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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.07.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940707020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894070702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894070702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
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Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. t0rtra-Vcilagcn (gesalzt), nur mit de« Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung .« 60.—, mit Poslbesörderung 70—»„ Annaffmeschlnk für Anzeigen; Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn- und Festtags früh V,9 Uhr. Bei den Filialen und Annabmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Sr-edttio« zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig ^-343. Tonnabend den 7. Juli 1894. 88. Jahrgang! » Lcklois, golckotsw ter ^us- ucb de- mit 1 Lio- , 8«.-. Zur gefälligen Lcachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 8. Jnli, Borrnittags nur bis V-O Uhr geöffnet. Lxpeältlon äes L.e1p/4xer l'axedlalte«. politische Tagesfchan. * Leipzig, 7. Juli. In der Leitung des ofsiciösen PreßbureauS ist he> kanntlich seit der Versetzung des Herrn k. Kiderlen-Wächter nach Hamburg ein Wechsel eingetrelen. In der Haltung der deutschen ofsiciösen Presse ist indeß ein Umschwung zum Besseren nock nicht zu bemerken. Immer noch orakelt jedes dieser Organe aus eigene Faust, bringt sich zu den College» in Gegensatz und erweckt de» Eindruck, als wisse man in den leitenden Kreisen selbst nicht, was man wolle. Besonders unangenehm, ja sogar beunruhigend tritt diese Kopf- lofigkeit bei den ofsiciösen Erörterungen über die gegen den Anarchismus zu ergreifenden inncre» und iiilrrnatioiialrn Piaszrcgrln bervor. Wäbrend einige osficiöse Federn in ganz besonnener Weise auf die Puncte, in denen die deutsche Gesetzgebung ergänzungSbcdürstig ist, binwcisen und die Nolhwendigkeit betonen, durch eine bessere Organisation und durch ein besseres Zusammenwirken der Polizeibehörden der bedrohten Staaten eine strengere Ucberwachung der Umstürzler zu ermöglichen, bestreiten andere im Tone eines höchst unangebrachten SicherheitsgefüblS die Nothwendigkcit sowohl innerer, als internationaler Maßregeln; eine osficiöse Feder hat sich sogar zu der Behauptung verstiegen, der leide» schastlichc Ruf nach Hilfe gegen den Anarchismus sei „der zweite abgeschwächte Grad einer blinden BolkSwuth, die sich auf die vermeintlichen Angehörigen dcS Verbrechers wirft, wie der französische Pöbel aus die Italiener", und die socialdemokratische Krankheit reife sichtlich ter Heilung, d. h. dem Erlöschen entgegen. Mag nun auch diese mindestens sehr sonderbare Auffassung lediglich die ceS Ver fasser- sein, der die in den leitenden Kreisen noch herrschende Unsicherheit über daS, was auf internationalem Wege zu erreichen und von inneren Maßregeln zunächst als besonders wirksam in Aussicht zu nehmen sei, als Abneigung gegen alle Maßregeln überhaupt auSgelegt bat: jedenfalls sind derartige Auslassungen nicht dazu geeignet, die herrschende Beunruhigung zu mildern und das Vertrauen in die Reichs regierung zu starken. Es geht daher gegen diese Art officiöser Beschwichtigung durch jenen Theil der Presse, der um das Gcsammtwohl besorgter ist, als um die Zufriedenheit sociali frischer und anarchistischer Hetzer, eine Bewegung des Un willens, welcher heute die „Nat.-Lib. Eorr." scharfen Ausdruck in einem Artikel zieht, der mit den Worten schließt: „Während bis in di« klerikale und die gemäßigt-freisinnige Presse hinein angesichts der immer bedrohlicher austretenden Zeitericheinungen sie energische Wahrung der Staats-, Rechts- und Gcjellschaits- ordnnng verlangt, jedenfalls überall der gebührende Ernst bewahrt wird, müssen wir solchen Hanswurstsprüngen in Regierungs- blättern begegnen. Es scheint wirklich, als ob Socialdemokralen und Fortschrittler auch ferner als Kerntrupven der Regierungs- majontät festgehaltea werden sollten." Und unser Berliner ss-Correspondent schreibt: Innerhalb elf Tagen bat Europa fünf anarchistische Mordt haten erlebt, und deshalb ist cs doch wohl nicht ganz billig, wenn man, wie ein Publicist der deutsche» Regierung gclhan, in dem Rufe »ach Hiisc gegen den Anarchismus eine» nur ab- geschwächten Grad blinder Volksivuth erblickt. Nicht Jeder mann isl mit miltairisch-siarken Nerven begnadet: die all gemeine Beunruhigung kann und wird, wenn sie lange andaucrt, gleich anhaltenden .Nriegsbcsürchlungen »ine wirihschasttiche Stag nation hcrvorrusc», und schon deshalb sollte» Staatsmänner ihre einem ungewöhnlichen „Mnlhc" entspringende Sorglosigkeit von Anderen nicht in der Weise fordern, wie es durch eine» Theil der Presse der deutschen Regierung und unseres Wissens nur der deutsche» geschehen ist. Ter To» kalt überlegener Ab weisung, dessen sich ein Theit der Berliner Lfsiciöse» befleißigt, muß angesichts der langen Kette entsetzcnvoller Verbrechen, die wir sehen mußten, auch von Denen aiS ein herausfordernder enipsundeil werden, die gleich uns gejehgeberischen Maßregel» »nd internationalen Abmachungen gegen die Anarchie nur eine secundäre Bedeutung beizuleqen vermögen. An zwei Thatsachen indessen könne» auch wir nicht vorbei. An der, daß die sociatistischc Agita- tion als Vorschule für das anarchistische Pcrbrecher- thum heute wie in der Vergangenheit dient, neben welcher Tkalsache sich die soeben vorgctragene Behauptung von dem „Erlöschen" der Socialdemokratie sonderbar genug ausnimmt. Sodann kann bei der Frage, ob staatliche Borkehrüngen gegen die anarchistische Gefahr getrosten werden sollen oder nicht, der Um stand nicht außer Betracht bleiben, daß die polizeiliche» Fach- kreise keinen Zweifel an dem Vorhandensein einer weitverzweigten internationalen anarchistischen Mordverschwöruiig hege». Tie Auffassung, daß Deu.schland kein Interesse an Schlitzmahregeln gegen diese Mördcrbande habe, ist an dieser Stelle schon mit dein Hinweise aus de» Anschlag auf das Niederwald-Denkmal und die Ermordung des Polizeiraths Rumpf zurückgcwicsen worden. Die moralische Verpflichtung, internationale Abinachungeil nicht von der Hand zu weilen, wird sich für Deutschland ebensowenig bc- streiten lassen. Zweifellos sind Deutsche in den anarchistischen Centre» Belgiens und Englands thätig, »ach Amerika ist der Anarchismus von Deutschen verpflanzt worden uiidNicmand wird dieMüglichkeit leugne», daß a» den Mordthaten der neuesten Zeit Teutichc Anthcil gcbabt haben' Der Forderung nach Aufhebung des AstflrcchtS für anarchistische Vr- brecher ist der „Nordd. Allg. Ztg." auch nicht entgegen. Es ist aber nicht ersichtlich, warum sich die AnSIiescrung fremdländischer Anarchisten a» ihre Hcimathsstaaten auf „Verbrecher" beschränken soll, die, wenn sie als solche überführt sind, ohnehin unschädlich gemacht werten. Auf den Aufenthalt in fremden Staaten hat Niemand einen Anspruch, und den notorischen Anarchisten, wie beispielsweise dem ins Ausland geflüchteten Deutschen Werver, geschähe keineswegs ein Unrecht, wenn sie, auch ohne nachweislich ein schweres Verbrechen be gangen zu haben, zur Rückkehr in das Heimathland gezwungen würden. Es ginge dieses allerdings über die gewöhnliche A»S- Weisung hinaus, und wir halten cs mit der „Nordd. Allg. Ztg." für möglich, daß einige Regierungen »och zu sehr im Tocirinarismus besangen sind, »in sich zu Auslieferungen zu versiehe». Es kämen aber wohl nur England und Nordamerika als Gegner einer dahinzielenden Abmachung in Betracht. Diese Länder würden als die alleinigen Schlupfwinkel für Personen dienen, die als Anhänger der Propaganda der That bekannt sind, und es läßt sich nicht bestreiten, daß von dorther Verbrecher - Expeditionen iinternomnien werden können. Aber ein Fortschritt wäre diese Verdrängung wenigstens der notorischen Anarchisten nach Länder», von denen aus sie nur zu Schiff das europäische Festland erreichen können, zweisettos. Das Zurückgreisen aus den Paßzwang für sämmtliche in contincntalen Häsen landende Pcrwiic», das sich nicht vermeiden ließe, wäre viel leicht dazu angethan, den Engländer» ihr Asyirccht in einem neuen Lichte zu zeige». Freilich dürfte diese Frage nicht vom Standpunct des scstländischen Hoteliers behandelt werden." Uebrizcns werden die ofsiciösen Ungeschicklichkeiten wenigstens in dieser wichtigen Frage wobl ein Ende iicbmen, wenn die Wiener Meldung der „Daily News" sich bestätigt, daß Frank reich zu einer Eonferenz wegen gemeinsamen Vorgehens gegen die Anarchisten cinladen wolle und sich der Zustim mung der davon unterrichteten Mächte versichert habe. Kommt eine solche Eonscren; zu Staude, so wird auck der schwerhörigste Dsficiösc nicht mehr im Stande sein, die allgemein anerkannte Rolhwendigkeit der internationalen Bckämpsung der Um stürzlcr zu leugnen. Und stellt sich, wie nach den an anderer Stelle initgethciltcn Rachrichten anö London ;n erwarten ist, auf ter Eonferenz heraus, daß cs schwierig ist, über gcmcinsanic Maßregeln sich zu einigen, so wird ras Prcß- dureau unseres Auswärtigen Amtes bald genug sänimtlichcn Osficiöse» aus daS Unzweideutigste klar machen müssen, daß ohne innere Maßregeln in Deutschland nicht inehr aus- zukonlincn ist. Ter Präsident der französischen Deputirten- ka mmcr, Bürde an, war ursprünglich Proscssor der Philosophie und hat sich als solcher durch eine Uedcrsetzung Spencer s und Schopenhauers bckannl gemacht. Er machle den 1870er Krieg mit, gerielh aber bald in Gefangenschaft. eine politische Lausbah» war eine ehrenvolle, »nd er hat während derselben öfter gezeigt, daß er Much und Entschlossenheit besitzt. Die sranzösischcn Anliseinitcn de- chuldiglcn ibn, er stünde im Solde der Bank von Frank reich, und Burtcau schleppte Drumvnt vor die Gcschwornen und zerschmetterte seinen Gegner, welcher die Verleumdung im Kerker büßen mußte. DaS machte Burdeau mil einem Schlage zu einer gesuchten politischen Persönlichkcir, und seitdem ist er immer höher gewachsen: er würbe General-Bcrichlerstattcr über das Budget, uiiler Ribot Marine- »nd unter dem ihm eng befreundeten Easiinir Perier Finanzministcr, als welcher er sreihändleriswcn Anschauungen huldigte. Seine Arbeilskrajk schien unerschöpflich, gegenwärtig aber isl er ein kranker Mann, weskald er sich auch genölhigt sah, daS ibm au- gebotene Ministerpräsidium abzulehnen. —Ter ermordete Earnot rubt nun inmitlen anderer großer Dodler, aber die katho tische Kirche wird seinen Geist noch oft cilircn als einen Zeuge» für ihre Unentbehrlichkeit und Unüberwindlichkcit; daS haben die Borgänge bei dem »nd nach dem Tode des Präsidenten gezeigt. Daß der tödtlich verwundete Frei denker in den letzten Momenten die Tröstungen der katholischen Kirche annahm, isl eine Thalsackc. In Frankreich gehört ja eine solche ofsiciellc Schlnßabsindung mit der Kirche bei der gute» Gesellschaft zu». Her komnicn, obgleich man sich neuerdings mehrfach von dieser Ucberliescrnng cmancipirt bat. Ausfällig aber von jedem religiöse» Slandpunct aus sind die bezüglichen Aeußernnacn der verschiedene» kirchlichen Würdenträger gewesen. Der Eardinal-Erzbischvs Lccol von Bordeaux hat in einem Hirtcnbricse Earnot als einen Mann gefeiert, dessen „ein geschlafene" religiöse Ucberzeugungen schließlich wieder erwacht seien und so ei» edles Leben mil dem höchsten Glanze gekrönt hätten: dergleichen über eine Bekehrung „in nitwulu mortis' zu äußern, verletzt daS ernsthafte Gefühl. Um was cS sich bei diesem Anlässe thatsächlich gebandelt bat, zeigt schon die Acußcrung in dem Berichte des Erzbischofs Eoulliö in Lyon, daß die Toleranz der Earnol'sche» Umgebungen ihm den Zutritt zu dem sterbenden ermöglicht habe; daraus geht hervor, daß Earnot in dieser ^ache gar keinen Willen mehr besaß. Aber man wollte daS Staatsoberhaupt der sranzösischcn Ration nicht ohne ofsiciellc Kirchlichkeit anö dem Lebe» scheiden lassen, weil das Gegenlhcil auf die bekannte Toctrin von der ältesten Tochternation der römischen Kirche doch eine zu starke Satire gewesen wäre, und dieser Scandal wurde dann ja auch glücklich vermieden. In Frank reich sind übrigens derartige Kämpfe an dem letzten Lage: hervorragender Persönlichkeiten eine a»c Ucberliescrnng; man braucht nur an die Sterbebetten Voltaire's l778 und Victor Hugo'S 1885 zu denken; die Entscheidung liegt säst immer bei den Umgebungen der Sterbenden, und im Uebrigcn, waS gewinnt die katholische Kirche mit solcher Bekehrungsmache am Slcrbcdelt gegenüber dem unbestechlichen Urtheil der Geschichte? Wie mitgclhcilt wurde, bat ein Teeret der italienischen Regierung das Slrasversabrcn wegen Uebertretung der Verordnung, betreffend die Ablieferung von Waffen in Sicilien, aufgekoben, und die von den Kriegsgerichten an- 'äßlich solcher Ueberlrcliingen verhängten Strafen werden r lassen. DaS scheint endlich der verheißungsvolle Anfang zu einer wirkliche» Beruhigung ter unglücklichen Insel zn sein, deren Lage trotz aller halbamtlichen Beschwichtigungen heute wieder so gefährlich ist, wie vor einem Halden Jahre. In dieser Beziehung wird der „Köln. Ztg." aus Rom geschrieben: Die liefern Ursachen der Unzufriedenheit in Sicilien dauern »nvcränderl sorl: außer der Aushebung der städtischen Abgaben aus Mcbl ist seit dem Ausbruch der Unruhe» in Sicilien nichts zur Besserung der dortige» Lage »nd zur Befriedigung berechtigter Forderungen geschehen. Tie Regierung hat Versprechungen gemacht, ein Ausschuß sieilianischer Abgeordneten hat langwierige Bcrathungen und Studien vorgenvniiiikn. aber es ist »och nicht einmal eine Geictzesvorlage abgesaßt, geschweige den» beralhc» und in Kraft gesetzt worden. Tw gedrucklc Bevölkerung der Insel hat statt dessen em halbes Jahr lang unter dem Belagerungszustände gelitten, die Urthcile der Kriegsgerichte habe» Mürinrer gemacht und weitgehende Er bitterung hervorgeruse», der General Moira ist, wie es scheint, nicht besonders glücklich in der Ausübung seines außerordentlichen Rcgenlenamls gewesen, und die versöhnende Thal socialer und imrlhichasttichcr Reformen läßt ans sich warten. Während nun die landwirlhschastlichc Bevölkerung, die der Träger der revolutionairen Bewegung vom Deecmber »nd Januar war, »och keineswegs be schwichtigt in, erbebt sich ßtzl iniolge der wirlhschasttichen KrisiS im Lchweselgeschäst der anarchistische Trache auch unter Len Berg- wcrksarbeitcrn. lieber «iOXKl Personen, die voin Hunger mehr und mehr gcgiiält werde», siebe» vor der Gefahr, von einem Tage zum ander» völlig erwerbslos z» sei». Revolutionäre Ausrufe werden unter ibncn verbieuei, n> denen der Kamps gegen die Herrschenden und Besitzenden gepr.digi, den Minister» der Ted «»gedroht wird. Nur der Belagerungscuiiand balt sie noch davon zurück, von den Worte» zur Tbar Überzug, be» und Mord und Brand zu verbreiten. Man darf wvht »»nehmen, daß die Regierung Erispi'S sich den grausame» Ernst der Lage nicht verhehlt: dann muß sie aber auch die Kammer nicht in die Ferien gehen lasse», ohne etwas für die unglückliche Insel gelha» zu haben. Zweifellos wurde die Regierung daS Eingangs erwähnte Tccrcl nickt erlassen haben, wenn sie nicht beabsichtigte, mit einschneidenden Reformen zur Besserung jener unhaltbaren Zustände alsbald vorzugcbcn und durch weitgehendes Ent gegenkommen den lliiiiinlh der Sicilianer zu entwaffnen. Ein Vorwurs trifft die Regierung nickt, wenn diese Reformen so lange verzögert wurden, dafür hat sich die Insel bei der Tepulirtcnkainmcr zu bedanken, welche Erispi die Mittel zur Heilung der socialen Wunde», an denen Sicilien wie daS gr- sainnilc Königreich nur ;n lange krankt, noch bis vor Kurzem hartnäckig verweigert hat. Das teilende Organ der rngltschc« Liberalen, die „Daily News", schreibt, auf den Rücktritt des SckaykanzlerS Sir William Harconrt vorbereitend: „Sir William Harcourt siebt im 67. Lebensjahre. Seit einem Viertcljabrhundert gehört er dem Hause der Gemcinen an. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß er an seinen Rücktritt denkt. Dennoch hoffen wir, daß er seinen Entschluß in Wicdcrerwägung zieht. DaS Sprichwort sagt, daß Keiner unersetzlich ist. Selbst der Rücktritt Gladstonc's war seinem Ministerium nickt vcrbängnißvoll. Es ist kein Mangel an fähigen Nachfolgern Sir William Harcourt's, und besondeiS John Morley findet überall begeisterten Beifall im ganzen Königreiche. Aber daS ganze Unterhaus würde doch >tvn- Feiiilletsi,. Die alle gute Zeit. Ei»« Erzählung aus Niedersachsen von Greg. Samarow. I8s Nachdruck »erbeten. (Fortsetzung.) Er reichte ihr daS GlaS. Lächelnd und erröthend berührte sie es mit ihren Lippen. Dann trank er durstig den edlen Wein bis aus den letzten Tropfen aus, und Anna erfüllte so anmuthig die Pflichten der Hausfrau und bediente ibn demütkiig »nd doch mit neckenden Blicken und lächelnden Lippen, daß ibm daS als das köstlichste Mahl seine- Leben- erschien. Tann sprach er von der Zukunft, von ihrem Einzuge in Bergholzhauscn und wie schön, wie herrlich daS Alles sein würde — wie sie lieblicher sei, als die Bilder aller Ahnfrauen in dem Rittcrsaale seine- väterlichen Schlosses, und sic schauerte wobl zusammen, wenn sie daran dachte, daß sie einen solchen Platz einnehmcn solle in der hochmüthigen Welt, aber doch schlug ihr Herz stolzer, daß er, der herrlicher war als Alle-, was sie je in der Welt gesehen, sie auScrwählt habe. Immer glücklicher lauschte sie seinen Worten, immer mehr verschwanden aus ihrem Herzen die Furcht und die bangenden Zweifel. Die Zeit flog dabin, während sie so bei einander saßen, bis endlich die alte Johanna die Thür ausriß und sagte: „Der Herr Dechant wird wohl irgendwo über Nacht ge bliebe» sein bei dem schlechten Wetter — eS ist schon elf, daS ist ja schon Nachtzeit — cS wird Wohl für den Herrn Baron auch zu spät werden — und für da- Fräulein" — fügte sie mit scharfer Betonung hinzu. Ihre Blicke waren feindlich, ihre Stimme klang spitzig und höhnisch Anna zuckte erschrocken zusammen. Die Alte machte ja recht haben, es mochte ja wobl in den Augen der Weit unziemlich sein, daß sie hier so lange mit einem jungen Manne allein war. Sie stand aus. „Johanna bat recht", sagte sie mit einem bittenden Blick auf Hilmar, „der Weg nach Angersum ist weit, mein Oheim mag wohl wirklich den Weg durch die Nacht gescheut haben »nd irgendwo bei Bekannten geblieben sein." Auch Hilmar fühlte, daß sie reckt hatte. Er verabschiedete sich kurz, da die Alte noch an der Tbür stand. Als er über den Vorgarten dcS Hauses schritt, blickte er sich noch einmal um und sah die Umrisse der Gestalt Anna'S, die sich gegen die Scheiben vorbcugte. Er winkte grüßend mit der Hand, holte sein Pferd aus der Wirthschast und sprengte davon, in der kalten Nachtluft seine beiße Stirn kühlend. Auf dem halben Wege hörte er einen Wagen heransahren. Er ritt zur Seite und erkannte trotz der Dunkelheit den Wagen des Obcramtmanns. „Wohin?" fragte er den Kutscher verwundert. „Ick fahre den Dechanten nach Hause" — erwiderte dieser. „Guten Abend, bockwürdiger Herr!" ries Hilmar. „WaS giebt eS?" — rief der Dechant aus dem Schlaf aufschreckend zum Wagen 'hinaus — „man darf mir keinen Ausweis absordern." „Ich bin eS, Herr Dechant!" rief Hilmar, „der Auditor von Bergholz." „Sic sind ein braver Mann", erwiderte der Dechant, „Sie würden solche Streiche nicht machen, wie der eigen mächtige Satrapa — warum waren Sie nicht da? — der Burgunder war gut, sehr gut —" „Ich war bei Ihnen, Herr Dechant, und habe Sie leider vergeblich erwartet." „Thut mir leid, thut mir leid", sagte der Dechant mit müdem Ton, „es war aber doch ein schlechter Streich von diesem Gendarm." „Der Gendarm, Herr Dechant? Was ist eS mit ihm?" „Ein andermal davon, Herr von Bergbolz. cS ist spät und Sie haben kein schützendes Wagendach wie ich — gute Nacht — Hute Nacht." Hilmar war dicht an den Wagen herangeritten, er grüßte und sprengte im Galopp davon. Der Dechant blickte ihm nach in die Dunkelheit hinaus und lauschte den verhallenden Husschlägen. „kort eguitem rockst atrrr vurrr", sprach er vor sich hin. Dann, wäbrend die Pferde anzogen, lehnte er sich wieder in die Kissen zurück und versank in träumenden Halbschlummcr. DaS Horaz'sche Wort von der Sorge, die als unermüdliche Gesäbrtin binter dem jugendmuthigen Reiter zu Pferde sitzt, war auch diesmal zur Wahrheit geworden: denn nur in kurzen Unterbrechungen fand Hilmar in dieser Nacht die Ruhe dcS Schlummer-, schwankend zwischen Glück und Sorge, zwischen Hoffen und Bangen. X. Hilmar war entschlossen, sogleich die für sein Leben ent scheidende Frage zur Lösung zu bringen. Wohl zagte er bei seines VaterS ihm bekannten Grundsätzen, er wußte, daß er demselben schwere Sorgen bereiten werde; denn in der ganzen Ahnentafel dcS Bergholz'schen HauscS, die über Heinrich den Löwen znrllctrcichte, war noch nie eine Mesalliance vor- gckonimcn, nnd dem stolzen Edelmann mußte cS schwer an kommen, den nicht auSbleibenden schadenfrohen Spott jüngerer, minder berühmter und vornehmer Geschlechter ru ertragen. Noch schwerer mußte der Kampf mit seiner Mutter sein; denn was bei dem Grasen edler historisch begründeter Stolz »nd Pflichtgefühl gegen seinen Namen war, neigte bei der Gräfin mehr zn kaltem Hochmutb, und kaum konnte er hoffen, daß Anna jemals von seiner Mutter mit aufrichtiger Herz lichkeit als Tochter angenommen werden möchte. Dennoch aber hoffte er mit dem ganzen frischen Muth der Jugend und war entschlossen, den Kamps um seine Liebe mit unerschüttcrtem Mnth zu bestehen. Er kam, bewegt von allen ibn umringenden Gefühlen und Gedanken, auf das Bureau und fand den Obcranttmann selbst schon dort, sichtlich in ganz vorzüglicher Laune. „Ich habe beute den Termin angcsetzt, mein lieber Herr von Bergbolz", sagte er. bevor Hilmar seine Bille um Urlaub zum Besuch seines VaterS anbringc» konnte, „zur Verhandlung in der Strafsache gegen den des Fischdiebstabls beschuldigte» Haarbrandt. Wir müssen mit dem armen Teufel ein Ente machen. Die Zeugen sind bereits im Vorzimmer, und ich will selbst bei der Verhandlung dabei sein. Wir müssen da etwas vorsichtig sein, um kein Unrecht zu tbun — eine Denunciation ist leicht gemacht und die Leute sind leider ge neigt, durch DaS, waS sie vermulbcn und glauben, sich in de» Aussagen über die wahre Dbatsacke bellimmen zu lasse». Der Haarbrandt ist arm, bat für seine Familie zu sorgen. eS würde mir wahrhaftig leid thun, wenn er zu einer strengen Strafe vcrurtbcilt werden müßte." Ein eigentbümlichcS Lächeln spielte um die Lippen dcS gestrengen Herrn. Auch Hilmar konnte sich trotz seiner kiesen Bewegung eine- Gefühls der Heiterkeit nickt erwehren, cS kam über ibn wie eine Erinnerung an seine fröhliche Studienzeit und die Perbandlungen vor dem Universitätsgericht, wenn eS einmal gegolten hatte, einen tollen übermüthigcn Streich zu be schonsgen oder zu verhüllen. ir müssen also scharf inquiriren, Herr Lbrramtmann", sagte er lächelnd, „ich werde mich bemühen, Ihre Zufrieden heit zu erwerben." Er zog die Glocke. Der AmtSvogt Philipps führte den Angeklagten, der ganz zerknirscht schien, nnd die Zengen, den Verwalter und einige Knecktc von der Domaiiic Harbostcl ein. Auck ans dein rotbc» Gesicht dcö AnitövogtS, der in feier licher Würde seinen Platz hinter dem GericklStische einnahm, zuckte cs wie zniückgcballcne Heiterkeit, und er schien mit außerordentlicher Spannung die Verhandlung zu erwarten. Hilmar inquirirlc in der Tbat scharf, so scharf, daß dir Zeugen verwirrt wurden n»k endlich ganz bcstimnit erklärten, ste hätten Haardrantt wobl am Ranke des Teiches mit einem Netz voll Karpfen gesunde», aber sic könnten nicht beschwören, daß er das Netz aus dem Teiche gezogen, und eS sei immer hin möglich, daß der Diebstahl von einem Andern versucht und durch Haarbrantt S Dazwischcnknnst unterbrochen sei. Ter Angcklaglc blieb bei festem nnd bestimmtem Leugnen stehen. „WaS ist zu machen?" sagte der Oberamtmann, der in seinem Armscsscl zurückgclebnt sich eitrig damit beschäftigt batte, eine Feder anzuschnciden. „Tic Aussage» ter Zeugen sind unbcstimint, sic hätten cS sich wobl überlegen sollen, Wa ste denn eigentlich gesehen haben und bekunden können, che sie die Anzeige stellen nnd n»S die viele Schreiberei machen. WaS meine» Tic, Herr Auditor, ist der objcclivc Thatbestand wohl erwiesen?" „Dnrchanö nickt", sagte Hilmar, „cS ist sogar die Möglich keit nicht ausgeschlossen, daß einer der Leute von ter Domainc die Fische bcranSgczogcn und a»S Nachlässigkeit liege» gelassen, vielleicht gar auch selbst eine Veruntreuung beabsichtigt hat." „Ja, ja", sagte der Lbcramtinann. „das ist ganz richtig, ganz ricklig; da lönnlen wir beinahe kabin kommen, eine Unlcrsuchniig gegen die Dennnciantcn cinznleilen." Die eingeschüchterlen Zeugen verschworen sich hoch und tbcuer, daß sie einen solche» Verdacht durchaus nicht ver diente». Der Oberamlmann aber wicS sie zur Rübe und sprach würdevoll: „To so» denn die Untersuchung Wege» gänzlich mangelnden Beweise- niedergeschlagen sein — Ihr seht, Haarbrandt, Wa es beißt, wenn man einen unordentlichen Lebenswandel führt und sich dadurch dem Verdacht auSsctzl; denn ich muß sagen, jähig halte ich Euch der Sache wobl. — Nehmt Euch in acht und laßt Euch die Tage der Untersuchung, die Ihr hier u»
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