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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.08.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940809028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894080902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894080902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-09
- Monat1894-08
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Kropalscheck, Letocha, Merbach, Molkenbubr, Schmidt und Siegle angehören, bat nunmehr, wie berichtet, dem Reichskanzler ihren Bericht über die Frage rer Regelung der Arbeitszeit in den Bäckereien und Con- tiioreien erstattet. Sie hat sich danach auf folgenden Entwurf ron Bestimmungen, betreffend die Beschäftigung von Ge hilfen und Lcbrlingen in Bäckereien und Conditoreien, geeinigt: 8- 1. In Bäckereien darf die Arbeitsschicht der Ge- dttsen die Tauer von 12 Stunden, oder, falls die Arbeit durch kme Panse von mindestens einer Stunde unterbrochen wird, ein- ichliesstich dieser Pause die Tauer von 13 Stunden nicht überschreiten. Tie Zahl der Arbeitsschichten Lars für jeden Gehilsen wöchentlich eicht mehr ai- 7 betragen. Zwischen den Arbeitsschichtcn must den Gehilfen eine uniinlerbrochene Ruhe von mindestens 8 Stunden ge nährt werden. Während eines Zeitraumes von 2 Stunde» außer- tLb der zulässigen Arbeitsschichtcn dürfen die Gehilfen zu gelegent» licht» Dienstleistungen des Gewerbes, jedoch nicht bei der Herstellung von Waaren venvcndet werden. 8- 2. Aus die Beschäftigung von Lehrlingen finden die verstehenden Besliminungcn mir der Maßgabe Anwendung, daß die zulässige Tauer ,dcr Arbeitsschicht in» ersten Lehrjahre 2 Stunden, im zweiten Lehrjahre 1 Stunde weniger beträgt als die für die Beschäftigung von Gesellen zulässige Tauer der Arbeitsschicht. 8- 3. Aus Conditoreien finden die vorstehenden Bestimmungen mit der Maßgabe Anwendung, daß 1) die Tauer der Arbeitsjchicht (Z. 1 Absatz i) an einzelnen Werktagen überschritten werden Lars, wenn die Arbeitsschicht an anderen Werktagen derselben Woche um lie Tauer der Ucberschreilung verkürzt wird, und 2) die Arbeits- Ichicht an Sonn» und Festtagen die Dauer von 8 Stunden nicht überschreiten darf. 8. 4. Uebcr die in ßß. 1 bis 3 festgesetzte Tauer dürfen Ge hilfin und Lebrlinge beschäftigt werden: 1) an denjenigen Tagen, vn welchen zur Befriedigung eines bei Festen oder sonstige» besonderen Gelegenheiten hervortretenden Bedürfnisses die höhere Verwaltungs behörde Ueberarbeit für zulässig erklärt hat; 2) außerdem in Backereien an jährlich 20, in Conditoreien an jährlich 40 der Be- siiimnung des Arbeitgebers überlassenen Tagen. Auch an solchen Tagen m»b den Gehilfen und Lehrlingen zwischen Le» Nrdcits- schichten eine »»linterdrocheiie Ruhe von mindestens acht Stunden gewährt werde». Tie höhere Verwaltungsbehörde darf die Ueber- arbeit (Ziffer l) für höchstens 20 Tage im Jahre gestatte». 8- 5. An Sonn- und Festtagen dürfen die Gehilfen und Lehrlinge in Bäckereien während eines ununterbrochenen Zeitraums von 16 Stunde», in Conditoreien während eines ununterbrochenen Zeitraums von 12 Stunden nicht beschäftigt werden. 8. 6. In Abweichung von den Bestimmungen der 85- 1, Z Absatz 2, 5 dürscn Gehilfin und Lehrlinge an Sonn- und Fest tagen beschäftigt werden: I) in Bäckereien mit Arbeiten, welche zur Äibereilung der Wiederaufnahme der regelmäßigen Arbeit am virbsten Werktage nothwendig sind, sofern sie nach 6 Uhr Abends siailfinden und nicht länger als 1 Stunde dauern, 2) in Condi- lvreien mit der Herstellung leicht verderblicher Waaren, die un- ivitielbar vor dem Genuß hcrgestellt werden müssen (Eis, Cremes und dergleichen). 8. 7. Gehilfin »nd Lehrlinge i» Conditoreien, welche an einem Tonn- oder Festtage noch nach 12 Uhr Mittags beschäftigt worden imd, müssen an einem Werktage der folgenden Woche von Mittags 12 Uhr ab von der Arbeit freigclasscn werden. 8. 8. Durch Verfügung der unteren Verwaltungsbehörde kann stc Gei'ie'.idcn, in denen die Bäcker ortsüblich an Sonn- und Fest igen für die Kunden das Nusbacken der von diesen bereiteten Kuchen edcr das Braten von Fleisch besorge», die Beschäftigung eines Ge- tilfin mit diesen Arbeiten während höchstens drei Stunden des Vor mittags gestattet werden. 8. 9. Wird den Gehilfen und Lehrlingen für den Sonntag eine mindestens 24slündigc Ruhe gewährt, so dürfen die an den zwei vorhergehenden Werktagen endigenden Schichten um je zwei Stunden über die im 8- 1 Absatz 1 bestimmte Lau/r verlängert werden. Jedoch muß den Gehilfin und Lehrlingen zwischen den beiden letzten Schichten der Woche eine ununterbrochene Ruhezeit von mindesteiis acht Stunden gelassen werde». 8.10. Die vorstehenden Bestimmungen finden nur ans diejenigen Personen Anwendung, welche bei der Herstellung der Bäcker- oder Conditorwaare» beschäftigt werden. Dabei gelten Personen unter 16 Jahren, welche die Ausbildung zum Gehilfen nicht erreicht haben, auch dann als Lehrlinge, gvenn ein Lehrvertrag nicht ab- geschloffen ist. 8. 1l. Betriebe, in denen sowohl Bäckcrwaaren als Conditor- waaren hergcstellt werden, gelten im Sinne der vorstehenden Be stimmungen bezüglich der Bejchästigung solcher Gehilfin und Lehr linge, weiche ausschließlich bei der Herüellung von Conditorwaaren beschäftigt werden, als Conditoreien, im klebrigen alS Bäckereien. Als Bückerwaare im Sinne des Absatzes 1 gilt dasjenige Backwerk, welches herkömmlich unter Verwendung von Hefe ohne Beimischung von Jucker zum Teig hergestellt wird. Im klebrigen kann die höhere Verwaltungsbehörde für ihren Bezirk oder einzelne Theile desselben darüber Bestimmung treffen, ob ortsüblich bestimmte Waaren zu den Bäckerwaaren zu rechnen sind. 8- 12. In der Backstube muß eine mit dem polizeilichen Stenrpel versehene Kalendertasel auSgehängt sein, auf der jeder Tag. an dem Ueberarbeit auf Grund des 8 4 Absatz 1 Ziffer 2 staltgesunden hat, spätestens ain Ende der Woche mittelst Durch lochung oder Durchstceichung mit Tinte kenntlich zu machen ist. Die polizeiliche Stempelung erfolgt kostenfrei. Außerdem ist in der Back- finde eine Tafel aufzuhüngen, welche in deutscher Schrift den Wort- iaut dieser Bestimmungen wiedergiebt. In den Erläuterungen, welche diesem Entwurf voraufgeschickt sind, heißt cS: In dem hierncben ergebenst beigefügten Entwurf sind die Be- stiiilMllilgen sormulirt, welche behufs Regelung der Arbeitszeit in de» Bäckereien und Conditoreien nach Maßgabe der im Vorstehenden dargelcgten Gesichtspunkte zu erlassen sein würden. Die Mehrheit der Commission spricht ihre Ansicht dahin aus, daß nur durch ein Jnkrastfitzcn dieser sämmtlichen Bestimmungen einerseits den Arbeitnehmern in den genannten Gewerben ein wirklicher Schutz gegen die Gefahr einer Schädigung ihrer Gesundheit durch über- niäßigr Dauer der Arbeitszeit gewährt und andererseits von den Arbeitgebern die Gefahr einer wirlhschastlichen Schädigung ab- gcwendet werden könne. Dagegen befürwortet die Minder heit der Commission eine beschränktere Regelung der Arbeits zeit und wünscht, daß diese durch einen BundeSraths- beschluß a»s Grund des §- 120 o der Gewerbeordnung ver fügt werde, wie dies auch der Herr Reichskanzler in seinem Schreiben vom 3. Juli 1892 in Aussicht genommen habe. Nach ihrer Ansicht ist, wie bereits erwähnt, die Dauer der in den Co»- ditorcien üblichen Arbeitszeit, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht eine derartige, daß die Gesundheit der Arbeitnehmer sür ge- fährdet erachtet werden darf, und es würde sich also nicht recht- fertigen, die Beschränkungen, welche für die Bäckereien in Aussicht genommen worden sind, auf die Conditoreien auszudehnen. Weiter vermag dieselbe Minderheit die Beschränkung der Sonntagsarbeit sür Bäckereien in den von der Commission beschlossenen Grenzen nicht als empsehlenswerth zu betrachten und befürwortet, die Sonu- tagsrude sür den einzelne» Gehilsen aus 14 Stunden sestzusetzen, gleichzeitig aber die Beschäftigung von Gehilsen und Lehrlingen in Bäckereien überhaupt nur auf die Dauer eine- ununterbrochenen Zeitraums von 10 Stunden zu untersagen (objektive BetriebSruhe^ Eine Regelung der Arbeitszeit in Len Bäckereien nach dem Bor- schlage dcr Minderheit würde sich zweifellos aus Grund des 8- 120o der Gewerbeordnung durchführen lassen; es würde hierzu ein Be- schluß des BundeSraths genügen. Dagegen sind Zweiscl bezüglich der Frage geltend gemacht worden, ob die im 8- I20v dem Bundes rath erlheilie Befugniß ausrciche, um die sämmtlichen Anordnungen zu treffen, welche die Mehrheit der Commission empfiehlt. Eine Mehrheit der Commission erachtet diese Zwciscl sür nicht begründet, sondern hält die von ihr empfohlene Regelung dcr Arbeitszeit gemäß 8- 120 s der Gewerbeordnung auf dem Wege deS Bundes- rathsbeschlusses sür durchführbar. Was insbesondere die erwähnt« Auslegung dieser Bestimmung anbctrisft, so ist sie der Ansicht, daß dcr Bundesrath, da ihm bei dem Wortlaute des 8. >20o keine Be schränkungen in den Mitteln zur Regelung der Arbeitszeit auserlegt werden, befugt sei, für die Tauer einer bestimmten Zeit die Be schäftigung von Arbeitern überhaupt zu untersagen. Tie Commission sieht ferner in der Bestimmung des 8. 105 v keinen Zwang, die Regelung der Sonntagsruhe ausschließlich den höheren Verwaltung-- bckörden zu überlassen, glaubt vielmehr, daß eine Regelung der MaximalarbeitSzeit, wie sür die Werktage, so auch sür die Sonntage aus Gesundheitsrücksichten auch aus Grund des 8- 120s, also seitens des Vundcsralhs, vorgeiiominen werden dürfe, um jo mehr, als letzterem eine einheitliche Regelung auch aus Grund der Bestimmung im 8- 105 ck zusteht. Die Frage, ob behufs Regelung der Arbeitszeit in den Bäckereien und Conditoreien der Weg der Gesetzgebung zu beschreiten sei, ist von der Commission erörtert worden. Dieselbe gelangte zu dem Beschlüsse, daß es nicht ihre Ausgabe sei, bezüglich dieser Frage Anträge an den Herrn Reichskanzler zu stellen. Ilm eine Regelung der Arbeitszeit wirksam durchzuführen, hält die Mehrheit der Commission es sür geboten, daß die Aussicht der Gewerbe- Jnspectionsbeamten aus die der Regelung > unterworfenen Betriebe ausgedehnt und Zuwiderhandlungen gegen di« betreffenden Bestimmungen mit Strafe bedroht werden. Beiden Bedingungen wird, ohne daß es des Erlasses besonderer Bestimmungen bedarf, entsprochen, wenn die Festsetzung der MaximalarbeitSzeit nach den Borschlägen der Minderheit erfolgt. Alsdann würde es, wie erwähnt, nar einer Beschlußfassung des Bundesraths aus Grund deS 8.120e der Gewerbeordnung bedürfen; die Regelung würde also im Rahmen der Gewerbeordnung erfolgen, und die Bestimmungen der letzteren über die Aussicht der Betriebe im 8. 139 b, sowie die Strafbestimmungen im 8- 147 Absatz 1 Ziffer 4 würden ohne Weiteres auch sür dte Durchführung der Maximalarbeitszeit in den Bäckereien »nd Conditoreien Geltung erhalten. Wenn dagegen der Weg der Gesetzgebung bescheitlen wird, so wird es nach Ansicht der Commission erforderlich sein, besondere, jenen Be stimmungen entsprechende Vorschriften in das Gesetz auszunehmen. In diesem letzteren Falle wird ferner auch besonders festzustcllcn sein, welche Behörde» im Sinne der Bestimmungen des Entwurfs (88- 4, 8, 11) unter der Bezeichnung höhere bczw. untere Ber- waltungsbchörd« zu verstehen sind, eine Frage, welch« sich bei einer Regelung im Sinne der von der Minderheit gemachten Vorschläge durch die Vorschrift im §. 155 Absatz 2 der Gewerbeordnung erledigen würde. Politische Tagesschau. * Leipzig, 9. August. Die officiöse Ankündigung, das preußische BeretnSgeset; solle geändert werden, zeitigt merkwürdige Erscheinungen. Freisinn und UltramontanisuiuS gegenseitig auf einander sich berufen zu hören, ist etwas Altgewohntes, aber daß die demokratischen Organe obne Unterschied der Consession ihrer respcctiven „Seelen" antisemitische Blätter als Autoritäten ciliren, ist neu n»d belustigend. DaS »Volk", bisher von dieser Seite aus eine Stufe mit dem „Pöre DucheSnc" ge stellt und in Wahrheit auch oft genug von konservativen Poli tikern deSavouirt, ist nun zu einem dochconservativcn Blatt avancirt, dessen Stimme dieser Eigenschaft wegen von besonderem Gewicht sei! Wir unsererseits können ünS nur freuen, wenn diesen Richtungen ihre innere Berwandtschaft, die wir keinen Augenblick verkennen konnten, allmählich zum Bewußtsein kommt. Zur Frage selbst ist nichts Neues zu erwähnen, da über die Absichten dcr Regierung noch Dunkel gebreitet ist. Nur kann fcstgcstcllt werden, baß der Hinweis des „Hamb. Corr." auf den Schutz, den das Recht der Klage gegen polizeiliche Bcrfügungcn den Bcreincn und Ber anstaltcrn von Bersanimlungcn gewährt, der demo kratischen Presse sehr ungelegen kommt, weil er einen unbequemen Wcrthmcsser für die doktrinären Redensarten von einer unerhörten Rcaction abgiebt. Im Großen und Ganzen scheint die heftige Befehdung deS unbekannten und ungevorencn Entwurfes mehr hochpolitischen Absichten, als der Abneigung gegen eine Aenderung deS BcreinSgesetzcS zu entspringen. Man stellt bekanntlich den Plan als eine vom preußischen Ministerium gegen den Reichskanzler gerichtete Action dar. Hierin thut sich namentlich die CcntrumSprefse her vor, die aä koo sogar ihr reichsdeutfchcS Herz entdeckt hat, und wie sie sich sonst auSdrückt, „geradezu unitarische Tendenzen" bekundet, indem sie für ReichSgeseygebung contra LandeS- gesctzgebung eintritt. DaS von der „Nordd. Allg. ,Zlg." an geschlagene Thema vom „Dualismus" wird in allen Ton arten variirt. am eifrigsten von dcr „Franks. Ztg", die augenscheinlich bestimmt ist, daö Berliner Kanzlerblatt so lange zu vertreten, als eS seine Wunden kühlt. Während das demokratische Organ die heftigsten Angriffe gegen Or. Miguel erneuert, glaubt eine CentrumScorrespondenz, wie schon erwähnt, von der Krone eine Entscheidung, natürlich gegen den preußischen Finanzminister. peremptorisch fordern zu sollen. Erwünfcht wäre eine Entscheidung auch uns! Wie vorauözusebcn war, mehren sich die Stimmen gegen die französische Schutzzollpolitik. Tie sranzösischeHandcls» kamnier in Mailand bat soeben ein Gutachten über die Folgen veröffentlicht, die sich sür Frankreich und Italien aus dein gegenmärtigen Zollkriege ergeben. DaS „Journal deS DebatS" batte bereits darüber Beschwerde geführt, daß, während die französische Ausfuhr nach Italien wesentliche Einbuße erfahren, dcr italienische Export nach Frankreich im Gegentbeil zugcnommen hat. Mir Enlschiereliheil verlangt daher die französische HantelSlammer >» Mailand die Ab schließung eines Handelsabkommens zwischen den beiden Nachbarstaaten. „Wann wird mc», endlich", heißt es in dem Bericht, „bei un- begreifen wollen, das; wir, indem wir Italien verhindern, aus »nfirm Markt sür 150 Millionen medr Geschäfte zu machen, uns nicht wirksam der Verwirklichung seiner Zukunft witerfitzen können, wäh rend wir andererseits aus der Halbinsel 2M Millionen weniger ver dienen in Folge dcr Zolle, denen unsere Producte dort im Ver hältnisse zu denjenigen »nfirer Coneurrenien unterworfin sind." — „Es ist allzu geraume Zeit der. daß die öffentliche Meinung ln Frankreich von einer Partei gefälscht wird, die nicht aushört, uns zu täuschen, und deren einziges Argument darin besteht, diese kindiich« Maxiine von neuem vorz»tragen. Sollen wir durch einen Handels vertrag Massen gegen u») selbst schmieden?" In der Tbat bat die in Frankreich vorherrschende Auffassung, daß Italien durch de» Zollkrieg vor die Alternative: Ent weder Austritt ans dem Dreibund oder wirtbscbastlicher Ruin gestellt werde» würde, gerade das Gcgentheit von dem, was man beabsichtigte, hcrbeigesübrt. Hat dock», wie in Erinnerung gebracht sei, die französische AuSfubr »ach Italien im Laufe dcö IabreS 1893 eine Einbuße von 225 Millionen gegenüber dem Borjabre und von 319 Millionen Franken, verglichen mit dem Durchschnitte dcr letzten süiis Jahre, erfahren! Die „Riforma" nennt die französischen Pro- tcctionisten die wirklichen Feinde Frankreichs, da sie cS seien, die in einem Augenblick der Unüberlegtheit die öffentliche Meinung sortgcrifscn haben, indem sic das trügerische Ver spreche» gaben, daß aus dcr Aufrichtung bobcr Zollschranken sich das Heil Frankreichs ergebe» würde, während in Wahr- beit eine Katastrophe sür Prodiieenlc» und Eonsumenlen sowie sür die Arbeiter die unmittelbare Folge der Schutzzoll politik gewesen ist. Es kann nicht mehr lange währen, bis diese Erkenntniß in Frankreich eine allgemeine ist. Kein größerer Verlust konnte die belgische Social» dcmokratie in diesem Augenblicke treffe», als die Ucber- führung ihres hervorragendsten Führers Jean VoldcrS inS IrrenbauS, welches der an Größenwahn Leidende nach ärzt licher Ansicht nur als Leiche verlassen swird. Jean VoldcrS, der erst im 38. Lebensjahre steht, ist nicht blos dcr geistige Leiter, sondern auch dcr Begründer der belgischen Socialdemokratie gewesen. AuS un scheinbare» Anfängen bat er vor genau lO Iabrcn die focialistische Partei in Belgien zu einer verhältnißmäßiz be deutenden Macht emporgeboben. VoldcrS war Ebesretactcur dcö Arbeiterorgans „Le Pcuple", der Leiter dcö focialistische Frnillstsn. -> Sei» Weib. Roman frei nach dem Englischen von Emil Bernseld. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Ivan hielt erstaunt den Brief in dcr Hand, den er ihr eingebändig», und betrachtete ihn. In der Tbat, sie hatte noch nie einen Brief erhalten und wußte auch Niemand in dcr weilen Welt, dcr Kälte an sie schreiben sollen. Indes; der Aries war unzweifelhaft an sie gerichtet, die Adresse zeigte cS. Cfi lautete niit größter Genauigkeit: „Miß Ioan Brownell, Spinnerin an dcr Fabrik von Eres;, Earret >L Eo. zu WiiinatS, Grasschaft Lampshire. Per Adresse Wiltwe Brownell daselbst." Der Brief war an sie, eS war kein Zweifel möglich. Erstaunt öffnete Ioan das Schreiben und las. Es enthielt Folgendes: „Gray'S Inn, London. 6. An Miß Ioan Brownell, Winnats. Von einem meiner Klienten, dcr vorläusiig ungenannt zu bleiben wünscht, bin ich beauftragt, Ihne» mitzutbeilen, daß terselbc Ihnen hiermit sür die Dauer zunächst eines IabreS eine Rente von wöchentlich zwei Pfund Sterling nebst freier Löhnung sür Sie und Ihre Tante auSgesetzt, wenn Sie bereit find, folgende Bedingungen zu erfüllen. Erstlich sofort mit stbrer Tante nach London zurückzukchrcn und in dem kleinen 'Tuartier Ihren Wobnsitz zu nehmen, daS man für Sic micthen und mit einer entsprechenden einfachen Ausstattung versehen wird. Zweitens während dieses IabreS daselbst zurückgezogen i:»t Ihrer Tante zu leben, keinerlei Bekanntschaften zu machen, kcmerlei Annäherung eines etwaigen Bewerbes anzunchmen — »sch sich zu verloben oder ein HeiratbSvcrsprcchcn zu geben. Einer meiner Beamten, ein bejahrter Mann, wird allwöchentlich dei Ihnen vorsprechen, um »ach Ihrem Wohlergehen zu sehen, »ach Ihren etwaigen Wünschen zu fragen und Ihnen den Betrag cbenerwähnker Rente auSzubändigcn. Wenn Sie diese Bedingungen erfüllen, wird Ihnen nach Perlauf eines Jahres eine weitere Disposition, ihre Zukunft betreffend, unterbreitet werden Ihre Entscheidung über unser verbieten erbitte ich unverzüglich iu einem Brief an mich unter meiner obenstehenden Adresse. Der Kostenbetrag Ihrer Tebersiedelung nach London wird Ihnen im Annahmesalle ebenso unverzüglich zugehen. — Ich bin, Miß, Ihr ganz ergebenster Owen Markham, Advokat." Ioan stand einen Moment starr vor Erstaunen, sie traute ihren Augen nicht bei dem, was sie gelesen — im nächsten Moment aber zuckte es hell, licht, beseligend, wie ein flammender Sonnenstrahl, der plötzlich durch finsteres Gewölk bricht, in ibr auf — die bange, schwere Bürde, die sie gedrückt, siel von ihr und: „Gerettet! Gerettet!" tönte cS frcudcjanchzend in ibrem Herzen. Dieser Brief — kein Zweifel — er war das, worauf ihre Tante so lange gewartet, war die Hilfe, auf die sie gehofft, die ibncn um ibret-, Ioan'S Willen, zu Theil werde» sollte! „Gerettet! Gerettet!" rief sie aus, indem sie, den kleinen Hügel hinaufzeeilt, in das HauS zurückslog und, den Brief in der Hand hoch cmporhaltend, mit dem anderen Arm zärtlich die alte Dame bald umfassend, an dem Stuhl ihrer Tante vor dieser auf die Knie sank. „Was ist's, waS giebt'S Kind?" rief die Matrone erstaunt zurück. „Ein Brief? Ein Brief, Ioan? Gerettet sagst Tn ? Oh — ist cS endlich gekommen, auf das ich so lange vergeblich gehofft— ist e« dennoch gekommen, habe ich mich nicht getäuscht — sprich, sprich, was ist eS für ein Brief, waS bringt er uns?" „ES ist gekommen, eS ist da, auf WaS Du geharrt — Hilfe für un- Arme — wir sind gerettet!" „In fliegender Hast las sie ihrer Tante den Inhalt des Schreibens vor und beide Frauen sanken einander weinend in die Arme. Wer auch immer der unbekannte Wohltbäter scffi mochte, dem sie» gegenüber drohender höchster Noth, diese rettend« Wendung ihre- Geschickes verdankten Ioan vermochte natürlich keine Bcrmutbung darüber zu hegen, und auch ibre Tante konnte dem Verborzcnbleiben deS Urhebers gegenüber nur ahnen, nicht wissen, von welcher Seite die Hilfe kam und welche- auch immer das Gebeimniß der MrS. Brownell sein mochte: eS war erklärlich, daß beide Kranen keinen Augen blick daran zweiselten, daß Liese Hilfe die von MrS. Brownell so lange zagend, unsicher erwartete, erhoffte war, und kein Gedanke, daß r- sich damit irgendwie ander- verhalten könne, durchkreuzte störend oder Bedenken erregend ihr Glück. V. MrS. Fogg in AlderSway, wohin wir uns sür einen Augen blick zurückwendcn, war eine saubere, tüchtige Wäscherin, besaß einen bescheidenen Kundenkreis in den umliegenden Landhäusern von AlderSway, sür welchen sic daS Waschen bei sich in ihrem Häuschen vornahm, und verdiente mit ibrem Mann, der als Zimmermann für seine Arbeiten gleichfalls nickt sehr gut bezahlt wurde, gerade Geld genug, um sich und ihre Familie, die außer ihnen Beiden noch aus ungefähr einem halben Dutzend junger Kinder bestand, nicht besser, als eben recht und schlecht durch die Welt zu bringen. MrS. Fogg'S lebender „Aeltester", Tom — ein balbeS Dutzend noch Aeltcre vor ibm waren todt — war MrS. Fogg'S »nd ibrcs Gatten Stolz. Böswillige Beurtheilcr wollten zwar behaupten, der kleine Tommy babe nur seinen kalben Verstand und sei zur anderen Hälfte blödsinnig, und Tommy'S seltsame Manieren, sein verstocktes Schweigen, daS oft einen ganzen Tag über kein Wort über seine Lippen kommen ließ, sein leeres, blödes Dreinschauen, daS gelegentlich wieder dem Ausdruck einer versteckten, stummen Schlaubcit Wich und sein wirre« Umherschwcifen. das ihn zum Schrecken der Eltern mehrfach schon selbst Nachts von Hause fern gehalten, woraus man ihn dann irgendwo im Freien aus dürrem Laub oder in einer Ackerfurche gebettet harmlos die Anstrengungen seines nächtlickcn Spazierganges ausschlafend fand, — schien für einen oberflächlichen Beobachter diese Ansickt einigermaßen zu bestätigen; allein MrS. und Mr. Fogg wußten daS besser. Sie waren davon überzeugt» daß hinter ibrem Sohn Tommy etwas ganz Besonderes stecke, und daß dessen Fähig keiten. die bisher nur von ihnen gekannt oder wenigstens ge ahnt waren, sickcrlich ganz AlderSway und Umgegend in Er staunen setzen wurden, wenn sie nur erst mit dem Hcran- wachscn de« vorläufig noch zu jungen Wunderkindes sür Aller Augen sichtbar hervortreten. An einem Vormittage etwa drei Wochen nach der Er mordung des alten Mr. Tbrale und eiuige Tage nach dem aus WmnatS von un« Erzählten stand Mr». Fogg mit dem Legen frischer Wäsche beschäftigt an einem großen Tisch aus dem Hofe ihres HäuSckenS, und neben ihr saß Tcmmn auf einem kleinen Stubl an einem Apfel kauend. Ein leichter Fußtritt auf den Fliesen de« Hose« ließ Mr». Fogg ausblicke» und ste sah Miß Annette Newbott, die Tochter de« Doctor«, auf sick zuschreitcn, die von der guten Frau mit einem be willkommnenden Lackeln begrüßt wurde. ?fiineltc Newbott, ein aninulhigeS, liebliches, junges Mädchen von etwa zweiundzwanzig Jahren, deren gewinnende Züge lebhaft zu Herzen sprachen, um so mehr, als ein leiser Ausdruck stillen, verborgenen KuiiinierS auf dem hübschen jungen Antlitz lag, reichte der wackeren Frau Fogg sreundlick die Hand zum Gruß, nickte Tommy zu, dcr ihr mit einem stummen Blick antwortete, und folgte dcr Einladung MrS. Fogg'S, i»it ihr inS HauS zu trete», wo sie mit der biederen Frau auf zwei schnell bcrbeigerückte» Stühlen iu dem kleinen Hausflur gegen über der Tbür Platz nabm. Annette kam in wirtbsckastlicken Angelegenheiten, da MrS. FoHg auch sür das HauS Rcwbott wusch, allein daS junge Mädchen war viel zu gütig gesinnt gegen die kleine» Leute dcö Dorfe-, deren allgemeiner Liebling sic war, um ihrer niittheilsamen, freundlichen Wirlhin nicht ein paar Augen blicke deS Plaudern» zu widmen. „Bebaltcii Sic doch noch eine Minute Platz, meine liebe Miß, und ruben Sie aus", sagte MrS. Fogg. „Sic werden von Ihre,» Spaziergänge müde sein. Ich bin auch müde!" „Sie Acrnistc inübcn sich auch gar rastlos ab", versetzte Annette tbcllncbniend. „Immer thätig, immer geschäftig. Haben Sie Waschtag beute'?" „Ack, wenn man nur inliner zu waschen hätte — mit dem Tbätigscin ist'S ja daS Wenigste!" meinte MrS. Fogg, die Hände seufzend im Sckcos; zusaiiiinenschlagend. „Aber das Geschäft geht ja schleckt, so schleckt, meine liebe Miß! Ich glaube, eS wird immer weniger Wäsckc in dcr Welt!" „Ick Lackte, Sie hätten vollauf zu lbiin, MrS. Fogg?" „Nein dock, »ei», meine liebe Miß! Ta babe ick nun wieder einen K»»Lc» verloren — und 'S war nicin bester Kunde, jage ich Ihnen, Miß! Dcr alte Mr. Thrale, Gott Hab' ihn selig. Seit er todt ist, babe ick nur halb soviel zu waschen al» vorder. Es war ein sonderbarer Mann, er batte seine Wunderlichkeiten, seine großen Wunderlickkcite», und 'S war nicht leicht, mit ihm fertig zu werden — aber waS die Wäsche betraf, da war er gut — er dielt 'waS daraus und ver brauchte viel und bezahlte pünctlich »nt einen Preis, sür den man'S machen konnte. Ack. liebe Miß. solch einen guten Kunden bekomme ich nicht wieder!" „Ich wusch sür ibi, und seinen ganzen Hausstand. Jetzt ist er todt, und der Hausstand ist fort — ach du meine Zeit» mir kommen immer die Thränen in die Auacn wenn ick
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