem nainbaslen Gelehrten, Monsieur Georges Perrat. den jungen Mann vor, daß er ös lottres wurde. Während er darauf seinen juristischen Studien oblag, arbeiteten er und sein Erzieher noch viel und regelmäßig zusammen, bis Letzterer 1877 von dem KricgSininister Grasen Fabrice einen Ruf an daS königlich sächsische EadcttencorpS erhielt und nach Dresden zog. Ein lebhafter Briefwechsel zwischen ihm und seinem früheren Zögling entwickelte sich und dauerte ununterhrochen bis zu dein im Jahre l885, erfolgten Tode deS Erziehers fort. Was wir über den moralischen Einfluß Struve'- ans Easimir Perier sagten, ist stet- von ihm selbst, sowie von seiner ganzen Familie anerkannt worden. FeuiUetsn. Die alle gute Zeit. Ein« Erzählung au-Niedersachsen von Greg. Samarow. 17s Nachdruck Verbote». (Fortsetzung.) Sein Vater hatte den bestimmten Wunsch aus gesprochen, daß er sich bald vermählen solle, und er mußte ja die Berechtigung dieses Wunsches dvrchauS anerkennen, da es galt, das gräfliche Haus der bedenk lichen Stellung auf zwei Augen so schnell wie möglich zu entziehen. Er halte aus seinen Reisen noch niemals an diese wichtige Frage gedacht, sondern sich ruhig dem Genuß des Lebens hingegeben, wie man ja in der Zugend ein oder zwei vorauSliegende Jahre für eine unermeßlich lange Zeit anzu- seben geneigt ist, und nun trat dieser entscheidende Wendepunct seine-Lebens plötzlich so ganz nahe a» ihn heran, und schon im nächsten Winter sollte ihm die Verpflichtung auferlegt werden, eine Wabl unter de» Töchtern des hannoverschen Adels zu treffen. Eine Wabl! batte er denn überhaupt noch eine Wahl zu treffen? Schon während der Unterredung mit seinem Vater war immer wieder da- anmuthige Bild der Nichte deS Dechanten vor ihm ansgestiegen, wie sie vor ihm stehend und erröthend ihm eine Blume de- Gartens darbot cder wie sie von ihrer Arbeit ausschaucnd mit leuchtenden Augen seinen Worten lauschte, wenn er neue Gedanken, die ihr bisher fremd gewesen unv ihren lebendigen Geist anrcgten, in ihr erweckt oder wie sie bei seinen Scherzen mit kindlicher Fröhlichkeit in das heitere Lachen ibrcS OheimS einstimmte. Er batte sich dem süßen Reiz tcS VerkebrS mit dem jungen Mädchen, daS so ganz eigen und ander- geartet war als die Damen der Welt, bingcgeben, ohne über die Zukunft nack- zudenken, ja ohne darüber Nachdenken zu wollen, wie man sich an einem schönen Frühlingstage ja selbst davor scheut, an die schnelle Vergänglichkeit der duftigen Blüthenzeit zu denken. Wenn ihm aber seine Gefühle sür Anna selbst nicht zum deutlichen Bewußtsein gekommen sein mochten, so war er sich doch bei dem Gespräch mit seinem Vater und noch mehr bei seinem einsamen Nachdenken über dasselbe immer mehr und mehr klar darüber geworden, daß sein Herz mit der ganzen und vollen Liebeöwärmc der Zugend Anna gehörte und immer und unabänderlich gehören werde. Er schauderte bei d«» Gedanke», Anna nicht mehr zu sehe», ihre Stimme nicht mehr zu hören und gar mit einer fremden ungeliebten Frau sür da- Leben verbunden zn sein, nun aber diese volle Klar heit in seinem Herzen aufgcgangen war, da überkam ihn wieder eine bange Furcht vor der Zukunst, wenn er an den ganzen Glanz zurücktachtc, der sich in dem Ahnensaal seine- väterlichen Schlosses entfaltete, an alle die Ehren, die seinem Vater dargcbracht waren, und dann sich vorstellte, was cS bedeute, in diesen Glanz, in diese Kreise die einfache Tochter des unbedeutenden und unbekannten GerichtüschrciberS ein zuführcn. Dann kam cS ihm vor, als ob ein unüberstciz- liches Felsengebirge sich vor ihm aufrichte, daS die lichte Zukunft seines Glückes verschloß und über daS menschliche Kraft keinen Weg finken könne. Doch dnrchzittcrte wieder glückselige Wonne sein Herz, wenn er träumend sich auS- malte, wie cs sein würde, wenn er dennoch Anna in daS stolze Schloß seiner Väter als Gräfin cinführen könnte, wie sie in lieblicher Verwirrung zittern und crröthen würde, scheu und surchtsam die Augen niedcrschlagend, unv wie sic dennoch soviel tausendmal schöner, reizender und anmuthiger sein würde, als alle die anderen Damen ringsum, eine holde Perle, die erst in dem schimmernde» Glanz des GrasenschlosscS die richtige und würdige Fassung finden würde. Der Dechant war an einem trüben Herbstabend nach Angersum gekommen, um den Obcramtmann zu besuchen, mit dem er einige dienstliche Sachen zu besprechen halte. Da» Geschäft war bald beendet und die während desselben geleerte Flasche alten RüdeSheimer war durch eine zweite ersetzt worden, obgleich der Dechant dagegen Einspruch erhob, da er noch den Weg nach Hause zu machen habe und die Dunkelheit sich bereit- herabsenke. Ter Obcramtmann schüttelte unmutbig den Kopf. „Ihr werdet schwerfällig und pedantisch, mein alter Freund", sagte er, .und dazu seid Ihr nock nicht alt genug: bleibt bier, e» ist heute so ein trüber, langweiliger Tag. ich bin allein, und doch habe ich eine so rechte Lust zu einem guten Trunk und einem verständigen Gespräch. Ihr sollt rin Gla» von meinem besten Burgunder haben und ein Souper, wie eS meine Köchin nur Herstellen kann — habe da vor einigen Tagen einen seiften Nehbcck geschaffen, besten Ziemer beute gerade gut sein wird, und ich werde den Doctor und den Herrn von Bcrgbclz holen lassen — wollen ein Paar Robber Wbist spielen, und ich verspreche Euch bei meinem Wort, daß Ihr gut essen und trinken sollt!" ,Es kann nicht sein", erwiderte der Dechant, behaglich den duftenden Wein schlürfend und einen kleiurn Seufzer de- Bedauerns unterdrückend, „eS kann nickt sein, ich kenne daS schon, bei Euch hier, Domino satrapa, dauern die Sitzungen lange, und ich müßte ja doch vor Mitternacht ausbrcchen, da ich morgen das Heilige Amt zu verwalten habe." „Ich schicke Euch vor Mitternacht mit meinem Wagen nach Hause, mein Wort daraus", sagte der Obcramtmann. Der Dechant schien einen Augenblick zu schwanken. Tic Einladung mochte ihn locken. Draußen brauste der Wind. .Nein", rief er dann ansstehend, „da- geht nicht, Niemand weiß, wohin ich gegangen bin — meine Nichte würde unrubig sein über mein Ausbleiben bis in die Nacht hinein, und ich darf dem guten Mädchen solche Sorge nicht machen, komme ein andermal und sage kann vorher zu Hause Bescheid — wollt Ihr mir aber Euer» Wagen geben, so werde ich Euch dankbar sein, das Wetter ist kalt, unv eö könnte regnen." „Da haben wir'S", ries der Oberaintmann heftig, „kaum setzen die Frauenzimmer irgendwo einen Fuß ins HauS, da führen sie auch gleich den Pantoffel ein. — Ihr geistlichen Herren solltet eigentlich davor sicher sein, darum verbietet Euch die Kirche wohlweislich das Heiratlien — aber cS hilft nichts, ist'S die Frau nicht, so ist's die Nichte, die sich an dem alten Onkel auf die HauStyrannci cinübt, die sie später einmal an ihrem Mann üben wird. — Nehmt - mir nicht übel, Dechante, so zimperlich sicht mir Eure Nichte gar nicht auS. alS ob sic wirklich Vcsorgniß haben möchte, wo Ihr geblieben sein könntet. — Meinen Wagen kann ich Euch jetzt übrigen- nicht geben, die Pferde sind gerade im Füttern — in der Nacht mal herauszugchen, da- schadet ibnen nicht-, daS müssen sie leisten, aber auS dem Futter kann ich sie nicht reißen, also bleibt hier, nehmt Bernunft an!" „Nein", sagte der Dechant, der durch die Bemerkung des OberamtSmannS ebenfalls etwa- gereizt-war, .ich babe Euch ja gesagt, daß es nicht gebt und daß ich nicht will, und wenn Ihr von Hau-tyrannei sprecht und meint, ich stände unter dem Pantoffelregimcnt meiner armen Nichte, die doch die Sanstmuth und Bescheidenheit selbst ist, so muß ich Euch sagen, daß ibr die Gewohnheit angenommen habt, der Tyrann von aller Welt zu sein, und so denn Guten Anend! — und ,ch wünsche Euch wohl zu ruhen", fügte er milder hinzu; denn seine natürliche Gutmütbigkeit und sein christ licher Sinn erlaubten ihm nicht, im Unwillen von dem Freunde >u scheiden. Der Oberamtmana hatte finster die Augenbrauen zu- sammcngezozcn, als der geistliche Herr so energisch rcplicirte; aber bann zuckte ein verschmitztes Lächeln ui» seine Lippen und listig blitzten seine Augen, als ob ein in ihm aus- steigender, besonders erheiternder Gedanke den Unmuth über die verlorene Aussicht auf einen fröhlichen Abend ver scheucht hätte. Er schüttelte die dargebotcne Hand seines geistlichen Freundes und sagte mit einer feierlich zurechtgeleglen Miene der Ergebung: „Nun, cS thut mir leid, baß ihr so halsstarrig seid, aber ich kann'S nicht ändern — gute Nacht also. Hört Ihr wohl", sagte er, als der Dechant schon die Thür geöffnet und den Fuß auf die Schwelle gesetzt hatte — „hört Ihr wohl, wie der Wind weht — ein solcher Abend ist unsicher vom Himmel und von den Mensche» — eS sind da einige Strolche in der Gegend, auf die ich fahnden laste — Dechante, Dechante, ich glaube, Ihr kommt zurück, wenn Ihr erst erkennen werdet, auf welchen bösen Weg Ihr Euch begebt." „Ich habe mich noch nie vor Räubern gefürchtet und vor dem Regenguß auch nicht", sagte der Dechant lachend, .also mit dem Wicterkominen wird cs wohl nichts sein." „Ich habe so ein Borgesükl", ries ihm der tberamtman» noch nach, „ick sage Euch, Ihr werdet wicterkominen und obgleich Ihr cS nicht verdient hättet, sollt Ihr dann doch noch meine» alten Burgunder probiren." „Arien" — ries der Dechant und schloß die Thür hinter fick. Der Oberamtmann lauschte seinen Schritten auf der Treppe. Dann rieb er sich ganz vergnügt die Hände und zog die Glocke. .Ich laste den Herrn Doctor Mendel und den Herrn Auditor von Berzholz zu einem Robber Whist bitten" — bcsabl er dem cintrctenken Diener. .Der Herr Auditor von Bergbolz sind vorhin ausgeritten und vielleicht noch nickt wieder zurück", antwortete der Diener .So laß die Bestellung in seiner Wohnung", ries der Oberaintmann, „und schaffe den Doctor her. eS ist, als ob sich Alles verschworen hat, mich beute zur langen Weile und zur Einsamkeit zu verdammen", fügte er unwillig hinzu, „und dann schicke mir den AmtSvogt unk die Köchin!" Der Diener eilte davon. Nach wenigen Augenblicken wurde der schwere Tritt de alten Philipp» aus der Treppe hörbar. Ter Obcramtmann hatte eine kurze Unterredung mit seinem
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