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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.07.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940731025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894073102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894073102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-31
- Monat1894-07
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Den Richter'schcn Freisinn trennt der besonnene Politiker von diesen Gruppen ausdrücklich. Daß er sich auch über den Charakter anderer extremer Richtungen nicht täuscht, zeigt die Bemerkung, daß, wenn die socialdemokratischen WcltbeglUcker »ur einmal vierundzwanzig Stunden „zur Bcrwirllichung ihrer Urbrei-Jvealc gelangten, mancher Anhänger des Rassen Antisemitismus und des Bundes der Landwirlhe wie auch mancher Schildträger des Particularismus und dcS ParitätS-SchwindelS sür immer curirl sein und sich den Luxus ceutrifugaler Bestrebungen versagen würde." Sehr beachienswerth ist die Ausforderung des scharsen und ruhigen Beobachters, engere Fühlung mit den Centralleitungen der Parteien zu nehmen, und zwar „zwischen den Schlachten, nicht erst dann, wenn man in den Wahlkampf hineingedl". Dieses Verlangen stützt sich offenbar aus die bei der Nachwahl in Eliushvrn-Piiiiiebcrg gemachten Erfahrungen. Die Haupl- ursache des Mißerfolgs des Bürgerthums bei dieser Wahl und bei Reichülagswahlen überhaupt erkennt aber Graf Moltke in der Lauheit derWäyler, wcnnesgilt, socialdenivkratische Wahlsiege zu verhindern. Seinen zurHcbuiigdiesesUebclstandeS gemachten, in der Presse ziemlich abfällig beurtheillen Vor- jchlag: säumige Wähler ihres Wahlrecht« zu entkleiden — bezeichnet Gras Moltke selbst als Zukunftsmusik. Vielleicht aber liegt diese Zukunft nicht so fern, denn in Belgien hat der Gedanke, der gewerbsmäßig betriebenen und darum über legenen Propaganda der radikalen Parteien ein gesetzliches Gegengewicht zu geben, soeben Verwirklichung gesunden. Mit der Einführung des allgemeinen Stimmrechts tritt dort zu gleich der Wahlzwang in Kraft. Cs wird nicht bezweifelt, daß diese Einrichiung den Ordnungsparteien im beträchtlichen Maße zu Slatten kommen wird. Dabei ist diese Cautel in cm Wahlgesetz ausgenommen, welches zwar das allgemeine, aber abweichend von dem deutschen, nicht das gleiche Stimm recht gewährt. Dem Grafen Moltke, der Wähler, welche ohne zwingende Gründe sich zweimal der Wahl enthalten haben, ihres Wahlrechts verlustig erklären will, wird entgegcn- achaltcn, die von der Urne Wcgbleibenden seien politisch Jiibisferenle und sür solche hätte auch der Verlust des Wahl rechts keine Schrecken. Der Zweck ließe sich aber auch ohne Entziehung des Wahlrechts erreichen, die, weil sic die Ab erkennung eines „bürgerlichen Ehrenrechts" bedeutet, etwas Mißliches hat. Geldstrafen, die in jedem Wiederholungs fälle sich steigern, würden, wie wir mit den „Hambg. Nach." »n Gegensätze zur „Voss. Ztg." annehmen, in den allermeisten Fällen die gewünschte Wirkung ausüben. Früher oder später wird man auch gewiß dazu gelangen, durch gesetzliche Ueber- windung der politischen Trägheit die ungeheuere Reserve armee der Ordnungsparteien zu den Wahlschlachten heran- zuziehen. Als vor etwa fünf Wochen der Gesetzentwurf wegen Vrtvciteriiug der Unfallversicherung bekannt gegeben wurde, der in der Hauptsache die UnsallversicherungSpflicht auf daS gcsammtc Handwerk und HandelSgewcrbe auSdchnt, äußerten wir das Bedenken, ob rS angezeigl sei, schon jetzt, wo die Jnvaliditäts- und AltcrSvcrsicherungöpflicht vielfach noch als Last empfunden werde, neue Beunruhigung in weite Schichten der Bevölkerung zu tragen. In demselben Sinne läßt sich jetzt auch ein Ofsiciosus vernehmen, der dem „Hamb. Corr." Folgendes schreib!: „Daß die Reichsrcgierung angesichts der i» dieser Hinsicht mehr sach iin Reichstage abgegebenen Zulagen durchaus correcl »nk> folge richtig verfahre» ist, wenn sie, sobald die betreffende Vortage auS- gearbeitct war, damit an Len Bundesralh herangetreten ist, durste zwar allseitig anerkannt werden. Auch wird zuzugeben sein, daß, die Rothwcndigkeit oder Ziveckmostigkeit des gesetz- geberische» Planes vorausgesetzt, der in seinen Grundzügen vom Kaiser genehmigte chesctzciilwurf sich als ein sehr beachtcnS- werther Versuch darsicllt, die großen Schwierigkeiten zu überwinden, die der geptanlen Erwcilerung der Unfallversicherung entgegenstedcii. Alle!» aus diejcn Vordersätzen folgt noch nicht, daß die verbündeten Regierungen der baldige» Vorlegung eines entsprechenden Gesetz entwurfes an den Reichstag zusliinnien werden. Tie Bedenken, die sich gegen ein solches Vorgehen überhaupt und namentlich zur Zeit er hebe», sind keineswegs überwunden, machen sich vielmehr nachdrücklich geltend. Sie richten sich insbesondere noch, wenn auch keineswegs ausschließlich, gegen die Ausdehnung der Unfallversiche rung aus das Handwerk. Ben» aus der einen Seite ein so dringendes Bedürsniß sür diese Erweiterung der Uniallverjicherung nicht anzuerkeiliie» ist, daß dem gegenüber die aus der Schmierig, keit sachgemäßer Regelung sich ergebenden sachlichen Bedenken urücklrcten müßte», so fällt um so mehr die große Schwer- ältigkeit und Kostspieligkeit der Einrichtung ins Gewicht. Erscheint es an sich schon nicht unzweisethast, ob infolge dessen die Schattenseiten nicht die Lichtseite» überwiegen würde», so kommt ferner das Opportunilätsbedenken hinzu, die selbstständigen Handwerker gerade zu einer Zeit, i» welcher der Gesetzgeber anerkannt hat, daß das Handwerk jchwcr um seine Existenz ringt und sich bestrebt, ihm diejcn Kamps zu erleichtern, zu neuen finanziellen Leistungen heranzuziehe». ES ist daher »ur zu wahrscheinlich, dast der gesetzgeberische Plan schon im Bunde srathe auf ernsten Widerspruch stoßen wird." Hiernach zu urtheilen, steht cs »och keineswegs fest, daß die Erweiterung der Unfallversicherung in naher Zeit den Reichstag beschäftigen wird. Der am Sonntag in Wien verunglückte österreichische Erzherzog Wilhelm wurde, wie schon erwähnt, am 21. April 1827 als dritter Sohn des GcneralseldmarschallS Erzherzogs Carl. dcS Siegers von Aspern, und der Prin zessin Henriette von Nassau-Weilburg geboren. Gleich seinem Vater und seinen älteren Brüder», dem Keldmarschall und Generalinspector des k. und k. Heeres Erzherzog Albrecht und dem General der Cavalleric Erzherzog Carl Ferdinand (si 1874), war auch Feldzeugmcister Erzherzog Wilhelm sür mili- tairische Dinge ganz hervorragend begabt. Er widmete sich von Anfang an der Artilleriewaffc und zwar mit solchem Er folge, daß er bereits 1864 an die Spitze der gesammten Artillerie des kaiserl. und königl. HecrcS als Generalinspcctor trat, eine Stellung, welche er bis zu seinem Tode bekleidete. Wenn die österreichische Feldartillcrie im Feldzüge 1866 gegen über der preußischen, welche damals noch zum großen Theile mit glatten Kanonen und Haubitzen ausgerüstet in den Kampf zog, eine entschiedene Ueberlegenheit bewies, welche sich nicht nur auf die bessere Bewaffnung und Ausrüstung beschränkte, sondern auch sich auf die Führung und die taktische Verwendung der Waffe erstreckte, so ist das zum großen Theile daS Ver dienst des verstorbenen Erzherzogs. Derselbe ist auch der Ur heber und eifrige Förderer der gerade jetzt im Vollzüge be griffenen Reorganisation der k. und k. Feldartillcrie, welche aus eine wesentliche Vermehrung der Waffe hinauSläust und sich zumeist an die Eintbcilung der preußischen Feldartillcrie anlehnt. Nur hat Oesterreich auch jetzt noch daran scst- gehalten, die fahrenden Batterien acht Geschütze stark zu er halten, während die preußischen deren nur sechs enthalten. Erzherzog Wilhelm war auch Chef des preußischen Feldartillerie- Ncgimenls Prinz August von Preußen (ostpreußischcS) Nr. l. Ferner bekleidete er die Würde als Großmeister deS deutschen Ordens im Kaiserthum Oesterreich. Ter Erzherzog ist un- vermäkll geblieben. — Tämintliche Wiener Blätter widmen dem Verstorbenen warme Nachrufe und beben hervor, daß alle Völker Oesterreich-Ungarns an dem Schmerze res Kaiser hauses thcilnchmen. Eine Sonderausgabe der „Wiener Zei tung" betont, daß der verewigte Erzherzog sich aus allen Gebiete» seiner Wirksamkeit in hohem Grade hervvrgetha» nnd als Hoch- und Deutschmeister zahllose Wohllhatcn geübt habe. Als General habe er sich durch sein hohes uiilitairisches Wissen und durch große Tapferkeit aus gezeichnet, bei Kvuiggrätz habe er ruhmvoll sein Blut vergossen; als GencraUnspector der Artillerie sei er stets be strebt gewesen, dieselbe nicht nur aus ihrer traditionellen Höhe zu erhalten, sondern ihr auch den Weg zur Vervollkommnung zu weisen. Der Erzherzog, ein Bruder des Siegers von Custozza, reihe sich aufs Würdigste de» Helden seines er habenen Hauses an. DaS Volk schließe sich aufs Innigste der Trauer an, weil der Erzherzog eine volkStkümliche und überaus beliebte Erscheinung gewesen sei. Das Wort „leutselig" kenn zeichne so recht das humane, gütige und menschenfreundliche Wesen des Erzherzogs. Wenn man den Berichten der Zeitungen unbedingt Glauben schenken könnte, müßte sich Italien in einer einzigen großen Verwirrung befinden, denn die Nach richten über die Stimmung des Publicums angesichts der Freisprechung im Tanlongo - Pracks; widersprechen sich. Nach der einen Zeitung ist ganz Italien empört, nach der anderen klatschte cS Tanlongo und seinen Richtern Beifall. Freilich cs ist kein Wunder, wenn die Nachrichten sich so sehr widersprechen, liegt doch in dem Wahrspruch der Geschworenen selbst ein so großer Widerspruch, daß mau, bevor nicht authentische Berichte über die letzten Tage der Verhandlungen und die Reden der Verlheidiger vor- tiegen, ein klares Bild von der Sachlage nicht erhält. Soviel weiß man aber auS den cljwöchigen Verhand lungen, daß eine Schuld an Tanlongo und seinen Mit angeklagten hastet und daß sie nach deutscher Empfindung sich gegen daS Gesetz vergangen haben und Strafe verdienen. Möge mau immerhin den Freispruch der Geschworenen als einen Protest gegen da» Ministerium ausfassen, das gcrade die in der öffentlichen Meinung als Hauptschuldigen Bczeichnclen der Anklage entzog, wir können uns zu dieser Anschauung nicht ansschwingen. Für uns ist Räuber Räuber. Die Romantik der Abbruzzcn mit ihren Rinaldiui» ist uns nicht verständlich, und wenn sic jetzt in anderer Gestalt innerhalb der Thorr Roms wieder zum Leben zurückgerufen wird, so mag das zwar sür da« römische Publicum und die Zeitungen, die an dcS BankdirectorS Tische sitzen, recht angenehm sein, dem Lande selbst kann cS unmögtlch zum Segen gereichen. Es ist ja auch kein Wunder, wenn man die Thaten Tanlongo'S rc. mit der Fäul- niß im italienischen Staatswescn entschuldigt, sie gewissermaßen erst daraus hcrvorgchen läßt, aber wir haben auch für diese Enscknlldigung kein Vcrständniß; Schuld ist Schuld. Freilich, die Landsleute LambrosoS scheinen zu einem großen Theile ihrem Motephilosophcn zuzustiminen, der sür das Verbrechen die Entschuldigung des Product- der Zeit, der Ver erbung und sonst noch etwas hat. Der AuSgang dcS ProcesseS Tanlongo läßt Italien in einem trüben Lichte erscheinen. Daß eine große Anzahl Zeitungen sich über daS Urtheil empört zeigt, daß ein großer Thcil dcS Publicums seinen Abscheu unverhüllt ausspricht, das soll anerkannt werden, aber alle EntrüstungSstürmc der an ständigen Leute können die Schande der Ovationen nicht abwaschcii, ebenso wenig, wie das Tedeum, daS Tanlongo in der San Carlo-Kirche singen ließ, und die geistlichen Excrcilie», denen er acht Tage lang im Passionistcullostcr obliegen wird, ihn in der Meinung Deutschlands schuldloser »lachen.' In einem Lande, wo der arme Tobte nicht selig wird, wen» ihm nicht einige oft blutsauer erworbene Kerzen gewidmet werden, kann freilich der reiche Lebendige schnell Vergebung finde». Ob der Proccß Folgen sür das Ministerium, überhaupt Folgen in der Politik habe» wird, daS steht dahin. Bei der heurigen Maxime, alles auf die leichte Achsel zu nehmen, ist cS unwahrscheinlich. Die von den Slcuerpächtcrn ausgesogcnen Landleutc in der Lombardei, die von den Be sitzer» gekiicchlclc» Pächter in Sicilicn, die Arbeiter in den Schweselbergwerken und den Glaödütten werden sich vielleicht vor den Kops schlagen und einen Vergleich zwischen der sicilia- nischen Hungerrcvolution und ihren 50<»o Jabrcu Strafe und der Freisprechung des Verschwenders Tanlongo ziehen; aber sic werden bald eine- besseren belehrt werden. Denn der Man», der acht Tage lang sich geistlichen Exercilien hni- gicbt, der kann kein Verbrecher sein, Las wird man ihnen an gewisser Stelle klar machen, und gläubig werden sic die Geschenke küssen, die der Freispruch im Banca Romana- Proccß dem großen Magen der Kirche zusührt. Von de» verschiedenen in jüngster Zeit von den Parla- iiiciilcn beschlossenen Anarchistkngcsrtzr» haben wir daS sranzösische i»i Wortlaut und das italienische seinen wescnt- jichen Bestimmungen nach »likgeiheilt. DaS spanische Aiiarchistengesetz bcsagr in der Hauptsache: Aus Alleiilale inil Exploilviloffcn gegen Personen und Gebäude sicht, falls dadurch iüdlliche Wirkungen oder Verletzungen verursacht wurden, die Todessiraje oder lebenslängliche Zwangsarbeit. Falls die Explosivstoffe m Gebäuden oder bewohnlen Raumen, wo sie Perjvncii beschädige» konmcil, »lcdergeiegi wurden, wird über die Urheber Zivaugsarbcil oder Todesstrafe verhängt. Werden die Explosivstoffe außerhalb solcher Raume niedcrgclegi, ohne Personen zu verletzen, so verjälli vcr Urheber der Zwangsarbeit. Die gleiche Strafe wird über Lc»,e»:gcii verhängt, der Explosiv stoffe besitzt, ohne dies ausreichend begründen zu tonnen, ferner über solche, die Materialien zur Erzeugung von Explosiv- hoffen für verbrecherische Zwecke verkaufen. Die Propaganda und Verherrlichung von anarchistischen Verbrechen wird mil schweren Slraje» geahndet, uad zwar, falls die belrejsendeu Perivncn als Miturheber von solchen Verbrechen angesehen werden tonnen, mit den gleichen Strafen, wie die Urheber. Anarchistische Vereinigungen sind unter Androhung von Freiheitsstrafen sür ihre Mitglieder verboten. DaS Schweizer Anarchistcnzcsetz, das am 25. Juli in Kraft getreten ist, führt den Titel: Ergänzung dcS BundcS- gesctzcS Uber daS Bundesstrafrecht der schweizerischen Eid genossenschaft vom 4. Februar 1893 nnd bestimmt (wie in Erinnerung gebracht sei) in seinen Hauptartikcln: Art. 1. Wer Sprengstoffe zu verbrecherischen Zwecken gebraucht, wird mit Zuchthaus pvn wenigstens 10 Jahren bestraft. Art. 2. Wer Sprengstoffe, von denen er annrhmen must, Last sie zu Ver brechen gegen die Sicherheit von Personen oder Sachen gebraucht werden sollen, herstellt oder zur Herstellung solcher Sprengmittel Anleitung giebt, wird mit Zuchthaus nicht unter 5 Jahren bestraft. Art. 3. Wer Sprengstoffe, von denen er annehmcil must, dast sic zu Verbrechen gegen die Sicherheit von Personen oder Sachen gebraucht werden sollen, in einer andern Absicht, als um das Verbrechen zu verhüten, in Besitz nimmt, ausbewahrt, Jemandem überzieht, oder an einen anderen Ort schafft, wird mit Gesängnist nicht unter sechs Monaten oder mit Zuchthaus bestraft. Art. 4. Wer in der Absicht Schrecken zu verbreiten oder die allgemeine Sicherheit zu erschüttern, zu Verbrechen gegen die Sicherheit von Perjonen oder Sachen aus- limntert oder Anleitung gtebt, wird mit Gesängnist nicht unter sechs Monaten oder mit Zuchthaus bestraft. Art. ö. Werden die in Art. 4 bedrohten Verbrechen durch die Druckerpresse oder Lurch ähnliche Ferrrlleto«. Thermidor. As Erzählung von Julius Kehlheim. Nachdruck »erböte». (Fortsetzung.) Bor diesem niederschmetternden Beweis verstummte sie und gab sich fortan verloren. Sic wußte, daß ihr Rvbes- pierre'S Eitelkeit, welche sic in dieser Schrift tödtlich ver wundet batte, niemals verzeihen könne. Göller können Lästerungen, die man zu ihrer unnahbaren Höhe emporscndct, vergeben — Götzen, deren unechte Herkunft man aufdeckt, niemals. RobeSpicrre hatte binnen wenigen Wochen zwölfbundert Menschen auf daS Blutgerüst geschickt. Tanton'S blutiger Schatten ängstigte ihn, denn — wie er in vertrauten Augen blicken gegen Laguerre sich äußerte — die Viper Danton batte noch kurz vor ihrem Ende gelaicht, und cS galt, diese Brut zu ersticken im Keime. So blieb Adrienne keine Hoffnung aus Rettung. Laguerre hatte in dieser Zeit die schrecklichsten Scelenkämpse durchzu machen. Von Fanchon'S verzweifelten Bitten um Rettung ihrer unglücklichen Pflegetochter bestürmt, von nagenden Sclostvor- würscn, wie von dem Glutbmeer der eigenen, unbefriedigten Leidenschaft sür Adrienne hin- und bergeworse», durchlebte er Tage gräßlicher Ouak, denen noch entsetzlichere Nächte folgten. Noch einmal hatte er Adrienne'S entschlossenen Sinn zum Wanken zu bringen gesucht. Er hatte sic im Gefängniß ausgesucht, er halte eine geheime Unterredung mit ihr herbeizuführen gewußt. Noch einmal war er vor ihr niedergesunken und hatte sie angefleht ui» ihre Liebe. Einen Augenblick deS Glücks wollte er ihr mit Wucherzinsen zablen, mit Jahren ihres jungen, bedrohten Lebens. Adrienne aber blieb standhaft. Mochten Schwächere ihres Geschlechts solch' schimpslichrn Pact mit ihren Henkern durch ihre Schmach besiegelt haben, sie verschmähte da« Leben um solche» Preis! Und doch war das Leben so süß, trotz all' de- Gram-, all' der Enttäuschungen und Bitternisse, welche eS ihr vor zeitig entbüllt. Sie war noch so jung, hatte ein Kind, welche- sie anbetete, und ibre Pflegemutter — wie würde sie ihren Verlust tragen, die arme Fanchon! Seit der Glanz der Vor nehmheit «od de« Ge>fte«luxu« sich ihr als so trügerisch erwiesen, empfand Adrienne erst ganz und voll den »»endlichen Werth von Fanchon'S nimmerwankender Treue und unsäglicher HerzenSgUte. Die Verhaftung ihrer Pflegetochter hatte Fanchon ins Herz getroffen. Doch eS war, als habe die erste Ueberraschung all ihren Schmerz aufgebraucht. Nach dem ersten Schrecken ward Fanchon verhältnißmäßig ruhig. Sie ging, zwar sehr bleich, doch regelmäßig ihren Geschäften nach, pflegte die kleine Jcannc, besuchlc Adrienne im Gefängniß, wenn ihr Laguerre einen Passirschein brachte, tröstete und beruhigte die Gefangene, denn noch immer hoffte sie. Da, es war nach Fanchon'S altmodischem Kalender am 27. Juli 1794, stürzte Laguerre plötzlich mit todtcnblassem Gesicht inS Zimmer. Er hatte mil Adrienne'S Geschick zu spielen geglaubt, hatte immer gehofft, die Todesfurcht werde ihren starken Willen beugen; nun aber war ihr Geschick in ein Stadium getreten, in welchem er nicht mcbr den Gang der Ereignisse aufzuhalten vermochte. Adrienne'S TodeSurtheil war vom Dictator unterzeichnet — am nächsten Morgen schon sollte sie da« Blutgerüst besteigen. Laguerre selbst brachte Fanchon diese Schreckensbotschaft. Dabei übcrschäumte sein Mund von Selbstanklagen und Blasphemien, und Fanchon erfuhr erst jetzt, waS ihr sowohl er als Adrienne verschwiegen, daß die Anklage ihrer Pflege tochter den falschen Hausfreund zum Urheber habe. Seine irren Reden klärten sic über den ganzen Zusammenhang der Dinge auf. Die einfache, ungelehrte, in ihren heiligsten Gefühlen durch Laguerre « VertrauenSbruch gekränkte Frau schleuderte ihm nur ein einzige- Wort entgegen, welche- in seiner biblischen Einfachheit doch so unendlich bezeichnend war: „JudaS!" Laguerre warf sich Fanchon zu Füßen, er raste und tobte in vergeblicher Reue. Fanchon beachtete ihn kaum. Zu tief war sie in ihre eigenen Gedanken versenkt. Mehr in ihrem Herzen, als in ihrem Kopfe, begann langsam, aber sicher ein Plan zu reisen, eine jener großen Selbstaufopferungen, welche zwar unendlich selten, aber doch zuweilen Vorkommen, ein gewaltiger Protest der ethischen Kraft dcS Einzelnen gegen La« allgemeine, unerbittliche Gesetz de« Egoismus, dessen eiserne Klammern da« Weltganze zusammenzuhalten bestimmt sind. Kurz, fast gebieterisch, wie sie eS sonst niemals gewagt, mit dem allmächtigen Günstling RobeSpierre'S zu sprechen, vrrlanglc sie einen Passirschein, um sich noch in dieser vor gerückten Stunde — Adrienne'« letzter Nacht — zu der Ber- urthciltcn zu verfügen. Laguerre folgte ihr denselben fast mechanisch auS. Er hatte stet« solche von seinem Meister unterfertigte Erlaubnißschcine bei sich, auf denen er nur Datum und Namen auSsüllte. Tann hieß ihn Fanchon gehen und mechanisch trug er die Verzweiflung weiter, ohne durch den Theil, welchen er in diesem Hause zurückgelassen, sich in seiner Bürde erleichtert zu fühlen. Mit scheinbarer Fassung lüftete sich Fauchon zu dem schweren Gange. Sie übergab die kleine Jcanne der Für sorge einer Nachbarin, kleidete sich dunkel, doch sorgfältig an, verhüllte ihre Haube noch durch ein großes, schwarzes Seidentuch, welches kaum Stirn und Kinn sehen ließ, »ahm ibr Gesangbuch und schnitt im Garten die schönsten, blühenden Rosen ab — die letzten Rosen. Bevor sie ihren schweren Gang antrat, bekreuzte sie sich fromm und besprengte Stirn und Brust mit geweihtem Wasser, das über ihrem Bette hing, dann warf sie einen langen, schwermülhigen Blick ringsumher, wie Jemand, der sür lauge Abschied nimmt. In der Thür kehrte sie noch einmal um, nahm ein zierlich geschnitztes, elfenbeinerne- Crucisir von der Wand, ein allerthümlichcs Kunstwerk und Erbstück von den Eltern ihres Mannes her, und barg cS unter ihrem Busentuch. Adrienne wußte Alles, als sie Fanchon'S schmerzrnS- blcichcS, gramvolles Antlitz vor sich auftauchen sah. ES be durfte keiner Worte — die beiden Frauen lagen sich schluchzend in den Armen. Krampfhaft drückte die Eine die Andere ans Herz. Dieser Augenblick machte sie wirklich zu Mutter und Kind. Adrienne Halle in ihrer Gefangenschaft verschiedene kleine Vergünstigungen genossen, welche die anderen Gefangenen enl kehrten. Ihre Jugend und Schönheit, sowie Fanchon'S groß mülhige Spenden hatten selbst die rohen Schließer milder gestimmt. Adrienne besaß sogar einen Lehnstubl und — durch einen Einsall Fanchon'S, welchen diese jetzt segnete — einen großen Schirm aus bunten Tapeten, welcher sie während LeS Ankleiden- den Blicken ihrer Gefährtinnen schützend entzog. Hinter diesem Versteck saßen nun Mutter und Tochter zum letzten Male beisammen. Flüsternd hatte Adrienne ihrer Pflegemutter ibre letzten Wünsche, die Erziehung ihre« Kinde« betreffend, in« Ohr geraunt. Jetzt ergriff Fanchon da« Wort, und ihre Stimme klang in diesem Augenblick fester und de stimmter als die Adrienne'S. „Auch ich habe eiocn letzten Wunsch, eine letzte Bitte au Dich, mein Kiod, w»rst Du sie erfüllen?" fragte sie. Adrienne lächelte — eS war ein trauriges Lächeln. „Sprich» meine Mutter, ich will Alle- thun, was Du von mir be gehrst. Sind mir dock, nur noch wenige Stunden vergönnt, Dir Deine unendliche Liebe zu vergelten". „Wenn Du die- Eine, Letzte thust, waS ich von Dir be gehre, dann hast Du mir Alles vergolten, WaS ich an Dir gethan — daun sind wir quitt!" erwiderte Fanchon, deren seine, noch immer schöne Züge, von einer fliegenden Rötbe innerer Erregung übcrbaucht, in diesem Augenblick förmlich verjüngt erschienen. „Schwöre mir, Adrienne, daß Du cS thun willst! Lege Deine Hand aus dieses Crurifix, berühre mil Deine» Fingerspitzen die Wundmale de« Erlöser-, welcher sür uns geduldet und den Kreuzestod erlitten hat!" Ueberwältigt von der feierlichen Tonsärbunz. welche Fanchon'S Stimme angenommen halte, legte Adrienne die zitternden Schwursinger, deren matte Bläste mit dem gelb lichen Weiß des Elfenbeins zu wetteifern schienen, aus daS Bild des gekreuzigten Heilande«. „Und nun sprich mir den Eid nach!" gebot Fanchon, auS deren Augen ein überirdische- Feuer zu strahlen begann: „Ich Adrienne. die Gattin des Grasen Mancini, schwöre nieiner Pflegemutter Fancbon Bontcrre, ihren mir in diesem Augenblick »och unbekannten Wunsch — den letzten aus Erden — zu erfüllen. Ewige Verdammmß treffe mich und mein unmündiges Kind Jeanne, wenn ich dieses heilige Gelöbniß zu erfüllen mich weigern sollte! Dazu helfe mir Gott Vater, Sobn und heiliger Geist. Amen!" Diese energische AuSdrucksweise, welche der stillen Fanchon niemals eigentbümlich war, srappirte Adrienne. Halte da« Ucbermaß de« Schmerzes ibre Sinne verwirrt? WaS konnte sie von Adrienne fordern, daS diese nicht gern zu gewähren bereit war, auch ohne den schrecklichen Eit, welcher sic nun gebunden hielt? Und waS kouutr überhaupt die unglückliche Gefangene, zum T»dc Verurtheilte, am nächsten Morgen Gerichtete, noch sür die Ihrigen thun, welche, den tövtlichen Schmerz um ihr frühe« Ende in der Brust tragend, ohne sie zurückbliebcn auf der blutgetränkten, vaterländischen Erde? WaS konnte Mutter Fanchon von ihr, der Todgeweihten, fordern? Ta zuckte plötzlich eine Ahnung durch ihr Herz — nur Da- konnte e« sein! Fancbon würde von ihr verlangen, sie solle stolz erhobenen Hauptes da- Blutgerüst besinge», wie cS dem Schuldlosen ziemt, die Würde wabren, welche Fanchon von der Kindbeit Adrienne'S an bemüht gewesen, ihr als daS höchste Gut de- WnbeS tarzuslellen, nicht feige zu jammern
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