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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.08.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940814028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894081402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894081402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-14
- Monat1894-08
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Tabellarischer und Zissernjatz nach höherem Tarös. Srtra-Veilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Pr-stbesörderung 60.—, mit Postbesörderur g ^4 70.—. Iiunatfmeschluß für ^nzrigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh ",S Uhr. Bet den Filialen und Annabn.«stellen je ein» halbe Stund« früh«. >«ietgen sind stet« an die Hrpedttia« zu richten. Druck und Verlag von E. Pi'lz in Leipzig ^-413. Dienstag den 14. August 1894. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. August. Die zu dem eisernen Bestände des Cent rumS gehörenden -lagen über den Mangel an Parität, namentlich i» der Be setzung der Verwaltungsstellen, findet in der letzten SonntazS- nummer der „Germania" eine Beleuchtung, die interessant genug ist, um allgemeine Beachtung zu finden. Die „Germania" macht nämlich die Berliner Katholiken daraus aufmerksam, daß Berlin allein nach einer jüngst erschienenen Statistik über den Besuch der deutschen Universitäten 1l,7 Procent der auS Preußen stammenden Studenten dieser Universitäten stellt, daß aber die Berliner Katholiken darunter außerordentlich schwach vertreten sind. Jene Statistik gebe allerdings darüber keinen zahlenmäßigen Ausschluß, aber die geringe Zahl der katholischen Schüler auf den Berliner Gymnasien laste darüber keinen Zweifel, daß die Berliner Katholiken die ihnen durch die günstigen Verhältnisse der ReichShauptstadt so außerordentlich erleichterte Gelegenheit, ihre Söhne studircn zu lassen und dadurch den Ausfall an katholischen Studenten, der im ganzen Lande durch die besonderen Verhält nisse hcrbeigesührt werde, einigermaßen wieder gut zu machen, nur in sehr geringem Umfange benutzen. In den ParitätSvcrhandlungen des Abgeordnetenhauses habe man den CentrumSredncrn immer vorgehalten, daß die Katholiken nicht Kräfte genug stellten, um die Acmter zu besetzen. Dieser Einwand muffe unmöglich gemacht werden, und in erster Linie sei cs die Ausgabe der Berliner Katho liken, eine größere Zahl ihrer Söhne für das Studium auf der Universität oder der technischen Hochschule zu bestimmen. Als besonderes Lockmittel wird ihnen die Errichtung eines katholischen Gymnasiums in Berlin in Aussicht gestellt, dessen Vorbedingung aber der Nachweis des Bedürfnisses durch ein höhere Zahl katholischer Schüler sei. Das EentrumSblatt redet bei dieser Gelegenheit seinen Lesern überhaupt ins Gewissen wegen des geringeren Bildungs bedürfnisse«, das sich bei ihnen im Vergleich zu Protestanten und Juden zeige und das auch in dem schwachen Besuche der höheren Bürgerschulen und Handelsschulen zu Tage trete. Jeder Unbefangene wird aus dem Artikel den Eindruck gewinnen, daß die „Germania" sich der Einsicht nicht verschließt, was es in Wahrheit mit der angeblichen Imparität, soweit dieselbe sich aus einer mechanischen Zablcnvergleichung herauSrechncn läßt, aus sich hat. Ihre Darlegungen sind einZu- aeständniß, daß der „Einwand", von den Katholiken würden im Verhältniß zu ihrer Gesammtzahl vcrhältnißmäßig zu wenig Kräfte gestellt, durchaus berechtigt ist. Würde der Rath, den sic hier zunächst den Berliner Katholiken ertheilt, befolgt, so würde der Anlaß zu allen JmparitätSklagcn Wohl bald ge schwunden sein. Wir bezweifeln jedoch, daß der Rath ans fruchtbaren Boden fällt, denn die regere oder geringere Be iheiligung der Confessionen an bestimmten BerufSarten ent stammt inneren Gründen, die sich durch Zeitungsartikel nicht so leicht beseitigen lassen. Uebrigen« erschweren die Klerikalen selbst das Studium ihrer Glaubensgenossen, indem sie der freien Forschung Schwierigkeiten in den Weg legen. In Paris soll vom 3. bis 6. Oktober der zweite inter nationale (socialdemokratische) Msrnbahnarbctter-Congretz abgehalten werden, der eine ganz besondere Beachtung ver dient. Schon längst hat die Socialdemokratie danach ge trachtet, die Eisenbahnarbeiter für das sozialdemokratische Evangelium zu gewinnen. „Haben wir die Eisenbahnarbciter", so erklärte jüngst ein socialdemokratischer Redner, „so ist, wie der ArbeiterauSstand in Chicago gezeigt hat, unsere Sache um 100 Procent gefördert; denn dann könnte cS doch mit der Heransckaffung von Truppen etwa- hapern." Es ist, wie gesagt, der zweite Eiscnbahn- arbeitercongrcß, der in Paris abgehalten werden soll; der erste tagte in Italien (irren wir nicht, in Mailand). Deutsch land war auf diesem Congressc nicht vertreten, und die social- demokratische Presse erging sich in scharfen Angriffen gegen den Minister Thielen, weil er keine „freiheitlichen" Gedanken unter den Eisenbahnarbeitern aufkommen lassen wolle. In Paris soll nun, so wollen eS die Hauptagitatoren haben, auch Deutschland vertreten sein. Daß noch im Dienst befindliche Eisenbahnarbeitcr sich bei dem Bürger E- Guerard anmclden werden, dars jedoch als ausgeschlossen gellen, ob gleich die Tagesordnung, die in Paris beralhen werden soll, sehr reichhaltig ist. Tie Mehrzahl der Anträge geht von den „Genossen" in der Schweiz auS; sie verlangen einen Achtstundentag, einen wöchentlichen Ruhetag, einen Minimal lohn und wollen auch den Güterdienst an Sonntagen abgeschafft wissen; die Holländer wolle» einen internationalen Fonds schaffe», der vielleicht bei Streiks gebrauch! werten könnte. Ein internationales socialdemokratischcS Eisenbabn- Secretariat cxistirt bereits in Holland; auch socialdcmokratische Eisenbahn-Arbeiterorganisationen bestehen in der Schweiz, in Italien und Frankreich. Bleiben nun auch in Paris die im Dienst befindlichen deutschen Eisenbahnarbeiter unver- treten, so verdient der Conzreß doch auch in Deutschland Beachtung; schon der Versuch der Socialdrinokratie, die Eisen- bahnarbciter zu gewinnen, um eventuell bei Streiks auf sic zählen zu können, verleiht dem Congresse ein erhöhtes Interesse. Ein in politischer Beziehung interessantes Schauspiel bietet heute Vclgten dar. ES ist das erste Mal, daß die arbeitenden Classen an den Kammcrwahlen theil- nehmen. Während bisher die arbeitende Bevölkerung als politische Null keiner Beachtung gewürdigt wurde, ist jetzt ein wahrer Wettlaus aller Parteien im Gange, um sich das Bündnis; und die Stimmen der Arbeiter zu sichern. Die Klerikalen und christlichen Demokraten suchen die katholisch gesinnten Arbeiter und die Bauer», die gemäßigt Liberalen die liberalen Arbeiter und die Fortschrittler und Radikalen die socialistischen Arbeiter an sich zu ziehen. Dieser Wettbewerb macht die Arbeiterpartei über alle Maßen anspruchsvoll. Die Arbeiterpartei fordert als Preis für ein Wahlbündniß eine große Anzahl Deputirtcn- sitze, und so schweben heute in allen Wahlbezirken Ver handlungen zwischen den Parteien, deren Ergebniß für jetzt nicht abzuschen ist. Inzwischen hat die Arbeiter partei beschlossen, unbekümmert um den Wahlcrfolg in allen Wahlkreisen Candidatcn aufzustelle» und den Wahlkampf auszunehmen. In den Hauptwahlkreisen stellt die Partei neben den Arbeiter - Candidatcn »och drei nationale Candidatcn aus, und zwar den Gentcr Socialistcn Anseele, den Lütticher Socialistcn Demblon und den auö Belgien nach Frankreich geflohenen Verfasser deS berüchtigten ArbciterkatcchiSmuS, Dcfuiffcaux, welcher sich langjähriger Gefangenschaft entzogen hat. ES stehen also sehr erbitterte Wahlkämpfe bevor, zumal da in allen Städten die bekanntesten belgischen Socialistcusübrer sich selbst als Candidatcn aufstcllen lassen. Die Versuche, Liberale, Fort schrittler und Socialistcn zum Kampfe gegen die Klerikalen zusammenzuschließen, sind gescheitert. Dadurch hat vorweg die meist gut diSciplinirte klerikale Partei, die wie immer für den Schutz der Religion, der Familie, des EigenthumS und der „Freiheit" eintritt, günstigere Wahlaussichten als ihre vereinzelt kämpfenden Gegner. Waö aber für alle Parteien das Schlimmste ist, das ist die Forderung jeder Richtung, durch besondere Depu- tirte vertreten zu sein, eine beklagcnswerthe Erscheinung, die "ich übrigen« nicht bloS in Belgien bemerkbar macht. So ordern die Politiker, die Freihändler und Schutzzöllner, Arbeiter und Bauern, Vlamländer, Industrielle und Laudwirtbc eine mehr oder »linder große Anzabl Sitze, so daß ein nicht geringer Wirrwarr hcrrsckit. Bei dieser ganzen Wablcampagnc steht aber eins fest: Niemand hat auch nur eine Ahnung, was auS den Wablen hervorgebe» wird und wie die breiten Volks schichten ihr Stimmrecht auSübcn werde». Daß das neue dänische Ministerium einen durchaus conservaliven Charakter trägt, und seine drei neuen Mit glieder der Neckten angehörcn, baben wir sckon bervor- gchobcn Man kann noch binzufügen, daß cs nicht bloö ein conservativeS, sondern speciell ein Estrup'scheS Cabinct sei. Estrup ist zurückzelrcten, sein Geist geblieben; denn daü neue Ministerium erhält seinen Stempel nicht durch den Conseils-Präsidenten, sondern durch den bisherigen Justizministcr Nelle mann, der auch ferner sein Amt behält. Nellemann war die wichtigste Stütze Estrup'S im Ministerium; er ist eS, der die provisorischen Gesetze unterzeichnet und überhaupt die juridische Grundlage für die Estrup'sche Poltilik geliefert hat. Estrup hat nichts vorgenommen, ohne sich erst mit Nellemann zu dcratbcn. Da von der gemäßigten Linken auch nicht ein Mann eines Portefeuilles gewürdigt worden ist, kann cS keinem Zweifel unterliegen, daß ein neuer Curs nicht cingeschlagen werden wird. Die Blätter der Linken sind über diesen Dank für geleistete Dienste ganz verblüfft, und erst der „Danncbrog" des HLchstengerichtS-Affessorö Albcrti hat das Wort wiedcr- gefunden. Er schreibt: „Sicher ist, daß nicht ein einziger von den 25 Reichstagsabgeordne- ten, durch die der Vergleich zu Stande kam, sich zu diesem Vergleich derbeigelassen hätte, wenn sie geahnt hätten, das; die Minislcrlistc so ausfallen würde, wie sie sich jetzt entpuppt hat. Denn was ist wohl anders geschehen, als daß das Ganze beim Alten geblieben ist? Einige Namen haben gewechselt, andere und das System sind »n- verändert." Umdie getäuschten Mitglieder der moderaten Linken zu trösten, wird ihnen von ministerieller Seite mitgcthcilt, daß das neue Cabinet nur als ein „Geschäftsministerium" betrachtet werden müsse, und daß eS — vielleicht sehr bald — durch ein Ministerium, worin die Männer der gemäßigten Linken Platz finden sollen, abgelöst werde» dürfte. Wenn die Mitglieder der moderaten Linken nicht schon jetzt Plätze im Ministerium erhalten haben, so müsse der Grund dann gesucht werden, daß man sie nicht der Beschuldigung auSsetzcn wollte, sie hätten den Vergleich nur berbeigefubrt, um Minister- Posten zu erlangen. Das sind natürlich leere Worte. Wie das Volk über den Handel denkt, wird sich bei den nächsten Wahlen zeigen, bei denen die Agrarier, die sich durch die Ernennung deS ihren Tendenzen nicht geneigten Kammer- Herrn Lüttichau zum Finanzminister enttäuscht sebcn, eine beachtcnSwerthe Rolle spielen dürste». So stößt ein in AarhuS erscheinendes Blatt in die KriegStrompete und fordert die Agrarier auf, bei den Landthingswahlen zum ersten Male ihre volle Kraft zu entwickeln, damit das Ministerium erfahre, daß man sich nicht mit einem Pcrsonalwechsel genügen lassen wolle, sondern mit Nachdruck einen Systemwechsel fordere. Während noch vor Kurzem die russische Presse von einer Betbeiligung Rußlands an der Afrikapolitik der europäischen Großmächte absolut nichts wissen und die Thätigkeit der russischen Diplomatie lediglich »ach Osten ge richtet sehen wollte, da man ja in Afrika völlig unbctheiligt sei und ruhig zusehen könnte, wie man sich dort Uber allerlei „Fragen" in die Haare gerathe, kann man jetzt in ofsiciösen russischen Blättern das gerade Gegentheil lesen. So schreibt die gelegentlich ossiciöse „Nowoje Wrcmja": Die sieberhaste Thrilnahine an den colonialen Fragen beweise deutlich EliropasJiitercsse an ihnen. Diese neue Richtung der europäischen Politik dürse von Rußland nicht unberücksichtigt gelassen Werder, und lege ihm die Pflicht aus, nicht länger passiv de» Vorgängen in Afrika zuzusehcn. I»i Hinblick daraus, daß Rußland dort keine ökonomischen Interessen ivabrzniiehnie» habe, müsse seine Taktik eine etwas andere sein. „Die Nothwendigkeit unserer Betbeiligung an dem politischen Leben Afrikas entspringt ethischen(?> Gründen. Die Abessinier, welche mit uns eines Glauben« sind und die als Bollwerk vor dem Herzen Afrikas stehen, geben uns einen Trumps in die Hand, den jede westeuropäische Macht theuer bezahlen würde. Tie abessinische Frage ist für uns die Frag« über die Betheiligung an der internationalen afrikanischen Politik; man kann sie beliebig als ganz unbedeutend hinslellen oder ihr den Stempel größter Be- deutung ausdrücken." Man dürse nicht übersehen, führt das russische Organ an» Schlüsse aus, daß im Laufe der letzten Jahre sich das Feld wesenllich verschoben habe, auf welchem die russische Diplomatie ihre Interessen europäischen Rivalen gegenüber verfolgen müsse. Indien verliere allmälig an Bedeutung für England, und indem elfteres mehr und mehr selbstständig werde, müsse sich England vom Hinialaya »ach Afrika wcnden. Nu» sei es die Ausgabe Rußlands, seine Politik der englischen anzupasseil und, so schließt die „Now. Wr.", je mehr wir versäumen, um so mehr werden wir später zu bedauern haben. Offenbar sind diese Ausführungen durch die jüngste Er oberung KassalaS durch italienische Colonialtruppen, die zweifellos im Einvernehmen mit England erfolgte, sowie durch die Befürchtung eines gcincinsanicn Vorgehens Italiens, Englands und Egyptens in Asrika veranlaßt. Wie man weiß, hat die Besitzergreifung Kassalas auch in Frankreich sehr verstiinint, und so wäre ja die beste Gelegenheit, die etwas erkaltete» Beziehungen zwischen Paris und Petersburg wieder aufzuwärinen. Tie neuerlichen marokkanischc» llnrubcn beziehen sich, wie telegraphisch gemeldet, nur auf Widersetzlichkeiten eines Stammes oder niedrerer Stämme gegen den jetzigen Sultan, sind also nickt von internationalem Belang. Wenn sich das Aclionöbedürsniß der unrnbigen Kabylenstämme in einem Aufstand gegen den jetzigen Herrscher Luft macht statt gegen die Europäer, so könnte das vom GesicklS- puncte der allgemeinen Politik als ein Vortbcil be grüßt werten, insofern Marokko auf absehbare Zeit mit sich selbst genug zu tbun hätte und als Quelle poli tischer Störungen für Europa vorerst nicht weiter in Be tracht käme. Voraussetzung wäre dabei sreilich, daß auch keine europäische Macht die inneren Wirren Marokkos benutze, um im Trüben zu fischen, wie jetzt England Miene macht, wenn eS sich bestätigen sollte, daß Bestrebungen ini Gange sind, den sehr znrückgcgangencn englischen Einfluß am Hose von Fez wieder >n die Höhe zu bringen. Das wäre natürlich für Frankreich ein Signal, auch seinerseits actio zu werden, »nd man könnte sich dann auf einen lebhaften Wettkampf zwischen den in Marokko rivalisircndcn englischen und fran zösischen Interessen gefaßt halten. Deutsches Reich. t>«. Berlin, 13. August. Die „Nordd. Allg. Ztg." bringt jetzt den angekündigtcn vierten Artikel über das Ossiciösentbl»». Wir können seine Würdigung getrost dem „Klavderadatsch" überlaffen, der de» Befähigungsnachweis für diese Function bereits erbracht hat. Die Behauptung, die früheren Aus lassungen deS Regierungsblattes seien nicht inspirict gewesen und hätten ihre Spitze nicht gegen l>>. Miguel gerichtet, wird durch Wiederholungen nicht glaubwürdiger. Die For m freilich, in die die „N. A. Z." ihre Angriffe gekleidet halte, war geistiges Eigcnthum ihrer Redaction. Feuilleton. ui Sein Weib. Roman frei nach dem Englischen von Emil Bern selb. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Mißstimmung! Nichtsympathisiren!" unterbrach ihn Thrale hastig, als wolle er ihm das Aussprechen deS Zweifels abschneiden. „Du findest milde Worte für das, was Du gesehen und gehört, so lange Du mich kanntest. Erinnerst Du Dich, daß je, seit Du als mein Freund mit mir verkehrst, etwas Anderes als Bitterkeit, Entfremdung, Streit zwischen chm und mir geherrscht?" „In der Thal, eS schien immer etwas zwischen Euch zu liegen — was war es?" „Da» ganze Leben meines VaterS, sein verschlossenes, ab stoßende» Wesen, sein gehcimnißvolleS Treiben — ein Räthsel für mich selbst, das ich nie zu durckdringen versuchen durfte, und mit dem umpanzcrt er für alle Liebe, für jedes Zeichen der Zuneigung von mir wie von meiner unglücklichen Mutter, die in seiner Herzlosigkeit und Kälte dahinsiechte, undurch dringlich war. Ich glaube, daß ich in meiner Kindheit ein warmes Herz hatte; ich hatte cS für meine Mutter, die mir das ihrige cntgcgcnbrachte, und ich weiß, daß ich auch seine Liebe suchte — er schob mich glcickgiltig bei Seite oder stieß mich mürrisch, kalt zurück. Er blickte mit Verachtung auf meinen Enthusiasmus für da» Lernen und die Wissen schaften, da ich Jüngling geworden, und hemmte mich in meinem Streben für sie durch Spott und Hohn und selbst Geldentziehungen, so weit er cs irgend vermochte, oder doch rücksichtslos in Epochen, wo seine Laune ibm dies just gut hieß. Trotz seine- Reichthums oft von knauserigem Geiz — ich möchte fast sagen: zeitweise, und wenn man cS am wenigsten von ihm erwartete — versagte er mir zuweilen La- Nothwcndigstc, dessen ich bedurfte, unter der Erklärung, Laß er nickt- besitze, und gab mich dem Mangel prei«, der Nothwendigkeit, meine wichtigsten Studien zu unterbrechen — um wieder zu anderen Zeiten fast verschwenderisch zu sein und mich unter dem selbstgefälligen Hinweis auf seinen Reich» thum mit stolz hingeworfenen Geldsummen zu versehen, die mich auf lange Zeit hin deckten Vergeblich bemühte ich mich, «m von diesem Regiment der Laune, der Ungewißheit und gewissermaßen deS Zufall- bereit zu sein, ein bestimmtes Jahreseinkommen von ihm auSgesetzt zu erhalten. Er weigerte sich, mürrisch, hart, andauernd, wie ein Geizhals, der sich nickt vom Gelde zu trennen vermag, oder ein Tyrann, der seine Macht der Willkür nicht auS den Händen geben will. Selbst das Vermögen meiner Mutter, aus das ich nach deren Tode Anspruch hatte, weigerte er sich trotz meines An- dringenS mir herauszuzahlen — ich hätte, um es zu erlangen, das Scandalosum eines ProcesscS gegen meinen Vater auf mich laden müssen!" „Schlimm, schlimm!" nieinte Markham kopfschüttelnd. „Indessen Euer Einvernehmen schien in letzter Zeit ein besseres geworden zu sein?" „Es war so, oder cS schien doch so, weil wir in den letzten Jahren weniger mit einander in Berührung kamen — weil ich mich fern hielt und meine Bemühungen, aus ihn einzuwirkc», fallen gelassen hatte. Ick midmete mich nämlich dem Studium eines wissenschaftlichen Specialgebietes, daS mich im höchsten Grade fesselte und meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm: der vergleichenden Anatomie. Er glaubte, daß meine Studien lediglich den Zweck hätten, mir die Ausbildung zum Arzt zu erwerben, und ich ließ ihn in seiner Täuschung. Es hätte nichts genützt, ihm dieselbe zu nehmen. Er hätte mich nicht verstanden; er blickte mit Hohn und Spott aus jeden Enthusiasmus für die rein forschende Wissenschaft, Len er für Phantasterei und elenden Firlefanz erklärte; er haßte, was nicht dem rein praktischen Zweck deS GeldvcrdienenS fröhnte, und besaß zu wenig Neigung für mich, um meinen Wünschen neben den sciniaen einen Platz cinräumen zn wollen, so sebr mich auch daS Vermögen. daS ich zu fordern, und dasjenige, daS ich einst als mein Erbtheil von ihn, zu erwarten batte, in den Stand setzte, diesen meinen Wünschen zu folgen. So ließ ich ihn um des Friedens, der Ruhe willen in seinem Glauben und schwieg, wie ich um LeS Friedens, deS Namens unsere- Hauses willen nicht die AuSzablung meines mütterlichen Ver mögens erstritt, sondern mich der barten Abhängigkeit von ibm noch ferner fügte. Ich stritt nicht mit ihm über meine wissenschaftlichen Bestrebungen, aber ich that auch nichts, um ihn über dieselben zu enttäuschen, und ging meinen eigenen Weg." „Du hast es schlecht getroffen, eS ist wahr!" bemerkte Markham theilnchmend. „Aber tröste Dich, Du bist nun frei!" „Ick habe mich so lange gefügt, so lange geschwiegen", fuhr Thrale mit einem Anfluge de« sich in ihm neu aus- bäumendea Trotze« sort, „bi« der Moment kam, nun auch einmal um meinetwillen zu handeln. Es war mein Plan, mich der Forschungsreise der „Gloriana" anzuschließen, mich an dem Zustandekommen derselben, die aus privaten Mitteln unternommen wurde, zu betheiligcn. Ich brauchte Geld, eine größere Summe. DaS Vermögen meiner Mutter, nur ein bescheidener Tbeil desselben, würde hingercicht haben, meine Pläne auszuführen. Ich ersuchte meinen Vater daruni, ich bat, wo ich hätte fordern können — er schlug cS ab, rauh, hart, entrüstet über mein Ansinnen. Ich legte ihm mein Recht dar; ich legte ihm dar, wie daS Geld reichen Ersatz versprach; die Gegenden, welche durchforscht, in Besitz genommen werden sollten, waren reich an handelSwcrthen Schätzen, die nur erschlossen zu werden brauchten — eS war vergeblich! Wir wurden Beide heftig — ah, brechen wir ab!" FalconerS Antlitz war bleich geworden; er starrte düster vor sich hin, indem er sich unterbrach. Langsam zog^cr sein Taschentuch und führte cS an seine Stirn, um einige «Schweiß tropfen hinwegzulrocknen, die aus ihr standen. Markham, der sich ihm gegenüber aus einen Stuhl niedergelassen, hatte ihm bewegt, theilnahmSvoll zugehört. TheilnahmSvoll blickte er auch jetzt auf ihn, da Falconer schwieg; wußte er doch nur zu wohl, daß diese stürmische Unterredung, von der sein Freund sprach, an jenem letzten Abende, wenige Stunden vor dem blutigen Ende seines VaterS, stattgefunden, und begriff, wie sehr Len Freund die Erinnerung daran erschüttern mußte. Aber er konnte da« Thema nicht fallen lassen, ohne eine Bemerkung zu machen, zu der eS ihn drängte. „Dennoch erklärt dies alle« nichts, Thrale!" versetzte er gedankenvoll. „Jene Unterredung mit Deinem Vater fand am Abende seines Tode- statt — er mußte zu dieser Zeit jene Clausel längst gemacht haben. Sie konnte nicht Folge Eure- letzten Streites sein —" Falconer sprang von seinem Stuhl aus und wendete sich ab. frechen wir ab, Markham!" wiederholte er erregt. „Ich mag nicht dabei verweilen!" Markham gehorchte. Er schwieg einige Augenblicke, dann sagte er tröstend: „Du mußt das Beste aus der Sache machen, Thrale, 'S ist nun einmal nicht ander«. Die Expedition der „Gloriana" ist aufgeschoben worden, Du kannst Dich jetzt noch an ihr betheiligen." „Es ist meine Absicht", entgegnete Falconer düster, aber wieder in seinem ruhigen, kalten Ton. „Der Ehrgeiz meines Leben« ist seiner Erfüllung nahe, ich brauche nur die Hand au«zustrecken, um meinen heißesten Wunsch, den ich gehegt, zur Au«sühru»g zu bringen. Ich werde es thun", fuhr er trotzig fort, „und wäre cS nur, um von mir selbst zu be kunden, daß ich mein Ziel erreicht. Ich bin reich und bin frei — und ick wollte Beides sein! Ich habe mir mein Recht, meinen Besitz nicht rauben lassen und werde von ihnen Gebrauch machen." „Und — und Du hast keine Ahnung, was Deinen Vater bestimmen konnte, Dick in ihnen just so seltsam beschränken zu wollen?" wagte Markham noch einmal zu fragen. „Was ihn bestimmen konnte, just den Weg dieser wunderbaren TestamentSclausel zu wählen?" „Ich habe keine andere Erklärung dafür als seinen Haß", entgegnete Falconer kalt. „Seinen Haß, der im Verein mit seinem sonderbaren Wesen auf diesen Weg verfiel, um mich auf um so gesuchtere Weise zu treffen. Es giebt keine andere Erklärung für mich. Ich fand kein Wort, keine Andeutung der Lösung des Geheimnisses in dem Briese — er stellte mich vor ein Räthsel. Scruc Feindseligkeit gegen mich muß größer gewesen sein, als ich eS ahnte; ich wußte nicht, daß sein Haß ein so tiefer war. wie er ihn mir hier bekundet. Aber —" und wieder flammte eS in Falconer'S schönem, bleichem Gefickte vor Zorn und trotzigem Stolze auf: „ich habe mich meiner Haut gewehrt, Freund — ich habe mich nicht niedrrtretcn lassen!" Markham schauderte eS und bedauernd wiegte er den Kopf. Falconer war einen Schritt zu dem Fenster bin- gctreten und starrte, die Arme aus der Brust verschränkt, durch die Scheiben in den weiße» Nebelschleier binauS. Als Markham auf die schlanke, hochausgericktetc Gestalt de- Freundes blickte, auf den stolz in den Nacken zurückgcworfcnen Kops, sein schöne-, bleiches, zum Herzen sprechendes ManneS- gesicht, die offenen, kühn flammenden Augen, die festen, ruhigen, edlen Züge — empfand er Theilnahme mit Be wunderung gemischt. WaS immer er ibm auch verbergen mochte: Schlechtes konnte dieser Mann sich nicht vorzu- werfcn haben — einer niederen That war Falconer Thrale unfähig! DaS Herrenhaus von Old Hall stand seit dem Tode seines alten Besitzer- leer, der Obhut MrS. Clarke'S und eine- neu eingesetzten Hausmeisters James Simpson über lassen, der von Mr. Everett engagirt worden war. Von den Dienern reS Hauses waren außer MrS. Clarke nur Watson, der Gärtner, und der getreue Sam Brown geblieben, welcher letztere sich noch immer mit Sclbstbewußtsein al« Kutscher und Stallverwalter der Besitzung bezeichnet», aber
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