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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.08.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940823027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894082302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894082302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-23
- Monat1894-08
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Vez«s-.PreiD i» b« tzaupterpeditton od« de» tm Stad», bqtrk «d d» Vorort« errichtet»» A»«- -adrstrllen abgeholt: vierteljährlich ^4.SL bei zwetmaliaer täglicher Znstrllnng in« Haut ^4 bckä D«rch die Posl bezöge» für Densschlnnd lllld Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direct« tägliche Krenzbandlendung in» All-lalld: monatlich 7.öO. DieMorgen-Ausgab« erscheint täglich'/«? llyr, di« Abend-Ausgabe Wochentags 6 Uhr. Lrdartioa und Lruedittoa: Johanne»«aste 8. Li« Expedition ist Wochentag« nnnnterbroche» -«öffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale«: Ott» Me««'» Lorti«. <Alfred Hahn). Universitätssttaße 1, Lont» Lisch«, tothorinenscr. 14, pari, und Kvnlgsplatz 7. Abend-Ausgabe. rimMr. TagMalt Anzeiger. LWN für Politik, Localgeschichte, Handels und Geschäftsverkehr. Donnerstag den 23. August 1894. Slnzetgen.PreiS die Sgespaltme P«tttze,le SO Psg. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4go» spalten) üO-^, vor den Familiennachnchte» (6 gespalten) 40-^. Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzejchnib- Tabellarischer und Ziffern!»» uach höherem Laris. Srtra-Vrilagrn (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Poftbesörderuag 60.—, mit Pojrbrjorderung 70.—. Ännatsmelchluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morge n-Au-gabe: Rackmiitags 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,9 Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestellen ie eill« halbe Stunde früher. Aaietgeu sind stet« a» die Erpedttton zu richtea. Druck und Verlag von S. P olz in Leipzig 88. Jahrgang. vom ostafiatischen Kriegsschauplatz. -p Nach Shanghaier Meldungen der „Times" hätte», wie telegraphisch milgetheilt, die Chinesen am Freitag die Japaner bei Pinz-jang zurückgeworsen und ihnen ^große Verluste beiaebracht, ebenso Hallen sie die Japaner am Sonn abend aus Chungo vertrieben, wobei die letzteren wieder eine große Anzahl Gefangener, Todter und Verwundeter zurück- ließen. ES bleibt abzuwarten, ob sich diese Nachricht be stätigt; nach den biSherigenErsahrungen »inß man allen Sieges nachrichten, auS welcher Quelle sie auch stammen, daS größte Miß trauen entgcgcnbringen. Wahrscheinlich hat eS sich bei Ping-jang und Chungo nur uni Rencontres mit vorgeschobenen kleinen RecognoScirungSvctachemcntS der Japaner gehandelt, denn cS ist kaum anzunebmcn, daß der bei Socul das Eommando füh rende tüchtige General Oshina, der dort zu einem Ent- scheidungSkampfc rüstet, seine 36 000 Mann durch starke Ent sendungen nach dem Norden geschwächt haben sollte. Sicher dagegen ist die Meldung, daß der König von Korea sich von China unabhängig erklärt hat und mir Japan gemeinschaft liche Sache macht. Die koreanischen Truppen fallen ja kaum in die Waagschale, Wohl aber der Umstand, daß China nun mehr in einem feindlichen Lande kämpft und deshalb mit seinen Operationen auf weit größere Schwierigkeiten stoßen muß, als wenn cS in der Bevölkerung Bundes genossen oder doch neutrale Zuschauer gefunden Kälte. Auch ist es ein empfindlicher Schlag für daS Prestige Chinas, daß Korea durch seine Stellungnahme zu erkennen gegeben hat. von welcher Seile es den Sieg erwartet — Die letzthin seitens der englischen Regierung getroffenen Maßnahmen zur Bekräftigung der Neutralität Großbritanniens in den ostasiatischen Krieg-Händeln werden von der öffent lichen Meinung dcS Vereinigten Königreichs mit unzctheiltem Veisall begrüßt. Man hat i» England es noch nicht ver gessen, in welche Ungelrgcnheilcn die Regierung seiner Zeit dadurch verwickelt wurde, daß sic das Auslaufen dcS süd- staatlichen Kaper« „Alabama" aus seinen Gewässern duldete. Bekanntlich herrschte damals in den amerikanischen Nord staaten, deren Handel durch die „Alabama" in schwerster Weise geschädigt wurde, gegen England eine sehr hochgradige Erregtheit, die nur ganz allmäylich 'nachließ, obwohl der Schiedsspruch, der die ärgerliche Affaire schließlich aus der Welt schaffte, durchaus zu Gunsten der Amerikaner lautcle und Eng land inS Unrecht setzte. Wesentlich mil unter dem Eindruck der üblen mil der „Alabama"-Angclcgcnheit gemachten Erfahrungen wurde dann die sog. Foreign Enlistmeiit Acte geschaffen, welche untersagt, daß aus englischen Häfen Schisse auS- laufcn dürfen, von denen mit Fug und Recht vermuthct werden kann, daß sie in den Dienst eines kriegführenden Staates treten sollen. Daß damals, zur Zeit der Kaper- Ihätigkeit der „Alabama", in England thatsächlich kein Gesetz bestand, aus Grund dessen die Negierung da- Auslaufen eines sür fremde Kriegszwecke bestimmten Schiffes hätte bindern können, wurde vom Schiedsgerichte nicht als Grund zur Entlastung Englands von seiner Schade,icrsatz- pslichtigkeit angesehen. Man sagte vielmehr, daß cs eine Lässigkeit gewesen sei, nicht rechtzeitig sür Schaffung eines wirksamen gesetzlichen Schutzes der Neutralität zu sorgen, und daß die Lässigkeit nicht als Vorwand dienen dürfe, um sich den völkerrechtlichen Folgen der Unterlassungs sünde zu entziehen. Nachdem China und Japan nun völker rechtlich auf gleichem Fuße mit den Staaten der westlichen Civilisation behandelt werden, würde England den etwaigen SchadenSersatzsorderungen nicht auSweichen können, wenn es entgegen den Bestimmungen der Foreign Enlistnient Acte duldete, daß auS seinen Häsen Schiffe auSliesen, welche nachher die Flagge eines der kriegführenden Tbcilc hißten. Und diese Schadenersatzansprüche dürften unter Umständen eine enorme 1»I Feirilletsir. Sein Weib. Roman frei nach dem Englischen von Emil Bernseid. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Dem gegenüber trat Alle-, waS an Kränkung sür sie selbst in den Worten dcS Truiikcnc» lag, in den Hintergrund und sie beachtete es nickt. Unter der gewaltsamsten An strengung, ihre äußere Ruhe aufrecht zu erhalten, um vielleicht Weiteres auS dem Geschwätz dcS so unüberlegt Polternden und Drohenden zu erfahren, wendete sie sich zu ihm. „Lassen Sie mich wissen, worin ich es vermeiden soll, Ihnen hinderlich zu sein, und ick werde es thun" sagte sie sckcinbar gelassen. „Ich will Ihren Wünschen nicht in den Weg treten, aber ich weiß nicht, wodurch die- geschehen könnte." Doctor Newbott hatte jedoch, obwohl er sich unter dem Einfluffe seines giftigen Rausches zu dem unvor sichtigen Auftreten ihr gegenüber batte hinreißcn lassen, »och nicht alle Ueberlegung verloren und erkannte, daß er nicht weiter geben dürfe. Er wendete sich bald ab und sah aus den Boden nieder, seine Augen mit unsicherem, finsterem Blick u»iherrollen lassend. Eine dunkle Ahnung, daß er einen unklugen Schritt gethan und, schlimmer noch, daß er sich eine Blöße gegeben, ries als Reaction eine momentane Ernüchterung in ihm hervor und bewog ihn, die heikle Situation kurz abzubrechen, um sich der Gefahr einer weiteren Unüberlegtheit, in die ihn sein dermaliger Zustand Versetzen könne, zu entziehen. „Schon gut!" brummte er mürrisch, ohne daS junge Mädchen anzusihen. „Geben Sie nach Hause, wir besprechen die Sache ein anderes Mal. Und schweigen Sie über da-, WaS Sie gehört. Schweigen Sie, oder Sie möchten Unheil damit herausbcschwören! Unheil über sich und Andere!" Er wendete sich ab, stieg aus sein Pferd und trabte finster, ohne Gruß von dannen. Jane, dankbar, von dem Unheim lichen befreit zu sein, wenn auch voll Sorgen, daß cS ihr nicht gelungen war, Weiteres zu entdecken, eilte hastigen Schrittes ihrem kleinen Heim zu. Die Unruhe, welche sie erfüllte, wurde noch an demselben läge bei hereinbrechender Lbendstuod« durch eine« Besuch Höhe erreichen, wenn ein mit allen Mitteln und Maschinen der modernen Kriegstechnik versehenes Schiff englischer Pro» venicn; sich mit entsprechendem Erfolge an den KriegSopera- tioncn detbeiligtc. Englische Blätter stellen die Hypothese auf, ein Panzerschiff sei unter Bruch der Neutralitätsvor- schrislcn auS einem britischen Hasen nach China gegangen und habe sich auf chinesischer Seite erfolgreich an dem Bom bardement eine- japanischen Platzes bcthciligt. Nicht nur, daß dir Japaner mit Recht ^>on England Ersatz alles durch >ene» Sckiff angerichtetcn kssrerten Schaden« beanspruchen könnten, sie könnten noch weitergeben und sagen, nur durch daS völkerrechtlich unzulässige Eingreifen jenes Schiffes sei das ganze Unternehmen de« Feindes überhaupt gelungen, und also müsse England für sämmtlichen Schaden auf- kominen, den Japan zur See erlitten. Ist dies auch, wie gesagt, nur Hvpothesc, so reicht sie doch hin, um die von ver englischen Regierung behufs Wahrung der Neutralität gethanen Schritte der öffentlichen Meinung sympathisch zu machen, ganz abgesehen davon, daß die englische HandclSivelt sich brr stricter Beobachtung der Neutralität geschäftlich weitaus am besten steht. Ob der Protest Japan- gegen die Beschagnabme des DampserS „Islam", welcher nicht zur Verwendung als bewaffneter Kreuzer bestimmt gewesen sein soll, begründet ist, muß erst ab gewartet werden. Im Fall de» Schiffes „KowShing", da» bekanntlich von den Japanern in den Grund gebohrt wurde, weil eS unter englischer Flagge chinesische Truppen beförderte, ist vom Marincgericht in Shanghai zu Gunsten Japans dahin entschieden worden, die Handlungsweise de» Capitains dcS japaniscken Schiffes „Naniwa", daS den „KowShing" angriff, müsse al» gerechtfertigt anerkannt werden. Der britiscke Admiral Fremantle soll der britischen Regierung empsohlcn haben, keine Ansprüche bezüglich dcS „KowShing" oder de« aus demselben zu Grunde gegangenen englischen Eigcnthums zu erheben. politische Tagesschau. » Leipzig, 23. August. Der preußische Finanzminister, Herr vr. Mtquel, ist be kanntlich unlängst ui Obcrhof von einem Mitarbeiter dc» St. Petersburger „Herold" interviewt worden und hat sich bei dieser Gelegenheit über den deutsch-russischen Handels vertrag ausgesprochen. Dabei ist cS aber nicht geblieben, auch auf die AnarAlstrnfrage hat sich das Gespräch gelenkt, über welches der Berichterstatter nach einer Uebersetzung der „Franks. Ztg." folgendermaßen bcricktet: „Ich hatte in Pari« vielfach di» Verwunderung äilßerll gehört, daß Deutschland sich so abwehrend in Bezug aus die seilen« Frankreichs angeregten gemeinschaftlichen Maßregeln gegen den Anarchismus verhalte, und ich gestattete mir, dem Minister geradezu die Frage über die Ursache zu stellen. vr.Miquel verhielt sich Anfangs ziemlich zugeknöpft und erwiderte aus mein« direct gestellte Frage mit einer gewissen leicht begreiflichen Zurückhaltung: „Ich bin blo« preußischer Finanzminister, habe also ans die Angelegenheiten des Reichs keinen Ein fluß, ich glaube jedoch, daß diese Zurückhaltung Deutsch, land« i» Bezug auf gemeinschaftliche Maßregeln gegen den Anarchismus sich dadurch erklärt, daß bei uns die Verhältnisse ganz a'nders sind, al« jenseits der Vogesen. Deutschland bedarf keiner außerordentlichen Maßregeln gegen den Anarchismus, der bei uns überhaupt nicht denkbar ist." — „Aber Nobiling und Hödel", wandte ich ein. — „Das sind Abnormitäten, die sich kaum wiederholen dürsten. Der Germane entflammt sich nicht sür abstracte oder destructive Ideen, die den Gallier oder Slawen hinreißen. Wir sind nichr Phlegmatiker, während der Franzose und der Russe mehr Sanguiniker sind. DaS mag auch die Ursache sein, daß wir Deutsche nicht so beliebt sind. Unser« Bedächtigkeit ist den leichtblütigen Mr. Simpson'S vermehrt. Jane befand sich in der Küche allein. Sam, dessen Niedergeschlagenheit und verzehrender Kummer seit der Rückkehr Falconer's und besonders seit dem neulichcn Diner, bei welchem die Stimmung gegen seinen Herrn auch ihm nicht entgangen war, sich immer mehr ge steigert, hatte sich unmittelbar nach seiner Rückkehr von der Arbeit auf sein einsame» Zimmer zurückgezogen, und MrS. Sarah Brown war ausgegangen, um Einiges zur Stärkung sür ihn cinzukaufen. Jane batte auf ihre Bitte in der neben Sam'S Zimmer liegenden Küche Platz genommen, um zur Hand zu sein, wenn der Kranke — denn als solcher galt der arme Sam im Hause bereits — klopfe oder rusc. Freilich war die» nicht wahrscheinlich; für gewöhnlich träumte erden Abend über düster in seinem Zimmer für sich hin, ohne sich zu melden, nahm schweigend sein Abrndbrod ein, wenn man eS ihm brachte oder ihn dazu rief, und kehrte dann stumm und niedergeschlagen in sein Zimmer zurück, um zu Bett zu gehen, sich am andern Morgen ebenso zu erheben und schlaff und verstört wie am vorangcgangenen Tage auch am heutigen sein Werk zu verrichten. Als Simpson, in daS Haus eintretend, Jane allein in de, Küche fand, huschte ein rascker, verstohlener Ausdruck der Besriedigung über sein grob geschnittenes, rolheS Gesicht. Er grüßte die mit einer Näharbeit Beschäftigte, nahm einen Stuhl und ließ sich ihr gegenüber nieder. „Wie merkwürdig das so im Leben kommt, Miß", bub er im Plauderton an. „Als ich Sie zum ersten Male hier im Hause traf, dachte ich wirklich nicht, daß ich mit Ihnen noch ciumal gemeinsam im Dienst stehen würde!" Jane erröthete ein wenig, aber erwiderte nichts. Simpson'S scharse Augen beobachteten inzwischen jede leiseste Bewegung in ihren« Gesicht. „Damals, al» ich Sie am ersten Tage mit mir hinüber nahm nach Old Hall, waren Sie aber auch, weiß der Deixel, ganz ander« al« jetzt", fuhr er spähend fort. „So vornehm in den Manieren, so — ,ch möchte sagen: respecteinflößend. Ich hätte darauf geschworen, daß Sie etwa« Besseres seien al» Unserein» — eine richtige, gebildete, seine Dame. Und nun kommen Sie Tag für Tag zu MrS. Clarke und helfen ihr im HauSstande wie ciae bescheidene gewöhnliche Dienerin; 'S ist merkwürdig, wahrhaftig!" „Ich bin MrS. Clarke gern nützlich, da ich bäuSlich erzogen bin und wirthschastliche Arbeiten"liebe", erklärte Jane. „Ganz recht!" behaute Mr. Simpson ruhig. „Uod wa» Sie Alle« damit fertig bringen — 's ist wunderbar! Da» romanischen und slawischen Stämmen oft nicht sympathisch. Die Romanen und Slawe» sind für äußere Eindrücke ost weit empfänglicher als wir. Daher sie auch Eigenschaften besitzen, die sie liebenswürdiger und povulärer machen. Doch, wo viel Licht, da ist auch viel Schatten. Besonders tritt das bei den Franzosen hervor. Durch ihre elegante und biegsame Sprache baden sie eine Präponderanz erworben, gegen die man nicht ankäuipsen kann. Daß wir nicht geliebt sind — ist ein Factum, das nicht in Abrede gestellt werden kann. Liebe läßt sich nun einmal nicht erzwingen, so sind wir mindestens bestrebt, uns Achtung zu «rrrna«»." Wäre dieser Bericht genau, so erklärte sich Manche-, was bisher sehr vielen Deutschen ebenso unbegreiflich war, wie dem Berichterstatter des russischen Blatte-, und so würde man aus internationale Maßregeln gegen de» Anarchismus ebenso vergeblich warten, wie auf reichsgesetzliche Maß nahmen gegen eine Gefahr, die sür Herrn vr. Miguel angeblich nicht besteht. Wir hoffen mdcß, daß der Gewährsmann des russischen Blattes sich verhört hat und daß Herr vr. Miguel »nd diejenigen Staatsmänner, die aus daS Reich noch mehr Einfluß besitzen, als er, weniger optimistisch auf die Undenkdarkcit des Anarchismus iu Deutschland pochen. Diese Staatsmänner kennen ja doch außer den „Abnormitäten" Nobiling und Hödel noch einige andere, die z. B. daS Attentat auf dem Nied er Walde vorbereiteten und in Frankfurt, wo Herr Miguel Oberbürgermeister war, den Polizcirath Rumps ermordeten. Zu den „Phlegmatikern", die sich sür keine abstracte oder destructive Idee entflammen, gehörten diese „Abnormitäten" sicherlich nicht, und da sie bei uns möglich waren, so sind auch noch mehr solche Abnormitäten möglich, die wohl die Ergreifung energischer BorbcugungS- maßregcln rechtfertige». Und wenn Herr vr. Miguel seiner seits bestrebt ist, Deutschland die Achtung de-Au-landeS zu erringen, so muß er auch wissen, daß diese Achtung leicht verloren gehen könnte, wenn Deutschland, weil die Verhältnisse vermeintlich bei ihm anders liegen, als anderwärts, sich weigern wollte, seine Hand zur Herbei führung internationaler Maßregeln zu biete», welche geeignet sein würden, die vom Anarchismus bedrohbaren Staaten zu schützen. AuS allen diesen Gründen hoffen wir, wie gesagt, daß Herr vr. Miguel von seinem Inter viewer mißverstanden worden ist. Aus alle Fälle aber wirb im Reichstage Gelegenheit genommen werden müssen, aus den Bericht des St. Petersburger „Herold" zurückzu- kommcn und die Vertreter der verbündeten Regierungen >im Aufklärung über den bcsreindlichen Umstand zu ersuckcn, daß die Anregungen zur Herbeiführung internationaler Maßregeln gegen den Anarchismus ohne jeden Erfolg geblieben sind. DaS Programm der freisinnigen BolkSpartei fordert die Mnsührung des allgemeinen gleiche» Wahlrechts bei den Abgeordnetenhäusern, eS hält aber bezeich nender Weise still vor der weiteren Conscqucnz, der Ein- sührung dieses schrankenlosen Wahlrecht- auch bei den kommunalen Vertretungen. DaS ist indircct eine überaus scharfe Kritik an diesem ganzen Wahlsystem. Für die Ordnung der wichtigsten Angelegenheiten im Reich und Staat soll dasselbe also nach volk-parteilicher Ansicht geeignet sein, nicht aber für^dic Lösung der weit beschränkteren örtlichen Ausgaben der Städte. Darin liegt ein schroffer Widerspruch. Aber freilich, die Freisinnigen, die in so vielen Städten daS Regiment in Händen haben, würden alsbald aus den communalcn Vertretungen durch dieSocialdemokratcn hinauSgcdrängt werden, ebenso wie jetzt auS dem Reichstage, und darum sind sie auf einmal vollständig blind gegen ein Wahlsystem» daS nur vermöge seines plutokratischen Charakters ihnen die Sitze in den Ralhhäusern erhält. Reich und Staat mögen zu Grunde gehen oder sich in unfruchtbarer Thätigkeit auf HauS ist ein ganz anderes geworden, seit Sie sich so fleißig darin umthun. Meiner Six, wenn Einer wollte, könnt' er meinen, Sie hätten sich was ganz Besonderes vorgesetzt bei Ihrem Hantieren dort?" „Und waS, Mr. Simpson?" fragte sie, eifrig weiter nähend, „WaS sollte ich mir Besonderes vorgeseyt haben?" „DaS HauS zu einem anderen zu machen, meine ick, Miß! So — hm — zum Beispiel, jede Erinnerung an die Mord- tbat auszulöschen. So gewissermaßen jede zurückgebliebene Spur von derselben zu verwischen. 'S ist merkwürdig, wirklich, — aber es ist natürlich nur so meine Meinung, wissen Sic. Da nehmen wir zum Beispiel einmal das Arbeitszimmer, in welchem die That geschehen ist. Es ist wie umgewandelt, kein Mensch merkt mehr etwas davon. Mr. Thrale sitzt täglich darin, MrS. Clarke und Sam gehen mir nichts dir nichts hinein, wenn'S nötbig ist, und selbst die beiden dummen Dorfschnäbel, die in der Küche Helsen, betreten cS ganz ge mächlich zum Scheuern oder dergleichen, als wenn nie ein Fluch darauf gerubt hätte, und doch wagte noch erst unlängst kein Mensch einen Fuß hinein zu srtzen." „Ich sollte denken", versetzte Jane schlicht, „daß dies nur den Wünschen Aller entsprechen könnte. Zumal den Wünschen derer, die im Hause leben." „Ja wohl — hm — ja. Natürlich!" bestätigte Simpson ein wenig gedehnt. „Inzwischen wird aber jede Spur von der That immer mehr verwischt, mein' ich halt, und der Mörder ist noch immer nicht entdeckt!" „Wird er je entdeckt werden?" „He, daS fragen Sie mich?" gab Simpson rasch zurück, und sein Wesen und der Ton seiner Stimme veränderten sich plötzlich so, daß sic im Moment begriff, daß er vom ersten Augenblicke an, da sie ihn kennen gelernt, hier die Nolle eines Anderen gespielt, als er war, und eS ihm auS besonderen Gründen convcnirte, jetzt vor ihr die Maske fallen zu kaffen. Sie erschrak vor der neuen Gefahr, die sich hier vor ihren Augen erschließen zu wollen schien. „Sie fragen mich das, und Sie wollen Antwort haben, nicht wahr, Miß?" sagte er, sich vorbeugend und sie mit den Augen fast durchdringend. „Gut, ich werde Ihnen antworten, Miß Jane Brown, und ich hoffe, daß die Antwort sür Sie von Nutzen sein wird. Ja, der Mörder wird entdeckt werden, und Die, welche insgeheim zu ihm halten und die Entdeckung von ihm adzuwcnden suchen, werden gut thun, davon abzu- laffen und sich nicht mehr in die Sache zu mischen. Der Man» im Verdacht ist umstellt uod kann un» nicht entgehen." reiben, wenn nur der fortschrittliche „Klüngel" in den mächtigsten städtischen Vertretungen erhalten bleibt. Es wäre vielleicht vernünftiger gewesen, man hätte die Probe aus daS allgemeine gleiche Wahlrecht nicht im Reich, sondern in den Stadtaemeinden begonnen. Man hätte da iniliicrhin noch unschädlichere praktische Erfahrungen mache,, können, da der Wirkungskreis unv die Macht bei einer coinniuiialen Vertretung doch immer beschränkter sind als bei einer staatlichen GcseygebungSkörperschast. Vielleicht wäre dann auch die Volk-Partei zu etwa- anderen Ansichten üb«, den Werth eine-, die ganze Macht den untersten Klassu» auSlicserndrn Wahlrechts gekommen. Ein Thcil der französischen Presse ergeht sich in lebhafte» Klagen über dar Verhalten der schwctierischrn Behörden gegenüber den Anarchisten und wirft ihnen vor, daß sic dcn auSgewiesenco Anarchisten gestatten, innerhalb dcS eidgenössischen Gebietes in voller Freibeil ihren finstern Plänen nachzugchen und verbrecherische Unternehmungen gegen die Ruhe und Ordnung anderer Staaten vorzubcreilen. Diese schwerwiegenden Anklagen sind, augenblicklich wenigstens, nicht begründet. Es gab allerdings eine Zeit, wo daS Ver halten der schweizerischen Behörden de» Rcvolutionairen aller Art gegenüber sehr viel zu wünschen übrig ließ; allein eS muß anerkannt werden, daß kein einzige« der im Lause de« letzten JahrcS verübten anarchistischen Verbrechen nachweislich in der Schweiz geplant und vorbereitet worden ist, daß viel mehr die Anarchisten in der Schweiz eifrig beobachtet worden sind, und daß die schweizerischen Behörden ösler der Polizei anderer Staaten werthvolle Mitlbeiliingeii gemacht baden. Während aber das Verhallen der BuntcSbehörde» zu Aus stellungen keinen Anlaß gegeben bat, haben die Canlonal- unv BezirkSbchörden der Schweiz cs mehrfach an der Ucbcr- wachung und Beobachtung der anarchistischen Bewegung fehlen lassen. Da« erklärt sich einerseits aus der sehr mangel haften und den Bedürfnissen der Schweiz nicht entsprechenden Einrichtung de, VcrwaliungSbcbördcn in verschiedenen Can- toncn, anderseits aber auch daraus, daß der bäuerliche RadicatlSmus, der in vcrsckieteuen Theilen der Schweiz im Besitze der politischen Macht ist, seiner eigentlichen Natur nack eine gewisse Sympathie mit allen rcvolutionairen Be strebungen nicht verleugnen kan». Es wäre deshalb allerdings Sacke rer BundeSbehörden, aus die Ausführung ihrer Vor schriften durch die Cantonal- und BezirkSbchörden ein aus- rnerksameS Auge zu baden und eS ihnen unmöglich zu machen, dem anarchistischen Treiben Vorschub zu leisten unv dadurch die Pflichten verletzen zu lassen, die einem durch ewige Neu tralität gesicherten Staate obliegen. Der Sohn des spaiiischrn Ministerpräsidenten Sagasta, der Dcputirte Don Jos«! Sagasta, ist der schweren Hcrzerkrankung, die keine Hoffnung aus Genesung ließ, er legen. Dieses Ercigniß ist insofern von politischer Bedeutung, als cS den in inniger Liebe an dem Verstorbenen hängenden Ministerpräsidenten, der an sich schon ein gebrochener Mann ist, in seinem Entschluß vom politische» Leben sich ganz zurückzuzichen, nur bestärken wird. Allgemein nimmt man in Madrid an, daß das Ausscheiden Sagasta s aus dem Cabinet unmittelbar bevorsteht. Für die liberale Partei dürste dieser Augenblick verbängnißvoll werde» und ihre Spaltung in vier Gruppen herbeisühren. in die persönlichen Gefolg schaften der bisherigen Unterfeldbcrren der Partei Morct, Gamazo, Vcga de Armijo und Monier» Rios. Je näher dieser SpaltungSproccß innerhalb der jetzt herrschenden liberalen Partei bevorzustchen scheint, um so zukunstSsichercr treten die Conservativcn aus. Ihr Führer. Canovas del Castillo, hat nach Andeutungen ihm befreundeter Organe bereit- eine vollständige Ministerliste in Be. Jane vcrbleichte; aber sic preßte die Lippen zusammen und schwieg. „Wenn wir noch nicht zugrcifcn, wenn wir noch suchen", fuhr Simpson in demselben Tone fort, „so geschicht'S, weil wir Zeit haben, weil unS der Mann nicht mehr entschlüpfen kann und wir gleich alle Beweise zusammen haben wollen. Darin, sie zu finden, möchten wir nicht gestört sein. Miß! Wer unS cntgegcnarbcitct, wird gut thun, cS zu unterlassen; wer etwas weiß, mit vcm er biSkcr zurückgchalten, wird gut thun, eS zu sagen — die Zeit, die wir noch warten, ist die einzige, damit hcrauSzukommcn, eh'S zu spät ist! — Ich möchte eine Frage an Sie tbun, Miß Brown." „Fragen Sic!" versetzte Jane, mit äußerster Anstrengung ihre Gefühle bcherrsckenk. „Hörten Sic je von einem Dinge wie „Begünstigung nach der That"?" „Ich bade davon gehört." „Und kennen die Strafe? Ein schwere» Vergehen, unter Umständen ein Verbrechen, Miß, dcn Schuldigen durch ab sichtliche Verschweigung oder Unterdrückung von Tbatsacken dem Spruche der Gerechtigkeit zu entziehen, die Justiz zu bintcrgehen, der That dadurch nachträglich gewissermaßen Bei stand zu leisten, ja. sich ihrer mitschuldig zu machen . . Mr. Simpson'S Bercdtsamkeit erlitt plötzlich eine jähe Unterbrechung. Die Tbür von Sam'S Schlafzimmer wurde ausgerissen und Sam erschien in derselben, halb bekleidet, mit wijd rollenden Augen, daS Haar wirr um seinen Kops, da» Gefickt aschgrau. Er zitterte heftig und fuhr mit den Armen in der Luft umher; seine Lippen bewegten sich, als versuche er zu sprechen, aber kein Wort wurde körbar. nur eine schmale Linie Weißen Schaumes trat vor seinen Mund. Der Acrmst« schien unter dem Einflüsse eines Krampfanfalles oder eine» plötzlichen Todesschreckens zn siebe». Jane ließ ihr Nähzeug fallen und eilte mit einem lauten Schrei auf ihn zu, seinen Arm ergreifend und ibn um ihre Schulter legend, um ihn mit ihrem Körper zu stützen, denn sic sah ihn schwanken. „Um Gottes willen, Mr. Simpson", ries Sie angstvoll auS, „wer immer, waS immer Sic sein mögen — haben Sie wenigstens Mitleid mit diesem Kranken — Helsen Sie mir, unterstützen Sie mich — ich kann ihn nicht kalten!" Simpson sprang Herbei, ergriff einen Stuhl, den er zur Hand stellte, und hals, Sam aus denselben zu setzen. Dann kühlte er Sam'S Stirn mit Wasser, löste sein Halstuch und unterstützte Jane in ihren gleichen Bemühungen um den Leidenden, bi« dieser nach einigen Augenblicken au« Er-
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