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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.08.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940830024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894083002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894083002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-30
- Monat1894-08
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Sröstere Gchristeu laut unserem Preis» verzeichaist. Tabellarischer und Zisferusatz nach höherem Tarif. Grtro-Beilagen (gesalzt), »nr mit den Morgen-«u«gobe. ohne Postbesördern», SO.-, m,t Postbesorl^rung ^l 70.—. ^««ahmeschluß fiir Ä«zeizeu: Abend-Ausgab«: Vormittags 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittags s Uhr. Sonn- und Festtags srüh '/,9 Uhr. , Lei de» Filialen und Annahmestellen je «in» halb« Stund« früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition z» richten. Druck «nd Verlag von L. Polz in Leipzig 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. August. Die .Nationalliberale Correspondenz", die in einem gestern an dieser Strlle iiiitgetheiltcn Artikel ihre Be denken gegen eine einzelstaatliche Neuregelung des Ver eins- und Versammlungsivrstiis darlcate und sür eine reichsgesetzliche Ordnung dieses RcwtSgebietcS cintral, veröffentlicht heute eine bereits vom Telegraphen skizzirte Zu schrift, die ihr von bcachtenSwcrther Seite zugeht und in der die Gründe bargelegt werden, die für eine cinzelstaatliche und gegen den Versuch einer reichsgesetzlichen Regelung der Materie sprechen. Diese Zuschrift lautet: „ES würde sich bei eiuem neuen BereinSgesetz im Reich und einem solchen io Preußen um zwei sehr verschieden artige Dinge hanteln. Eine Regelung dieser Angelegenheit durch ein Neicksgesetz würde eine vollständige, syste matische, organische Ordnung des Gegenstandes voraussctzcn, die so viele schwierige Rechtsfragen auS ver schiedenen Gebieten in sich schlösse, daß an eine rasche Erledigung nicht zu denken wäre. Dazu kommt daS wiederholt hervor- aehobcne Bedenken wegen der gegenwärtigen Zusammen setzung des Reichstags, die, wenn überhaupt eine Ver ständigung, so dock schwerlich eine solche mit befriedigendem und dem Zweck genügendem Inhalt in Aussicht steUen würde. In vielen Bundesstaaten ist diese Gesetzgebung in zweck mäßiger und erfolgreicher Weise geordnet, diese würden wahr scheinlich durch ein ReichSgesey, wie es unter den gegen wärtigen Umständen besten Fall» zu erhoffen wäre, in ihrer Abwehr ordnungsgcsährdeoder Agitationen nur ein geschränkt werden. WaS nun ein Vorgehen durch die preußische LandcSgesctzgebung betrifft, so würde es sich dabei um eine wesentlich ander« Aufgabe handeln. ES würde nicht eine gänzlich neue Gesetzgebung inS Auge gefaßt werden, sondern nur die Abänderung einzelner Bestimmungen des bestehenden BereinSgesetzeS, die veraltet sind und ihrem Zweck nicht mehr entsprechen, die Ausfüllung einiger Lücke» und der Erlaß etlicher neuer Vor schriften, deren Nothweudigkcit durch die praktischen Er fahrungen der neuesten Zeit bewiesen wird. Auch andere Bundesstaaten haben seil Errichtung deS Reichs an ihren BrreiiiSgesetzeil manche Aenderungen vorgenommen, ohne daß darin ein Eingriff in die Rechtszuständigkeit deS Reichs er blickt worden ist." Auch unser Berliner ss-Correspondent kan» bei der jetzigen Lage der Dinge Bedenken gegen den Versuch einer reichsgesetzlichen Regelung nicht unterdrücken und den Gedanken nicht abweiscn, daß eine particularrechtliche Regelung zur Zeit den Vorzug verdiene. Er schreibt: „Dem Plane, das preußische BereinSgesetz zu ändern, er stehen jetzk viel ernsthaftere Gegner, als die radicalen Wort führer sind. Man tadelt überall im Reiche, daß eine Materie, die her ReichSgesctzgebung ausdrücklich Vorbehalten ist und die zweifellos für ganz Deutschland wichtig ist, von dem führen den Bundesstaat particularrechtlich geregelt werde» soll. Die Abneigung gegen diese Art des Vorgehens wird natürlich nicht schwächer werden, wenn sich bestätigen sollte, WaS heute behauptet wird, daß nämlich der deutsche- Reichskanzler preußische Gesetzgebung wolle, während die preußische Regie rung einer solchen widerstrebe. Allerdings die verkehrte Welt. Aber es fragt sich, ob das Verlangen, den Weg der RcichS- gesetzgebung als den correctcren zu betreten, Erfüllung finden kann. Man muß vor allen Dingen mit der Eigenart der jetzigen ReickSrcgierung rechnen, sich von unbequemen RcichS- angelegenheiten möglichst zurückzuziehen und die Männer mit den kleineren Stieseln vorangehcn zu lassen. Der Reichs kanzler fühlt sich eben in dieser neuesten Frage ebenso wenig „engagirt", wie bei der ReichSsteurrreform, und dem läßt sich mit energischen Zeitungsartikeln zwar entgegentreten, aber nicht abhclfen. Er hat, WaS nicht verkaiutt werden darf, auch insofern eine nicht schwache Position, als die Verschärfung de« VereinS- aesetzcS durchaus nicht eine Maßregel ist, die von den Be fürworter» eines verstärkten Schutze» der Ordnung über einstimmend als zweckbicnlich anerkannt wird. Wo immer die Abtvälzung der Vereinsgesetzgebung aus Preußen zurück- gewicsen wird, folgt diesem Protest der Ausdruck des Zweifels, ob mit der Einschränkung der Vereins- und Versammlungs freiheit überhaupt der richtige Weg gewählt werde. Solchem Sachverhalt gegenüber ist es leicht, den Olympier zu spielen und lächelnd zu sagen: „Ihr solltet froh sein, wenn eine Euch selbst bedenkliche Maßregel erst in einem Thcile statt im Ganzen prodirt wird." Dazu tritt die Thatsache, daß der Reichstag wirklich zu Vorkehrungen gegen die zügellose Agitation nicht zu haben ist. Nun wird freilich auf die Auflösung verwiesen und gesagt, wenn diese nickt zum Ziele führe, muffe man neue Grundlagen sür die Bildung der Volksvertretung schaffen. Dazu bedarf eS aber gleichfalls eines auf der allen Grundlage gewählten Reichs tags oder, wie von anderer Seile gesagt wird, deS MutheS, „vor den äußersten Couscquenzen nicht zurückzuschrecken''. Diesen Muth möchten wir nicht gezeigt sehen, und zwar eben weil wir mit Denjenigen, die ihn fordern, die Angelegen heit vom reichSpolitischen Slandpuncl betrachten. Die „äußersten Consequeuzen" sind doch solche, die nur gezogen werden können, indem man den Einzelstaaten ein Bestimmungs recht giebt, daS ihnen die ReichSversassuog entzogen hat. Im Vergleich zu einem derartigen Experiment erscheint uns die — rechltich unantastbare — particularrechtliche Acude- rung eine- ParticutargrsrtzeS harmlos." Da, wie die „Natioualliberalc Corresponbcnz" erfährt, weder über die VcreinSsrage, noch über ein sonstiges gesetzgeberische- Vorgehen zum besseren Schutz der öffentlichen Ordnung bisher Entscheidungen, ja auch nur amtliche Beratbungen stattgefundcn haben, so ist es ganz gut, wenn in der Presse die Gründe gegen einander abgewogen werden, die für und wider die rechtsgesetzliche und die particularrechtlich« Regelung deS AereinSwcsens sprechen. Und wie auch am Ende in den bevorstehenden amtlichen Beratungen die Entscheidung fallen möge: zedensalls wird im Reichstage die Krage der reick»- grsetzlichea Regelung angeschnitten werden. Dann wird mau l» auch erfahren, ob mit dem jetzigen Reichstage ans diesem Gebiete schlechterdings nichts anzufangen ist und ob an« diesem Grunde die Wahl des particularrechtlicken Weges dem dornigen Wege eine- Appells an die NeichStagSwählcr vor- zuzieheu sei. Wie schon erwähnt, bemühen sich jetzt, angestachelt durch die Erfolge der Polen, einige Führer der Litauer in Ostpreußen (hauptsächlich die Rcdactenrc der litauischen Zeitungen, sowie litauische Geistliche und Lehrer), diedeutsche Sprache aus den litauischen Schulen zu Gunsten deS litauischen IdiomS zu verdrängen, die deutschen Geistliche», welche litauisch nicht vcrstcben, durch litauische Prediger zu ersetzen und vor Allem sür einen tüchtigen Nachwuchs litauischer Pfarrer, Lehrer, Acrztc :c. zu sorgen. Großen Erfolg werden diese Bemühungen nicht haben, da die Litauer in Ost preußen beute schon, wie die Wenden der Ober- und Niederlausitz, ein zweisprachiges, auf dem Wege der völligen Germauijirung be griffenes Volk sind. In den Kreisen Darkehmen und Gumbinnen ist die litauische Sprache be reit- erloschen; in den Kreisen Goldapp, Stallupönen »nd Insterburg sind nur noch spärliche litauische Reste vorbanden, denn man zählte im Kreise Goldapp 1890 nur noch 623, im Kreise Insterburg nur noch 1223 und im Kreise Stallupönen nur noch 1030 Litauer. In drei anderen Kreise» ist bei gleichzeitigem starken WachSthum der Deutschen die Zahl der Litauer beträchtlich zurückgegangen. So lebten im Kreise Ragnit 1861 30518 Deutsche und 18 982 Litauer, 1890 aber 41216 Deutsche und nur 13 412 Litauer, im Kreise Pillkallen !86l 32 839 Deutsche und 1t6ll Litauer, 1890 aber 10533 Deutsche und nur noch 6l0l Litauer, im Kreise Niederung l86t 31931 Deutsche und 16 958 Litauer. 1890 aber 43757 Deutsche und nur 1181? Litauer. Nur in den Kreisen Memel, Tilsit, Heidekrug und Labiau, den Hauptsitzcn deS BolkS- stammeS, ist die Zahl der Litauer seit 186l ungefähr sich glcichgrblieben, während eine nicht unbeträchtliche Zunahme der Deutschen stattgefunden bat. Im Kreise Memel zählte man 186t 28 861 Deutsche und 23172 Litauer, 1870 31 NO Deutsche und 21791 Litauer, im Kreist Tilsit l86t 32 916 Deutsche und 25 160 Litauer, 1890 46 757 Deutsche und 24 826 Litauer, im Kreise Heide- krug t86l 13459 Deutsche und 23054 Litauer. 1890 17 276 Deutsche und 24 848 Litauer und im Kreise Labiau l86l 37 673 Deutsche und 9612 Litauer, 1890 44 828 Deutsche und 8380 Litauer. Im Jahre 1864 lebten in der preußischen Monarchie noch 152 000, 1867 noch 146 800, 1890 aber nur noch I2t 345 Litauer. Im litauischen Sprachgebiete Ost preußen-, daS ganz zerklüftet und in eine Menge Sprack- inseln ausgclöst ist, gab eS nur l 18 090 Litauer. Jetzt sind die Litauer noch die besten Patrioten; sie sind stolz auf ihre preußische Staatszugehörigkeit und stellen ausgezeichnete Sol daten. Die Versuche der Polen, die Litauer zu einer seindlickcn Stellung gegen dir Regierung zu bewegen, sind bis jetzt sedl- eschlagen und werden wohl auch in Zukunft keinen Erfolg aben. Mit den Deutschen vertragen sich di« Litauer recht aut, wenn auch hier und da kleine Streitigkeiten Vorkommen. Mit dem deutschen Unterrichte in den Schnlcn waren sie bis vor zwei Jahren, bi» zu dkn ersten Wühlereien der litauischen Agitatoren, so zufrieden, daß keine Klage laut wurde. Auch wenn «S den Leitern der Bewegung gelingen sollte, einen Theil deS friedfertigen litauischen BolköstammeS in eine natiouallitauische Bewegung hineiozudrängen, so wird die» kaum eine andere Folge haben, als daS friedliche Aufgehen im deutschen Volk« um ein paar Jahrzehnte hinauSzuschirbcu. In vühmcn haben sich bekanntlich die gemäßigteren Elemente der Iungtschechen von der Radau-Politik der radicalen Omladinistcn loSgcsagt und versuchen eine völlige Aussöhnung und Verschmelzung mit den Altlsckcchcn. Wir haben die Frage, ob die Mehrheit des seit Jahren plan mäßig fanatisirten Volkes so plötzlich die Besonnenheit wiedcr- zusinden vermöge, noch offen gelassen, sie wird aber ihrer Beantwortung sehr bald näher geführt sein, denn die Radi kalen bereiten für den nächsten Monat in ganz Böhmen massenhafte staatsrechtliche Demonstrationen gegen Wien vor, um hierdurch vor der Abhaltung der junglschcchischen Ver- traucnSmänncr-Vcrsammlung noch mehr Boden zu gewinnen, eine Gelegenheit, bei welcher eS sich zeigen wird, auf welche Seite die Bevölkerung neigt. Tic Redactionen der 11 fortschritt lichen Zcilsckriften babcn, wie schon kurz erwähnt wurde, soeben einen gemeinsamen, „an daS ganze oppositionelle tschechische Volk" adressirlcn Ausruf berauSgegeben, in welchem vorerst auf die Bedeutung des MonalS September in der Geschichte der tschechischen politische» Kämpfe hingewicscn und u. Ä. bemerkt wird, daß am 6. September l79l der letzte böhmische König gekrönt wurde, während der jetzige Kaiser am 26. Sep tember 1870 sich für die Integrität Böhmens ausgesprochen und am 12. September 187 l die KönigSkönung versprochen habe. In dem Aufrufe heißt eS weiter: „Mitbürger I Lasset voZ allem sentimentalen Seufzen und Sehnen ab und rüstet Euch zum Kampfe. Nicht zu einem Kampfe, den blo-einige Abgeordnete im Parlamente führen würden, sondern zum Kampfe, den wir alle zu Hause führen werden. Die österreichische Regierung besitzt keine Mittel, mit welchen sie ein lebende- Volk unterdrücken könnte. Beweiset nun, daß die Unzufriedenheit und der Zorn sich von Prag auS im Lande verbreitet, daß sich unter dem bis jetzt stillen Niveau der breiten VolkSmaflen Wolken häufen, beweiset, daß der Ausnahmezustand heute schon «ine anti quarische und verbrauchte Waffe ist." Weiter wird verlangt, daß den ganzen Monat September hindurch in allen tschechischen Städten und Gemeinden Bersammlunaeu abgebalten werden, damit auch der letzte Tscheche das Wesen der tschechischen Be strebungen nach nationaler und bürgerlicher Selbstständigkeit erkenne und damit die allgemeine Unzufriedenheit öffentlich manifestirt werde. Man solle überall vertrauliche Versamm lungen abhaltcn, welche von den Regierungsorganen nicht conlrollirt werden, und in denen „vom Herzen zum Herzen" sprechen könne. In der belgische« Wahlbewegung taucht ei« alter Verschwörcroame aus, der während der letzten Jahre bereits von der Bildstäche der Politik verschwunden war. Während BolderS, der erfolgreiche Arbeiterführer, der die Verfafsuugs- Revision von der Regierung erzwingen half, die dumpfe Luft de« Irrenhauses athmet, bat Defuisseaux nicht übel Lust, mittels der neuen Wahlordnung die Arbeiterbataillooe zum Siege zu führen. Defuisseaux ist mehr Anarchist als Socialist. Er wird eS nicht leicht haben,- sich den Arbeitern al» Führer auszudrängen. Dieser Defuis- seaux war einer der Hauptangeklagtcn in dem Aufruhrproceß deS Jahre- 188? vor dem Schwurgericht in Brüssel, wo er wegen angeblicher schwerer Erkrankung seiner Frau die Zurück stellung der Anklage nachsuchte. AlS dieselbe aus guten Gründe» verweigert worden war, benutzte Defcuisseaux den Augen blick, in welchem die Geschworenen sich zur Berathung zuAick- zogcn, um sich unter di- große Menge der Zeugen, Advocate» und Gendarmen zu mische» und zu entweichen. Es grlaug ibm glücklich, Holland und von da Frankreich zu erreichen» von wo er die belgischen Gerichte verspottete unv unter de» Genossen die Rolle deS politischen Märtyrer- spielte, da iha daS Schwurgericht zu neun Iabre« Gefängniß vernrthrilte, ein« Strafe, die zur Zeit noch nicht verjährt ist. Dir Zuversicht, als socialistischer Eandidat gewählt und durch riue Wiederauf nahme deS Verfahrens frcigrsprochen zu werden, dausW» >bn jetzt zur Rückkehr, die er seiner ganzen, mehr von eitk* Ehrsucht und hohler Ruhmredigkeit als von Uebrrzengung und Können getragenen Natur entsprechend so marktschreierisch wie möglich durch vorherige pomphafte Ankündigung, Interview durch den unvermeidlichen „Figaro", Begrüßung an der Grenze und Massenaufgebot der Genossen mit Weib und Kind m FramcricS cinrichtete. Die belgische Negierung, die ih« gescheiter Weise gleich einsteckte und so die beabsichtigte Reclame zum Tbeil vereitelte, wird wobl auch gescheit genug sein, vor Erledigung der Frage seiner Wahl die alte Rechnung mit ihm zu begleichen, wie ihr Ansehen eS selbst verständlich erfordert. Gelegentliche Schlappen europäischer Colonial trupp cn, wie eine solche von erheblichem Umfang soeben auS Lombok in Niederländisch-Indien gemeldet wird, während das Gerücht von einer Niederlage der Franzosen beiTimbuktu einstweilen noch der Bestätigung harrt» verleihen der Krage nach den Ursachen derartiger Katastrophen und nach der Möglichkeit, sie, wenn auch nicht ganz und gar zu vermeiden» so doch aus rin Minimum einzuschrauken, eiue in Frrsilletsir. Sein Weib. Roman frei nach dem Englischen von Emil Bern selb. N»chdr»ck verboieu. (Fortsetzung.) „Ein hübscher Plan, nicht wahr?" fuhr Falconer auf. „Aber der Himmel weiß, so toll er ist, mir dock nicht so ver haßt wie die unseligen Bande, die mich jetzt fesseln!" Jane starrte einen Augenblick sinnend vor sich hin. Dann sagte sie in einem seltsamen, leisen Ton: „Sie haben Miß Annette gern?" „Ich bade sie gern; ich bin mit ibr ausgewachsen, sie ist mir eine liebe, gute Freundin. Aber ich habe, meiner Treu, nie daran gedacht, sie zu hcirathen. Doch ganz abgesehen von meinen Gefühlen und selbst, wenn mein Schicksal davon abhinge — wozu diese Erörterung? Sie wissen, daß dieser Punct sich von selbst auSsckließt; ick bin gebunden." „Sie wären gerettet, wenn Sie diese Ebe schlöffen!" flüsterte Jane leise vor sich hin, wie im Selbstgespräch. Der Doctor würde Sie schonen — Anwalt Everett, sagen Sie, gefährdet Sie nicht — er würde nicht wagen, auszutreten, wenn ihm andere Beweise fehlen. Sie wären gerettet, wenn Sie aus den Plan riugiogen. . „Was soll da«, Jane? Ich verstehe Sie nicht", sagte Falconer verwundert. Jane starrte abermals einen Augenblick sinnend vor sich hin. „Weiß Jemand von Ihrer Heirath?" fragte sie. „Verschiedene Personen. Zunächst die Frau, die ich meine Gattin nenne» muß, ibrersrits. Dann mein Freund Markham und sein alter Schreiber. Schließlich Everett. — Aber noch einmal, Jane, wa- soll diese Erörterung?" wiederholte er verwundert. „Ich versteh« Sie nicht! Wollen Sie »tr eine Doppelehe anratben?" „Nein — nein!" hauchte sie schwach. „Ich — ich dachte — an etwa- Andere« — Wenn denn Rettung auf diesem Wege nicht möglich ist — woblao denn, fliehen Sie! Die Bo-beit, die Sie verfolgt, die Gefahr, die droht, ist zu ent setzlich — fliehen Sie!" „Wozu noch einmal auf dieses Hilfsmittel zurückkommen, Jane! Es ist unnütz, ich werde es nie ergreifen. Ich wieder hole Ihnen, daß ich nur einen Entschluß kenne: hierzubleibeu, Stand zu halten und der Gefahr ins Auge zu sehen." Sie antwortete nicht und ihr Schweigen befremdete ihn. Sich näher zu ihr beugend, um sich zu überzeugen, WaS sie am Sprechen hindere, sah er, daß sie das Gesicht mit den Händen bedeckt batte und weinte. „Gehen Sie heim, Jane", sagte er gütig. „Kehren Sic nach Hause zurück, mein einziger, treuer kleiner Freund, »nd seien Sie inuthig, stark! Sie dürfen sich inein Schicksal nicht so zu Herzen Nehmen. Noch ist nicht« verloren!" Sie war abermals außer Stande, zu antworten. „Warum diese- Weinen, Jane!" mabnte er sanft. „ES macht mich schwach, und ich bedarf der Stärke! Seien Sie muthia. fassen Sie sich!" „Oh", sagte sie schluchzend, „es ist zu schrecklich! Wenn Ihre unglückliche Heiratb nicht wäre, wären Sie gerettet! Miß Rewbott ist ein liebe«, edle«, gutes Mädchen. Sie haben Sie lieb und sie ist Ihnen gut. Sie würden sie ge- heirathet haben, hätten vor Ihren Feinden Rnhe gehabt »nv wären gerettet gewesen. Ob, jene Frau ist cm unglück selige-, gottloses Geschöpf, die Ihnen jene verhaßten Bande auferlegt!" Es lag eine Heftigkeit, eine Tiefe de» SckmerzeS in dem Ton ihrer Stimme, daß Falconer erschüttert stand. „Noch einmal, geben Sie heim, Jane", sagte er fest, sich aufraffend: „ich will eS, ich fordere e«! Vermehren Sie nicht die Bürde Dessen, waS ich zu tragen habe, noch durch Ibrcn Schmerz, Ihre Theilnahmc, die ich nicht verdiene, denn ich habe jchlecht gehandelt, eigennützig, trotzig, wie ein elender Thor: ich habe schwer gefehlt, gesündigt noch in anderer Hinycht — wa» mich trifft, trifft mich mit Recht! Ich habe auss Neue sündhaft gehandelt, selbstsüchtig, gewissen los, indem ich Sie in mein Vertrauen zog. in mein Verderben mit verflocht — ich bin ein Elender, der sein Schicksal ver dient, und den Sic fallen lassen müssen, um sich selbst vor ihm zu retten. Gehen Sie, Jane, ich verlasse Sie jetzt. Sie muffen nach Hause zurückkehren! Leben Sie Wohl, arme» Kiod, leben Sie wobl!" Während dieser Nacht schritt Jane in ihrem unerleuchteten kleinen Zimmer rastlos auf und ab. unfähig, die Ruhe ihres Lager- auszusuchen. Dann saß sie wieder an dem geschloffenen Fenster und starrte in da« weite, leere Dunkel dort außen hinan-, während ihre Gedanken fieberhaft wanderten und von Ort zu Ort, von Scene zu Scene in den letztverfloffenen beiden Jahren ihres Leben« schweiften; sie zog das Äeiae Päckchen mit dem zusammengefaltetcn Papierstreif und dem Goldreif auS ihrem Busen und drückte cö zornig zusammen in ihrer Hand, als hätte sie eS vernichten wollen, um cö dann doch wieder heiß an ihre Lippen zu pressen, von Neuem die Hand damit zu erheben, als wolle sie eS zornig von sich schleudern, und eS dann doch wieder, wie um es vor sich selbst zu schützen, in angstvoller Hast in ibrem Busen bergend. Ihr Antlitz in dem schwachen, taum bemerkbaren Schein deS von nebeliger Luft verschleierten Halbmondes war geistcrblcich, ibr Ausdruck gedankenvoll, erregt, die Stirn jeweilig in düsteren Falten zeigend. Am Osthimmcl dämmerte der erste Schimmer des anbrcchenden Morgens herauf, und einzelne verfrüht er wachte Vogel zwitscherten ihren Ruf an die noch schlummernden Gesährtcn, als Jane endlich erschöpft auf die Kiffen ihres Lagers »iedcrsank, um dem übermüdeten Körper wenn möglich noch eine kurze Ruhe zu gewähren. XXII. Jane ließ von ihren Besuchen im Hause Ncwbott'S nicht ab, und ihr Zusammensein mit Annette hatte bei der Gleich- gcsiimmtheit der Seelen den Verkehr der beiden jungen Mädchen nnt einander schnell den Charakter eines Freund schaftsverhältnisses annehmcn lassen. ES war bei einem dieser Besuche, wenige Tage nach dem im vorigen Capitel Erzählten, daß Jane die arme Annette bleicher und bekümmerter als je traf. Ihr erschöpfte« Wesen, ihre matten, eingesunkenen Augen schienen anzudeutcn, daß sie eine schlaflose Nacht zugebracht batte. „Sie sehen nicht gut auS, Miß Annette. Sind Sie krank?" fragte Jane. „Krank? Nein — nur müd', müd'!" erwiderte die Ge fragte, mit verstörter Miene und dem Ausdruck angstvoller Scheu um sich blickend. „Ich habe nicht geschlafen in der Nacht. Mein Vater ist — ist krank." Ibr Vater krank? Ich hoffe nickt ernstlich, Annette? Sie sind so ergriffen, Sie baden ernsten Kummer —" Annette richtete einen Moment ihre seelenvollen braunen Augen ängstlich, unsicher, als ob sie mit sich kämpfte, ob sie sprechen solle, aus Jane, dann senkte sie den Kopf, bedeckte da» Gesicht mit den Händen und brach in Tbränen au«. „Sie baden Kummer, Annette", wiederholte Jane sanft. „Ihr Vater ist krank, ich weiß eS, ich verstehe Sie. Erleichtern Sie Iür Herz, sprechen Sie zu mir, wenn es Ihnen Trost gewähren kann." S>« setzte sich zu ihr und nahm theil- »ehmend ihr« Hand. „Ich schäme mich, daß ich so schwach bin!" weinte Annette leise, als sie sich soweit erholt hatte, daß sie sprechen konnte. „Ich schäme mich, daß ich meinen Gefühlen so nachgeb« — aber ich >»»ß sprechen — oh mein Gott, ich muß sprechen — die Last Dessen, waS ich zu tragen bade, erdrückt mich! Mei» Vater ist krank, Jane, schwer krank, glaube ich — aber, oh mein Gott, Sie wissen eS ja. Sie müssen eS erratbe» haben — er sollte nicht krank sein, er würde nicht krank sein, wenn er nickt selbst sein Leiden wäre! Er geht zu Grunde, körperlich, seelisch — ich vermag ihn nicht zu retten, ich habe nie etwas über ihn vermocht! Wir haben mit Sorgen zu kämpfen, mit schweren Sorgen — ich vermag kaum DaS noch aufrecht zu erhalten, WaS er ruinir^ wie er sich selbst ruinirt! Es rst fürchterlich, Jane, aber' einmal, einmal mußte ich eS au-sprechen zu einer theil- ncbmcnden Seele, ich kann nicht anders! Meine Mutter ist frük gestorben, einen Vater habe ich nie gehabt — der, der mein Vater hätte sein sollen, war stet« nur der Gegenstand meiner Angst, meines Schmerze«, wie er jetzt der Gegenstand meiner Verzweiflung — ob, daß ich eS aussprechcn muß: Der Gegenstand meines Grauens ist!" „Acrmste! Acrmstc!" „Seine Praxis sinkt, er vermag ihr nickt mehr nach« zukommcn: sein Einkommen schwindet, er siebt in Folge seiner unseligen Leidenschaft vor dem Ruin! Drei dringcnre Bot schaften von seinen Patienten sind beute Morgen schon ein- gcsendet worden, sie müssen beantwortet werden, ocer er macht sich einer neuen schweren Vernachlässigung schuldig, und seine Kranken verlassen ihn. Ich muß zu ihm gehen und ihn benachrichtigen, und Jane, Jane, c« ist fürchterlich — ich graue mich, zu meinem Vater zu gehen und mit ihm zu sprechen!" „Es muß gcschebcn!" mahnte Jane entschlossen. „Fassen Sie Mutb, Annette!" „ES ist entsetzlich, ihn so zu jeden, wie ich ibn beute sehen werde! Ich werde es nie vermöge», mit Rübe darauf zu blicken! Wenn er ein Fremder wäre, so wäre mei» Grauen gerechtfertigt, ich dürste diesen Schrecken, dürft« Abscheu empfinden — aber eS ist mein Vater» mein Vater, Jane — wie fürchterlich, wie sündhaft, daß ich die« bei ih« empfinde!" „Und doch müssen Sie zn ihm, eS muß sein, Annette!" entgegnete Jane fest. „Kaffen Sie Muth! Ich werde mit Ihnen gehen und an der Limmerthür warten. Darf ich?" ,OH, wenn Sie da» wollten! Es gäbe mir Muth, es
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