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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940706029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894070602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894070602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-06
- Monat1894-07
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ES mußte gewiegten SichcrbcitSagenten alsbald auffallen, baß der Mörder Carnot'S, Caserio Santo, ebenso wie der Urheber des Atten tates gegen CriSpi, von Cctte an den Schauplatz ihrer Ver brechen abgereist waren, desgleichen die beiden sraiizösischen Anarchisten, welche an dem zu Beginn des vorigen Monats gegen daS Leben des Zaren gerichteten An schläge bethciligt waren. Berichte, welche dem italienischen Minister des Innern von mehreren im Auslaute tbätigen Geheimpolizeibeamlen zugegangen sind, ferner ConsulatS- berichte, die das auswärtige Amt in Rom erhalten hat, stellen das Vorhandensein einer internationalen anarchistischen Mordverschwörung außer allem Zweifel. Man hat jetzt Gewißheit darüber, daß Caserio Mitschuldige besitzt, daß mehrere seiner Freunde und Mitverschworenen um seine Pläne wußten und ihm die zur Ausführung desselben erforderlichen Geldmittel überwiesen; denn der ihm von seinem Arbeitgeber ausgezahlte Arbeitslohn hätte nicht ausgereicht, um die Reise von Cettc »ach Lyon, mit Unterbrechung in Montpellier, und Len Ankauf der Mordwaffe zu bestreiten Auch der Crispi-Attentäter Lega hätte ohne wcrkthätige Unterstützung der Mitverschworcnen nicht von Cette nach Rom reisen, sich unterwegs in Bologna die beiden bei ihm beschlagnahmten Pistolen kaufen und im Augenblick seiner Festnahme sich noch im Besitze von etwa 30 Lire befinden können. In polizeilichen Fachkreisen zweifelt man also weder an dem Vorhandensein einer weitverzweigten anar chistischen Mordverschwörung, noch auch daran, daß dieselbe wohlorganisirt ist und über beträchtliche Geldmittel gebietet. Die Schwierigkeit, den Spuren der Anarchisten nachzugchen, liegt nur darin, daß sie keinerlei ständigen ActionSmittel pmicl haben, sondern sich bald da, bald dort versammeln, wo eS gerade am unauffälligsten geschehen kann. Auf der Zusammenkunft in Cette wurden die Anschläge geg den Zaren, gegen Carnot, CriSpi und den Gouverneur v Barcelona entworfen und beschlossen. Als aber der Angriff Lega'S auf den italienischen Ministerpräsidenten mißglückt war, fand eine neue Versammlung statt, in welcher beschlossen wurde, der Anwendung von Sprengbomben, wie auch von Schußwaffen hinfort gänzlich zu entsagen und sich blos noch der blanken Waffe, als der unbedingt sichersten zu be dienen. Wie prompt die Beschlüsse de» anarchistischen Executiv- comitvS zur Ausführung gelangen, zeigen außer der Ermordung Carnot'S der ebenfalls todtlich verlausene Anfall aus dcnRedacteur Bandi in Livorno, sowie auf den Marauis CubaS, der nur durch das unvermuthet rasche Dazwischcnwerfcn eines Dritten vor dem Mordstable bewahrt blieb. Man nimmt nun an, daß die Anarchisten zunächst sich aufs Zu warten verlegen werden, um der öffentlichen Meinung Zeit zur Beruhigung zu gönnen, und daß sie sodann ihre Meuchel mordcampagne mit verstärkten Kräften sortsetzen werden Doch könnte eS auch geschehen, daß der Proceß Caserio'S schon zu einer früheren Wiedereröffnung der „Propaganda der Thal" führte. Da» Bestehen einer weitverzweigten Verschwörung gegen die Staatsoberhäupter und leitenden Staatsmänner wird hoffentlich die zwischen den am meisten bedrohten Mächten bereits eingeleiteten Erörterungen über gemeinsame Maß regeln gegen den Anarchismus in lebbastere» Fluß bringen Bis jetzt kabe», wie aus einem zweifellos inspirirten Artikel der „Nordd. Allgem. Ztg" hcrvorqcht, diese Erörterungen »och nickt weil geführt. Zunächst ist man sich nur darüber klar geworden — wenigstens in Berlin —, daß eS iuil dem von einigen Blättern vorgeschlagciicii Mittel, die Anarchisten zu deporliren, auch wohl sie aus eine entlegene Insel zu chaffen, wo sie nach Gefallen sich untereinander lodtschlagen oder der Natur mit harter Anstrengung ihren Lebensunterhalt abringen mögen, nichts ist. Die „))!ordd. Allgem. Ztg." weist dies folgendermaßen »ach: „Wir fürchten schon n priori, dafi eine solche Insel, bei der jede Möglichkeit der Entweichung oder Befreiung durch Genossen aus- geschlossen ist oder selbst durch kreuzende Kriegsschiffe unschlbar vcr« legt werden kann, aus der Erdkugel nicht existirt. Vor Allem aber wäre zu fragen: Wer soll deportirt werden? Mit Anarchisten, die ihr politisches Glaubensbekenntnis; mit einer That besiegelt haben und sich in den Hände» der Justiz befinden, wissen wir schon jetzt fertig zu werden: wir legen ihnen Len Kops vor die Füße. Ein Mehr in der scharsen Behandlung ist nicht möglich und ein anderer Weg höchstens eine Verschlechterung. Es könnte sich also nur um Leute handeln, die bisher lediglich mit Worten ihre anarchistische Gesinnung an de» Tag gelegt haben. In ihnen kann der Keim zu einem blutdürstigen Fanatiker und Mordbuben stecken, ein Keim, den die erste Gelegenheit reis werden läßt; sie können aber auch zeitlebens Worthelden, innerlich zitternde Schächer, die sich lediglich an blutrünstigen Tiraden oder Greueln der Phantasie bcrauichen, bleiben, ober »ach einigen Jahren die wüsten Dünste aus ihrem Gehirn herausgesegt haben und sich in brauchbare Staatsbürger verwandeln. Sollen alle diese Arten, die auf den ersten Blick sich auss Haar gleichen und zwischen denen erst die spätere Erfahrung und das Leben scharfe Grenzlinien ziehe», in derselben Weise behandelt werden? Man wird sich nur schwer entschließen können, diese Frage zu bejahen; man wird die Sühne, die, unter Umständen ohne Noth, vielleicht nur für die verrücklen Träumereien eine- Jugendjahres mit der Vernichtung und AuSiöschung des ganzen bürgerlichen Lebens geleistet werden soll, zu hart finden. Man könnte diesen scharsen Mcsserschnitt am Leibe der bürgerlichen Gesellschaft höchstens dann gerechtfertigt finden, wenn wirklich mit einem solchen radikalen Eingriff die volle Heilung des Uebels erreicht wird. An diesen Erfolg aber ist leider schlechterdings nicht zu denken. Alles spricht vielmehr dafür, dafi anstatt des eben ausgejäteten alsbald neues Unkraut ausjchicfien wird; schon an dem Anblick der gefesselt auss Schiss zur Deportation Geführten kann sich eia neuer Funke des Fanatismus ent- zünden. Als einzig haltbarer Gedanke bliebe somit nur der, die Deportation in bedingter Form und an einen Ort, wo der anarchistischer Gesinnung Verdächtige beständiger Beobachtung unter- steht, erfolgen zu lassen und die Rückkehr für den Fall sreizugeben daß man eines durchgreifenden Wandels der Denkart sicher zu sei» glaubt. Auch bei diesem Weg aber bliebe das Resultat problematisch. Der observirte Anarchist würde begreifen, wo seine Chance liegt, und sich nach Kräften der Heuchelei befleißigen." Dann geht das osficiöse Blatt auf den ferneren Vorschlag ein, internationale Verständigungen hcrbcizusühren, durch die der Asylfreiheit anarchistischer Verbrecher, soweit sie noch besteht, ein Ende gemacht wird und der Anarchist »n Be tretungSfalle nach seinem Heimathlande zurückbcfördert werden kann, wo sein Thun und Treiben sicherer beobachtet zu werden vermag. Auch bei diesem Vorschläge tritt die noch ungelöste Frage hervor, ob nur die Anarchisten der Thal, oder auch die Maulhelden ausgewiesen werden solle», und dann macht sich die Frage geltend, ob in den einzelnen Staaten die polizeilichen Einrichtungen und die Thätizkeit der Polizeibehörden so »st, daß von ihnen ein ersprießliches Zusammenwirken mit den betreffenden Behörden der übrigen Staaten zu erwarten ist. lieber diese Cardinalfrage bat man sich völlige Klarheit noch nicht verschaffen können; sic wird auch schwer zu erreichen sein, da gerade diejenigen Staaten, deren polizeiliche Organisationen zu wünschen übrig lassen, sich nicht beeilen werden, ihren Ruhm an die inter nationale Glocke zu hängen. Nach einer bereits telegraphisch gemcldetcii Information der „Nat.-lib. Corr." scheint cs scstzustcbc», daß die Lösung der Jcsuitknsragc im Bu » deSralhe so erfolgt, wie wir dicS gestern als wahrscheinlich bezeichnet haben, daß nämlich der alte bayerische Antrag ans Ausnahme deö Redempto risten ordcnS von dem Jesuitcngcsetzc angenommen wird, das letztere als solches aufrecht erhalten bleibt, aber eines wichtigen BestandthcilS entkleidet wird, lieber daS Maß der Verwandtschaft zwischen Redemptoristen und Jesuiten haben die KirckenrcchtSlchrcr von jeher gestritten. Die Mehrheit des BundeöratbS war bisher der Ansicht, die Verwandtschaft ei eine so enge, daß die erstcrc» lediglich als eine Ver kappung der letzteren zu betrachte» seien. Es muß sich aber in allerneuester Zeit in dieser Anschauung der Mehrheit dcS BundeSrathS eine Aenderung vollzogen haben. Man hört, eS werte der GesichtSpunct geltend gemacht, ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Congregationcn bestehe darin, daß die Redemptoristen der Obrigkeit des deutschen EpiScopatS unterstände», während die Jesuiten eine internationale Genossenschaft unter auswärtiger Leitung seien. Jedenfalls werden die Redemptoristen die wirksamsten Agitatoren für die völlige Beseitigung deS JesuitengesctzeS werden. waren, geleitet von parlamentarischen Hetzaposteln au» dem radieal-socialistischcn Lager, in unleugbarem inneren Zusamiiicnbang mit dem Aufleben deS Anarchismus standen, ja, als dessen Ouellc und Nährboden bezeichnet werken müsse». UcdcrdieS sind die gerichtlichen Vcrurthcilungen aus Grund jener AuSftäiidc von vornherein unverhältmßtiiäßig milde ausgefallen. Man muß in Anbetracht alles dessen also den Entschluß Casimir Pcrier'S als zunächst be- stcmdlich bezeichnen, da die allgemeine Meinung ihn für einen Man» von ganz besonderer Energie gegenüber Allem kielt, was mit dem Anarchismus in Verbindung steht. Ent sprechend der noch nicht ganz durchsichtigen Haltung de» StaatSchesS ist auch die der Kammer noch keine sichere. Sie volirtegesteriizwar »>it47»gcge» »'»^Stimmen die Ablehnung deS ocialistischen Antrags aus Verherrlichung der Commune und wählte B » rdeau, den Freund Casimir Pcrier'S, zum Vorsitzenden, aber immerhin vereinigte der radikale Brisson die nicht unansehnliche Minorität von 157 Stimmen aus sich. E» iegt also doch »och die Gefahr nahe, daß ein Thcil der RegierungSradicale» sich in den srcial-raeicalen Strudel ziehen läßt und zwar um so mehr, als cS nicht gerade sehr cbarse Saiten sind, die Casimir Perier der äußersten Linken gegenüber in seiner Botschaft aufgezogen hat. In der Schwei; gehen die Chancen der Socialdcmekratie immer mehr zurück. So bestätigt es sich vollauf, daß die Sammlung von Unterschriften für die von den Sociatisteu ins Werk gesetzte Initiative zur Einsührung der unenlgelt lichen Krankenpflege und deS Tabakmonopols, daS die Kosten der letzteren tragen sollte, den nöthigcn Erfolg nicht gehabt hat. Der Vorstand des schweizerischen Arbeiter bundcS beschloß daher, diese Sammlung einzustellen, tröstet aber die Genossen damit, daß der im Auftrag des BundeSrathS vom Nationalratb Forrer auSgcarbcitete, von einer großen, aus Fachmännern und Mitgliedern aller Parteien zusammengesetzten Commission durchberatkene und abgeänderte Entwurf der Unfall- und Krankenversicherung — welchem mit der Initiative ein Bein gestellt werden sollte — einer nochmaligen Um arbeitung unlerworjen werde, die möglicherweise ihn den Forderungen vcr Arbeiterschaft näher bringe. Der Haupt zrund des Rückzuges ist aber jedenfalls in dem wenig er mutbigenden Ergebnis; der Volksabstimmung über das „Recht aus Arbeit" (3. Juni) zu suchen. DaS Volk würde unwirsch werden ob der fortwährende» Beunruhigung mit gefährlichen und jedenfalls unverdauten socialistischen Projectcn und könnte am Ende auch wohlerwogene Vorschläge zur Socialrcform verwerfen. Der neue Präsident der französische» Republik hat seine Wirksamkeit nun doch mit einer thcilweisc» Amnestie eröffnet. Im gestrigen Ministcrrathe unterzeich ne:e er, wie aus Paris tclegraphirt wird, aus Anlaß seiner Wahl zum Präsidenten und auö Anlaß des Nationalsestcs am 14. Juli ein Dccret, durch welches 374 wegen Theilnahiiie an Arbeiler-AuSständen Verurtbeilte begnadigt werde» Ein endgiltiges Unheil über den Entschluß zu fällen, wäre noch versrübt, da cS sich ja an» Ende trotz der großen Zakl der Amnestirten um besonders zu nachsichtiger Bc- urtheilung geeignete, leichte Fälle handeln könnte und man also das Nähere noch abwarten »i»ß. Im Allgemeinen muß man aber doch mit der „National-Zeitung" daran erinnern, daß die zum Theil gänzlich frivolen französischen AliSständc der letzten Jahre, welche mit Arbciternoth und berechtigten Beschwerden nicht daS Mindeste zu thun hatten, sondern von Anfang an revolutionäre Manöver Der neue Sultan von Marokko soll, wie auS Blätter» Meldungen ersichtlich, entweder bereits vor den Tboren von Fez angelangt sei» oder doch dinnen kürzester Zeit dahin loiiiiiic» Hierzu wäre zu bemerke», daß die unruhige Haltung der Bevölkerung, namentlich in de» südwärts des AtlaS sich erstreckende» LaildeSgegeiidc», in der That die größteEile rathsam erscheinen läßt, da»i>r Abd-ul-A;iz in der großen Moschee von Miilcy-Jvriß in tce heiligen Statt, als welche Fez von den Marokkanern betrachtet wird,die rcligiöscWeihe seine» Herrschaft erkalten hat. ehe der Aufruhr offen daS Haupt erhebt. Die zahl reichen Anbänger der andere» nur formell von ihren An sprüchen zurückgctrcteiicn Throncaiididatkn, welche besorgen, von der jetzigen Herrschaft an die Wand gedrückt zu werden, finden an den nur »omiiiell unterworsenen Noinadciislämmen der Wüste ein versländnißvollcS Enlgegcnkomiiieii, da die selben jede» Vorwand zu PlünderungSzügen willkommen beißen, und Akd-ul Azi; noch nicht viel Gelegenheit gehabt hat, sich einen gefürchtete» Naiiien zu mache». Ein sehr großer Theil der Be völkerung Marokkos erkennt überhaupt die Hcrrschajt der Araber gar nicht an und sucht sich bei jeder Gelegenheit dem Einslusse der Sultane zu entziehen; eS ist dies die ursprüngliche, bcrberiscke (also bamilische), nickitarabische Bevölkerung, cö sind die Nachkomme» der alten Mauretanier, die als Ruwafah (Risiotcn) die nördliche» Raiidgcbirgc Marokkos bewohnen und als Scbliih i» zahlreiche» wohlbcscstigtcn Ortschaften in die Thälcr des hohen AilaSgcbirges sich zurückgezogen haben. Ihre Verwandte» finde» sich linter de» Name» Kabylcn, Kruinir :c. in den gebirgigen Küstcnrcgioncn von Algier und Tunis. Gelingt cS trotz dieser »„günstigen Verhältnisse Abd-ul-Aziz, die Oberhand z» gewinnen, so ist nach marokka nischer Anficht seine Herrschaft gesichert, denn mau rechnet, und nicht so ganz mit Unrecht, aus die Eifersucht der drei meist iiiteressirlcil Staaten als die beste Garantie der Unab- bängigkeit Marokkos. Nicht zu uiitcrjchätzeii ist auch die eigene Wehrkraft der Marokkaner. Wenn daS Heer auch nicht an nähernd so organisirt ist wie c», europäisches, so gestattet doch daS gebirgige, schwer zugängliche Terrain einen langen, aus giebigen Widerstand. Der Jnvasivii eines größeren europäi schen Heeres würde» sich auch die Verpflegungs-Verhältnisse hemmend c»tgege»stellen. »nd cS könnte sich bei einer even tuelle» Occupation zunächst wohl nur um die Beschießung und Besetzung von Küstenplätzen bandeln. DaS Alles weiß man am Hose Sr. scherisischcn Majestät recht wohl, und man Feuilleton. Die alle gute Zeit. Eine Erzählung auS Niedrrsachsen von Greg. Samarow. 18j Nachdruck «erboten. (Fortsetzung.) „Es ist allerdings unmöglich", sagte der Amtsvogt, indem er zur Thür in den finstern Hof binauSblickte, „Euch kann kaum ein Vorwurf treffen, mein lieber Wachtmeister — ich werde Euch ein warmes Glas Grog machen — der Herr Dechant wird das einseben, so unangenehm die Sacke auch ist, Ihr habt ja Eure Schuldigkeit getban — setzt Euch dort in mein Zimmer, ich werde den Herrn Dechanten sogleich zum Herrn Oberamtmann hinaussübren." AuS seiner Miene blitzte eine so unverkennbare Heiterkeit hervor, daß der Dechant ihn mißtrauisch ansab, und eS schien, als ob er sich über die ganze Geschichte seine eigenen Gedanken zu machen begann. Doch folgte er oem AmtSvogt, der ihm die Thür des Haupthauses öffnete und ihn dann die Treppe hinaufführte. Der alte Diener empfing sie mit einer tiefen Verbeugung, unter welcher das scharfe Auge des geistlichen Herrn eben falls eine mühsam zurückgehaltene innere Heiterkeit zu be merken glaubte. In dem Wohnzimmer, dessen Kerzenlicht und angenehme Wärme den Dechanten um so behaglicher anmuthete, je un angenehmer sein nächtlicher Weg gewesen war, saß der Ober amtmann und der Doctor bei einer Partie Piguet. „Dechanle!" rief der Oberamtinann aufstehend, „wahr haftig, da seid Ihr ja wieder! — Seht Ihr wobl, ich hab'S Euch ja gesagt. DaS hättet Ihr bequemer haben können — nun, Ihr wißt ja am besten, daß über einen reuigen Sünder Freude selbst im Hiinmelreia- ist. Ihr konimt übrigens gerade zur rechten Zeit — eben habe ich das Anrichten bestellt." Der Dechant war roth von dem scharsen Wind und von dem Zorn, der sein mildes Gemüth übermaant halte. Er wies die dargebotene Hand des OberamtmannS zurück und sagte: „DaS ist zu stark, daS ist wirklich ein Streich, wie er einem asiatischen Satrapa anstehcn würde, daS werde ich nicht so bingrhen lasten! Ehrliche Leute auf der Straße zu arretirrnl" „Arretiren?" rief der Oberamtmann, „mein Gott, waS habt ihr denn begangen?" „Nichts habe ich begangen, ich habe mich auSwcisen sollen, als der Dechant von Landerscn, den jedes Kind in der Gegend kennt." „Der Herr Oberamtmann werden verzeihen", sagte der AmtSvogt, der an der Thür sieben geblieben war, „der Gendarm Brandes hat den Herrn Dechanten für einen Vagabunden gehalten und hier abgelicfert — es war so finster, Laß er den hochwürdigen Herrn nicht erkannt hat, und es ist ja eine alte List der Herumstreicher, sich für Diesen oder jenen auszugeben." „O", sagte der Oberamtmann, „das tbut mir leid, thut mir wirklich sehr leid, Dechante, aber der Gendarm hat strengen Befehl, ich würde da draußen in der Finstcrniß Euch selbst nicht erkannt haben. Gebt dem Gendarmen einen ordent lichen warmen Trunk", sagte er zu dem AmtSvogt, „er hat seine Schuldigkeit gethan." „Schon besorgt, Herr Oberamtmann" — antwortete Philipps. „Außerdem bat der Brandes noch ein gutes Werk ge tban", fuhr der Oberamtmann fort, „er bat Euch von dem Wege Eures Starrsinns zurückgeführt und", fügte er etwas leiser binzu, „Euch von dem Pantoffelrcgiment losgemacht, dem Ihr zu verfallen im Begriff wäret." „Es ist stark, eS ist wirklich zu stark", rief der Dechant, dessen freundliche Augen so zornig blitzten, wie wohl seit vielen Jahren nicht. „Der hochwürdige Herr ist aufgeregt", sagte der Ober amtmann, „der kalte Wind und der Acrger — das kann ja auch Niemand gut bekommen — seht nur, wie er auSsieht, Doctor, dieses rothe Gesicht, diese fieberhaften Augen, was ist da zu thun?" „Es ist ^ungerichtet" — meldete der alte Diener, die Thür flügel deS Speisezimmer« öffnend. Man sah dort eine von Kerzenlicht überstrahlte Tafel mit drei CouvertS. Der liebliche Duft einer vortrefflichen Küche drang herein, auf dem Büffet standen alte dickbäuchige bestaubte Flaschen. „Da ist die Apotheke", sagte der Doctor auf das geöffnete Zimmer deutend, „welche die Arcana enthält, die ich dem hochwürdigen Herrn verschreiben kann und die ihn sehr schnell curiren werden." Der Dechant blickte ebenfalls in da» Speisezimmer. Mit zitternden Nasenflügeln sog er den lockenden Dust ein, seine Stimme wurde milder und milder, und seine Augen blickten freundlich auf die Tafel, die ihm nach dem forcirtcn Marsch durch Kälte und Wind um so anmuthender erschien. „Das ist zu toll, wahrhaftig zu toll Domino k-atrapa", sagte er — „da ich aber »un einuial liier bin — eS war schauderhast kalt da draußen — waS soll ich machen, was bleibt mir übrig — habt Ihr auch den Chambertin richtig gewärmt?" „Er hat genau 15 Grad Röaumur, ganz correct, Alles in Ordnung." Der Dechant murmelte noch etwas vor sich hin. Der Oberamtinann, der bisher seinen würdige» Ernst bewahrt batte, brach in ein herzliches Lachen auS. Der Doctor folgte seinem Beispiel. Der Diener machte sich a» dem Buffet zu schassen, und der AmtSvogt wendete daS Gefickt »ach der Wand, aber man konnte an den schüttelnden Bewegungen seiner hoben starke» Gestalt dcutlick erkennen, daß auch bei ilun die innere Heiterkeit zum unbezwinglichen Ausbruch ge kommen war. Da endlich lachte auch der Dechant. Er nahm den Arm deS OberamtmannS, und die drei Herren nalimcn an der lockenden Tafel Platz, während der AmtSvogt schnell kina»S- ging, um dafür zu sorgen, daß auch der Gendarm für seine nächtliche Pflichterfüllung unter so erschwerenden Umständen die wohlverdiente Stärkung erlangte. Da» Souper war vorzüglich, der Burgunder untadclhaft. Der Oberamtinann sprudelte von guter Laune, und der Dechant vergaß den überstandenen Aerger so vollständig, daß er auf seinen Freund, den Zati-apa cko ^ugoi^um. einen lateinischen Toast ausbrachte, aus welchen der Wirlb mit einem vollen Glase Bescheid that, obgleich ihm die elastischen Feinheiten desselben kaum verständlich waren. Der Doctor aber that Alles, WaS in seinen Kräften lag, um die Arcana der von ihm selbst empfohlenen Apotheke, wclcke eine so außer ordentliche Wirkung hervorgcbracht hatten, auch für sich selbst in Anwendung zu bringen. Man vergaß da« Whistspiel, zu welchem ohnehin der Herr von Bcrgholz als vierter Partner fehlte. Es war elf Uhr, als man sich von der Tafel erhob, da der Diener meldete, daß der Wagen bereit stehe, um den Herrn Dechanten nach Landersen zurückzufahren. Als der gefftlichc Herr sich verabschiedete, sah er den Ober amtmann einen Augenblick durchdringend an. „Grob war eS rock, Satrapa", sagte er, „und wenn ich so reckt darüber nachdenke, müßte ich Euch böse sein, sehr böse." „War mein Burgunder gut, Dechante?" fragte der Ober- amtiiiann. „Ohne Tadel wie der alte Falerner dcS HoratiuS FlaccuS", erwiderte der Tcckaiit, mit der Zunge über die Lippen fahrend. „War der Rehrücken zart?" „Ich muß Eurer Küche mein Coiiipliinent machen." „Nun, Dechante, dann dankt dem Zufall, der in der Gestalt deS braven Gendarm Brandes Euch wieder zu mir zurückgeführt bat — und nun macht, daß Ihr nach Hause konimt, damit meine Pferde nicht warten." Er sübrte de» geistlichen Herrn die Treppe hinab, legte selbst die Wagendccke über seine Füße, und die kräftigen Pferde trabten davon. Hilmar war, als die Sonne sich neigte, auSzerittcn und sein Pferd sckliig, während er träumerisch un Sattel saß, Ken ge- wohiilen Weg nach Landerse» ein, den cS so oft gemacht batte. „Wahrlich", sagte Hilmar, „das kluge Thier versteht mich und weiß, wohin mich mein Herz zieht." Er bossle kam», Anna allein zu finden und überlegte, während er schnell über die Straße dahinslog, ob cS nicht am richtigste» und vielleicht auch am passendsten wäre, wenn er, stall eine Gelegenheit abzuwarlen, die sick vielleicht lange nicht bieten inöcktc, dein geistliche» Herr» selbst sein Herz öffnen und in dessen Gegenwart Anna die Frage stellen würde, auf welche er eine Antwort so heiß ersehnte Fast war er entschlossen, diesen graten Weg zu seinem Ziel einzuschlagen, und doch klopfte sein Herz wieder unruhig und bange, als er in Landerscn einritl. Er stellte bei dem kalte» Wetter sein Pferd in der Wirt schaft rin und ging kann nach dem Pfarrbause. Im Vorgarten fand ec Anna, wclcke >»it einem Arbeiter sprack, der beschäftigt war, die Roseustöcke für den Winter einzulcgcn. Sie zuckte bei seinem Anblick zusammen und machte ein« Bewegung, als od sie schnell in daS Haus zurückkcbrcn wolle, aber schon stand er vor ihr und fragte mit unsicherer Stimme nach dem Dechanten. „Mein Oheim ist auSgegangen", erwiderte Anna zitternd, ohne die Augen auszuschlagen, „er wird eS gewiß sehr be dauern, daß Sie ihn nicht getroffen habe», Herr Baron." „Ich will ihn erwarten", — ries er hastig, „der Abend sinkt herab, und er muß ja gleich wicderkommen — wenn Sie mir erlauben wollen, Ihnen bi» dahin Gesellschaft zu leiste^
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