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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940728023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894072802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894072802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-28
- Monat1894-07
- Jahr1894
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Es entspricht dies der Denkungsart einer noch immer zahlreichen Menschen- classe, welche trotz der in Ländern mit weitgehender Preßfreiheit, sowie in dem Staate ohne allen Rechts schutz für die gedruckte Meinungsäußerung gemachten Erfahrungen in der Zeitung die Quelle alles Uebels erblickt. Die unbefangene Betrachtung der Wirkungen des ReichSpreß- GcsetzeS vom Jahre 1874 wird zu dem Ergebnis; gelangen, Laß eS im Allgemeinen hinreichenden Schutz gegen Aus schreitungen der Feder gewährt, wie eS andererseits daS für einen Cultnrstaat wie Deutschland unentbehrliche Maß von Freiheit nicht verkümmert, lieber einen Mangel des Gesetzes wird man jedoch nicht hinwegsehen wollen. Er betrifft die Person deS verantwortlichen Redacteurs. Die „Nat.- Lib.-Corr." führt in dieserBcziehungzutreffenb aus: „DaS Gesetz hat unzweifelhaft die Absicht, in dem verantwortlichen Redacteur eine Person zu bestellen, dem „mit Recht die Haftung für den Inhalt der Zeitschrift auserlegt werden kann", und es giebt diese Absicht deutlich kund, indem eS zur — Entlastung LeS leitenden RedacteurS größerer, sehr verschiedenartige Dinge behandelnder Zeitungen — die Vcrtheiluuz der Ber antwortlichkeit auf mehrere Personen zuläßt. In der Haupt sache hat jedoch dieser Gedanke eine ungenügende Ver wirklichung gefunden. Die unter daS Prcßgesctz fallenden Druckschriften müssen „den Namen und Wohnort des verantwortlichen Redacteurs enthalten"; die Verantwortlich keit entsteht aber lediglich durch eben diese Namens ncniiung. Daß der thatsächliche Leiter eines BlatteS, diejenige Person, welche seinen Inhalt bestimmt, die also mit Recht und vernünftigerweise haftbar gemacht werden kann, die Verantwortung trägt, vermag das Gesetz nicht zu er zwingen. ES ist bekannt, in welch ausgedehntem Maß dieser mangelhafte Wortlaut des Gesetzes zur Bestellung von Strohmännern, „Sitzredacteuren" ausgenutzt wird. Die Einrichtung deS „verantwortlichen Redacteurs" ist an sich ein Nothbehclf, zu dem man jedoch ebenso sehr im Interesse einer vernünftigen Freiheit der Schrift als in dem der staatlichen Strafgewalt gegriffen hat. Die Absicht geht jedoch nicht dahin, wegen einer durch die Presse begangenen rechtswidrigen Handlung nur überhaupt irgend Jemand zu fassen, sondern eine Person zu strafen, welche bei der Hand lung tatsächlich betbeiligt war. Diese Betbeiligung des als verantwortlich Gezeichneten — die Passivsorm ist hier sehr am Platze — fehlt aber an den Tagesblättern, die sich eines Strohmanns bedienen, in der Regel gänzlich. Der Strohmann hat zumeist nicht den geringsten Einfluß auf die Herstellung des BlatteS, er ist gar nicht regelmäßig mit redaktionellen Arbeiten befaßt, ja er erfährt den Inhalt, den er gemäß tz. 7 deS ReichS-Prcßgcsctzes vertritt, bäufig nicht früher als der Leser, wenn er sich überhaupt die Blühe nimmt oder nehmen kann, ihn zu erfabren. ES ist unter der gegenwärtigen Gesetzgebung möglich, Laß ein Analphabet ein Prcßorgan als verantwortlicher Redacteur vertritt. Es liegt auf der Hand, daß die Uebcrlragunz der Verantwortlichkeit auf Personen, die nach socialer Stellung, Bildung und Eharakter durchaus ungeeignet sind, Preßansscbreilungen begünstigt. ES ist gewiß niedrig, einen Artikel mit der starken Ver- mutbung, wo nicht Ucbcrzeugung, er werde dem zeichnenden armen Teufel von ekemaligem Kellner, Eigarrcnarbeiter und dergleichen einige Wochen Gefängnis; „eintragcn", in den Druck zu geben, aber solche Niedrigkeit ist weitverbreitete Praxis geworden. Wenn wir die socialdemokratischen Zeitungen Tag sür Tag mit strafbaren Beschimpfungen angcfüllt sehen, so ist dies vor Allem dem Umstand zuzu- schreibcn, daß die Thätcr vor Freiheitsstrafen sich geschützt wissen. Und was Geldstrafen anbelangt, so „hat eS die Social demokratie dazu", wie eben erst wieder kargethan worden ist. Diesen schlechten Sitten wird mit besseren Gesetzen ent- aegengetreten werden müssen — und ohne Verletzung berechtigter Interessen der Presse entgcgengctretcn werden können. Die feige und verwerfliche Benutzung von Strohmännern findet sich schon jetzt nur bei Organen, die vom Standpuncte der Rechtsordnung und Sittlichkeit an stößig sind. Schon beute werden die anständigen Zeitungen ausnahmslos von den thatsäcblicken Leitern gezeichnet. Un überwindliche Schwierigkeiten stellen sich dem Unternehmen, die „mit Recht" verantwortliche Person zu erreichen, nicht in den Weg. Die Aenderung deS Paßgesetzes in dem an- gcbcuteten Sinne würde sich ohne Zweifel als wirksame Maß nahme gegen die zügellose Journalistik und die Skandalprcsse erweisen. Zur ungarischen Nationalitätenfrage, die bekannt lich wieder acluelle Bedeutung gewonnen hat und sobald nicht aus der öffentlichen Erörterung verschwinden dürste, schreiben die „Berl. Pol. Nachr": Man begegnet zur Zeit in Kreisen, welche dem Ungartbum feindlich gesinnt sind, bäufig der Ansicht, die Reise des ungarischen Ministers deS Innern nach Siebenbürgen habe mit einem Fiasko geendigt. Davon kann nun nach Berichten, die uns aus Pest zugchen, im Ernste keine Rede sein. Herr v. Hicronvmi hat den Zweck seiner Reise, die siebenbiirgischen Verhältnisse aus eigener Anschauung des Näheren kennen zu lernen, in vollem Umfang er reicht. Die Voraussetzung, die ungarische Regierung habe an diese Reise die Hoffnung geknüpft, eS werde gelingen, die Rumänen kurzer Hand durch daS bloße Erscheinen deS Ministers zum Aufgeben ihres bisherigen Widerstandes zu bewegen, ist eine durch nichts begründete, in die politische Einsicht der Regierung Zweifel setzende Zumuthung. All daS, was Hieronymi in seiner Rede in KolozS über die Rumänenfrage gesagt hat, ist im Grunde nur eine Wiederholung dessen, was er vor zwei Jahren vor seinen Zsombolyacr Wählern und im vorigen Jahre im Reichstag über die Nationalitätenfrage vorgebracht hat. ES soll deshalb nicht geleugnet werden, daß seine Kolozser Ausführungen eine actucllcre Bedeutung haben. Man wird dem Standpunct der Regierung, welche non einem Pactiren mit den Extremen, von einer staatsrechtlichen Loßrcißung Siebenbürgens oder von der Schaffung eines besonderen rumänischen VerwaltungSgebietcS absolut nichts wissen will, sondern den Vorkämpfern derartiger Bestrebungen mit der strengsten gesetzlichen Ahndung droht, in allen ernsten politischen Kreisen nur heipflichten können. Andererseits wird man in diesen Kreisen die Ankündigung, daß billige Wünsche der Numäiien berücksichtigt, die einen wesent lichen Beschwcrdepunct der Rumänen bildenden gesellschaft lichen und administrativen Ucbelstäude in Siebenbürgen be seitigt werden sollen, als den AuögangSpunct einer Actio», welche zur Beruhigung der erregten Gemütber führe» muß, mit Bejriedigung begrüßen. In der Tbal ist, wie wir kören, als Ergebnis; der Reise Hieronymi'S die Bildung einer rumänischen Mittelpartei wahr scheinlich, welche unter Anerkennung der Ver fassung und Union Siebenbürgens mit Ungarn die Verwirklichung aller erfüllbaren Wünsche deS rumänischen Volkes anstrcben wird. Je eher die Rumänen zur Einsicht komme», daß die LieblinqSidce der Extremen: die Coalition aller »ichtmagyarischcn Nationali täten, ein unrealisirbareS Wakngebilde ist. um so besser sür sie und ihre Sache. Vollends unverständlich ist deshalb daS Vorgehen deS Deutschen SchulvercinS in Leipzig, welcher die deutschen StammeSgcnosscn in Ungarn und Siebenbürgen »euestenS aussordcrt, Hand in Hand mit den übrigen unterdrückten Nationalitäten gegen das Magyaren- tbum Front zu machen. Die Deutschen in Ungarn und Siebenbürgen werden gewiß am meisten überrascht sein, wenn sie erfahre», daß sic der Leipziger Schulvcrein de» „unterdrückten" Nationalitäten beizählt. Spcciell die Sieben bürger Sachsen, aus welche ja diese Aufforderung in erster Reihe hercchnet ist, baben erst in den letzten Tagen in Bistritz anläßlich der Reise Hieronymi'S ihrer Zufriedenheit und treuen Anhänglichkeit an daS gemeinsame ungarische Vater land nicht mijMverstehenden Ausdruck gegeben, so daß ma» nur annebmen kann, jene, welche den besagten Beschluß gefaßt baben. seien über die wirkliche Lage und Stimmung der Deutschen in Ungarn geflissentlich getäuscht worden. DaS ungarische Regierungsorgan „Nemzct" bringt eine sehr bemcrkcuSwertbe Wiener Meldung über die Stimmung im Ministerium deS Acnßern wegen Bulgariens. Sie ist um so ausfallender, als sich die öffent liche und ossicielle Meinung Oesterreich-UngarnS in dieser Angelegenheit bisher sehr zurückhaltend benahm. Die Aeußerungen deS Fürsten Ferdinand mögen aber auch die Wiener Geduld endlich erschöpft haben. Der „Ncmzek" schreibt, der Abgang Stambulow'S habe in Wien keinen günstigen Eindruck gemacht, weil Stambulow sich stets als charakterfester Mensch erwiese» habe, während man Stoilvw und den Fürsten für schwach hält, wozu noch der Umstand komme, daß der Fürst jetzt um die An erkennung seitens Rußlands sich bemühe. Diesem Umstande werde es auch zugeschriebcn, daß die russenfreund liche Tendenz in Bulgarien immer mebr überhand nimmt. Der „Pestcr Lloyd", den man auch als ossiciöS bezeichnen darf, hat in den bulgarischen An gelegenheiten in den letzten Wochen eine so bcmerkenSwcrthc Schwenkung vorgenommen, daß Stambulow'S Organ, die „Swoboda", seine Artikel vollinhaltlich abdruckt. Fürst Ferdinand wird auf einmal zwischen zwei Stüblen sitzen. Trotz aller Bewerbung um Rußlands Gunst, will dieses von ihm nichts wissen; auch aus den jüngsten Aeußcrungcn der russische» Presse gebt deutlich bervor, daß eine Annäherung Rußlands an Bulgarien erst dann möglich wäre, wenn Bulgarien seinen gegenwärtigen Fürsten entfernen und in das russische Fahr Wasser einlenken wollte, lieber eine etwaige Annäherung Bulgariens an den Dreibund, speciell Oesterreich-Ungarn, schreiben die „Nowosti", die öffentliche Meinung und die Negierung in Rußland können nicht zutasse», daß Bulgarien ein Werkzeug Rußland feindseliger Elemente sei. Rußland könne sich niit den Feindseligkeiten eines unabhängigen Bulgariens befreunden, aber eS könne niemals zugeben, daß daS von Rußland befreite Bulgarien die Rolle einer öster reichischen Provinz und eines Vorpostens des Dreibundes spielen soll. Also Absetzung deS Fürsten Ferdinand und Umwandlung deS FürstcnlbumS in eine russische Provinz, das sind die Forderungen Rußlands, mit denen cs unter Stambulow'S Regiment nienialS auch nur annährend so dreist bervoizutrcten für opportun gehalten bat. Jeder Tag lehrt deutlicher erkennen, daß die Schwäche und daS Schwanken des Fürsten und der neuen Regierung und die Unsicherheit bezüglich der Zusammensetzung der nächsten Sobranje die Möglichkeit schlimmer Ueberraschungen näher und näher rücken Es ist ein hartes Wort, wenn Stambulow die Macher der äußeren Politik der Dummheit und der Unbesonnenheit zeiht, aber eS ist ein in gewisser Beziehung nicht ungerechtes Unheil. Von den perfiden Anschuldiguiiqeii, mit denen man regierungs seitig die Achtung vor dem Menschen Stambulow zu unter graben sucht, und auS denen man gern einen ScnsalionS- proces; mache» möchte, baben bis jetzt zu weiter nicht- al» zur Verurtkeilung deS Schöpfers Bulgariens zu 25 Franc- Geldstrafe wegen einer — polizeilichen Ucbertrctung geführt. I'arturiuut mc)nte5 ua^octur riili,»!»,-> mu-c. Die beiden franzüsischen Marincossicierc Degouy und Dclguey, die zur Erholung von den „Strapazen von Glatz" einen dreimonatigen Urlaub vom Marineminister erhalten haben, sind fortdauernd Gegenstand der enthu siastischen Huldigungen ihrer Laudolcuic. Die Spionage wird wie ein echtes Heltcuthnul belohnt. Am Mittwoch war Herr Dcgoun in Toulouse, und die ganze Stadt feierte ihn mit einem schier kölnischen Eifer, wie wenn er irgend welche Großtbat voUbiacht Kälte. Die Schüler des Gymnasiums ;0j;c» ilun entgegen, und Abends wurde im größten Saale der Statt ein Ehrenpuiisch veranstaUct. Da gab cö Toaste und feierliche Reden, der Enthusiasmus muß Herrn Degouy wobt selbst ein wenig übertrieben erschienen sei», denn er aiitwortete, wie die Pariser Blätter schreiben, „mit großer Zurückhaltung und vielem Tact" und trank schließlich aus Frankreichs Größe und Ruhm, r.luck, deS anderen „Gefangenen »> Glatz" wurde in schwärmerischem Trinl- spruch gedacht. Unter den Rednern befände», sich bejahrte Acrzte, Prosessvrc», Journalisten uud die ersten Bürger der Stadt. Spät Abends, als sich Dcgou« zur Ruhe begeben wollte, brachten ibm der Philharmonische Eher uud eine Eapclle »och eine Serenade. Man fickt daraus, wie der hochherzige Gnadcnact dcö deutschen Kaiser- in Fraiikrcich gewürdigt wird, und wie weit entfernt von einem Umschwung die Ge sinnung jenseits der Vogesen »och immer ist. Von be sonderem Tactgcsübt zeugt die Tvulouscr Spivucnvcrgötterung auch nicht, aber das ist ja dein republikanische» Frankreich längst abhanden gekommen. Zur Hochzeit des russischen Thronfolgers mit der Prinzessin Al ix von Hessen enthält die „Köln. Ztg." eine interessante Eorrespoudcuz auS London, der wir Folgendes entnehmen: Tie Hochzeit hat nie vor Januar des nächste» JahreZ statt- finde» solle», von einer Verschiebung ist daher Überhaupt nicht die Nebe. Noch weniger ist es zu einem Ierwürsiiiß zwischen der Prinzessin und dem russischen Geistliche» wegen der besonderen Form des UcbertrittsacteS gekommen. Besagter Geist licher ist gerade wegen seiner Duldsamkeit und Liebenswürdigkeit ausgezeichnet und war« gewiß der Letzte, den Uebertritt in Be- dingnnge» zu kleiden, die daS Zar1ge;ül>t der Prinzessin verletzen könnte». Daß schließlich daS Studium der russischen Sprache langsam bei der Prinzessin vor sich gehe, sei erklärlich. Niemand ist mehr von der Schwierigkeit der russischen Sprache überzeugt, als Feurlletsir. Thermidor. Erzählung von Julius Kehlhrim. Nachdruck verbot«». (Fortsetzung.) Die beiden so lange getrennt gewesenen Frauen fanden vorerst keine Worte — nur einmal warf Fachon hin: „Wie sie Dir gleicht in Deinem damaligen Alter, Adrienne! Heißt sie auch Adrienne?" „Ich heiße Giovanna!" sagte die Kleine. „Nach seiner Mutter!" fugte die junge Mutter erklärend bei. „Wir thaten Alles, um seine Eltern zu versöhnen. Allein ihre Herzen blieben doch hart und kalt wie Stein. Die Groß mutter hat da» Enkelkind, welches ihren Namen trägt, nie gesehen!" Fanchon schüttelte das Haupt, als ob sie die Möglichkeit nicht erfassen könne, daß es Menschen gebe, welche Denen, die sie liebten, nicht verzeihen könnten. — Nach dem Abendessen brachten beide Frauen gemeinsam die Kleine zu Bett. Adrienne'S Kinderbett stand wieder auf seinem alten Platze, und »un schlief ihr Kind darin, genau in derselben Stellung, wie einstenS sie — die Mutter —, das Händchen unter der rechten Wange; die langen, schwarzen Wimpern — ein Erb- tbeil Adrienne'S — sielen auch ihr schleierartig über daS Weiße Gesicht. Fanchon wurde nicht müde, sie anzuscben. Die Heiden Frauen waren allein und ungestört. Endlich schüttete Adrienne der Mutter ihr übervolles Herz aus. Es war die alte, böse, oft wiederholte Geschichte von Schuld und Reue, an welche das Herz keiner leidenschaftlichen Frau glauben mag, bis sie sic selbst durchlebt bat. Doch betonte Adrienne mit Stolz, daß sie keiner alltäglichen Verführung erlegen» daß sic deS Grasen angetraute Gemablin geworden sei. Daß ihre Ehe al» eine morganatische nicht unauflöslich sei, begriff ihre arglose Jugend erst später. Im Anfang lebte das junge Paar in einem Rausche LeS Glücke». Die Eltern LeS Grafen Mancini batten keine Abnung von der nicht standesgemäßen Ebe ihres SohncS. Die Geld mittel flössen ihm reichlich zu. Erst lebte da- junge Paar in London, später wandten sie sich nach Irland. In der schönen Stadt Dublin gründeten sie sich ein trauliches Heim. Adrienne verschob ihre schriftliche Mittheiluog an Fanchon, hoffend, sich endlich auch öffentlich als die Gemahlin deS Grafen anerkannt zu sehen. Als die kleine Giovanna geboren wurde, forderte Adrienne die Bekanntmachung ihrer Ehe des Kindes wegen. Es geschah nach ihrem Willen, und die adelsstolzen Eltern gc- riethen in unbeschreiblichen Zorn. Andrea widerstand all' ihren Drohungen und Versprechungen, denn noch liebte er sein junges, schönes Weib. Nachdem der briefliche Kamps ungefähr zwei Jahre gedauert, blieben plötzlich die Subsidien von Seite der Eltern aus. Noch gab daS junge Paar sich nicht verloren. Gras Andrea crthcilte junge» Eavalieren Fecht-, Andrienne ertheiltc Gesangunterricht, man schränkte sich ein und blieb beisammen. Der Bankier des alten Grasen besaß die Adresse des jungen; noch immer hoffte Graf Andrea aus Versöhnung mit den Eltern und auf Rückkehr in daS Schloß seiner Väter, in Begleitung von Weib und Kind. Allein diese Hoffnung ward immer schwächer, Andrea wurde schweigsam und mürrisch. Klagen über die Kleinlich keit ihre- Lebens, bittere Ausfälle gegen den Jammer einer alltäglichen Existenz waren an die Stelle seiner feurigen LiebeSbctbcucrungen getreten. Avrienne litt, und da ihre Natur sich niemals unter- ordnen gelernt, erwiderte sie die Vorwürfe ihre- GemablS. Hatte nicht auch sie Opfer gebracht? Sie batte doch auch um seinetwillen einer ruhmvollen, künstlerischen Lausbabn entsagt, sie hatte ihre Pflegemutter, die sie so innig liebte, ihre Heimath verlassen. Es gab Scenen und Wieder- versöbnungcn, endlich nur noch Äcenen ohne Versöhnung. Andrea wurde immer düsterer und ging viel auS. Wenn ibm Adrienne darüber Vorwürfe machte, behauptete er: der Fluch seiner Eltern treibe ihn ruhelos umher. Mit einem Mal kam eine Veränderung de- nabezu unerträglich gewordenen Zustandes von außen: ein Courier, gesandt vom alten Grasen, welcher den Sohn, jedoch allein, an das Lager der schwer erkrankten Mutter berief. DaS junge Paar schöpfte neue Hoffnung. Die Näbe des Todes ändert die Anschauungen der Menschen, macht den Blick frei von Vorurtheilcn und erweicht da« Herz. Andrea reiste, begleitet von den Segen-Wünschen seines jungen WeibcS, ab. Seine ersten Briese an Adrienne waren kur», doch berzlicb. Die Mutter batte die schwere Krankheit glücklich überstanden; die Freude über das Wiedersehen deS lange und schmerzlich entbehrten Sohne» trug auch zu ihrer Genesung bei. Spater blieben die Briefe Andrea'- auS. Tie junge Frau gcrieth in einen qualvollen Seelenzustand. Sie durchdachte alle Möglichkeiten, zermarterte ihr Gehirn, »m eine Erklärung, eine Entschuldigung sür den säumigen Gemahl zu finden. Geld sandte er ibr durch die Vermittelung deS Bankiers reichlich, doch begleitete dasselbe kein Wort der Liebe, der Erinnerung oder jener schmerzlichen Sehnsucht, welche sie selbst zu verzebren drohte. In qualvollen Seelenkämpfen schwanden ihr Tage und Nächte dahin. Endlich kam die Lösung der brennenden Frage in Gestalt deS alten Grasen. Er war selbst zu seiner ihm unbequemen Schwiegertochter gereist, um ihr — wie er sich auSzudrückcn beliebte — reinen Wein cinzuschcnken. Sie aber fand denselben unsäglich trübe und bitter. Am Krankenlager seiner Mutter war Andrea mit der Principessa Pulcheria zusammeiigctrvffen, einer entfernten Ver wandten, einer jungen, reichen und schönen Dame. „Er zeigte mir ihr Bild", ries Adrienne, bei diesem Puncte ihrer Erzählung angekommcn, mit schmerzlich vibrircnder Stimme aus — „sic war eine jener sieghaften Schönheiten, welche nur auf den Höben des Lebens gedeihen, wohin irdischer Nolb der Zugang erschwert ist — eine eben erst entfaltete Blülbe. Mir aber hatte der Sturmwind schon manches Blatt entführt. Daß ich um seinetwillen meine Jugend so frühzeitig begraben — waS kümmerte daS ihn? DaS Neue reizte, lockte, blendete ihn, kurz, er gab mich auf!" Adrienne begrub ihr Gesicht in beiden Händen, und Fanchon ehrte ihre» Jammer durch mitfühlendes Schweigen. Nach einer Pause fuhr die junge, schwergeprüfte Frau in ihrer Erzählung fort. „Der alte Graf theilte mir mit, daß die Ehe mit mir kein rechtSgiltigcS Hindcrniß bei einer standesgemäßen Ver mählung seines SobneS mit der Principessa wäre, daß eS meiner Einwilligung kaum bedürfe, daß aber Andrea ohne dieselbe keinen Schritt zu unternehmen gedenke. Daß ferner die Familie Mancini jeden „Eclat" vermeiden und sich in Güte mit mir auScinandersetzen wolle. Man gedenke mir eine bedeutende Abstandssumme zu bewilligen, wenn ick den Namen meines Gemahls ablcaen und »nt meinem Kinde irgendwo in stiller Abgeschiedenheit leben wolle." „Du kennst meinen Stolz, Mutter!" ries Adrienne aus, „meine Unbeugsamkeit, welche auch Dir schwere Stunden be reitete. In diesem entsetzlichen Augenblick jedoch brach etwa- in meinem Innern, daS mich bisher in allen Lagen meines wrchselvollea Leben» aufrecht erhalten hatte — ich lernte mich beuge». Ich fiel dem Grafen zu Füßen, ich beschwor ihn- mein Leben, das Leben meines Kindes nicht zu vernichten/ „Es ist nur ein Mädchen!" versetzte er kalt. „Aber Andrea liebt mich!" rief ich in Verzweiflung. „Sein augenblickliches Wohlgefallen an der Schönheit der Principessa ist eine Verirrung der Sinne, welche er mir auf den Knieen abbittcn wird." „Sie irre», Madame", versetzte der Gras, immer im Ton seiner höflichen Impertinenz, „die Neigung zu Ihrer Person war die Verirrung, und sür die Principessa, welche Seines gleichen in jeder Beziehung ist, empfindet Andrea jene wahre, mit Hochachtung gemischte, dauernde Liebe, welche die feste Basis jeder bleibende» Verbindung sein soll." Ich unterbrach seine heuchlerische» Tiraten durch ei» bitteres Lacken, welches ich nicht zurückzuhallcii vermochte. Er cntgegnetc nur eisig: „Wir lacke» nicht so — in unseren Kreisen, Madame, auch im Asscct nicht. Ich staune darüber, daß mein Sohn die Eourtoisie hatte, daö so lange zu ertragen. Ich hätte eS nicht vermocht." Ich lachte noch einmal aus und warf ihm daS Packet englischer Banknoten, welches er mir hinhielt, vor die Füße. Er hob eS rubig aus lind sagte: „Sie könucu auch Gold erhalte», Madame, wenn Sic eS vorziebcn." Nichts vermochte seine mechanische Höflichkeit zu erschüttern. Geschickt wußte er alle Gefühle zu ignorircn, welche in seine Berechnungen nicht passen wollte». „DaS Gold würde denselben Weg nehme» wie die Bank noten, Herr Gras", ries ich empört. „Nicht »in Millionen lasse ick mir meine und meines Kindes Ebre abkauseu. Ich werde sür unfern LebcuSiiiiIerhatt selbst zu sorgen wissen, ich werde arbeiten, im Nolbsatle betteln für nicin Kind, aber als Gräfin Mancini. Der Name, Herr Graf, ist mein Alle». Legte ich denselben ab, tan» wäre meine Ebe nur ein Maökcnscherz, ich nur die Mailrcsse Ihre» Sohne» gewesen, unser Kind wird zum Bastard" ... „Welche Ausdrücke!" rief der alte Mann tadelnd auS. „Sic verletzen jede» Anstand, Madame. Bei »icinci» Schutz patron St. Antonio, ick habe eine Frau der besseren Stände niemals so kräftige Worte gebrauchen börc». Bcschlascn Sie die Angelegenheit, Madame, ich will morge» wicdcrkommcn. Im Schlafe kommt cft guter Rath. Gute Nacht und süße Träume", setzte der alle Automat in einem Anslug gedanken loser, verspäteter Galanterie hinzu und schickte sich an, zu gehen. „Und", fügte er noch, auf der Schwelle der Tbur stehenbleibend, bei, „nehmen Sie ein alltägliches Geschick nicht
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