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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940903026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894090302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894090302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-03
- Monat1894-09
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Rectamen unter dem Redaction«strich (4 g» spalten) 50->j. vor den Aamilieanachrichti» <6 gespalten> 40 Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichnitz Tabellarischer und Zisserasatz nach höherem Tarif. Grtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung >4 W—, m»t Postbesordeeung 70.—. !Xnaahmeschlub für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morg« »-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtags sriih ' ,9 Uhr. Bei den Filialen und «nnalnnestellea je ei»a halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Srpedttiai» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Politische Tagesschau. * Leipzig, st. September. ?i» der Reich-Hauptstadt hat die Tacialdemotratie am sedantage da- Begräbniß der Agitatorin Agnes Wab- ritz zu einer großen Demonstration benutzt, die aus'S heue bewies, mit welchem Fanatismus die Anhänger dieser Partei, trotz aller Streitigkeiten untereinander und mit den Führern, den Winken der letzteren folgen, und daß es nur eines besonderen Anlasse- bedarf, um diese fanatisirten Massen »u noch ernsteren Aclioncu Hinzureißen, liegen diesen Fana tismus und seine Gefahren bildet die nationale Begeisterung, selche die Ordnungsparteien am Sedanseste an den ^ag legen, kein Gegengewicht. Sie verhütet bei Wahlen und in de» Parlamenten nicht die heillose Zersplitterung, Idie eine Eindämmung jener Gefahren durch gesetzliche Bor- sbeuguilgSmitrel unmöglich macht. Um so dringlicher tritt an 'die Reichsrcgi erung die Pflicht heran, Versuche zur Be seitigung jener Zersplitterung und zur Sammlung der Ord- nungSparteicn zu machen unv die Führung in dem aus- gedrungenen Kampfe zu übernehmen. Leider aber hat erst in diesen Tagen wieder die „Nordd. Allg. Ztg." kund unv zu wissen gethan, daß die Reichsregierung weder Drang noch Fähigkeit in sich verspüre, auf die Parteien anders als durch gütliches Zureden cinzuwirken. Zu allem Ueber- fluß ist auch diese Versicherung nur zur Halste, nur insoweit richtig, als die Regierung sich außer Stande gezeigt hat, Parteien zu kräftiger und zu consequenter Unterstützung zu gewinnen. Auf da- Abstößen hingegen versteht sie sich meisterlich und zwar nicht nur in Zeitungsartikeln. Es giebt keine größere bürgerliche Partei, die nicht davon zu erzählen wüßte. Selbst das bevorzugte Zentrum macht keine Aus nahme. Ihm hatte man ohne Nöthigung und nur in einem dunklen BerjöhnungSdrang ein Schulgesetz servirt, um eS in dem Augenblick abzutragen, als diese Partei die Serviette sich vorband. Inwieweit das „Schreien" der extremen Agrarier durch die ihnen zu Tbeil gewordene falsche Behandlung ver stärkt worden ist, bleibe dahingestellt. Jedenfalls mußte eS Erbitterung erzeugen, wenn der 45 Proccnt auSmachcnden landwirlhschastlichen Bevölkerung Deutschland als ein Industriestaat charakterisiert wurde. DieNationalliberalen sind, und zwar gerade ins Angesicht ihrer aus kirchlichem Gebiete sehr thätigen Mitglieder, de- Atheismus geziehen und threm Entgegenkommen in der Angelegenheit der Militair- vorlage ist bis zum vorletzten Stadium mit abweisender Kälte begegnet worden u. s. w. Wie sonst, so jetzt. Zu Anfang der verflossenen Woche läßt die Regierung in rer „Nordd. Allg. Ztg." zum Sammeln der Parteien blasen, am Schluß der Woche konnte ein Berliner Blatt melden, der commandirende General iu Posen habe eS abgelehnt, die für die Huldigungsfahrt nachVarzin erbrtrneMilitaircapelle zur Verfügung zu stellen. Hier wird ein Punct berührt, in dem die nationalen Parteien auch ohne ossiciösc Mahnung einig sind und den sie sehr ernst nehmen, während Centrum und Demokratie die einer Militaircapelle ertheilte Erlaubniß, dem Fürsten BiSmarck ein Ständchen zu bringen, als etwas nach dem 26. Januar Selbstverständliches gar nicht beachtet haben würden. Nicht weniger als die Verweigerung, muß ihr Beweggrund die nationalen Parteien befremden. Er hat sicher nicht- mit der Person deS Altreichs kanzlers zu thun, aber er stießt eben so gewiß aus der herrschenden Neigung, den Polen Aufmerksamkeiten zu erweisen. Daß diese Politik die Begehrlichkeit und den Uebermuth gesteigert bat, braucht nicht noch einmal dar- gethan zu werden. Aber man darf wohl fragen, was die Regierung eigentlich für wichtiger hält: die „Ver söhnung" der Polen oder die Durchführung ihres „ActionsprogrammS." Der letzteren wird schlecht gedient, wenn die Parteien, auf die vor allen gerechnet werden muß, auf einem Gebiete, wo sie gleichfalls Fragen der StaatSerballung finden, da- Bestehende immer mehr gefährden sehen. Dahin wird eS die Regierung doch nicht zu bringen Feuillctsii. Sein Weib. Roman frei nach dem Englischen von Emil Brrnfeld. Nachdruck »ertöte». (Fortsetzung.) Annette trat unwillkürlich näher und warf einen Blick k» die Cassette, die er eröffnet hatte und mit beiden Händen krampshast gepackt hielt, vor sich, als fürchte er, eS könne Jemand versuchen, sie ihm zu entreißen. In dem Kästchen lag ein seltsam geformte-, ganz schmales spitzes Messer von der Länge etwa eine« mittelgroßen Dolche-, mit einem silbcrauSgclegteu Elsenbeingriff und scharfer Klinge, die sich von irgend einer Flüssigkeit stark verrostet zeigte. Annette schauderte vor dem Anblick de- unheimlichen Instrumentes zurück. „Da- ist eS, sieh st Du", zischelte ihr Vater ihr zu, „und e« ist ein Vermögen werth, sage ich Dir!" „Laß diese schrecklichen Reben, Vater!" versetzte da- junge Mädchen, sich schauernd abwendend. „Du sprichst fürchterlich!" „Ha, e» liegt mehr in meinen Worten, als Du glaubst! beharrte der Doctor eindringlich und in vertraulich wisperndem Ton. „Der, dem diese- Messer gehört, würde sein Halbe- Vermögen darum geben, eS zurückzurrhalteu! So ist eS — und Dir will ich « anvcrtrauen!" „Ich will nicht- davon wissen, Vater", entgegnete Annette schwach. „Ich möchte lieber nicht in Dein Vertrauen genommen sein. WaS soll ich mit diesem schrecklichen Ge- heimniß? Ich habe nicht« damit zu thun!" .Ab. mehr als Du denkst. Mädchen, meiner Treu! Du sollst e« hören! Ich hatte da- Messer Dem, dem e« gehört, zu einem guten Preise anzeboten. Er bat mich aber bei dem Geschäfte, da« ,ch machen wollte, bis zu einem gewissen Grade überlistet . . * Er hielt einen Augenblick inne und sah forschend, erwartung- voll auf Aaoette hm. Sie stand schwrrathmrud au seiner Montag den 3. September t89«. 88. JchMNg. sich getrauen, daß, ähnlich wie nach Ferry'S Wort. Jahre lang die Franzosen „hypnotisirt in da« Loch in den Vogesen" sahen, Deutschland sich gegen jede andere al« die socialistische und anarchistische Gefahr blind zeigen wird. Bei der Entscheidung der Frage, ob eine reich-gesetz liche Regelung deS Vereins- und VersammlungS- rcchtcS versucht oder den Einzelstaaten eine Verschärfung ihrer bezüglichen Gesetze überlassen werden soll, wird die Stellung, welche das Zentrum in dieser Frage einnimmt, den Ausschlag geben. Mehrfach ist die Ansicht ausgesprochen worden, daß wenigstens ein Thcil dieser Partei sich bestimmen lassen werde, an die Eindämmung der von SocialiSmus und Anarchismus drohenden Gefahr durch eine entsprechende rcichSgesctzliche Regelung des Vereins- und VersammlungS- rechtS mir Hand anzulrgen. Der „Wests. Merk." entzieht dieser Annahme den Boden, indem er schreibt: „Allein Anscheine nach fühlen sich die leitenden Eartelpolitiker jetzt stark genug, den Umweg über den preußischen CensuS-Landtag auszugeben und geraden Wege« aus ihr Ziel loözusleucrn: Angsiwahlen, um eine C o r telI me h rhe it im Reichs- tage zu erreichen. Tie schrecklich ausgemalt» socialdemokratisch, anarchistische Gefahr soll dasselbe erreichen Helsen, wie 1887 die Baracken und die Pikrinsäure Boulangers. Wenn der Plan der preußischen Sondergesctzgebung jetzt ausgegeben sein sollte, so hat er doch sein Gutes gehabt. Die vorgeschlagrnen Berelns- und Versammlungschikanen waren so uutaug- lich zur Bekämpfung der Anarchisten und sonstigen Umstürzler, aber so wohl geeignet zur Belästigung der kürzer- lichen Oppositionsparteien, daß selbst blöde Augen die Hinterlist und die verborgenen Zwecke der angeblichen Staatsretter zu erkennen vermochten. Dieses Vorspiel hat die Wähler hoffentlich „Helle" gemacht. Wenn eS aus Anlaß gescheiterter Zwaugsgcsetze zu „Angstwahlen" kommen sollte, so wird sich der besonnene Wähler sagen: Es handelt sich in Wirklichkeit nicht um „die Grundlagen der Staats, und Gesellschastsorduung", sondern ersten« um 100 Millionen neuer Steuern, welche die künftige Cartelmehrheit Herrn Miguel gern bewilligen möchte, und zweitens um die Beseitigung d«S ReichstagswahlrechtS, das die Cartelmehrheit sofort im Geiste her Geldherrschaft ver unstalten wird!" Da der „Westfäl. Merk." die Ansicht des konservativen Flügels der CcntrumSpartei wicderzuaeben pflegt, so ergiebt sich aus vieser Auslassung, daß im Reichstage eine Mehrheit für eine das Verein«- und Versammlung-recht regelnde Vor lage nicht zusammenzubrülgen sein wird und daß mithin nicht« Anderes übrig bleibt, als in den Einzelstaaten die Lücken der Gesetze über daS Verein«- und VersammlungSrecht in an gemessener Weise auszufüllen. Für die Conservaliven er- gicbl sich zu gleicher Zeit auS der Kundgebung deS „Wcstsäl. Merk." die deberzigenSwerlhe Lebre, daß ein konservativ- klerikales Bündniß ein Ding der Unmöglichkeit ist. Wiederholt ist in der letzten Zeit in böhmischen Blättern die Behauptnng ausgestellt und verbreitet worden, daß die Partei der radikalen Iungtschechen, nachdem sic von den noch radikaleren Omladinisten übertrumpft worden sei, sich einer immer weitergehcndcn Mäßigung befleißige. Tschechen freunde behaupteten sogar, daß die Zeit nicht mehr fern sei, in der die CoalitionSparteien und die Regierung mit den Iungtschechen einen Pact eingeben könne und werde. Wie eS nun mit dieser jungtschcchischcn Mäßigung in Wirklichkeit bestellt ist, zeigt eine Rede, welche der Führer der Iung tschechen, vr. Ednard Gregr, vor einigen Tagen in KnobiS bei Schlan in Böhmen gebalten hat. ES galt, eine Gedenk tafel an dem Geburtshause de- vor etwa 1'/, Jahren ver storbenen jungtschechischen Agitators Trojan zu enthüllen. 11r. Gregr sagte u. A.: Tschechisches Volk!! Am 12. Februar 1893 trauerte ganz Prag und das ganze tschechische Vaterland. Wem galt diese Trauer? Vielleicht einem erhabenen Fürsten, einem Herrscher ? Nein, seit langer Zeit schon werden die Herrscher des Königreiches Böhmen nicht mehr in unserem Vaterland« begraben. Wurde etwa ein sieg- reicher Heerführer begraben, der das Vaterland von sremden Ein- dringlingen befreit hätte? Nein, die Sühne des tschechischen Volkes kämpfen lange nicht mehr unter der Fahne des weißen Löwen. Oder hat man etwa einen hohen Würdenträger, »inen um das Volk verdienten Hausmeier bes Königreiche» Böhmen zu Grobe getragen ? Nein, die Re- gieruug des Königreiches Böhmen sitzt schon lange nicht mehr an den Moldau-Ufern, die Geschicke deS tschechischen Volkes werden von weither, von fremdem Lande auS geleitet. Wir habe» einen der besten Söhne des tschechischen Volkes, 1>r. Trojan, begraben. Redner schilderte iodann die Tdätigkeit 1)r. Trojan's seit dem Freiheits- jahr« 1848. I>r. Trojan hatte 30 Jahre hindurch an dem tschechischen Kampfe gegen das centraiistische Softem theilgenoniinen, weiche« das Königreich Bödmen zu einer bloße» Provinz, einer neuen „Crcatur" eines sogenannten CiSleithanicn Herabdrücke» wollte. l)r. Trojan, sagte I>r. Gregr, war einer der tavserslen Verfechter des historischen tschechischen Staat-rechtes, welches bedeutet, daß in unserem König- reiche der Tscheche sein eigener Herr sein soll, daß das Recht, hier Gesetze einzusühren, Steuer» einzutreiben, mit unserem Gelbe zu wirthschaslen, niemand anderes als das tschechische Volk mit dem gekrönten böhmischen Könige besitzt. (Stürmischer Beifall.) vr. Trojan habe nicht den großen Tag erlebt, an dein die Fesseln, durch welche die Rechte des böhmischen Königreiches ge bunden sind, gebrochen sein werden. So sei die Eroberung der Selbstständigkeit Böhmens zum Nachlasse Trosan's geworden. In einer Zeit, wo sich neue Strömungen kundgcben und eine neue Aera anbricht, müßte da- tschechische Volk zu Grunde gehen, wen» es sich aus di- vermoderten Säulen der alten Gesellschaft verlassen würde. Im Geiste Trojan - sei die Loosung zu befolgen: Auf- klärung, Fortschritt, Demokratie! (Lang anhaltender Applaus.) Von ihren materiellen Ansprüchen hat also die Iung- tscheckenpartei nicht ein Jota sabren lassen, nur in der Form will sie sich einer gewissen Mäßigung bedienen, aber auch da- nur, weil sie hofft, dadurch eher zum Ziele zu kommen. Die jungtschechische „ MäßigkeitSbcwcgung" entpuppt sich immer mehr al« da«, WaS sie thatsächlich ist, als tactischeS Manöver. Trotz Aufhebung de« Belagerungszustandes in Lictlien ist nach einer neueren Verfügung der italienischen Regierung die Rückgabe der beschlagnahmten Waffen suSpendirt worden. Wer den Charakter der Bevölkerung kennt und in Betracht zieht, daß sichere Beweise für ein Auf- leben der revolutionairen Agitation vorhanden, wird die Vorsicht der Regierung begreiflich finden. Nun werden aber gegen General Morra, den Vertreter der höchsten Staatsgewalt in Sicilien während des Belage rungszustandes, Vorwürfe erhoben, er habe trotz der langen Dauer und Unbeschränktheit seiner RcgierungS- gewalt der Wiederkehr vo» Unruhen nicht vorzubeugen vermocht, was seinem College» in der Lunigiana, dem Clenerat Heusch, gelungen sei. Es liegt auf der Hand, daß die Auf gabe deS letzteren weit weniger schwierig war als diejenige Morra's, nicht nur, weil sie sich aus eine der kleinsten Pro vinzen der Monarchie (mit 170 ooo Einwohnern) beschränkte, wäkrend Morra in einem sieben große Provinzen mit fast 3 Millionen Bewohnern umfassenden LandeStbcil von ganz besonders verwickelten Verhältnissen zu wirken batte, sonder» auch, weil die zu lösenden Fragen dort weit einfacher lagen als hier. In Maffa und Carrara bandelte eS sich um eine der gewöhnlichen Streitigkeiten zwischen den Arbeitern und einigen wenigen Arbeitgebern. Die Revolutionäre, welche sich in bewaffneten Banden vereinigten, benutzten jenen Streik nur als Mittel zur Entzündung einer Bewegung, welche mit der Streitfrage nichts zu thun hatte und binnen kurzem unterdrückt werden konnte. Den übrigbleibenden Dissens zwischen den Marmorgrubenbesitzern und den Arbeitern konnte der General Heusch ohne große Schwierigkeit beilege», da er durch persönliche Dazwischenkunst auf beide Theilc einwirkcn und beide sowohl von seinen guten Absichten wie von dem Vortheil überzeugen konnte, der ihnen aus der Einigung er wachsen müsse. AchnlicheS war in Sicilien nicht zu erwarten. Ein Kenner der Verhältnisse berichtet darüber: Hier sind die Uebelslände durchaus nicht moderner und rein vertragsmäßiger Natur, also auch nicht durch die Betbätigung guten Willens seitens der Vertragsparteien zu beseitigen. Sie sind Jahr- Hunderte ait und sehr verschiedenartiger Natur, so daß eS uach dem Urtheil der Kenner auch den vereinte» Bemühungen der Regierung und des Parlaments nur schwer und langsam gelingen wird, ihrer Herr zu werden. Man konnte nicht verlangen, daß ein Statthalter ie innerhalb weniger Monate beseitigen sollte. Er hätte es nicht zekonnt, selbst wenn ihm die Zustimmung aller streitenden Parteien icher gewesen wäre. Denn es bedürfte dazu der Abänderung zahl- reicher Gesetze, die er, der nicht Diktator, sondern nur bevollmächtigter Regierungevertrelerwar,selbstverständlich nichtvorzunehmcn vermochte. Auch die Einwirkung aus die Grundbesitzer durch Ucberredung war bei der großen Ausdehnung des Gebietes und den vielen wider- streitenden Interessen und Ansichten ungleich schwieriger als in Masja-Carrara. Wenn hier die unmittelbaren und ersichtliche» Interessen der Arbeitergeber zu einem Ausgleich riethen, der die Wiederaufnahme der industriellen Tdätigkeit gestattete, so wären von den zahlreichen mit dem gegenwärtigen Zustande zufriedenen, vielfach in Vvrurtkeilen befangenen Grundherren Sicilien« unmittel bare und empfindliche Opfer zu verlangen gewesen, sollten die Ursachen der Gäbrung auch nur zuin Theil beseitigt werden. Ties überstieg die Kräfte jedwedcS Statthalters. Man wird von Glück sagen dürfen, wenn nach einer Reihe von Jahren constalirt werden kann, daß diese Aufgabe nicht auch die Kräfte der Volksvertretung und der Staatsgewalt überstiegen hat. Schon vor längerer Zeit ist die russische Regierung zur lieber,eugung gelangt, daß die bis jetzt in Rußland geltende Patzordnung als veraltet betrachtet werden muß, und eö wurde daher unter den, Vorsitze deS Gebcim- ratkeS Slabvdtschikow eine Commission eingesetzt, welche den Auftrag erhielt, einen Vorschlag zu einer durchgreifenden Reform de- PaßwescnS auSzuarbeite». Die Arbeiten dieser Commission dürsten zwar noch »ichrere Wochen dauern, aber alles deutet daraus bin. daß der von der Commission auS- gearbeitele Reformoorschlag Mitte November dem ReichSrathe zur Behandlung übergeben werde» dürste, sodaß derselbe Anfang- Dccembcr dem Kaiser wird zur Sanetion vorgelcgt werden könne». Der in Ausarbeitung begriffene Resormvorschlag wird als ein nicht unbedeutender Fortschritt bezeichnet, weil er eine weit größere Freizügigkeit gestattet, als eS bisher der Fall ist. Auch verdient bervorgehobcn zu werden, daß die Commission bei der Ausarbeitung ihrer Vorschläge sich im allgemeinen von durchaus humanem Geiste leiten läßt. So haben die Commissionsmitglieder beispielsweise einstimmig in Vorschlag gebracht, die mit Bezug aus bestrafte Personen noch heute geltenden sehr peinlichen Bestimmungen entweder ganz aufzuhebcn oder jedenfalls gründlich abzu- ändern. Bis jetzt wurden die Legitimation-papiere von Personen, die eine Strafe verbüßt haben, mit einem rothen Stempel verscben (L. O. P, d. h. „aller Rechte verlustig," oder O. N. P., d. h. „einiger Rechte verlustig"), und man kann sich leicht vorstellen, welche moralische Leiden e« den Betreffenden verursachen muß, wenn sic überall und bei den mannigfachsten Gelegenheiten gezwungen sind, z. B. beim Absteige» in einem Hotel, beim Miclben einer Wohnung, wenn sie eine Anstellung suche», Briese auf der Post abholen wollen u. s. w., ihre Legitimation-papiere vor- ulcgen. Sehr oft wird eS den mit einem solchen Paß Ver- ehenen geradezu unmöglich gemacht, Arbeit zu erhalten, und nur zu viele von diese» Unglücklichen werden dadurch in die Reihe der Verbrecher oder Bettler getrieben. Von Seiten des Staates selbst ist eS ihnen somit unendlich schwer gemacht worden, ihr Brvd in ehrlicher Weise zu verdiene». Die Com mission ist nun von der Ansicht ausgegangen, daß Derjenige, welcher gegen die Gesetze der bestehenden Gesellschaftsordnung gesündigt und die dafür bestimmte Strafe verbüßt hat, keineswegs gebindert werden dürfe, in der Zukunft ehrlich zu leben; die Commission schlägt deshalb vor, baß mir in ganz außerordentlichen Fällen die Pässe der bestraften Individuen eine hierauf bezügliche Anmerkung tragen dürfen. Deutsches Reich. * Berlin, 2. September. In Anwesenheit deS Kaiser» und der Kaiserin fand heute Vormittag ll Uhr im Mau soleum zu Charlottenburg aus Anlaß der daselbst er folgten Altsstellung der Sarkophage des kochseligcn Kaisers Wilhelm I. und der Kaiserin Augnsta eine erbebende Feier statt. Die Altarwand deS Mauso- Seite, gezwungen zu hören, was er spracki, und fühlend, daß die Krisis in dem Verhältnisse zu ihrem Vater gekommen sei. „Wenn Du einen sehr lieben Freund hättest", fuhr er plötzlich fort, „der sich in großer Gefahr befände, und Du könntest ihn retten, — würdest Du'S thun, be?" „Gewiß!" versetzte Annette mit bleichen Lippen. „Eh, recht so! Ich wußte daS, und demgemäß habe ich gehandelt." „Aber laß mich meine Freunde auf meine Weise retten!" brach eS jäh und angstvoll auS Annette hervor. „Wie soll ick Deine Worte deuten? WaS hast Du gethan? In welcher Weise hast Du Dich meines NamcnS bedient?" „Bah, wie sich'» gehörte! Deine und meine Interessen sind dieselben. Wir stehen und fallen mit einander!" „Es ist nicht so!" erklärte Annette entschlossen, obwohl vor Angst und Aufregung bebend. „Ich bin nicht verant wortlich für den Gebrauch, den Tu von meinem Namen gemacht! Noch einmal, Vater, WaS hast Du gcthau?" „Nicht-AndereS, als Du selbst gewünscht haben würdest!" bethcuerte der Doctor zornig, nur mit Mühe an sich ballend, um eS in diesem kritischen Moment nicht mit seiner Tochter zu verderben. „Ich habe um Deinetwillen meine Rache bintangesetzt. Aber ich will nicht länger warten, ich will Entscheidung haben. Ich werde dem Eigentbümer da» Messer noch einmal zum Kauf anbieten — diesmal zu anderen Bedingungen, aber mag er eilen, sie anzunehmen! Wenn er zögert, wenn er noch einmal versucht, mir zu entschlüpfen, geht mein kostbare» Beweisstück in die Hände deS Gerichts statt in seine Hände, und ich klage ihn an!" Annette schwankte, zitternd zwischen der Hoffnung, daß all' da- Schreckliche, da» sie hörte, da- Schreckliche, da- sie zu ahnen und zu verstehen begann, nur riu Spiel sei, da- «hr Vater für seine Zwecke mit ihr spiele, und der bangen Ueberzeugung, daß e« Wirklichkeit sei: „WaS ist - mit diesem Messer, Vater, WaS sagt eS?" fragte sie matt, kaum wissend, wa« sic sprach. „WaS r« ist?" fuhr er tückisch und triumtzhirend ans. ei, nicht« Geringere- al« da- Werkzeug, mit dem der alte rale ermordet wurde — von mir auf seinem Leichnam gesunden und in aller Still» bei Seite gebracht l Und wa< eS sagt? ES sagt, daß es ein anatomisches Instrument ist, ein Stück auS dem chirurgischen Besteck eine- Wundarztes oder Anatomen — ein Werkzeug mit dem eingravirte» Namen seine- Eigentbümer- aus dem Elsenbeingrifs — hier, sieb' her und lies: Falconer Thrale.... Tu weißt, das; Falconer Thrale der eifrige AllerweltS- Anatom ist, der die vergleichende Anatomie seinem Vater zum Trotz zu seinem leidenschaftlich betriebenen Special-Studium gemacht!" Annette stieß einen Schrei des Entsetzen» au«. „Vater — Vater", schrie sic aus, „willst Du sagen, daß Falconer — Falconer eS gewesen, der. . . „Ich will sagen, daß Falconer — Falconer Thrale, der Sohn des ermordeten allen Thrale, der Mörder seines Vaters ist und eS von mir abbängt, ob er binnen kürzester Zeit unter der Anklage dieses Verbrechens bei erdrückendsten Beweisen vor den Schranken deS Gerichte« sieben soll oder nicht? He, sprich, willst Du mir jetzt Helsen ihn retten?" Annette war langsam auf einen Stuhl niedcrgesunken und starrte mit brennendem Auge auf ihren Vater bin. Tiefe Stille herrschte in dem Raum, nur unterbrochen durch da- Geräusch von Annette - schweren Athemzügen. Newbott batte sich gleichfalls auf einen Stuhl niedergelassen und brütete eine Zeit lang schweigend vor sich hin; er fchicn die Anwesenheit Annette - vergessen zu haben. Diese hatte allmählich einen Tbeil ihrer Fassung wiedcr- gewonnen. „Vater", begann sie plötzlich, den Blick starr aus ihn geheftet, in flüsterndem Ton: „War Falconer » Einwilligung, mich zu seinem Weibe zu nehmen, der Preis, den Du von ihm sur da- Messer fordertest?" Der Doctor bewegte unruhig seine mit den schlotternden Pantoffeln bekleideten Füße, erhob sich von seinem Stuhl und stand, mit der einen Hand auf den Tisch gestützt, halb von ihr abgewendet. „Du mußt ihn nicht zu hart bcurtheilen", sagte er aus weichend. „Falconer ist — hm, ec ist nicht so schleckt, wie eS aus den ersten Blick erscheinen mag. Es giebt gewisse Umstände, die ihm zur Entschuldigung gereichen und die — hm — mir bekannt sind. Aber, we-balb noch lange darüber reden", fuhr er plötzlich wieder erregt aus, sich von seiner gebeugten Haltung loSreißeud und voll zu Annette wendend. „Du kannst ihn nicht mcbr bekommen — Du magst ihn wollen oder nicht. Der Hallunke ist vcrheiralhct! Aber er soll mir zahlen für das Messer — viel — sein halbes Ver möge»! Ich halte gedacht, durch Dich daS ganze Vermögen an uns zu bringen — eS ist mißglückt! Wir müssen unS mit weniger begnügen, Annette, aber diese« Wenig soll viel sein — viel, sag' ich — sein halbes Vermögen — nein» mehr als die Halste, viel mehr — wir werde» ihm nur so viel lassen, als nöthig ist, um zum Schein seine Stellung ausrecht zu erkalten, damit man nichts merkt! Ha, Du mußt darin mit mir Hand in Hand geben, Mädchen, Tu kannst nicht ander«, Du mußt eS um Deiner Racke willen, wenn Du ihn hassest, weil er Dir entgangen, und mußt eS, um ihn zu reiten, wenn Du ihn »och liebst! Annette, man kann nicht wissen — seine Frau kann sterben, ist vielleicht schon todt — sie ist verschwunden .. ." Er war ibr mit funkelnden Augen einen Schritt »aber getreten und wollte vertraulich die Hand auf ihre Schulter legen. Mil einem leise», heisere» Schrei stieß sie diese Hand urück, sprang ans und flog zur Thür. Sie riß sic aus und lob die Treppe dinab, kaum wissend, wie sie auS dem Zimmer entkommen, noch was sie beginne. Im unteren Flur ergriff sie ibren leichten Strohbut, der dort zu kleineren AuSgäugen in'« Dorf bereit hing, »nd verließ das HauS, eilte durch den Vorgarten aus die freie ländliche Straße binau- Erst als sic weit genug hinweg war, um durch die Bäume der Straße und die Hecke» der Gärten das HauS ihren Blicken entzogen zu scben, machte sic schwcratbmcnd Halt und überlegte, wohin sie sich in ihrer Anast und Noth dieses schrecklichen Momente- wenden solle Ein Herz in diefer Welt gab eS, sagte sie sich, da- sie verstand; ein Antlitz, verklärend vor ibrem Auge über all diesem Elend und Unheil, sanft, gütig, tbeilnahmvoll, sie rufend, zu ihm zu kommen und bei ibm Beistand, Trost und Kraft zu suchen. Ihre Schrille wendeten sich voll Hast der Richtung nach dem kleinen Heim Jane Browne's zu. (Fortsetzung solgt.)
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