Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940718022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894071802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894071802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-18
- Monat1894-07
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezrrgS'Vret» A t« -Mchtexprditio» °d« den i» Stadt, »«trr und de» Vororten errichtete» Au«, oalkstellea abgeholt: vierteljährlich-««.SO. ki Mi^maliaer täglicher Zuftellnng i»s Hau« bchü. Durch di« Post bezogen für DtL'ichiaud uud Oesterreich: viertrlläbrlich k.—. Direct« tägliche -reuzbandieabung tut Autlaud: monatlich 7 SO. WteMorgeu-Autgabe erscheint täglich'/,? Uhr, di« «änd-An-gabe Wochentag» L Uhr. Lrdaction ««L Lrpeditioa: JahanneSgafie 8. Die Expedition ist Wochentag« onuaterbrochrn geöffnet von frith 8 bi- Äbead« 7 Uhr. Filiale«: vtt« «lem»'« Sarli«. (Alsre» Hahn). Universitätsstrabe 1. Last« Lisch,. U^harinenstr. 14, part. und Söulq-vlatz 7. Avend-Ausgave. Anzeiger. LWN für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. tNnzetgau'Prei- die 8 gespaltene Petitzell« SS Psg. ^ Reklamen unter demRedactiontstrich (4ao- spalten) SO^j, vor den FamtUrunachrichteM (k gespalten) 40 Gröber» Schristen laut unserem Prrit. verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Sxtra-Beilagen (gesalzt), «nr mit de. Morgen-Ausgabe, ohne Postbeiörderung ^>l 60.—, mit Postbesördernug 70.—.. Jinnalimeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Bormittag« 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Soun- und Festtags früh '/,9 Uhr. Bei den Filiale» uud Annahmestellen je eia» halbe Stund« früher. Anzeige« sind stet« an die Srpehiti«» zu richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig Mittwoch den 18. Juli 1894. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. iS. Juli. Unter dem vielversprechenden Titel .Min französischer Zntrrvtever dei Or. LangerhanS" veröffentlicht das „Berl. Tagebl." einen spaltenlangen Artikel, der unseren Berliner ks-Eorrespondenten zu folgenden kritischen Bemerkungen ver anlagt: „Der ReichStagSabgeordncte und Vorsteher der Berliner Stadtverordncten-Vcrsammlung I>r. LangerhanS be sitzt an einer ihm verwandten alten Dame in Paris eine politische Pythia, auf die er sich in Stunden schwerer Entscheidungen beruft, das ist allbekannt. Daß aber der Pariser „Matin" sich einer gleickgearteten Quelle der Weisheit in der Person des Reichstagsabzevrdnetcn und Vorstehers der Berliner Stadtverordnetenversammlung vr. Langerhan S erfreut, erfährt die über die Wahrheit des berühmten Oxenstierna'schcn Wortes seufzende Well mik frohem Erstaunen erst heute. Ja, Herr vr. LangerhanS nimmt nicht nur an der Seine, er giebt. Er hat dem Correspondenten des französischen Blattes Vieles und Tiefe- über Gegenwart und Zukunft gesagt, so Tiefes, daß man eS manchmal gar nicht verstehen kann, wie zum Beispiel die heraklitischen Aussprüche über „daS gegenwärtige Regierungsdogma". Anders aber ist ver ständlich — wenn auch nicht vom nationalen Stand- puncte aus — und muß in einem wirklich deutschen Blatte zurückgcwiesen werden. Denn geschieht auch Or. Langer- dans und seinem schlechten Abklatsch einer schleckte» FriedenS- congreß-Redc mit flüchtigem Spott schon zu viel Ehre, so ist doch die Geneigtheit der Franzosen, sich in Täuschungen über die Grenzen der nationalen Gleich giltigkeit de« deutschen Volkes wiegen zu lassen, ernst zu nehmen. Herr vr. LangerhanS nährt solche Illu sionen, indem er dem Franzosen von einer deutschen Friedensliebe spricht, die keine Bedingungen kennt. Er streicht zugleich eine wahrhafte und wirksame deutsche Friedens politik von lg Jahren aus der Geschickte, indem er dem Franzosen eine Darstellung der äußeren Politik Deutschland- giebt, wonach diese erst mit Beginn des neuen Curses eine solche der Mäßigung geworden sei. Dieser, der gezie menden Beurtheilung auch im wahrheitsliebenden AuSlande sicheren, Verleumdung des eigenen Landes möchte der deutsch- freisinnige Patriot eine Unterlage geben durch die unerhört üderne. sittlich darum aber nicht weniger verwerfliche Be hauptung, ein „bei uns" sortlebender „Rest von Feudalität" bilde in gewissem Sinne ein Hinderniß der „an sich möglichen und so sehr wünschenswertsten Verständigung" der Deutschen und Franzosen. Das hat nur einen Sinn, wenn Herr vr. LangerhanS sagen wollte: „wenn wir ans Ruder kommen, liefern wir Elsaß-Lothringen auS". Daß der Franzose den Eindruck erhalten hat, die deutsche Demokratie sei zu einem derartigen Schritt bereit, steht für Jeden außer Zweifel, der das Opfer gebracht hat, die unwürdigen Bettel- reden diese- „Deutschen" zu Ende zu lesen. Herr vr. Langer- ban« ist als Vorsteher der Stadtverordneten in gewisser Hinsicht ein Repräsentant der Rcichshauptstadt. Wirb man sich angesichts seiner nationalen Selbstentäußerung, der die des Herrn Virchow vorausgegangen ist, wundern dürfen, wenn das Unbehagen an Berlin im Lande noch weiter um sich greift?" Die Weigerung einer großen Anzahl von ratakfabrikanten, die ihnen seitens der Regierung gestellten Fragen zu beant- Worten, dürste in der nächsten Zeit noch öfter erörtert werden. -^!Ä>ch">vtise werden sich auch die Gerichte mit ihr zu be schäftigen haben, da in Baden Strafanzeigen gegen die AuS- kunstverweigerer angcdroht worden sind. Ob die Fabrikanten, welche die Ausfüllung der Fragebogen ablehnen, sich auf dem von ihren Interessen vorgezeichnetcn Wege befinden, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Sie zu verneinen, läge insofern ein dock zweifellos ins Gewickt fallender Anlaß vor, als der Vorstand deSDcutschenTabakvereinS seinen Eommittenten die Ausfüllung der Fragebogen empfohlen bat. ES soll indessen nicht geleugnet werden, daß die Tabakinteressenten in Bünde ein sehr gewichtige« sachliche- Bedenken geltend macken, wenn sie aus die kurze Frist binwicsen, in der sie die schwierigen Ermittelungen bei ihren HauSarbeitern vorzunehmen hätten. Ob sie die Mög lichkeit, innerhalb der gegebenen Frist zuverlässige Erkundigungen über die kleinen selbständigen Betriebe einzubolen, mit Recht bestreiten, vermögen wir nicht zu untersuchen. Die Begründung der Weigerung mit der Weigerung Anderer, die die Fabrikanten in Bünde in den Vordergrund gestellt haben, wäre nur durch schlagend, wenn festgestellt wäre, daß die zuerst Ablehnenden außer Eontact mit den später Ablehnenden gehandelt haben. Den Bünder Herren ist eS nicht entgangen, baß die grund sätzliche Abweisung einer Untersuchung ihrer Sacke nicht günstig sein würde, sie beantragen deshalb die Veranstaltung einer Enquete durch die Tabak - Berussgenosscnschaft. Bei dieser wünschen sie aber die Frage nach der Höbe der Production nicht gestellt zu hören, wodurch ihre Bereit willigkeit erheblich an Werth einbüßt. Eines sollten die industriellen Tabakinteressenlen — es giebt, wie bekannt, auch landwirthschastliche.sür welche die zetzige BesteucrungSsorm eine schwere Bedrückung bildet — nicht vergessen: eine stärkere Heranziehung des Tabak- zu den Kosten der Reichsverwaltung ist auch ohne vorhergcgangcne statistische Ausnahmen möglich, zumal der Gedanke, die Rauckcr stärker zu be steuern, weitere Eroberungen macht. Bei dem nächsten gesetz geberischen „Zusammenstoß" zwischen Staatsbedürsniß und Tabakindustrie kann eS der letzteren keineswegs fördcrlick sein, wenn, waS nicht ausbleiben wird, weite Kreise den Beweg grund zur Ablehnung einer Untersuchung in der Befürchtung finden, die Ergebnisse würden ein starkes Argument für die Gerechtigkeit einer höheren Besteuerung des Tabaks liefern. Die italienische Regiernng hat ihre Ausnahmegesetze gegen die Anarchisten unter Dach und Fach. Die hyperradicalen Blätter diesseits wie jenseits der Alpen behaupten, die Kammer habe in ihrer Mehrheit einer solchen „Knebelung der Freiheit" widerstrebt, aber die sommcrlicke Gluth Roms habe die Mehrzahl der Volksvertreter schließlich so theilnahmlos, und die Hoffnung auf Sckluß der Session sie so gefügig gemacht, daß sie, nur um der Qual einer längeren Tagung zu entgehen, zugestimmt habe. In Wahrheit ist eS die nach den Attentaten aus CriSpi, Carnot und Band! immer lauter nach energischen Abwehr- maßregeln verlangende öffentlicye Meinung gewesen, welche den Montccitorio ven Wünschen der Regierung, die mit denen des Volkes zusammcnsielen, geneigt gemacht bat. Dieser Strömung in der öffentlichen Meinung bestrebte sich CriSpi gerecht zu werden, unterstützt in diesem Bestreben durch die Ankündigung, daß gleichzeitig auch in anderen Staaten in gleichem Sinne vorgcgangen werde. In aller Eile wurden drei Gesetze entworfen: eins gegen den Miß brauch von Sprengstoffen, ein anderes gegen Aufreizung zu Verbrechen und gegen die Verherrlichung solcher durch die Presse, und ein drittes, das der Polizei die Macht verleihen sollte, die als gefährlich anerkannten Individuen nicht nur schärfer zu beaufsichtigen, sondern sie sogar durch Dcportirung an feste Plätze zeitlich unschädlich zu machen. Die Eile, in der diese Gesetze entworfen worden waren, ließ nun zwar den Wunsch laut werden, daß sie bei derKammer- berathung etwaiger Härten und Unsicherheiten entkleidet würden; daß aber vom Kern derselben nichts verloren gehen würde, durfte man von vornherein annehmen. Das erste Gesetz bedroht die Herstellung, den Transport und das Aus- bcwabren von Explosivstoffen im Hause zu verbreckerischen Zwecken mit ZucktbauS von 3—7 Jahren. Wer Explosivstoffe zur Erregung von öffentlicker Furcht :c. explodircn läßt oder hinlegt, wird mit Zuchthaus von 1 — 10 Jahren, in Zeiten öffentlicher Aufregung oder gesteigerten Ver kehrs mit Zuchthaus von 8—12 Jahren bestraft. Eine Zuchthausstrafe von 10 — 15 Jahren tritt ein, wenn die That begangen wird am Sitze politischer oder admini- trativer Versammlungen oder in anderen öffentlichen oder öffentlichem Gebrauck gewidmeten Gebäuden» in Wohn häusern, in Jndustriewcrkstättcn oder Werften, oder in Magazinen, wo brennbare oder explosive Stoffe lagern. Wird durch in Rede stehendes Verbrechen das Leben von Personen gefährdet, so tritt Zucktbaus- lrase von 15 bis 20 Jahren ein; von 20 bis 21 Jahren, lvcnn der Tod einer oder uichrcrer Personen ein- tritt. Wer mit Sprengstoffen, Bomben :c. eine gegen Personen gerichtete That begeht, wird mit Zuchthaus nicht unter 20 Jahren bestraft; tritt der Tod einer oder mehrerer Personen ein, ist Kerkerstrafe zu verhängen. Die Aufreizung zu den genannten Verbrccken wird mit Zuchthaus von 3 bis 5 Jahren bestraft, die Entschuldigung >ener Verbrechen mit Zuchthaus von 6 Monaten bis zu 2 Jahren. Zu den ge nannten Strafen tritt immer noch die besondere polizeiliche Uebcrwachung hinzu. Die Avmonirten und Ueberwachten, die nur eine Verurtheilung wegen der betreffenden Verbrechen erfahren, werden nach den Strafinseln verbannt. Gegen dieses Gesetz erhob sich kein wesentlicher Widerspruch. Der selbe wurde aber sofort laut, als da- zweite, das Preßgesetz, zur Bcratbung gelangte, das die vom Strafgesetzbuch be stimmten Strafen für Aufreizung zu Verbrechen und für Verherrlichung solcher um die Hälfte erhöht und diese Ver brechen der Compctenz der Schwurgerichte entzieht uud sie den Strafkammern zuweist. Die Opposition zeterte in allen Tonarten über die Gefährdung der von der Ver fassung gewährleisteten Preßfreiheit, trotzdem aber wurde der Gesetzentwurf mit einigen unbedeutenden Verbesserungen und Zusätzen von der Kammer genehmigt, mit dem Hinweis daraus, daß das Gesetz durchaus nicht emc bis jetzt bestandene Freiheit unterdrücke, sondern nur die schon vorher verbotene Lust zu Ausschreitungen dieser Art etwas theurer mache. Den heftigsten Widerstand aber sand, wie vor- auSzuschen war, der dritte Gesetzentwurf von Seiten der Radi- calen und Socialisten, zu denen sich diesmal auch ein Theil der Jakobiner-Liberalen aus der Gruppe Zanardelli's gesellten. Es bandelte sich dabei allerdings ui» eine schwerwiegende Be stimmung, vermöge deren die Obrigkeit das Recht haben sollte, Individuen, die zufolge ihrer Vergangenheit oder ihres eigenen Geständnisses zu der Clafse der gefährlichen Anarchisten zu rechnen seien, an feste Plätze zu deportiren, d. h. in eine Art Galeere zu sperren. Hier mußte die Regierung sich zu einiger Nachgiebigkeit bereit finden lassen. Das mit großer Mehrheit angenommene Gesetz bestimmt im erste» Artikel, daß der ZwangSaufcnthalt nur gegen Vrrurtbeilte, nicht, wie die Regierungsvorlage wollte, auch gegen An geklagte und wegen Mangels an Beweisen außer Verfolgung Gesetzte verhängt werden kann, wenn eS sich um näher be stimmte öffentliche Gewaltthaten, Bedrohungen deS Friedens und der Sicherheit und AchnlichcS handelt. Laut Artikel 2 kann die Maßregel nicht durch die im Polizeigcsctz bezcichncte gewöhnliche Administrativ-Commissivn, sondern nur durch einen besonderen Ausschuß verhängt werden, welcher aus dem ersten Gerichtspräsidenten, dem Staatsanwalt und einem RezierungSrath besteht und den Beschuldigten vernehmen muß. Eine noch wesentlichere Veränderung hat der Artikel 3 erfahren. Er verlangte für den Minister deS Innern das Recht, auf Antrag der Provinzialcommission „alle Förderer und Mitglieder von Gesellschaften, welche thätlich oder durch Auf reizung zum Elassenbaß den Umsturz der gesellschaftlichen Ord nung »n Staate anstreben", zum Zwangsaufenthalte zu ver dammen. In der neuen Fassung ist die Gefahr deS Miß brauchs dadurch beseitigt, daß als Bedingung für die nicht an vorgängige Verurtheilung geknüpfte Verhängung des ZwaiigSaiifentbaltS die „Ankündigung der überlegten Absicht von Tbätlichkciten gegen die Gesellschaftsordnung" gesetzt ist. Das Verbot der Vereinigungen und Versammlungen ist auf diejenigen beschränkt worden, welche dieselbe gewaltthätiae Veränderung der Gesellschaftsordnung zum Zweck haben, wäh rend die dclmbare Bezeichnung der „Aufhetzung zum Classcn- baß" gestrichen worden ist; cs ist hierdurch den socialistische» Vereinigungen die Fortexistenz ermöglicht, so lange sie nickt von der Näkrung deS Classenhasses zur Predigt deS thätlichen ClassenkampscS übergehen. Zu hoffen und zu wünschen bleibt nur, daß die italienische Polizei nunmehr ihrer schweren, verantwortungsvollen Aufgabe gerecht werde. Noch kürzlich bat CriSpi offen ausgesprochen: „Unsere Polizei ist dcSorganisirt — sie existirt llberbaupt nicht mehr!" Demnach muß die nächste und wichtigste Aufgabe eine gründliche Reorganisation de« gcsammlen Sicherheitsdienste- bilden; andernfalls ist Alles umsonst. DaS britische auswärtige Amt veröffentlicht eine Reihe von Depeschen, die sich auf die zwischen der bri tischen und deutschen Regiernng über den letzten englisch» belgischen Vango-Bertrag geführten Verhandlungen beziehen. Die erste Depesche ist vom Grasen Hatzseldt, dem deutschen Botschaster in London, an Lord Kimderley gerichtet und vom 3. Juni datirt. Ter Botschafter fügt Abschriften von Roten bei, die zwischen dem deutschen Gesandten in Brüssel und der Regierung des Congvstaatcs gewechselt worden sind. Am 5. Juni erwiderte Lord Kimberley, daß ihm die Stellung deS CongostaatcS zu Deutschland nicht entgangen sei und die deutschen Rechte gewahrt bleiben würden. Am 11. Juni er widerte Gras Hatzseldt, daß der dritte Artikel deS englisch- belgischen Vertrages vom 12. Mai deutsche Rechte verletze und die Genehmigung Deutschlands bedinge. Am 17. Juni schrieb Sir Francis Plnnkett von Brüssel, daß angesichts des von Deutschland erhobenen EinwandeS es de» König der Belgier sehr freuen würde» wenn die britische Regierung den dritten Artikel aufheben würde. Am 21. Juni gab Lord Kimberley seine Zu stimmung und am folgenden Tage wurde ein dahin gehendes Ab kommen in Brüssel unterzeichnet. Am 26. Juni benachrichtigte Lord Kimberley den Grasen Hatzfeld, daß er beabsichtige, dem britischen Botschafter in Berlin die Ansichten der britischen Regierung über den dritten Artikel nutzutheilen. Zugleich legte er eine Abschrift der in Brüssel Unterzeichneten Er klärung bei. Am 2. Juli schrieb Lord Kimberley an den britischen Botschafter in Berlin und benachrichtigte ihn, daß die deutsche Regierung gegen den dritten Artikel protcstirt habe und tbeilte ihm die Ansichten der britischen Regierung über den strittigen Punct mit. Die britische Regierung wollte keine Verwaltung-rechte erwerben» außer so weit es sich um Handel und Verbindung handle. Auch in dieser Beziehung würde die britische Verwaltung allen Verpflichtungen deS CongostaateS in Bezug auf Neutra lität, Handelsfreiheit und allen Beschränkungen in Bezug auf Abgabe» auf durchgehende Waaren unterworfen fein. Da aber die deutsche Regierung den dritten Artikel für schädigend ansche, so benachrichtigte Lord Kimberley den britischen Bot- fckaster, daß der Artikel zurückgezogen worden wäre. Er bat ihn, diese Depesche dem Baron von Marshall vorzulesen, um die vorhandenen Mißverständ nisse auszuklären und ihn über die wahren Absichten Feuilleton Die alte gute Zeit. Line Erzählung au« Riedersachsen von Greg. Samarow. 28j . Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) Nun, mein junger Freund, da kann ich Ihnen eine gute Antwort geben. Wenn Sie noch einige Monate so weiter arbeiten, wie Sie cs bisher gethan, dann werde ich Ihnen das Zeugniß geben, daß Sie die Prüfung bestehen können, und Sie werden sie bestehen, und wenn S,e wirklich noch im Dienste bleiben, so werden Cie mancken von Ihren TtandeSgenoffcn, die nicht so viel sind wie Sie, ein gute- Beispiel geben. In vier Monaten können Sie Assessor sein, und wenn Sie dann bei der Landdrostei hier in Hildeshcim arbeiten, so wird daS eine vortreffliche Vorbereitung für Obren künftigen Beruf sein. Wissen Sie", sagte er dann, während eine welnnüthige Freude Hilmar'S Gesicht erhellte, ,wa« mir eigentlich doch sehr viel Vergnügen gemacht bat? — DaS ist der Teufelskerl, der Haarbrandt, der Ihnen doch eigentlich da- Leben gerettet. Habe mich doch in dem Kerl nicht getäuscht, er hat daS Herz auf dem rechten Fleck: ich bin heute noch froh, daß wir ihm auS der elenden Fisch geschichte herausgeholfen haben. Der Grundmann spintisirt noch 'immer umher, wo die Karpfen hcrgekommen sind, die ich ihm vorgesetzt, al- er mich so hinterlistig in Verlegenheit gebracht." Hilmar mußte lächeln. „Nun", sagte er. „erfahren wird eS wohl der AmtSrath nicht, ich wenigstens kann eS ihm nicht verrathen — der Herr Oberamlmann kennen ja allein das Geheimniß." Der Oberamtmanu lachte herzlich. „Da Sie übrigen«, mein lieber Herr von Bergholz, schon wieder an Arbeit denken, so möchte ich Ihnen Wohl ein Akten stück schicken, daS mir in den letzten Tagen viel Sorge gemacht hat und bei dem Sie mir so recht erwünscht kommen." „Mein Kopf ist klar, Herr Oberamtmann, ich stehe zu Ihrem Befehl." „Nun", fuhr der Obrramtmann fort, „ich habe von dem Auswärtigen Ministerium ein großes französische« Schriftstück erhalte», da« schon überall herum gewesen ist, ,n GoSlar und andere» Orte» — man bat einfach darauf geschrieben: ,Lum Bericht." Der Teufel soll mich hole», wen» ich da« Zeug verstehe — ich habe in meiner Jugend auch französische Exercitien gemacht und den Okarles ckourcr gelesen, aber was da geschrieben steht, davon verstehe ich kein Wort, und der Auditor Röbbeken bat mir auch nicht ausbelfen können — französische Gerichtssicgel sind darunter, und ein Schreiben der Gesandtschaft liegt dabei, daS muß wohl so ein französischer Curialstil sein, ich habe nur so viel daraus verstanden, daß eS sich um eine Erbschaft handelt, — da ist von einer Mar quise von Granville die Rede und dann von einem Monsieur Charles Bergen, aber wie das zusammenhängt, das mag Gott wissen, — eine große Summe — süosmalhunderttauscnd Francs ist eS, um die es sich handelt." „Charles Bergen?" fragte Hilmar aushorchend, „daS ist ja unser Tbierarzt!" „Ah", sagte der Oberamtmann lachend, „unser Thier arzt, was hätte der mit den Franzosen und mit einer großen Dame in Paris zu thun? Nun, ich werde Ihnen das Actcnstllck schicken. Sie sind ja in der Welt herumgereist und in Paris gewesen und werden wohl gleich herausfinden, was daS bedeutet. Und wenn Sie dann die Feder führen können, so werde ich Sie bitten, den Bericht zu schreiben, den der Minister so kurzweg verlangt, und wenn Sie wieder ganz gesund sind, dann wollen wir beide ganz allein eine Flasche Madeira trinken. Sie wissen, von dem, der zweimal die Linie passirt und von dem mir der Tronken eine unbillige Menge wcggetrunken bat." Als der Oberamtmann weggegangen war, ließ sich Hilmar von seinem Diener auS seinem Schreibtisch, der während seiner Krankheit verschlossen geblieben war, seine Geldkassette reichen. Er öffnete dieselbe und begann den Inhalt zu zählen. „L, Herr Baron", sagte der Diener mit vorwurfsvollem Ton, „daS muß Alle« stimmen, ich habe die Schlüssel mit in Landersen gehabt, und die Leute hier im Hause, wahrhaftig, auf die kann man sich verlasse»." „Gewiß", sagte Hilmar beschwichtigend, „aber ich muß doch Caffe macken und sehen, wie die Rechnung stimmt." Kopfschüttelnd ging der Diener hinaus. „Da- hätte ick niemals gedackt", murrte er vor sich hin, „daß der junge Herr so auf- Geld hält und so geizig ist, er hat eS doch wahrlich nicht nöthig." Hilmar aber zäblte die Goldstücke und Banknote» io der Lasse. „Da« wird bei sparsamem Leben für fünf big^ech« Monate reiche», bi« dahia kan» ich aus eigene» Füße» stehen. Wie gern würde ich Alles hingeben für meines Vater- Segen und Liebe — er wird mir zürnen, er wird sich von mir wenden, aber er soll mich achten." Der AmtSvogt Philipps kam und brachte daS französische Aktenstück, von welchem der Lberamtmann gesprochen. „Gott sei Dank", ries er, „daß Sie wieder da sind, Herr- Baron, wir haben viel Angst auSgestanden, und wie gut ist cs, daß wir den Haarbrandt nicht im Loch behalten haben, ich möchte dem Kerl daS Privilegium geben, auS allen Fisch teichen im Hochstiste zu holen, was er will." Er trank ein große« GlaS Bordeaux, daS ihm Hilmar vorsetzen ließ, unter wiederholter lebhafter Versicherung seiner Freude und in der Hoffnung, den Herrn Auditor bald wieder aus dem Amte zu sehen. Während Hilmar die Actenstücke laS, kam der Thierarzt, der von seiner Rückkehr gehört. „ES war wohl ein tollkühner Streich", sagte er, Hilmar'S Puls fühlend, „aber eS hat nichts geschadet, und wahrhaftig, cs ist besser so, eS war dort kein Platz für Sie. Mährens deS FicberS mochte das gehen, aber nun bin ich froh, daß Sie hier sind. Ich kann schon ganz offen sprechen, eS ist 'ne traurige Geschichte, aber zu macken ist nicht-. Ich habe gethan, WaS ick konnte, aber der Graf ist ja hart wie Stein. Freilich war er'S auch gegen sich selbst, und da mag er glauben, ein Recht dazu zu haben, mag auch wohl die Frau Gräfin fürchten, nun. das mag er mit seinem Gewissen abmachen. Muth, Herr Baron, Mutb, das Unvermeidlickc muß getragen und durckgesochten werden, wenn nur erst Fleisch und Blut und die Knochen wieder gesund sind — was Andere gekonnt haben, müssen Sic auch können." „Sie haben recht, Bergen, ick werde können, wa« meine Ehre und mein Gewissen von mir fordert. Doch", sagte er dann abbrcchcnd» „ich habe da etwa«, waS Sie betrifft; auf dem Amte haben sic e« nicht verstanden, vielleicht hätten sie e« wieder zurückgeschickt, wenn ich nicht gekommen wäre." „WaS mich betrifft ?" sagte der Tbierarzt, „Teufel auch, ich bin mir nicht bewußt, WaS Unrechte« gethan zu haben. — Wollen Sie mich etwa gar", fragte er lachend, „wegen Medicinalpfuscherei verklagen, weil ich Ihnen da« Bein geschient und die Wunde zurecht gemacht bade, al- Sic hilflos dalagen?" „Die Sache ist ernst, lieber Bergen, hören Sie, ich verstehe das besser al- die Herren auf dem Amt, nicht nur die Sprache, sonder» auch da- Andere, was dazwischen liegt; Sir haben mir einmal eine alte Geschichte erzählt, mit der da« Papier wohl zusammenhängt." „Eine alte Geschichte — und was steht da geschrieben?" „Hier steht geschrieben, daß die Marquise Granville, ein geborene- Fräulein von )., welche kinderlos verstorben ist, in ihrem Testament eine Summe von fünfmalhunderttausend Francs einem Herrn Charles Bergen vermacht habe, welcher zur Zeit der französischen Feldzüge in GoSlar Veterinärgehilf« »n Stalle ihres VaterS, deS General- k., gewesen sei. Wie ich da« gelesen habe, da ist mir ein Bild aufgestiegen von einer schöne», stolzen Dame, die über die Felder dahiniagte, und von schönen dunklen Augen, die so hell im Mondschein leuchteten, und da habe ich mir gedacht, daß dieser Charles Bergen kein Anderer sein könnte, als mein guter alter Freund, dem ich mein gesunde- Bein danke." Ter Thicrarzt war bleich geworden, seine Lippen bebten, seine Augen blickten starr auf daS Papier. „Karl Bergen, so heiße ich, ja, und Veterinärgehilfe war ich damals und auch im Stall deS Generals beschäftigt, und das Bild kenne ich auch von der stolzen Dame und den schönen Augen, die so wundersam im Mondschein leuchteten." „Nun", fuhr Hilmar fort, „der Testamentsvollstrecker läßt durch die Gesandtschaft den Charles Bergen suchen, um ihm» wenn cr noch lebt, daS Vermächtniß auszuzahlen." „Charles Bergen" — sprach der Tierarzt mechanisch nach — „sünsmalhundcrttausenv Francs —" „Bergen, da« ist eine halbe Million", sagte Hilmar, „ich gratulire Ihne», Sie sind ein reicher Mann." „Ein reicher Mann!" sagte der Tbierarzt schmerzlich, „Du mein lieber Gott, WaS thue ich damit?" „Und sie", fragte er mit bebenden Lippen — „sie, di« schön« Stephanie?" „Sie ist todt; denn von ihr ist ja daS Testament, aber sie bat bis zum Tode an Sie gedacht und sendet Ihnen diesen Gruß bei». Scheiden aus dem Leben, dessen Jugendblllthe «ie einst im schimmernden Mondlicht gesehen." „Und wie blühte sie so herrlich", rief der Alte, „wie ei»« duftige Maicnrose — sie ist bingcganae», und ich alter ver dorrter Stamm, ich bin noch da! Aus Wiedersehen — vielleicht — da« waren ikre letzten Worte. Nun, vielleicht wird e« ein Wiedersehen geben, da, wo rin hellere« Lickt leuchtet al« der Mond, in dessen Strahlen ihre Augen so wundersam schimmerten. Eins versprechen Sic mir, -Herr Baron, wen» ,ch einmal sterbe, sorgen Sie dafür, daß aus mein Grad r» Kreuz gesetzt wird mit einer aeseuktrn Ros«, darunter soll geschrieben sein: „Aus Wiedersehen — vielleicht." Die L»1»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite