Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940801011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894080101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894080101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-01
- Monat1894-08
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
I. M«P M LeiWM ÄMM B KHcha Nr. M, Rittksih, l. Kvst M. (MM<MBt.s Jur Polarforschung. Gegenwärtig sind nicht weniger wie 7 Expeditionen unter leg«. um den Schleier zu lüften, der über dem wcitgedebnten unersorschtku Gebiete des Nordpols lagert, und eine erhebliche Zahl weiterer Expeditionen bat sich nach dem Süden unseres Erdballs gewendet, um auck jene Gebiete der menschlichen Kenntniß mehr zu erschließen. In beistehendem Kartenbilde soll nun zunächst ein Ueberblick über die nach dem Nordpol entsendeten Expeditionen gegeben werden, und zu diesem Zweck sei, unter Bezugnahme aus die Zeichenerklärung oben links i» der Kartenskizze, jolgende- bemerkt: Am meisten Interesse bat wohl die im vorigen Sommer l begonnene Expedition des kühnen DnrcbquererS Grönlands,! Nansen, erweckt. Derselbe ist zu Schiff von Norwegen aus' durch die Kara-See nach den Neusibiriscken Inseln unterwegs, um sich von dem Puncte aus, wo s. Zt. die Jeanette-Expe dition ihren Untergang fand, durch die von ibm behauptete, über den Nordpol und von da nach Süden (Grönland) zu führende permanente Strömung sich durch das unerforschte Polargebiet treiben zu lassen. Der von Nansen zurückzu- lcgende Weg ist durch die Signatur 1 bezeichnet. Eine zweite Expedition (2) ist die des Schweden Ekroll, der nach Errichtung von BoolS- und Schlittenstatiouen auf Spitzbergen und Franz-Iosefsland von letzterem aus zu Boot oder Schlitten auf directestem Wege nach dem Pole zu nord wärts Vordringen will. v . . Die dritte Expedition ist die des Engländers Jackson (3). der ebenfalls nach Franz-Joses-land und vvn dort, mit Unterstützung von Samojeden zu Boot und Schlitten, an der Westküste vordrin-gend, um seine Forschungsexpedition nach Norden auszufübren. Jackson ist mit Schlitten und Booten,sowie Zelten reichlich ausgerüstet, und denkt in 4 Jahren von seiner Expedition heimzukehren, er hofft, unterwegs Nansen zu treffen. Eine vierte Expedition ist diejenige des Chicagoer Jour nalisten Walter Weltmann (4), der von Tromsoe in Norwegen westlich an Spitzbergen vorbei direct nach dem Pol vorzudringen bestrebt ist. Von Spitzbergen aus sollen Boote und Schlitten benutzt werden, auch macht man sich aus die Notbwcndigkeit bezw. Möglichkeit langer Fußmärsche über das EiL gefaßt. Das schwerste Hinderniß soll hier das von Parry s. Zt. beobachtete Südwärtsschwimmen des Eises sein, eine Erscheinung, die NansenS Theorie Recht geben und seiner Expedition förderlich sein würde. Die fünfte Expedition, jene von Peary, wird Grönland in seinen nördlichsten Theile von Westen nach Osten zu kreuzen, um die noch unbekannte Küstenlinie daselbst fest zustellen. Sodann will Peary sich ebenfalls möglichst direkt polwärtS wenden. Man hat bereit- eine Hilfsexpedition zur Auffindung de« Lieutenants Peary von St. IohnS (Neufund land) zu entsenden beschlossen, jedock verfrüht, da Peary erst 1893 ausgebrcchen ist und vor 1895 nicht heimzukehren beabsichtigte. Eine sechste in die arktischen Gewässer vorgrdrungene Expedition ist die des Rosten Baron Toll (61, welche von der sibirischen Küste nach den neusibirischen Inseln zu vor? gegangen, jedoch v»a dort bereits wieder zur Küste zurück gekehrt ist. Toll hat sich, wie unsere Kartenskizze zeigt, io größter Nähe deS sibirischen Kältepols bewegt, ein eigent liches Vordringen nach dem Nordpol ist jedoch nicht unter nommen. Die siebente Expedition, diejenige der jungen schwedischen Naturforscher Björling und Kallsteniu« (7), welche west lich von Grönland durch die BaffingSbai nach Norden vor zudringen unternahm, scheint den ungünstigen Nachrichten zufolge vor Jahresfrist in einem anhaltenden Winterslurme, nicht weit von Grinnell-Land, ihren Untergang gefunden zu haben. ES sind bereits mehrere Forscher im Anschluß an andere Expeditionen unterwegs, um Sicheres über das Schick sal der Reisenden in Erfahrung zu bringen. Der schwedische Naturforscher Ohlin ist bereit« nach Neufundland gereist, um von dort nach Ellesmere-Land (südlich von Grinnell-Land) zu fahren, um mit Hilfe von Eskimos die Verschollenen aus- zusuchcn. MissionSvereinö von Strehla und Umgegend, soll sie in fernen fanden an, Lchneedom deS Kilimandscharo in der neuen Missionsanstall erklingen und den Bekehrten das, was aus ihren, Mantel neben dem Monogramm Ehristi in Kisuaheli- Spracke steht: „binri ui vu Lluungu biun juu" (Ehre sei Gott in der Höhe!") verkünden. Eine andere, für eine Tamulengemeindc bestellte Glocke wird von der genannten Firma ebenfalls in diesen Tagen gegossen werden. — Durch da- steigende Bedürfnis in Bezug aus private Krankenpflege ist. wie wir vor Kurzem berichteten, in Plag witz. Schmiedestraße 8, ein neues Institut — EmmauS- Stist — gegründet worden. Es wird wohl zu begrüßen ein, daß betreffendes Institut zur Bequemlichkeit des lublicumS zwei Meldestellen bicr am Platze errichtet hat, und zwar in dem Betten - AuSstaltungS - Gesckäst von H. Gräser, Markt, RathhauSgewölbe 10, und Südstraße 2. Daselbst wird genaue Auskunft ertheilt und Bestellungen ür Schwestern des betreffenden Instituts entgegengenommen und sofort ausgeführt. — Zur Erleichterung des Besuchs der Erfurter Aus keilung wird am Sonntag, den 5. August, und am Donners tag, den 9. August in Leipzig um 6 Uhr 30 Minuten Morgens und in Halle um 6 Ubr 55» Minuten Morgens ein Pcrsonen- Sonderzug nach Erfurt abgelassen. H Leipzig, 1. August. Heute vollendet sich ein Zeitraum von fünfundzwanzig Jahren, seitdem Herr Wachtmeister Emil Bernhard 21kay unserem Polizciamte angebört. In diesem Zeiträume hat der Genannte sich durck pflichttreues Verhalten und durch gewissenhafte Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheiten die Zufriedenheit und Wertb- chäyung seiner Vorgesetzten, sowie durch sein allezeit reundlicheS kameradschaftliches Wesen die Liebe und Zuneigung seiner Eollegen erworben. Sein heutiges ubilaum dürfte sich deshalb auch zu einem reckten Freudenfest gestalten. — Gleichfalls beute begeht Herr Karl Friedrich Kniestedt, Humboldtstraße 24, den Tag, an welckcm er vor vierzig Jahren seine Stellung als Arbeiter bei der königlich preußischen Staatsbahn antrat. Möge eS dem rüstigen Manne, der auf einen großen Kreis von Freunden und Eollegen blickt, vergönnt sein, dereinst auch das fünfzig jährige ArbeitSjubiläum zu feiern! * Leipzig, 1. August. Wie bereit- vor kurzer Zeit ein anderer Angehöriger des Geschäfts, so feiert heute ein zum kaufmännischen Personal gehöriger Angestellter der Firma Krug <L Mundt hier, Herr Theodor Kratz, sein 25jährigeS Dienstjubiläum. Der Jubilar trat am 1. August 1809 atS Lehrling bei der genannten Firma ein und bat derselben dann ununterbrochen seine Dienste gewidmet. Treue Pflicht ersüllung, ein vollständiges Aufgeben in den geschäftlichen Obliegenheiten waren die steten Begleiter aus dem Wege seines Berufes. Seit einer Reihe von Jahren als Leiter deS EngroS-LagcrS mit dem verantwortungsvollsten und umfang reichsten Posten betraut, sind dem Jubilar au seinem heutigen Ehrentage die herzlichsten Gratulationen und Geschenke von seinen Chefs und Mitarbeitern als Zeichen der Ausmerksam kcit und Dankbarkeit zu Theil geworden. Möge er »och lange Zeit seiner Stellung als bewährte erste Kraft erhalten bleiben. Hl Die am Montag vom Canarienzüchterverein Harmonie" in Reudnitz veranstaltete Festlichkeit nahm einen fröhlichen Verlauf, wenn auch der während deS Nach mittags eingelretene Regen daS Fest in mancher Be Colonial-Nachrichten. * Die s. Z. erwähnten Anschuldigungen der „Time-", daß der auf dem Nyajsa schwimmende Dampfer des Antisclaverei- comitSs „Hermann von Wifsmann" durch Beförderung von Pulver- transporten entgegen der Longoacte dein Sklavenhandel Vor schub leiste, liegen nun im Wortlaut vor. Weitere „Thatsachen", alS die erwähnte», enthalten sie nicht: auch nichts, was unser bereit- abgegebenes Urtheil ändern könnte. Rur ein Umstand sei noch hervor gehoben. Die „Times" brachten zwei Artikel, einen Bericht und ein« Besprechung darüber. Wo der Bericht sich der Wendung bedient, „es scheint , nimmt der zweite Artikel, der über diesen Bericht schmerz- ersllllte Betrachtungen anstellt, das, „was zuvor nur schien", als vositive Thatsach« an. Das ist zwar praktisch, aber wenig ehrlich. Indessen wird man sich nicht darüber wundern, daß dies den Deutschen am Nhasja widerfährt; der englische Parlamentssecretair LcS Auswärtigen, Sir E. Grey, der kürzlich den deutschen Be hörden am Nyassa gegenüber ähnlichen Anschuldigungen eia ehren- deS Zeugnis, ausstelltc, muß sich selbst gefallen lassen, daß di« „Time« nach der eben gekennzeichneten Methode seine Ausführungen aus den Kops stellen Königreich Lachsen. a. Leipzig, 1. August. Eine in den hiesigen Grund besitzerkreisen in den letzten Jahren wiederholt constatirte Tbatsachc ist die schwere Beschaffung von Geldern au Grundstücke zur zweitstelligen Hypothek» selbst wenn dieselbe noch, was für die Hypthekendarleiher im Allgemeinen doch maßgebend ist, weit unterhalb der Grenze der staatlichen Abschätzung (Brandcasse) auSgeht. DeS Weiteren tritt um so auffallender in Erscheinung die große Menge flüssigen Capital« für erststellige Hypotheken. Wenn hierfür in den frübern Jahren 4'/, bis 4 Proc. gezahlt wurden, so ist eS heute nicht mehr etwas Seltenes, wenn namentlich bei großen Eapitalien der Zinsfuß schon >/,—'/« unter 4 Proc. sich stellt. -m. Leipzig, 1. August. Die heimische Glockengießerei von G- A. Iauck hat gestern den Guß einer für die erste evangelisch-lutherische Gemeinde am Kilimandscharo be stimmten kleinen Glocke vorgenommen. Ein Geschenk de« zu beeinträchtigen geeignet war. Die Abholung de« Vereuis Präsidenten Herrn F. H. Oehlert, sowie de« Jubilar« Herrn Henncmann und deS EbrengasteS Herrn Zeisig erfolgte Nachmittags, ebenso der Festzug nach den „Drei Lilien". Die Festmusik von der Capelle de« Herrn O. Richter, sowie die Gesangsaufführung deS Cborgesangverein« „Oberon" fanden im Saale des beliebten Etablissement- statt, daS alsbald eine frohe Schaar Erwachsener und Kinder umsing. Nach der Ouvertüre zur Kreutzcr'schen Oper »FoLoiSka" kielt der Vorsitzende eine Ansprache, in welcher er den Erschienenen den Willkommenögruß entbot. Hierauf trug Frl. Reineck einen mit großem Beifall aufgenommenen Prolog vor, nack dessen Schluß die Damen deS Vereins dem Präsidenten eine Fahnenschleise spendeten. Die Verdienste deS Herrn Oehlcr un, die Canarienzüchterei im Allgemeinen und um den Verein „Harmonie" im Besonderen kennzeichnet« der Vorsitzende deS „Oberon"; der Redner erwähnte u. A., daß zu den vielen Auszeichnungen, die Herrn Oehlert seither zu Theil geworden sind, in jüngster Zeit eine Auszeichnung des Königs Humbert von Italien getreten sei, der Herrn Oehlert eine kostbare Brillantbusennadel übersandte. Herrn Henne mann wurde in Anerkennung seiner Bemühungen um den Verein rin Diplom überreicht. Musik- und GesangSvorlräge folgten in bunter Reihe, und nur zu bald fand da- Fest seinen Abschluß. H Leipzig, 1. August. Auf dem Thüringer Bahn- Hofe wurde gestern Nachmittag ein 31 jähriger Strecken arbeiter aus Borna beim Uebcrschrcitcn der Gleise von zwei leeren Wagen umgerifse» und hierbei am rechten Fuße nicht unerheblich verletzt. Der Verletzte wurde mittels Krankenwagens in daS Krankenhaus gebracht. —s. In einem am Dösener Weg« gelegenen Garten belustigten sich am Montag Vormittag mehrere Kinder damit, sich auf ein leeret Bierfaß zu stellen und dasselbe mit den Füßen weiter zu rollen. Hierbei fiel der neunjährige Emil Sch von dem Faß herab und brach den rechten Arm. — Beim Absteigen von einem Wagen fiel am Montag Vormittag ein 19 Jahre alter Fleischer- geselle in der Bayerischen Straße aus durch den Regen glatt gewordenen ASphalt und brach daS linke Handgelenk. — Mit dem Reinigen eine- über der EingangSthür zur Wohnung threr Eltern befindlichen Fensters beschäftigt, hatte die 12 Jahre alte Tochter eine- hiesigen Schriftgießers das Unglück, beim Herabsteigen von der hierbei benutzten Leiter zu sauen und dar linke Bei» u brechen. . In einem Geschäft am Brühl fiel heute Vormittag »in HandlungScommis, der Waaren von einem Regal heruuternehmeu wollte, von der hierzu benutzten Leiter und brach «inen Arm. — Gestern Mittag kam in der Eisenbahustraße ein Arbeiter so un glücklich zu Falle, daß er einen Bruch de» liukeu Unterarmes erlitt. —pk. Infolge Fehltritte» fiel am Montag Nachmittag in einer Wohnung der König Johannstraße ein Arbeiter von einer Bockleiter herunter und brach den linken Arm. — Am Montag in der achten Abendstunde fiel eine in den Mer Jahren stehend« lahme Frau beim Ueberschreiten deS Fahrwege- in der Lindenstraße so unglücklich, daß sie sich außer einer Verstauchung deS rechten Beine- auch einen Bruch de» linken Arme» zuzog. Stadt-Tbeater. Im Neuen Theater geht heut« „Der Bettelstudent" in Scene. Die Partie der Laura siugt Fräulein Bradsky, diejenige der Broni-Ian Fräulein Dirken». Morgen geht die Zauberposse „Aladin, oder: Die Wunder- lampe" in Scene. t>. Im Neuen Sommer-Theater in Stadt Nürnberg bringt der heutige Gesellschastsabend im Tbeatersaale eine Wiederholung der hübschen SuppS'jchen Operette „Flotte Bursche". Die Schwank- Novität „Vergnügte Flitterwochen", von Brentano und Keller, ist sorgfältig vorbereitet, so daß ein flotte» Zusaminenspiel auch im Sommertheater einen durchschlagenden Erfolg ver bürgen dürste. 8 Krystall-Palast. DaS Kärntner Sänger-Quartett Alpenblunie" ist »ingctroffen und wird heute Abend seine erste Vorstellung geben. Es besteht auS drei Damen und zwei Herren, durchweg tüchtigen Kräfte», die sich aus stimmbegabten Naturjängern zu geschulten Sangeskünstlern herangebildet baden. Di« Gesellschait tritt in schmucker Kärtner Volkstracht aus. Da- Repertoire ist sehr reichhaltig und weist die prächtigsten Volkslieder aus. — Am heutigen Abend concertirt im Theatergarten der „Drei Linden" in Lindenau die Eapelle de» königl. sächsische» Jnsanterie-Regiments Nr. 106 unter Leitung des Herrn Matthe«. Bei schlechtem Wetter bieten die MO Personen fassenden geräumigen Eolonuaden dem Publicum einen angenehmen Aufenthalt. Im Saale gelangen von der Triebel-Schtegel'ichen Tbeatergestllschaii zwei Einacter, der bekannte Schwank: „Monsieur Hercttles" und die beliebte SuppS'sche Operette „Flotte Bursche", zur Auf führung. In Len Zwischenacten tritt die Balletgesellschast der Ballelmeisteri« Frl. I. Strengsmaun aus. o. Plagwitz, 31. Juli. Zur Zeit wird in hiesigem Stadt- theile das an der Ecke der Amalienstraße und Elisabetballee befindliche Ficker'sche Villengebäude, welches seitens der Stadt für die Zwecke deS Neubaues der 13. Bürgerschule angekaust worden ist, abgebrochen; mit dem Neubau der Schule soll dann baldigst begonnen werden. DaS nun zum Abbruch ge langende Gebäude, in den sechziger Jahren erbaut, hat für die hiesigen Kreise insofern ein Interesse, als daS Dach des selben Lei dem großen Sturme 1800 vollständig abgehoben und niedrere Hundert Meter weit hinaus auf das freie Feld getragen wurde. Die Bewohner der ersten Etage waren nicht wenig überrascht, als sie im Zimmer stehend plötzlich den freien Himmel über ihren Häuplcn erblickten. Noch heutigen Tages wissen sich ältere Bewohner von Plagwitz dieses Vor kommnisses lebhaft zu erinnern. — Am Sonntag beging der Hauschild-Verein zu Leipzig-Gohlis, seinem Wesen nack bekanntlich ein Schreber- vercm, sein alljährliches Kindersest durch Festzug, Festrede, Kinderspiele und Verpflegung der Kinder. DaS Fest erfreute fick eines prächtigen SonimcrwcttcrS und infolge dessen einer außerordentlichen Bethciligung von Groß und Klein. Ter Festzug der Kinder begann uni 2 Uhr von dem in der Lmdenstraße gelegenen Restaurant Kaiser Friedrich auS und nah», in musterglltigcr Ordnung, die Kleinsten voran, unter den frischen Weisen eine- MusikcorpS seinen Weg über den Kirchplatz, durch die Garten-, Böttcher-, Lindenthaler, Hallesche und Breitcnfelder Straße nach den Beremsgärten, die sämintlich festlichen Schmuck angelegt batten. Hier dielt Herr Lehrer Hesse eine treffliche Festrede, in der er die Kinder zur Dankbarkeit mahnte, die heutzutage so oft vernachlässigt werde. Darauf begannen nun die verschiedenen Spiele, die, in musterhafter Ordnung vorgesührt, Zeugniß ablegten von deni Eifer und Geschmack der sie leitenden Herren und Damen. Besonders viel Geschick in der Anordnung zeigte einer der Reigen, der deshalb auch wiederholt werden mußte. Neben den Spielen gab eS noch Schießen nach Kegel und Stern, Stangenklettern und andere mit großen, Eifer getriebene Vergnügungen. Inzwischen wurden abthcilungS- weise die Kinder mit Wurst, Semmeln und Bier verpflegt. Der Festplatz war von einem sehr zahlreichen Publicum, darunter viele angesebene Gäste und viele Richtmitglieder, besucht. Auck die befreundeten Schreker- und Hauschild- vereine von Eutritzsch und Möckern hatten Vertreter gesendet. Sehr vergnügt ging es in einzelnen Gärten der Vereins- Mitglieder und in der Restauration zu. Später, als eS zu dämmern begann, entwickelte sich ein farbenreicher Lampionzug der Kinder, der mit einem Hoch auf Kaiser, König und Vaterland Liede« „Deutschland, Deutschland wurde. Der ausblühende Verein zu seinem günstigen äußeren Stande beglückwünscht. Er zählt gegenwärtig etwa 250 Mitglieder mit eine», Jahresbeiträge von 1,50 .«5 bis 3 und verfügt über ein Areal von 3 Acker 81 Quadratruthen, das gegenwärtig von etwa 100 Gärten verschiedener Größe belegt ist. Besonderes Lob verdient sein Spielplatz, der, inmitten der Gärten gelegen und theilweise mit kurzem Rasen bewachsen, den Kindern rin ganz un gestörte« und staubfreies Spielen ermöglicht. und dem Gesänge dr über Alle-" abgeschlossen sei bei dieser Gelegenheit Fenrlletsir. Ludwig Feuerbach. Eine philosophische Studie von vr. Moritz Brasch. »iachdruik »erboten. ll. Mittlerweile hatte Feuerbach wiederum Erlangen verlassen mit dem Entschlüsse, die akademische Laufbahn, auf der ihn doch nur Schwierigkeiten und Kämpfe erwarteten, gänzlich aufzugeben. Er siedelte nach Bruckberg über, einem an der AuSbach-Nürnberger Straße tief in, Walde versteckten Dorfe, wobin ihn schon längst ein aar mächtiger Magnet hingezogen batte. Fräulein Bertha Low, ein liebenswürdiges junge« Mädchen von anmuthiger Erscheinung, batte eS ihn, angctha», und wie oft mochte der Erlanger Privatdocent nach dem idyllischen Waldorte seine Schritte gelenkt haben! Jetzt, wo die Aussicht auf eine Professur immer geringer wurde, war er kurz entschlossen, sich ohne eine derartige akademische Stellung zu verhcirathen. Er wollte fortan als freier philo sophischer Schriftsteller leben. Im Herbst 1837 siedelte er daher nach Bruckberg über und vermählte sich mit der jungen Dam«. Aus die Ermahnung eine- Freundes, zur Universität zurückzukebren, antwortete er: „Laß mich in Frieden! Ich bin nur so lange etwa-, als ich nicht« bin . . . den Sand, den mir die Berliner StaatSphilosopbie in die Zirbeldrüse, wohin sie gehört, aber leider auch in die Augen streute, wasche ich mir hier an dem Quell der Natur vollends au«. Logik lernte ich an einer deutschen Universität, aber Optik — die Kunst zu sehen — lernte ich aus einem deutschen Dorfe." I« Jahre 1839 hatte Feuerback in Rüge« „Höllischen Jahr büchern" den Anfang einer Abhandlung veröffentlicht: „Ueber Phil«sophi« »nd Ehristenthum". Dir Censur verbot die weitere Fortsetzung dieser Arbeit, und so erschien dieselbe in Buchausgabe. Doch sollte dies nur der Vorläufer sein zu seinem epochemachenden Wdrke: „DaS Wesen des Christen- thumS" (1841), daS mit einem Schlage den bi« dahin noch wenig bekannten Denker zu einem der am meisten gelesenen und einflußreichsten philosophischen Schriftsteller machte. Der Angriff, der hier auf daS Ehristenthum als historische Religion wie auf alle pbilosophisch»dogmatischenBermittelung«- versuche erfolgte, wirkte geradezu betäubend. Eine solche Sprache, so kraftvoll, so überzeugend und so au« innerster Seele quellend, ist noch nie gehört worden. Mit dem Hegcl- schen System als solchem hatte er sich schon vorher durch die Abhandlung (ursprünglich ebenfalls in den .gallischen Jahr büchern"): „Zur Kritik der Hegel'schen Philo sophie", ebenso mit den speculatwen Theisten (Weiße, Sengler und Fichte gnu.) durch die Schrift „Zur Kritik der positiven Philosophie" au-einandergesetzt. Aber alle diese Arbeiten, so sehr sie durch die Schärfe der Polemik und die Gewalt der Sprache Aussehen erregten, kamen doch nicht an Wirkung gleich dem genannten Werke. Man bat vielfach diese« Buch mit Strauß' „Leben Jesu" verglichen. In dem großen Kampfe der Wissenschaft gegen die historische Theologie in unserem Iahrbundert sind ja beide Bücher, jede- in seiner Art, von weitreichender Bedeutung gewesen, und e« ist schwer zu sagen, welckem von beiden da- Ueberaewicht zukommt. Aber wie gleich genial beanlagt da» Wesen der beiden Männer war, wie sehr beide von gleichen oder doch ähnlichen Voraus setzungen auSgingcn und durch die gleiche speculativ« Schule hindurckgegangen waren, uni später zu säst denselben Resul taten zu gelangen: so verschieden war doch ihr menschlicher und schritistellerischer Charakter. Der kluge und sein ab wägende Strauß schrieb ganz ander« als der feurige und pathetische Feuerbach. Schärfe der Kritik war beiden eigen, ebenso immense» Wissen auf theologischem und historisch philosophischem Gebiete. Strauß aber handhabt da« scharfe Secirmeffer, Feuerbach dagegen die zertrümmernde Keule. Ohne Zweifel hat letzterer mehr Schwung und kann, wo er will, von hinreißender Wirkung sein. Aber Strauß wirkt, gerade weil er weniger pathetisch ist und sich oft an die feinere ästhetische und menschliche Empfindung wendet, weit nachhaltiger und dauernder. Strauß ist wesent lich Kritiker und bietet, so umfassend auch seine Bücher sind, in ihnen immer nur durchsichtig gehaltene und elegante Studien. Feuerbach jedoch ist Reformator und seine Schriften wirken wie revolutionaire Manifeste. Da« „Wesen de« Christenthums" zerfällt in zwei Theile, von denen der erste die „Auflösung der Religion in ihr Wesen, in ihre Wahrheit", der zweite die „Auslösung in ihre Widersprüche" behandelt. Der erste ist also Entwicke lung, der zweite Polemik, infolge dessen jener ruhiger gehalten ist, dieser leidenschaftlicher. Feuerbach analysirt den ersten Theil folgendermaßen: „Hier zeige ich, baß der wahre Sinn der Theologie die Anthropologie ist, daß zwischen den Prädicaten de« göttlichen und menschlichen Wesens — folglich auch zwischen dem göttlichen und menschlichen Subject und Wesen kein Unter schied ist. daß sie identisch sind; im zweiten zeige ich dagegen, daß der Unterschied, der zwischen den theologischen und anthropo logischen Prädicaten gemacht wird, oder vielmehr gemacht werden soll, sich in Nicht-, in Uosinn auslöst." Die Religion ist der Traum deS menschlichen Geiste». Aber auch im Traume befinden wir unS nicht im Nicht« oder im Himmel, sondern auf der Erde — im Reiche der Wirklichkeit und Notbwrndigleit, nur daß wir die Dinge nickt im entzücken den Scheine der Imagination und Willkür erblicken. Ich thue daher der Religion — auch der speculaliven Philosophie und Theologie — nicht- weiter an, al« daß ich ihr die Augen öffne, oder vielmehr ihre einwärts gekehrten Auge» au «wärt« richte, d. h , ich verwandle nur den Gegenstand in der Wirklichkeit." In den „Erläuterungen zum Wescn de» Christenthums" sagt Feuerbach: „Es wäre'kein Gott, wenn keine Natur wäre, aber die Natur ist nur die Bedingung, die Menschheit aber die Ursache der Gottheit." Eine prägnantere Zusammenfassung dieser Gedanken mit besonderem Hinweis aus den innigen Zusammenhang des Menschen und der Natur innerhalb de» ProcesseS aller Religionsbildung giebt Feuerbach in der Abhandlung: „Das Wesen der Religion" (1845), welche in Form von Para graphen die wesentlichsten Puncte seine« Hauptwerkes zu- sammcnsaßt. — In den „Vorlesungen über das Wescn der Religion" (1851) sind die Grundgedanken deS Hauptwerke- jedoch unter dem GesichtSpuncte cultur geschichtlicher Entwicklung de« Menschengeschlecht- dargelegt. Hier werden wesentlich die Beziehungen von Moral und Religion und in weiterer Linie auch die ästhetische und literarische Cultur der Völker in ihrer Abhängigkeit von ihren religiösen Vorstellungen erörtert. Diese „Vorlesungen" sind von Feuerbach wirklich gehalten worden, und zwar in Heidelberg, im Wintersemester 1848/49. DaS RevolutionSjahr 1848 batte auch unser» Pbilosophen auS seiner Waldeinsamkeit aufzescheucht. Beim Zusammentritt der Nationalversamm lung in Frankfurt a 21t. hatte sich auch Feuerbach von Bruck berg dorthin begeben, „um sich, wie er einem Freunde schreibt, die Dinge in der Nähe anzuseben". Hier traf ihn eine Einladung von Heidelberger Studenten, die ihn aufsorderten, ihnen über Fragen und Probleme der Religionsphilosophie Vorträge zu halten. Er folgte dieser Einladung, um, wir er sagte, „seine jungen Freunde am Neckar auS religiösen und politischen Kammerdienern der himmlischen und irdischen Monarchie zu freien, selbstbewußten Bürgern der Erde, au« Candidatcn de« Himmel- zu wirklichen und echten Studenten der Erde" zu machen. Im Frübiabre 1850 kehrte der Philosoph in seine grüneWald- idylle zu Bruckberg zurück, wo er, nachdem er auf dem Höhepunkt
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder