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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.07.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940712014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894071201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894071201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-12
- Monat1894-07
- Jahr1894
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Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Ertra »Vellage«! (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe. ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännalfmeschluk für Änzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh ' ,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen ie ein« halb« Stunde srüher. vlnzeige« sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Amtliche Bekanntmachungen. Donnerstag den 12. Juli 1894. 88. Jahrgang« eine Heimstätte zu gründen für Alle, ohne Unterschied deS Bekenntnisses oder der Nation, welche um ibreö Glaubens willen in ihrem Baterlande sich beengt fühlten oder verfolgt würden und, der Tvrannei müde, nach der Freiheit seufzten, eine Schule zu schaffen, in der alle Sprachen und alle Wisscn- ! schaffen gelehrt würden und das ganze „praktische Leben" seinen Ausdruck fände, er ist zum Theile wenigstens in der Universität Halle zur Verwirklichung gelangt. Gleichwie einst die Uni versität Leipzig den Verfolgungen der Deutschen in Prag ihren Ursprung dankte, ist die Universität Halle in Folge der Verfolgungen selbstständiger Geister durch die orthodoxe Leipziger Professorciischaft inS Lebe» gerufen und anfgeblübt. I An die Name» der Francke und TbomasiuS, die. in Leipzig Bekanntmachung. Einbruchsdiebstahl. Au» einer Anwalts-Exvedition am Markt Nr. 3 im zweiten Stockwerke wurden in der Nacht vom b. z»m 6. Juli gegen 1000 .St in Metall- und Papiergeld, eine Anzahl Postwerlhzeicheu und eine blunlpolirtr Ttntilcafsrttc — 30 oi» lang, 20 cm breit »»V 8 hl» 10 eiu »och — gcstahlcii. Tie mit den betreffenden Lokalitäten und de» Gewohnheiten ihrer Bewohner offenbar wohl- «Maulen Diebe haben die Bvcjaalthüre mittelst Nachschlüssel« geöffnet, »i eiuige der in den einzelnen Stube» befindlichen ArbeilSpuile I ''si'^ fanden. n.i I l>t die Eiittichungs-Geschichie der Universität Halle für immer geknüpft. Namentlich TkomasiuS ist cS, dessen Geislesrichtung der Universität Halle ihr Gepräge gab, den Geist der Freiheit und religiösen Duldsamkeit, der über ihrem ganzen Wirken ^ schwebte und sic in erster Linie zu einer bahnbrechenden An stalt »tackle. ndrockxn und geleert. Ter Aussatz eines Gcldschrankes wurde bei I EntNchungS-b ezchichle der Universität Halle sur immer st« Versuche, ihn zu erbrechen, umgestürzt. Ter dadurch entstandene ^ Lam wurde zwischen 10 und ',,11 Uhr Abend» von einem Nachbar gchörl und scheint die Diebe verscheucht zu haben. Mlheilunge», die zur Ermittelung der Thäter dienen können, «au unserer Criminal-Abtheilung — Wächlerstraße 5, Part. — julo««!» lassen. Letzjig, am 9. Juli 1894. Das Pulizriamt der Stadt Leipzig. Vll.bW. Bretschneidrr. M. TbomasiuS gehörte nicht zu jenen genialen Scköpser- naturen, die den kommenden Jahrhunderten neue Bahnen verzeichnen, aber er war ein tapferer und rühriger Vorkämpfer , sür die Aufklärung seiner Leit, einer jener nimmer müden, vtKaNNllMulUNg. I kampfcSfreudigcn und lebensfrohen Streiter gegen geistigen Um bänfig zu Tage getretenen Unzulräglichkeiicn bei Benutzung I ""b Glaiibcnvzwang, die wie Ulrich von Kulten und Gott hold Ephraim Lcssing in Dculschland die Geister aufrüllelten und befreiten. Anschaulich und tlar wird sein Leben und seine Persönlichkeit aus den GeisteSströmungen seiner Zeit heraus erklärt und die Summe seines SlrebenS und Schaffen- gezogen in einem Werk von Alexander Nicoladoni „Ehristia n Thomas! u«. Ei» Bei trag zurGeschi chte der Aufklärung" (Dresden, Verlag von HönschLTinSler), das auch mit einem Bilde dieses Vorlämpsers der Geistes srcibeit geschmückt ist. Das geistige Leben in Deutschland war durch den dreißig jährigen Krieg schwer geschädigt worden. Tie Reformation hatte HunianiSniuS und Luthertbum einträchtig im Kampf gegen die alte Kirche gesunden, aber die Kriegswirrcn hatten die Bildung zurückgedrängt und in die lutherische Kirche an Stelle des lebendigen HerzenSglaubenS todte» und starren Buchstabe»gla»ben gesetzt. Die Klage deS EraSmuS von Rotterdam: „Ueberall, wo das Lutherthum herrscht, binkt daS Studium der Wissenschaften", war nun vollberechtigt. Die In letzter Zeit sind an mehreren Stellen d?r Sellerhäuser Rietzschle! Reaction hiergegen war der Pietismus, wie ihn Spcner l675 in loikderholt Steine und andere Gegenstände in La» Bett eingelegt oder I seinem ,.?iir closickeria" lehrte und August Hermann Francke 1685 mgeworse» worden. - - ' - - «ou Irofchten nach Len äujzerk» Vororlr» künftig vorzubeugen, sieht sich da» unterzeichnet« Polizriamt zu folgender Bcliimmung veranlaßt: Wirb bei Troschkrnsahrten über die Grenze des äußeren Trofchkenbezirk» hinaus nach einem der in Fahrtaxe ll deS Droschke» taris» vom 22. November 1890 ausgcsührten Sladttheile oder Orte vom Fahrgast Zritsaürt verlangt, so bat der Droschkenkutscher bei Beginn der Fahrt den Fahrgast ausdrücklich ans die Bestimmung in tz. 4«, Absatz 3 des Trojchkeurrgnlativö sür die Stadt Leipzig vom 22. November 1890 hinznweisen, wonach sür solche Fahrten inindeftriiü die nach Fahrlaxe II sür den betreffenden Stadtlheil oder Ort vorgeschriebene Tourlaxe der Hin- und Rück fahrt zu zahlen ist. Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschrift unterliegen den in ß. 53 de» Troschkcnregulatjvs angedrohten Strafen. Leipzig, den 9. Juli 1894. Das Polizriamt drr Stadt Leipzig. II. k. 2781. Bretschneider. Bekanntmachung. Ta hierdurch der natürliche Lauf des Wassers gehindert und j übelriechende Schlammansamiiilungen verursacht wurden, wird das Einlegen und Einwerseu von Steinen oder andere» Gegenständen in die gedachte Rietzschle hierdurch ausdrücklich verboten. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu 60 X oder ent sprechender Hast geahndet. Leipzig, Len 6. Juli 1894. I- 3151. Der Rath de» Stadt Lripzig. De. Georgi. Eberle, Res. Bekanntmachung. Wir haben beschlossen, von der Antzwcgrcgulirnng in der Eüttrstratzc in diesem Jahre abzusehen und entlassen deshalb die Bewerber um diese Arbeiten hierdurch ans ihren bezüglichen Angeboten. Leipzig, den 7. Juli 1894. Ie. Ll-09 869. Der Rath drr Stadt Leipzig. l)r. Georgi. E. Bekanntmachung. Tie Lieferung der im Winterhalbjahr 1894 95 erforderlichen stein- und Vraunkohir» für das Rathhaus ,» Alt-Leipzig, die Nathbäusrr in den Vororten und sur verschiedene andere städtische Grundstücke soll vergeben werden. Tie Lieseruiigsbedingungeii können bei der Hochbau-Verwaltung, RaihhauS, 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 5, gegen Entrichtung von 30 entnommen werden. Tie entsprechend ansgcsüllten Angebote sind mit der Antichrist: „K«HIrnlirsrr»iig für da» Rathhaus n. s. w. bclr." bis zum 18. SirscS Monats, Nachmittag» 5 Uhr, bei der vor- bezeichneten Geschäftsstelle einzureichen. Lelpjig, am 9. Juli 1894. Drr Rath der Stadt Leipzig. Id. 3222. Or. Georgi. Colditz. Bekanntmachung. Von dem unterreichiielcn Armenamle sollen Freitag, den 1». Juli 1804, Vormittags von S Uhr an, im hiesigen Stadthaus« verschiedene Gegenstände, als: Möbel. Bette». Wäsche. Klrid»»gSstückc, Haus-, Knchrn- »nd Wirthichaftogerathe u. A. in. iffnitlich versteigert werden. Leipzig, am 11. Juli 1894. L4ö, Das Armeiiamt. Hentschei. Artus. Bekanntmachung. Tie Ausführung der Dachdecker-, tvllafer-, Tischler-, Schlosser-, VlitzablritiiugS- n»d Maler-Arbeiten zum Nciiban eines Veit- und GasthofsgcbäuöeS soll mit Vorbehalt der Au»wahl muer Len Bewerbern vergeben werden. Tie Anschläge sür diese Arbeiten sind vom 10. d. M. an in »vierer Raihsexpedition gegen eine Lopialgebühr von 1 »> 50 z» eatnehmea. Angebote, mit der vorgeschriebene» Aufschrift versehen, sind bis längsten» den . 24. Juli d. I.» Nachmittags ü Uhr. verschlossen hier einzureichen. Frihburg. am 10. Juli 1894. Drr Stadtrath. Roseaseld, Bürgermeister. W. Christian Thomastus. 3»r Jubelfeier der Universität Halle. Am IZ. Juli sind zwei Jahrhunderte vergangen, seit KvrfLrff Friedrich der Dritte von Brandenburg, spater der rwe drrußische König, die Universität Hallt feierlich eröffnen N- Die Gründung dieser Lohen Schule bezeichnet einen «»ltpunct in der Geschichte ter Universitäten, ja im ganzen M'zmLeten Deutschland«. Ter Plan de« großen Kurfürsten »ach Leipzig verpflanzte. Er erachtete fromme Gesinnung als da» einzige Merkmal deS wahren Ebristen. Die Glaubens Wahrheiten müßten nicht nur im Verstände und Gedächtnisse, sondern auch im Herzen »nd im Grmülde sitze». Ta« Ehristcntbum erwerbe man nicht durch den Katechismus und die Bibel, jeder Mensch trage eS schon in sich selbst »nd bctbätige es durch die Liebe zu seinen Nebcnmensckien, Die Pietisten verwarfen bei Auslegung der Schrift jede Autorität; nach dein einfachen Buchstaben sei sic auszulcgen und Jeder könne dies. Es waren dies dieselben Gedanken, die einst die Reformation selbst getragen hatten. Auch TbomasiuS schloß sich anfangs den Pietisten an. erst später, als ihre Bewegung in mystische Schwärmerei auSartete, trennte sich der vcr- standeSklare Gelehrte von ihnen. Der Humanismus der Renaissancezeit, der sich keck an Alles heranwagte und nichts als unerreichbar für den Menschen eracktele, testen Weltanschauung der TitaniSmuS war, wie ihn die Gestalt deS l)r. Faust in der VolkSsage verkörperte, war bei den Gebildeten am Ende deS 17. Jahrhunderts einer nüchternen LebenSausfasffing gewicken, der Richtung ans daS Praktische, auf DaS, was dem materiellen Fortschritt frommt und geeignet ist, ein behagliches, sorgenfreies Daheim z» schaffen. Tie Gedanken der Engländer Baco, HobbeS, John Locke begannen, auf die Geister in Deutschland zu wirken; Hugo Grotins und nach ibm Samuel Puscndorf verkündeten die neuere Auffassung des Staalörechts Dies war die geistige Atmospbäre, als ThomasiuS seine Wirksamkeit auSzuHben begann. Ebristian TboniasiuS (er elbst nennt sich in seinen deutschen Schriften TboniaS- wurde am l. Januar 1655 als Eob» des Professors der Beredt samkeit Jakob Thomas in Leipzig geboren. Schon als tubent batte er sich eifrig mit Pusenbors'S Natur- und Völkerrecht befaßt. 1671 erlangte er die Würbe eines BaccalaurcuS, >672 die eines Magisters der Philosophie und wendete sich dann den juristischen Studien zu. 1675 finden wir ihn zu Frankfurt an der Lder, wo er schon in Vor lesungen offen den Grundsatz auSsprack, daß man sich an keine menschliche Autorität halten dürfe, sondern selbst untersuchen und entscheiden müsse. 1679 wurde er Toctor der Rechte, machte dann eine Reise durch Deutschland »nd Holland und ließ sich 1680 zunächst als Advocat in seiner Vaterstadt nieder. Im folgenden Jahre habilitirtc er sich als Privat docent in der juristischen Facultät und bekannte sich zu großem Mißbehagen der Professoren ungcsckcut zu den neuen nalurrechtlicken Tendenzen. Aber der kecke Docent wagte noch weit mebr. Als nämlich die Studenten und Professoren an einem Herbstmorgen deS JabrcS >687 die Hallen der Universität betraten, bemmte ihre Schritte ein an das schwarze Bret genagelte» Programm, welches die Aufschrift führte: „Welcher Gestalt man denen Franzosen im gemeinen Leben n»t Wandel nachabnikn soll." Hieran anknüpsend, kündigte daS Programm ein Eollkgitt», über deS GracianS Grundregeln, „vernünftig, klug und artig zu leben " So lange Universitäten in Deutschland bestanden, war in deutscher Sprache nienialS docirt worden. ThomasiuS wählt« die deutsche Sprache nicht etwa aus nationaler Begeisterung, die ibm und seiner Leit völlig fremd war, ihm war die teut'chl Sprache nur Mittel zuin Zweck, und der Zweck war ihm Ans klärung, Verbreitung ter zu einem glücklichen Leben nöthigcn Bildung und nützlichen Kenntnisse. Die Popularisirung der Wissenschaft erschien ibm mtt Reckt als da» geeignete Mittel zur Förderung der Freiheit de» Wissen» und Glaubens, denn „nickt der Einzelne", sagt er einmal, „nur br» Volk brickt daS Vorurtheil". Darum gründete er >688 die erste wistenschafllicke deutsche Monatsschrift unter de», Titel „Scherz- und ernstbafte. vernünftige und einfältige Gedanken über allerhand lustige und nützliche Bücher und Fragen, ersten Monat oder Januarius, in einem Gespräche vorzestellt von der Gesellschaft deren Müßigen, gewidmet den Herren Barbon und Tartnsse." Die neue Monatsschrift erklärte der Pedanterie und der Srtbodorie zugleich den Krieg; ihr Ton war keck, übcrmüibig, herausfordernd, ihre vorzüglichste Waffe Spott und Satire. Die Professoren und die Orthodoxie waren ausS höchste erbittert gegen den kühnen Neuerer, der sich gegen den Miß brauch der Ecnsursreibcit und die BücherconsiScation auS- sprach, den tiefe» Stand der deutschen Wissenschaft im Ver gleich mit der Englands. Frankreichs und Holland« beklagte unk offen erklärte, der Grund sür kiese Zustände sei in der religiösen Freiheit, ter sich diese unsere Nachbar» erfreuen, und in der Unduldsamkeit, unter der Deutschland leide, z» suchen. Die einzige Rettung für sein Vaterland siebt er,» der Gewissensfreiheit, welche das HauS Brandenburg seinen Unlertbanen verheiße und gewähre. Keine Autorität ist seiner Kritik zu hoch: er wirst Luther vor. daher die Wissen- schaff gehemmt, und Melanchlho», daß er die deutsche Sprache unterdrückt bal-c. Mitten unter den steiscn, gespreizte», zünftige» Gelehrten erscheint TbomasiuS als »»erschrockener Volksfreund, als lebenslustiger Wcllwciser, der hier und da fast an den modernen Konrad Bolz in Frcytag's „Journalisten" erinnert. Endlich siel er dem Grimm seiner vereinigten Gegner zu», Opfer. Sie erwirkten eine Weisung des OberconsistorlumS in Dresden an die Universität in Leipzig, dem TbomasiuS bei einer Geldstrafe von 200 Goldguldc» alle Vorträge und die Herausgabe jedweder Sckrift zu verbieten, endlich, sich seiner Person zu versickern. ThomasiuS aber halte rechtzeitig 'Wind erhalten und floh i»> Juni 1690, da er sich um seine Existenz i» Leipzig gebracht sab. a» ten Hof des Klirsürsten Friedrich nach Berlin. Seine Familie wurde gewaltsam in Leipzig zurückgcbaltcn, seine Habseligkeiten mit Beschlag be legt. Er selbst fand am Hobciizollern-Hose Schutz vor seinen Leipziger Verfolgern, er wurde sofort zum kurfürstlichen Rath mit cilici» Gebalt von 500 Thalern ernaniit, und cS wurde ibm die Erlaubniß erlheilt, an der Ritter-Akademie i» Halle öffentliche Vorlesungen zu Halle». Mil einem Eolleg über den deutschen Stil begann ThomasiuS 1690 seineThäligkcit, 50 Hörer wohnten seiner ersten Vorlesung bei. Im Ju'i l69l konnte durch die Verwendung seines gütigen Herrn seine Faiiiilie »ach Halle übersiedeln und seine Habe wurde freigegcbcn. Kursürst Friedrich III. war ei» wariner Anhänger der Ausklärung und Brandenburg ward bald zur Heimstätte aller ter führenden Geister der Epoche. Leibnitz und Puscndors lebten i» Berlin, >692 kam Spener von Dresden dorthin und noch in demselben Jahre wurde August Hermann Francke nach Halle berufen. Nach Gründung der Universität setzte ThomasiuS daS Eolleg, daö er an der Ritter-Akademie gehalten, als Unircrsi tätSlehrer fort. Tic Universität zählte lckon im ersten Jahr zehnt ihres Bestehens 600 Studenten. Bereits im Jahre 1724 batten an derselben 6032 Theologen und 8032 Juristen studirt. Tie Orthodoxen erfüllte dies Auf blühen mit großer Bitterkeit. „Von Halle kehrst Tu. o sagten sie, „als Atheist oder Pietist zurück," und beides war ihnen gleich verhaßt. Doch erlebte ThomasiuS noch die Genuglhuiig, daß dieselbe Universität, die ihn einst gezwungen balle, Vaterstadt und Familie zu verlasse», ihn 1709 zur Uebernahme einer ordentlichen Professur in der juristischen Facultät ausforterte. ThoinasinS lehnte jedoch ab und wurde dasür von seinem Könige zum preußischen Geheiiu- rath und später zum Director der Universität Halle ernannt. Als solcher starb er am 23. September 1728. ThomasiuS wurzelte fest in seiner Zeit, er war rin ffommer Lutheraner, ja er glaubte fest an die Existenz des Teufels; auch die Richtung auf daö Praktisch-Nützliche, die in der Epoche lag, lheiltc er völlig. Aber daneben hat er leis die großen Gedanke», die namenllich von England herüber erleuchtend und klärend sich nahte», als eifriger und unermüdlicher Apostel mit lieser Inbrunst verkündet. Nie mand bat schärfere Worte als er gegen allen Zwang in Glaul-ciiösachen, gegen Vorurlbcile und Aberglaube», sür die Religion deS HcrzenS, sür Duldsamkeit, Nächstenliebe, Mcnsckiensreundlichkeit, LcbeuSsrcudc und Aufklärung. Von weil tragender Wirkung war sei» Kamps gegen die damals zahl reichen Hcxcnproccssc. 1699 wurde ihm daö Referat i» einem Hcxcnprccesse, welchen die Universität Halle zu entscheide» Hane, zucrlhcilt. Er stimmte ererbten Vornrtheilen gemäß sür die Verurlheilung der Angeklagten. Seine Abstimmung jedoch beunruhigte ihn, das Votum feines Evllcgen Stoyk, ter die Freisprechung der Hexe verlangt Halle, und dessen treffende Begründung gab ibm zu denke», zugleick, aber den Anlaß, sich mit der Natur und Geschichte de« HcxcuglaubciiS und der Hexenverfolgung eingehender zu befassen und die Sache zu siudire». Er gewann dabei die Uebcrzcugung, daß die An nahme eines Umgangs von Menschen mit dem Teufel ebenso unsinnig wie lächerlich sei. Mil Feuereifer socht er von nun an gegen diese» vcrhängnißvvllcn Aberglauben. Die Aufführung ter einzelnen Schriften deS TbomasiuS und seiner Anschauungen und Lehren, insbesondere ans den« Gebiete deS StaatSrcchlS, daS durch ihn wesentliche Be reicherung erfuhr, würde Leu Rahmen dieser Ausführungen weil überschreiten; wir müssen zur weiteren Orienlirung hierüber ans taS Buck von Nicoladoni verweise». Kamps für Freiheit des Geistes und Herzen«, de« Wissens »nd Glaubens, Krieg gegen den Zwang der Gewiüc», gegen Unnatur und Wettflucktt, das war ter Lebensinhalt des wackere» Kämpfers, und tarum verdient er bei ter glücklicheren Nach welt ein dauerndes dankbares Andenken, am meisten aber zur Zeit der Jubelfeier seiner Universität Halle. Mit vollem Reckt wirb daher die Enthüllung des ThomasiuS-Denk mals von Schapcr im Treppenhause drr Universität Halle einen Kern- und Glanzpuncl bei der bevorstehenden Feier bilden. L-u. in Bezug auf LandcSverratb nickt genügend Belastende« er geben haben, um diese Sache den, Reichsgericht zu übergeben. es. Berlin, I I. Juli. Die Erörterung der Frage, ob unk welche Maßnahmen gegen die anarchistische Gefahr zu treffen feie», ist ruhiger geworden, seit die osficiösen Kuiit- gcbniigcn der Gleichgiltigkeit und Sorglosigkeit einigermaßen rectisicirt worden sind. Wen» jetzt wieder versichert worden ist, die Regierung denke »icktt daran, die mit dem Ablauf des SccialistcngesetzkS cingcschlageiie Politik zu ändern, so ist dies dock etwa- Anderes, als wenn man sagt, die Agonie der Socialdcmokraiie solle nicht gestört werden. Ucbcrdics geben sür das, was etwa geschehen könnte, officiöse An deutungen noch weniger als sonst eine» Fingerzeig, denn die Männer der Reick'-regierung sind zur Zeit gänzlich außer Stande, zu wisse», oh sic im Herbst mit spöttischen Be merkungen über tie BtunrubigunzSerreger und da« ..cuvoaut uu>ulos", oder mit dem Hinweis auf eine LandeSgesabr vor das Volk zu treten „gewillt" sein werten. (Diese an die Passivsorm anklingcnde Bildung hat der deutsche SprackgeniuS verinutblich in der Voraussicht der eigenartigen Minislerver- antwortlichkeit unter dem neuen EurS ersonnen.) Jeden- alls mache» sich Diejenigen ganz unnütze Müde, die vor einer Gesetzgebung nl> irato warnen. Ter Zusammentritt des Reichstags ist nickt vor der zweiten Novemberl'älste in Aussicht fle»o»inien und eine frühere Berufung z»m Zwecke der Beralbuiig von Schutzgesetzen ist von keiner Seile ver langt worden. Bis zu jenem Zeitpunct wird der „Math der Kaltblütigkeit", dessen sich jetzt Bevorzugte rübnien, Gemeingut geworden sein, vorausgesetzt aller dings, daß ihn der Anarchismus nicht aus neue harte Proben stellt. Tic Erörterung der von der französischen Negierung vorgeschlagcncii Schutzvvrkchrnngeli, die — von der italienischen zu geschweige» — über da» Maß der in Deutschland zulässigen Abwehr- und RcpressioiiSi»aßrcg»l>i zun» Theil binauSgchcn, kann eine rubige Auffassung des WertbcS oder UnwertbeS von antirevolutionären Gesetzen nur fördern. Es wird dabei aber wohl zu beachten sein, daß die Verschiedenheit des Nationalckarakterö und der Ver- waltung-gcwohnbcilen rin allgemein giltigcö Unheil über die Zweckmäßigkeit bestimmter Gesetze nicht gestattet. 1s Berlin, ll. Juli. Zu denjenigen Fragen, welche in Preußen seit Jabre» schon aufgeworfen sind, aber now immer ihrer Lösung harren, gehört die Einsübrung der Stcno- araphic als saeultative» Lehrgegcnstandcö i» die höhere» Lehranstalten. Man mag über das Wesen der Stenographie und ibre Bedeutung für die A»«hi>ku»g ter Schüler verschiedener Meinung sein, soviel muß dock überall zugegeben werten, daß sie ein Mittel im Kamps »ms Dasein karstcUt, welche« da« stenographiekundige Individuum besser stellt al« da» fteiiograpbieunkuiidige. Diese Eigenschaft ter Stenographie macht sich auf der Schule selbst schon bemerkbar. ES wird jetzt von Leitern böbcrcr Lehranstalten, welckie früher der Stenographie nickt« weniger als hold ge sinnt waren, immer mehr zugegeben, daß die sienographirentcn Schüler dem Unterricht besser zu folgen und ihn besser aus zunützen im Stande sind, als die anderen. Also vom rein praktischen GesichtSpuncte aus müßte die Einführung der Stenographie in tie höheren Lehranstalten Preußens vorgenomiiien werden. Wenn dies bisher noch nicht ge swehen ist, ja wenn sogar die in früheren Zeiten der Stenographie günstig gewesene Stimmung dcö preußischen Abgeordnetenhauses in neuerer Zeit sich immer mehr ab- geknhlt bat, so liegt ein Grund hierfür wohl mit in der BekämpsungSart, welche die Vertreter der Heiden hauptsächlich in Betracht kommenden Stenograplsiesyslenie, de« Gabcls berger'scken und des Etolze'scke», gerade in Preuße» gegen seitig anznwentcn belieben »nd die für die Stenographie als solche nicht vorlhcilhaft sein kann. In anderen deutschen Staate» ist es mit der Einführung der Stenographie in die höhere» Lehr anstalten schneller gegangen. Bayern und Sachsen kennen diesen Unterricht-gegenständ in ten bezeichnelen Schulen schon seit langer Ze», Baden bat ib» türzlich einrufübren be schlossen und Württemberg hätte voraussichtlich das Gleiche gcthan, wen» nicht sein Parlament so frühzeitig auSeinandergegangen wäre. Alle vier Staaten wollten daS Gabclsberger'sche System einfübrcn, und eS ist tone Frage, daß, wenn Preußen dem gegebenen Beispiele folge» sollte, es der Einheitlichkeit wegen daS gleiche Deutsches Reich. * Leipzig, ll. Juli. Tie Aburibeilunz deS wegen Ver dachts tcS LandeSverralb« und der MafestätS brleidigung in Tbcrn verbasteten LberffcundanerS Scuolz wird durch Beschluß deS erste» Strafsenats deS Reich-gericht- vor dem Landgericht inThorn slattsinden Ti« Prüfung de« Material« ter Voruntersuchung wird also System wählen müßte. Jedoch soweit, daß es schon zur Wahl eines Systems kommen sollte, sind wir in Preußen »och lange nicht. Allerdings scheint, während das Abgeordnetenhaus seinen früheren, der Einsükrung der Stenographie günstigen Standpunkt ausgegebcn hat, in der Schulverwaltung selbst, die srüher einen recht kühlen Staiilpuucl dieser Frage gegenüber ciliiiabi», eine Wandlung nacl, der entgegengesetzten Richtung sich vollziehen zu wollen. Wie wir nämlich hören, baden sich ncuerlich ge wichtige Stimmen im EultuSministcrium sür die Einsüb- ru»g der Stenographie ausgesprochen. Es ist nur zu wünsche», daß diese Rick>ni»g im EnItuSministeriiim crstarlt und zu einem entscheidenden Einfluß gelangt, damit endlich >»> Zeit alter des Dampfes und der Eleklricilät die langjanic Enrrciit- sckrist, so weil als möglicb, auch in Preußen der Kurz schrift weicht. * Vrrtin, 11. Juli. Der „Reick'Sanzeiger" hat bekanntlich erklärt, daß der deutschen Gesanklschast bei de» mitlclamcrika- nischen Freistaaten Melkungen über die heimliche Er mordung von Deutschen von keiner Seile gemacht worden sind. Es hantelt sich hierbei um folgende, von der „Weser- zcitiing" mitgctbeilte Nachricht: „Ter „Panama Star und Herold" vom 7. Juni meldet u. A. über die Vorgänge bei der letzten Revolution: „Es heißt, daß Ärneral Rumpel, ein dkutjcher Armee-Jnsiructeur, von Ezeta erjchvjsen sei, weil er nach seiner Meinung die Artillerie nicht ordentlich geführt habe. Nach niundüchen Erzählungen eines vor wenige» Tagen in Bremen gewejenen Herrn, der zur Zeit der Revolution in der Hauptstadt Sa» Salvador an- wejend war, hat sich die Sacbc solgcnderinaßen zugelragen: Ezeia befürchtete, daß Rumpel (der Name scheint nicht ganz richtig zu ieinl, fein Arlillerie-Jnfirucieur und der einzige, der mit feinen tdrupp'fchen ttzeichlitze» umzugeben wußte, nach dem Bei- fpiel feine- College» Korner in Chile zur Revolulion-pariei über- gehen könnte. Al- daher die Nachricht von dem Ausbruche der Revolution noch der Haupistadt kam, ließ Ezeia, ohne sür feine Befürchtungen einen anderen al» den oben genannte» Ctrund zu haben, den deul'ihtn Lsftcer in feinem Hau!« arretireu und
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