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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940721024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894072102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894072102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-21
- Monat1894-07
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Bezug-Preis M »« Ha»P>»IP«bition ob« d«n im Ttabt- «ch d« Vororte» errichtete» «us- laitvelle» «dgeholt: vierteljährlich^4.K0, ^utlchland »ud Oesterreich: viertellihrlich . Direct» täglich« Lrenzb«idle»dllng MS Lastand: momrtlich ^l 7.SO. «, Morgew-L-Sgab« «scheint täglich'/,? Uhr, »te Lhend-Ausgab« Socheatog« S Uhr. -rd«tio« ,»ß Lr»edUit> : IntzemnesOOG« 8. »»»»terbroche» FUistle«: ru. «len»«'» e-rtt». («lfretz Ha»«). Unlverfitätsftioße 1, La«t» LSsche. ß^harineustr. 14, Part, und -öntg-platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrga» fiir Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. «uzeigeu»Prer- die «gespaltme Petitzeile SO Pf-. Reclamen unter demRedactionsstrich (4ga- ipalten) üO^, vor den Familtennochrichte» ik gelpalte«) 40^. SrShere Schriften laut »»irrem Preis, verzeichniß. Tabellarischer und gifferniatz »ach höhere« Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Postbeiörderung SO.—, mrt Postbesorberung 70.—. Anvahmeschiuß für Anzeize«: Abend »Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Gönn- und Festtags früh '/,S Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ei»« halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Srprdttiaa zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig » Sonnabend den 21. Juli 1894. 88. Jahrgang, Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den SS. Juli, Bormiltags nnr bis V-0 Uhr geöffnet. Lxpeättlon äes I^lprlxer ^axedlattes. politische Tagesschau. * Leipzig, 2l. 3uli. In der Pfalz hat ein Parteitag der pfälzischen CentrumS- »äuner stattgesuuden, auf dem der bayerische CentrumS- abzcordnete Schaedler eine längere Rede hielt, die in mehr als einer Hinsicht interessant ist. Zunächst erklärte Herr Schävler, daß eine völlige Enthaltsamkeit der Ccntrumspartei in rer Steuerpolitik ein Unding sein würde, und daß der Gedanke der Finanzreform bei einer Schuldenlast von zwei Milliarde» au sich uothwendig sei, nur könne man sich nicht damit einverstanden erklären, 10V Millionen neuer Ver brauchssteuern zu bewilligen. Nun, über die Höhe der Summe und über die größere oder geringere Zweckmäßigkeit der einen oder anderen Steuer wird sich wohl reden lassen. Jedenfalls aber sieht man au» den Worten des Herrn Schaedler, daß da- Centrum sich nicht auf den Standpunkt stricter Negation stellen will. WaS sagt dazu Herr Richter, dessen .Freisinnige Zeitung" seit Monaten jede dem Gedanken an neue Steuern abholde Stimme aus dem CentrumSlager mit rührender Gewissenhaftigkeit registrirt? Wenu auch nur der bayerische Theil der EentruinSpartei sich den Steuerplänen nicht ungünstig gegenüberstellt, hat die von Herrn Richter geplante Allianz gegen alle Steuervorlagen keim Aussicht auf Erfolg. He- Weiteren sprach sich H«rr Schaedler über die Stellung des CentramS zu den Handelsverträgen auS und meinte, mit grundsätzliche Gegnerschaft gegen die Verträge habe im Zentrum nicht bestanden, wenn auch ein Theil der Partei Mn dieselben votirt habe. Die Handelsverträge seien auch gar nicht so übel, denn eS habe sich um einen Ausgleich der wisthschafllichen Interessen gehandelt; nur die Berücksich tigung des Gemeinwohls führe zur Gerechtigkeit. Bei der Verathung der Handelsverträge, insbesondere des rumänischen Vertrage-, hat Herr Schaedler einen wenigerversöhnlichenStand- punct eingenommen. Damals bekämpfte er persönlich den Ver trag mit der größten Schärfe, und der Gegensatz, in den er sich öffentlich zu den Ausführungen seine- Parteigenossen Lieber stellte, war für die Gegner de- CrntrumS erbaulicher, als für diese-. Jetzt scheint man freilich die Gegensätze soviel clls möglich tzberklelstern zu wollen. Ob eS gelingen wird? Schließlich kündigte Herr Schaedler unter stürmischem Jubel an, daß da» Centrum in der nächsten Session zu allererst den Antrag auf Aufhebung de« Iesuitengrsetze» wieder einbringen werde. Die Nachgiebigkeit de« BundeSratheS in Bezug auf die Redempto risten und die Väter vom heiligen Geiste hat also, wie wir am ll. d. Mt« an dieser Stelle gegenüber der Vertrauens seligkeit der Osficiöseu au-führten, die Ultramontane» keines wegs zur Einstellung der Agitation für die Aufhebung de« IesuitengesetzeS veranlaßt. Die erneute Einbringung de« Anträge« auf Beseitigung de« Irsuilengesetze« kann allerdings zunächst praktische Zwecke nicht verfolgen. S o kurze Zeit nach seiner Ablehnung im BundeSrathe scheint uo« der An trag, wenn die Staatsgewalt gegenüber der streitende« Kirche und ihren Parteigängern nicht geradezu abdanken will, keine Aussicht auf Erfolg zu haben. Die angekündigte parla mentarische Action de« CrntrumS zu Gunsten der Jünger Loyola« hat also lediglich agitatorisch-demagogisch« Bedeutung. Es ist der deutschen CentrumSpartei aber durchaus würdig, daß sie ihren Einzug in da« neue ReichS- tagSgebäude durch die Schürung de- konfessionelle» Hader« zu feiern sich anschickt. Bekanntlich wird die uorpa«ertka«tsche Zollpolitik seit einiger Zeit von den deutschen Interessenten mit wachsender Besorg»,ß verfolgt. Namentlich wirkte die Nachricht, daß der Senat in Washington auf deutschen Zucker eine« sehr erheblichen Zuschlag gelegt habe, außerordentlich aufregend auf die deutschen Zuckerexporteure, und begreiflicherweise um so mehr, als die Zuckerausfuhr in der laufenden Campagne ohnehin etwas zurückgeblieben ist. Wir stimmten deshalb der .Post" bei, die sich für energische Repressalien von Seiten de- Reiche« aussprach, und eS hat auch schon eine Conferenz von Vertretern der Zuckerindustrie mit Regierung-Vertretern im ReichSschatzamt stattgefunden, die sich mit dem von Amerika beabsichtigten Zollzvschlag beschäf tigte. Inzwischen ist jedoch die Angelegenheit in em neue«, erfreuliches Stadium getreten. Wie schon an anderer Stelle mitgethcilt wurde, hat daSRepräsentauteuhauS, nachdem im TarifauSschuffe eine Verständigung nicht, namentlich nicht über Zucker und Eisenerze, zu Stande gekommen war, sämmt - liche vom Senat angenommenen protektionisti schen Abänderungsvorschläge verwvrfeu.undgleich- reitia bethätigt Präsident Cleveland, wie er da« schon bei Abschaffung der Sherman-Arte gethan, seinen Einfluß in ver mittelndem Sinne, indem er die demokratische Partei beschwört, ihr programmgemäße« Versprechen einzulösen und die Zoll- reform, derzufolge alle Rohstoffe zollfrei sein sollen, auf- recht zu erhalten. Er giebt zwar zu, daß eine Zuckersteuer festgesetzt werden müsse, doch habe dieselbe sich innerhalb ver nünftiger Grenzen zu halten. Hoffentlich gelingt e« Clcve- laud, der, wie gesagt, schon bei der Silbergesrtzgebung und bei den letzten Wirre» i« Chicago durch persönliche« Eingreifen dem durch «ll« möglichen sich kreuzenden Interessen hervorgerufenea Wirrwarr ein Ende be reitete, eine endgiltige, den berechtigten Erwartungen der deutschen Exporteure entsprechende Lösung der Streit frage herbeizuführen. Allerdings wird irgend ein Zoll auf Zucker voraussichtlich zur Annahme gelangen, aber cs läßt sich erwarten, daß nunmehr ein billiges Compromiß zu Stande kommt, das für die deutsch« Industrie günstig ausfallt. Daß der neue Zoll bereit« am 1. August erhoben werden könnte, ist bei der Kürze der Zeit u«d der Heftigkeit der im Senat und Repräsentantenhaus zu Washington sich bekämpfenden Interessen ohnehin nicht wahrscheinlich. Mit der Einnahme vonKafinl«, der ehemaligen Haupt stadt der egyptischen Proviüi Taka in Nubien, hat Italien wieder einen großen Erfolg seiner Afrikapolitik zu verzeichnen, der ihm ebenso zu gönnen ist, wie der am 20. Decemver v. I. bei Agordat errungene» wo Oberst Arimondi einen Einfall der Derwischarmee io« BogoSgebiet nach blutigem Gefecht abwie«, um dann die Mabdistenschaaren mit einem Verlust von mehr als 1000 Mann gegen Kaffala zurück zuwerfen. Den Italienern war nach diesem Siege die größte Vorsicht und Zurückhaltung von Rom aus empfohlen worden. In Folge dessen scheinen die Derwische wieder zuversichtlich geworden zu sein, und sie dehnten ihre PlünderungSzüge neuerdings bi« nach Karkabat au«. Der Generalgouvernrur General Baratieri hat offenbar nur auf den neuen Vorstoß gewartet, um sofort mit allen verfügbaren Streitkräften die Offensive zu ergreifen, die nach wenigen Tagen mit der Besetzung Kassala« geendigt hat. Baratieri befand sich auf dem Hochplateau de- Ge birge«, in Keren, der Sommerstation der italienischen Truppen. Bon dort rückte er mit den verfügbaren Streit- krästen, etwa 2400 Mann, nach Westen vor und er reichte am 16. dsS. da« etwa siebenzehn englische Meilen von Kaffala gelegene Sabderat, von wo er Tag« darauf in aller Frühe das im Besitze der Derwische befindliche Kaffala überrumpelte und mit geringen Verlusten er stürmte. Der Feind, welcher dagegen beträchtliche Verluste erlitt und zwei Kanonen, sowie mehrere Fahnen und große Menge» von Munition und Getreide in den Händen der Sieger zurücklietz, entfloh, energisch verfolgt, westlich nach dem Atbara zu. Kassala ist heute, nach der Zerstörung Chartums, die bedeutendste Stadt de« Sudans. Gegründet 1840 bei der Eroberung der Sudangebiete unter Mohammed Ali, dürfte die ungemein günstig gelegene Stadt heute etwa 33 000 Bewohner zählen. Bor der Derwisch-Eroberung Hauptort der egyptischen Provinz Taka, ist eS ein Kara- wanen-Knotenpunct und Handelsplatz ersten Range«. Auch griechische und italienische Kaufleute sind dort etablirt. Von hier au« führen Straßen nach Kalabat in Abessinien» nach Massauah (über Keren) nach Suakim, nach Chartuni. Telegraphisch ist Kaffala mit Suakim, Massauah und über Schendi am Nil mit Chartum und Kairo verbunden. Tic brunnenrciche Straße nach Massauah, den Angaben de« Major« Haggard zcholac 386 englische Meilen lang, führt theilweise durch da« Gebiet de- friedlichen Stamme« der Bene Amur, die große Viehzüchter und Heerdenbesitzer sind» wa« für die Provlantfrage von Wichtigkeit ist. Kaffala selbst liegt in fruchtbarer Gegend am Flüßchen Gasch, hat gute- Master und ist mit dem Atbarastrome durch zwei Wege, nach El-Fascher und GoS-Redscheb verbunden. Zur egyptischen Zeit war die ummauerte Stadt da« militairische Haupt depot für den östlichen Sudan und hatte eine Garnison von 800 Nubiern. Die Derwische hielten dort, wie an der Depesche de« General« Baratieri hervorgeht, beträcht liche Streitlräst«. Nicht allein handelspolitisch, sondern auch militairisch ist somit Kaffal« von großem Werthe, da eS in einem Kriege gegen Abessinien eine ganz vortreffliche Position bildet. Nur im Besitze dieser wichtigen Position konnten eS die Derwische seiner Zeit wagen, den Negu« Johannes anzugreisen und jenen blutigen Sieg gegen die Abessinier erringen, welcher den Fanatikern de- Mahdi den ungestörten Besitz de« Ost-Sudan« gesichert zu haben schien. Mit dem jetzigen Handstreiche der Italiener ist nun allerdings der mahdistischen Herrschaft in diesem wichtigen Centralpuncte vorläufig ei» Ende gemacht. Ob sich die Ita liener in Kaffala aber zu behaupten im Stande sein werden, ist eine andere Frage, welche politisch noch dadurch complicirt wird, daß Kassala als egyptisch-sudanische- Gebiet unter der Oberhoheit de- Sultan« steht, türkische« Vasallengebirt ist. Man darf denn auch auf die Wirkung gespannt sein, welche die Sirgespost aus Italienisch - Afrika namentlich in Kon stantinopel und in London Hervorbringen wird. Kaffala kann die ganze Sudan-Frage wieder in Fluß bringen, und die ist bekanntlich nicht blos eine afrikanische Frage. Die Böswilligkeit, welche die Griechische Regierung bei dem neuen Versuch, ein Abkommen mit den Gläubigern Griechenland- zu treffen, gezeigt hat, ruft von Neuem die Frage wach, in wie weit die deutsche Regierung ihre Staatsangehörigen gegen vertragswidrig« Schädigung durch fremde Staaten zu schützen hat. In Athen haben nach langeu Verhandlungen die Vertreter der auswärtigen Gläubiger dem Ministerpräsidenten TrikupiS Vorschläge unterbreitet, welche »ach allgemeiner Ueberzeugung — abgesehen natürlich von dem renitenten Schuldner selbst — da« denkbar weiteste Entgegenkommen bieten. In der Hauptsache wollen sich die ausländischen Inhaber griechischer Staatspapiere mit ungefähr einem Drittel ihre« Anspruch« begnüge», auch haben sie die auswärtige Control« und Einmischung in die griechischen Finanzen, welche der griechische Nationalstvlz nicht dulden zu können erklärte, fallen gelassen. Trotzdem hat TrikupiS die Vorschläge abgelehnt. Das kann nur bedeuten, daß Griechen land überhaupt ein ehrliches feste« Abkommen nicht will, son dern in dem ungenirten SichirheitSgesühl de» Bankerotteur«, bei de», zwangsweise nicht- zu holen ist, nur zahlen will, was ihm beliebt, wenn e« überhaupt die Gnade hat. etwa« zu zahlen. Im deutschen Reichstag hat Graf Caprivi auf wiederholte Anfragen, wenn auch nur allgemein und ohne besondere Freudigkeit, zugesagt, daß sich die deutsche RcichS- regierung der geschädigten deutschen Besitzer griechischer Papiere annehmen werde. WaS sie bisher in dieser Richtung wirklich gethan hat, davon ist officiell nicht- bekannt geworden; nur bei Beginn der griechischen Finanzkatastrophe verlautete von einem Protest des deutschen Gesandten in Athen, und kürzlich hieß es, daß derselbe die Bemühungen der deutschen Unterhändler kräftig unterstütze. Jedenfalls hat daß nichts geholse», wie auch die seinerzeitigcn ossi- eielle» Proteste der deutschen Regierung in Lissabon wenig genützt haben. Verfassungsmäßig haben alle Deutschen dem AuSlande gegenüber gleichmäßig Anspruch auf den Schutz deS Reiches. Indeß ist eine Eintreibung von Schulden mit Kanonen, ein Krieg wegen deren Nichtzahlung principiell kaum zulässig und im vorliegenden Fall nicht durchführbar. Immerhin ließe sich, wenn wirklich die betheiligten Groß staate» einheitlich vorgingen, durch einen moralischen, mit dem nöthigen materiellen Rückhalt auSgeübten Druck vielleicht etwas auSrichten; der schlaue Grieche hat aber am Beispiel Portugals gesehen, daß die Rivalitäten und verschiedenen Interessen der Mächte einen internationalen Zwang ver hinderten. Und doch hat z»meist Frankreich» energische» Einschreiten, das schließlich leinen Gesandte» von Lissabon abries, wenigsten« in Stichen der königlich portugiesischen Eifenbahngesellschaft einigen Erfolg erzielt. Es bleibt also zu wünschen, daß die geradezu herausfordernde Böswilligkeit der griechischen Regierung eine gemeinsame Action der Re- gierungen, namentlich Deutschland», Frankreich« und England«, herbeiführenj viel Hoffnung ist aber daraus nicht zu setzen. Und wenn eine solche zu Stanke kommt, mußte sie, wie die „M. N. N." richtig betonen, unterstützt werden durch das Vorgehen der internationalen Geldmächte und der Börsen; jeder neue Credit müßte Griechenland abgcschnitten, neue griechische Anleihen müßten von den Börsen ausgeschlossen werden. Auch in dieser Beziehung sind leider die bisherigen Erfahrungen wenig tröstlich ; als im vorigen Jahre ,S schien, als würde Griechenland einigermaßen mürbe, weil eS im AuSlande kein Geld mehr bekam, schloß das HauS Hambro in London trotzdem eine neue Anleihe mit Griechenland ab, bei der eS allerdings wohlverdient selbst hineinfiel; auch anderweitig konnte die griechische Regierung wenigstens Unter handlungen wegen neuer Anleihen anbahne». I» dieser Be ziehung müßte ein einheitliche» Vorgehen erzielt werden, sonst ist, wie gesagt, wenig oder gar nichts zu hoffen. Deutsches 9! ich. D Berlin, 20. Juli. Der Unterstützungsverein der Hutmacher Deutschland», der in, Jahre 188l gegründet worden, hat sich veranlaßt gesehen, eine außerordentliche ^«stillet»«. ll Thermidor. Erzählung von Juliu« Kehlhrim. Erste» Capitel. Rachdni» «ertöt». Sie hatten ihm auf seinem letzten Gange da« Ehrengeleit gegeben und ihn« bi« über da« Grab hinan« Achtung und Theilnahme bewahrt, die Nachbarn und Freunde ihrem Mit bürger, dem Gewürzkrämer Bonterre. Biele« war auf diesem letzte« Gange zu seinem Lob«, nur da-Unerläßlichste an Tadel 'über ihn auSgrsagt worden. Denn Bonterre war seit jeher ein Glückskind gewesen, und die Menschen drängten sich in sime Näbe und zu seiner Freundschaft mit der gleichen Hast, mit welcher sie der Berührung mit Unglücklichen auSzuweichen pflege». Al« ob Glück und Unglück ansteckend wäre» gleich einer Krankheit! Ja, der gute Bonterre batte Glück gehabt in all' seinen Unternehmungen! Er besaß ein hübsche« HauS sammt Garten, da« schöne Geschäft und nebenbei noch ersparte« Geld, da« war gewiß. Und da« Alle« erbte nun Fanchon, da- blut arme, bildhübsche Ding, welche« der kinderlose Wittwer vor ungefähr fünf Jahren geheirathet hatte. Und selbst dieser einzige Narrenstreich de« zu dieser Zeit in seinem fünfzigsten Lebensjahre siebenden Bonterre, ein bildschöne« Mädchen von kaum zwanzig Jahren zu heirathen, war ihm zum Guten auSgrschlaae». Denn Hanchon blieb ihrem väterlichen Gatten so treu er geben, war ihm eine stet« heitere Gesellschafterin, eine liebe volle Pflegerin geblieben! Nicht mit einem Blick hatte sie dem alternden Gatten jemals die Treu« gebrochen, da« mußten ihr all' die Nachbarinnen bezeugen, welch« seit Iabreu geduldig auf solch' einen Blick lauerten, welcher ihre Er wartungen und Prophezeiungen dieser ungleichen Ehe gegen über wenigstens in Etwa« gerechtfertigt haben würde. Allein nicht« von dem Unheil, welche- sie der unnatür lichen Verbindung de« alten Bonterre mit der jugendlich blühenden Fauchen mit der Unerbittlichkeit de« Chor« in der griechischen Tragödie vorhrrgesagt batte», wollt« rintreffra. Die junge Frau besorgte an den Vormittagen ihr Haus wesen, um am Nachmittag ihren Gatten in seinem Geschäft zu unterstütze«, ging am Sonntag Vormittag mit ihrem Eheberru zur Kirche und Nachmittag« in seiner Begleitung paziere« und sah dabei immer zufrieden und heiter auS. Die vornehmen jungen und auch alten Herren» welche im Anfang ihrer Ehe der „schönen Gewürzkrämerin" ihre Auf merksamkeit ruzuwenden begannen und etwaige Einkäufe in ihrem Geschäft selbst zu besorgen kamen, jedoch auf all' ihre Complimente und feinen Anspielungen nur kurze, kalte Ant worten erzielten, blieben nach und nach fort. Sie wandten ihre Kundschaft der lustigen, stet« zum Scherz aufgelegten Parfumeuse Gervais« zu, welche in derselben Straße ihren Laden hatte, und da e« einem gewissen derberen Geschmack besser entspricht, in einen alltäglichen rothen Apfel hinein- zubeißrn, als den Dust einer Ananas von Weitem ein- mathmen, so hatte Fanchon bald Ruhe vor ihren Pseudo kunden und nur ernsthafte Käufer und Käuferinnen zu bedienen. Nun hatte der Tod die herzlichen, wenngleich ruhigen Beziehungen zwischen den beiden Gatten ^gelost. Fanchon fühlte sich nicht nur verwittwet, sondern auch gleichzeitig ver waist. Sie hatte e« sich nicht nehmen lassen, ihren Gatten selbst zu seiner letzten Ruhestätte zu begleiten. Nun war auch dieser letzte bittere Schritt Lberstanden, und die junge Wittwr, in der schwarzen Krepphaube, unter welcher ihr volle« schwarze« Haar und die zart rosige Farbe de« fast noch kindlich runden Gesichtchen« doppelt zur Geltung kamen, saß tief betrübt in ihrem vereinsamten Schlafzimmer, nur gehütet und ermuntert durch de» Zuspruch einer doppelt so alten Frau, eiurr Freundin de« Hause«, der Buttrrhandlerm Margot, welche mit Vater Bonterre seit Jahren in Geschäfts verbindung gestanden und der jungen Frau ihre besondere Sympathie zugewendet hatte. Sie schätzte Fanchon um ihrer ehrbaren Aufführung willen, denn Mutter Margot hielt auf Ordnung in allen Dingen und konnte ebenso böse werden, wenn irgend «ine Ziffer sich au« der Reihe drängte, in die sie nun einmal gehörte, wie wenn eine Frau auch nur um eine Linie von Schicklichkeit und Herkommen abwich. Da« hatte aber Fanchon niemals gethan, und deshalb rührte Margot der Anblick dieser jungen Wittw«, welche dir Hand« lm Schooße gefaltet, ein Bild innigster Trauer, auf jener Trub« saß, in der sie ihre bescheidenen Habseligkeitrn in da« HauS de- woblbabeudrn Bonterre gebracht batte. Da« ganze HauS war von jenem geheimnißvollen Geruch de« Weihrauch« durchduftet, und selbst di« starkoervige und stet« Alle« resolut ansafs»»de Mutter Margot sprach unwillkürlich mit leiser Stimme. Sie gab der jungen Frau gute Lehren und suchte sie in ihrer Art „aufzumuntern". „Ihr seid allezeit eine rechtschaffene Frau gewesen, Fan- chon, und nun betrauert Ihr ehrlich Euer» Mann, wie ich e« von Euch erwartet Hab«; aber in Gram verzehren dürft Ihr Euch deshalb doch nicht!" ermahnte sie. „Der liebe Gott hat Euch nun mal den guten Bonterre genommen, na schließlich war er ja doch mebr als noch einmal so alt wie Ihr . . . und e« war sein gute« Recht, sich von Euch die Augen zu drücken zu lassen." „Er war stet« so aut gegen mich!" schluchzte die junge Frau. „So fürsorglich! Niemals kann ich ihn und die mir erwiesene Güte vergessen." . „Da« ist recht und Lräv!" lobte die Butterhändlerin. „Aber mit dem todten Mann könnt Ihr nun doch mal nicht wirthschaften," fügte sie praktisch bei. „Wenn Euer Wittwen- jahr vorüber ist, Fanchon, dann wird sich wohl ein Ersatz finden. Irgend ein braver, junger, hübscher ... Mann ..." Die Trösterin dämpfte ihre Stimme zum gänzlich ungewohnten Flüstertöne herab, eS kam ihr doch nicht ganz geheuer vor, an demselben Orte, von dem man erst vor wenigen Stunden den seligen Bonterre hinausgetragen, von seinem voraussichtlichen Nachfolger layt zu reden. Fanchon schüttelte energisch mit dem Kopf. „Mutter Margot, ich werde niemals wieder heirathen, seid dessen gewiß! Und glaubt mir — niemals galt nur rin Athemzug meine« Herzen« einem Andern als meinem Gatten. Euch, die Ihr mir wohlgesinnt» gleich einer Mutter» kann ich All « vertrauen. Wenn mir mein Leben zuweilen etwa« ein förmig erschien, wenn mich in warmen, duftigen Sommer nächten da draußen in uoserm Garten ein leise« Sehnen faßte... o. so galt dasselbe niemals jener Liebe, von welcher die Menschen so viel sprechen ..." „Und wem galt sie denn?" fragte Mutter Margot, in deren warme Theiloahme sich nun doch auch ein letzte- Erden- restchro Neugierde einmischte. „Einem Kinde, Mutter Margot!" Die jung« Wittwe wurde bei diesem Grständniß feuerroth und barg ihr Antlitz hinter der schwarzen Zeugschürze. Eine kleine Pause trat rin. „Ihr denkt Euch da« Alle« schöner, al« e- in Wirklich keit ist", nahm die nimmermüde Trösterin den so plötzlich abgerissenen Fade» de« Gespräch« wieder auf. „Ihr kennt eben die Leiden einer Mutter nicht, di« Sorgen, welche Einem di« Kindrr wache», »nd ... dis Unkosten, Fanchon!" Da- Rechentalent Mutter Margot'S verleugnete sich auch in diesem Augenblick nicht. „Ich habe meine liebe Noth mit meinen drei Junge», glaubt eS mir! Seht, Fanchon, Kinder machen Unsereinem das Leben sauer und da« Sterben schwer! ..." Bei ihren letzten Worten fuhr die Butterhändlerin plötzlich jäh zusammen, als falle ihr eine Erinnerung schwer auf die Seele. „WaS habt Ihr, Nachbarin?" fragte die junge Wittwe' an diesem Abend zum ersten Mal für etwa« Andere« Theil- nahme an den Tag legend, als sür den eigenen, schweren Verlust. „Nun. Fanchon, Ihr wißt ja. daß sich zur Vermählung de« Dauphins mit der schönen, jugendlichen Prinzessin auS dem fernen Oesterreich viel fahrende« Volt a»s aller Herren Ländern nach Paris gezogen hat. Die kleinen Leute wollen bei solch' einer Gelegenheit auch ihre Freude haben, geradeso wie die Großen. Ihr, die seit Woche» Euer HauS und den tranken Gatten mit wahrer Schneckcntrcue gehütet, Fanchon, saht und hörtet freilich nicht viel von all' der Herrlichkeit und auch von ... den schlimmen Dingen." „Nur da» Gerücht von einem große» Unglück« auf dem St. Ludwigsplatze drang selbst in die Abgeschlossenheit der Krankenstube", erwiderte Fanchon. Und erbleichend fügte sie bei: „Die armen Menschen!" „Böse Zeichen sür die Ncuveniiähllcn!" fügte Margot, da» Haupt wiegend, bei. „Und »och vor einem zweiten Unglück will ich Euch berichten, Fanchon!" Nach Art gewöhnlicher Menschen glaubte Mutter Margot, c» liege sür Leidende ein Trost darin, von noch größerem Unglück Anderer zu vernehmen. „Nun bört! In der Rue du Bac haben wälscke Seiltänzer ei» Zelt auf geschlagen und gar schöne Kliiiststücke ausgesübrt. Eine davon aber — eine Spanierin, wie sie sage» — ist vom Seil ge stürzt, gerade vor unseren Ange» so koch herab .." Maraot zeigte mit ihrer sonnverbrannte» Hand eine gefahrvolle Höh«, „leichenblaß und bewußtlos trugen sie das arme Ding fort. ES war ein Anblick, den ich nickt noch einmal haben möchte, Fanchon! DaS lange, schwarze, beim Fall lo-gelöfle Haar voll Blut, auf der Stirn klaffte eine breite Wunde auf, und dazu die bunten, seidenen Fäbncken am Leibe mit den Goldborden und Flitter» ... Alle» besudelt und verdorben. Noch vor wenigen Augenblicken schön, voll Lebenslust und gefeiert, und nun! Nein, da lobe ich mir ein ehrliche« Gewerbe!" schloß Mutter Margot sich bekreuzend ihren traurigen Bericht, indem sie tief Athen» holte.
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