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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940908024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894090802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894090802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-08
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Vez«g-.Prets UUA vtL VökSkUU ttNtyteteu «>A» qabestelle» ab,»holt: vierteljährlich ^l4.SH bei zweimaliger täglicher Zustellnng ins Han» » ückO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliührlich ü.—. Direct» täglich« Kreuzbondsendnag tat «nSland: monatlich ^l 7.50. Lr-actioa vud Lr-eMou: Iohan»es>«ffe 8. Die Erprdition ist Wochentag» nanuterbroche» grbffuet von sriih 8 btt Abend« 7 Uhr. Filialen: vtl» Ule»»'« Larti». (Alfred HpH»>» Universitütsstraß. 1. Lo»i« Lösche, >»1tzart»e»str. 1«, Part, and Könla-pkatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. «nzetge«og)re1» die 6 gespaltene Petit^eile 20 Psg. Aeelame» nater dem RederctionSstttch (««» spalten) bO-C, vor den Fcimiliennachrichk» (6 gespalten) 40 Gröbere Schriften lant unserem Preid» verzeichnib- Tabellarischer nnd Zifferusatz nach höherem Daris. Extra-Beilage« (gesalzt), »ne mit de. Morgen-Au«gabe, ohne PostbesSrdernog 60.—, mit Postbesördet ang ^l 70.—. Aunahmrschluß für Anzeigen: >b»nd-Sn»gab«: Bormitiog» 10 Uhr. Margen-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- »ud Festtag» früh» '/,9 Uhr. Bet de» Filiale» und Annahinestellen je et« halb« Stnud« früher. >«»etg«« sind stet- an die Gxpedttla» zu richten. Druck »ud Bering von E. Pol'z t» Leipzig Sonnabend den 8. September 1894. 88. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den S. September, Vormittags nur bis V-9 Uhr geöffnet. Expedition des I^elprlxer ^u^eiilnttes. Die Lönigsberger Laiferrede. * Schon mehr al» einmal hat Kaiser Wilhelm II. sich ge- nöthigt gesehen, jenen um da» Banner der „Kreuzzeitung" ßeschaarlen „conservativen" Elementen, welche die Erfüllung ihrer extremsten Forderungen als ihr gute» Recht betrachten, dem selbst die königliche Gewalt sich beugen müsse, unzwei deutig klar zu machen, daß diese Gewalt die Pflicht hat,alle berechtigten Interessen zu wahren und deshalb auf daS Ent schiedenste jene Forderungen zurückzuweisen, die mit demGemein- wohle unverträglich sind. Aber so oft auch diese Elemente eine solche Zurückweisung haben erfahren müssen, ebenso oft haben sie aus» Neue ihre ausschweifenden Wünsche als summa lor hin gestellt und sind endlich vor der Drvbung nicht zurückgeschreckt, mit der radikalsten Opposition sich zu verbünden, wenn ihnen nicht der Wille gethan werde. Uno gerade weil dem Reiche und seinen Gliedern gerade jetzt besondere Gefahr von den Elementen de» Umstürze» droht, glaubten sie mit ihren Drohungen um so sicherer ihr Ziel zu erreichen. Besonder» hockfliegcade Hoffnungen knüpften sie an den Besuch de» Kaiser in Ostpreußen, wo sie Gelegenheit zu haben meinten, den Mon archen für sich und ihre Wunsche zu gewinnen. Wie ein Blitz au» heiterem Himmel trifft sie daher die Rede, die der Kaiser vorgestern bei dem Paradediner in Königsberg gehalten und die ihnen beweist, daß sie sich wieder einmal getäuscht und durch die Maßlosigkeit ihrer Agitationen von dem erträumten Ziele sich weiter al- je entfernt haben. DaS wissen sie recht gut, daß der Kaiser ihnen da» verfassungsmäßige Recht, in den Parlamenten ihrerUeberzeugung vffenenAuSvruck zu geben, nicht beschneiden will und kann. Sie wissen daher auch ganz gut, daß sie nicht im Stande sind, die Demokratie zur Ver- theidigung bedrohter parlamentarischer Rechte aufzufordern. Um so tiefer aber ist ihre Niedergeschlagenheit, die bi» jetzt noch keine Worte gefunden hat. Wa» ihnen der Kaiser zürnst und wa» er von ihnen fordert, ist nicht» al» eine Beschränkung auf die verfaffunamäßiaen Rechte, als eine Rückkehr auf den allen monarchischen Parteien gemeinsamen Boden, al» die Enthaltung von einer wüsten und drohenden Agitation, al« ein ernste» Mitarbeiten an Werken zum Besten der Allgemeinheit und al» ein Sichanschließen an die übrigen staatserhaltenden Kräfte zur Bekämpfung der ans den Umsturz des Bestehenden gerichteten Bestrebungen. Dieser Ruf wendet sich so eindringlich an da» wahrhaft conservative Bewußtsein, daß er ein Echo finden wird in allen den Kreisen, in denen nicht grober Egoismus und maßlose Herrschsucht da» bessere Gefühl er stickt haben. So müssen gerade Diejenigen, an welche der Tadel und die Mahnung des Kaisers sich richten, sich zu isoliren fürchten, wenn sie diese Mahnung in den Wind schlagen und auf de» Bahnen beharren, die der scharfe Tadel deS Kaisers trifft. Daß in gemäßiat-conservativen Kreisen die kaiserliche Mahnung Widerhall findet, ergiebt sich auö folgender Aeußerung de« „Hamb. Eorr.": „In kräftigen Worten hat der Hohe Herr betont, wie er seinen Pflichten landesherrlicher Fürsorge gerade sür diejenigen Provinzen, in denen er gegenwärtig weilt, treu und eifrig uachgekommen sei. wie er aber auch da» Recht, daß man seine Absichten nicht verkenne oder mißdeute, sondern sie mit Hingabe unterstütze, in Anspruch nehme. Im Osten Preußens hat der Widerstand gegen den russischen Handelsvertrag sich am hartnäckigsten ge zeigt, und Männer, die nach Tradition und Lebensstellung sonst dem Throne am nächsten stehen, hatten an der Spitze der Gegner der kaiserlichen Politik gestanden. An sie vornehmlich ist das ernst« Kaiserwort gerichtet, das in die Verheißung ausklingt, die Vergangenheit solle vergessen sein, und in die Mahnung, fest, treu, entschlossen zum Kaiser zu halten in dem Kampfe gegen den Umsturz für eine friedliche nnd gedeihliche Entwicklung. Bon den Führern der preußischen Conservativen wird man auf dies« klare Ansprache eine ebenso klare Antwort er warten müssen, sie kann entscheidend sür den Sang der Dinge in Preußen und im Reiche werden." Hochwillkommen ist den freiconservativen Kreisen der Mahn- und Sammelruf des Kaiser«, wie au» folgender Auslassung der „Post" sich ergiebt: „Der Kaiser Hot in dem Trinkspruche auf di« Provinz Ostpreußen den Ruf zum Kampf« gegen die Socialdemokratt« aus- gegeben. Dieser Ausruf zum Kampfe „für Religion, sür Sitte und Ordnung, gegen die Parteien de» Umstürze»" wird mächtigen Wieder- hall erregen, saßt er doch das Sesühl zusammen, da- während der letzten Monde in der Nation immer mehr zum Durchbruch ge kommen ist: wo noch Ungewißheit und Unsicherheit geherrscht haben mögen, ihnen macht er rin Ende. Der Kaiser hat in seiner Rede alte Traditionen seine» Hause- wachgerusen, auf di« wir Preußen mit Stolz zurückzublicken gewohnt sind. Ihnen entspricht es, daß der Souverän selbst die Parole dieses Kampfe» auSgiebt. Dem gegenüber wird auch da- Volk den Beweis nicht schuldig bleiben, daß die Treue der Väter ihm nicht verloren gegangen ist, und in freudiger Nachfolge der Welt zeigen, daß ein monarchisch gesestigte- Staatswesen, wie da» unsrig«, dem Wühlen der Socialdemokratt« und den Teufeleien des Anarchismus gewachsen ist." Am schärfsten hat die maßlose Agitation und Verhetzung de» extremen „ConservatiSmuS" gegen die Nationallibe ralen sich gerichtet, weil sie am entschiedensten die Pflicht aller staatserhaltenden Kräfte betonen, alle Sonderintereffen binter das Allgemeinwohl zurückzustellen. Zn den national liberalen Organen findet daher die Rede de« Kaiser- unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß sie die parlamen tarischen Rechte keiner Partei zu beschränken beabsichtige, um so freudigere Aufnahme, je bestimmter der Kaiser die gemein- same Pflicht von Regierung und Volk betont, für Religion, sür Sitte und Ordnung gegen die Parteien des Umsturzes rinzutreten. So schreibt die „Nat.-Lib.-Corr.": „Ein kräftiges Königswort zur rechten Zeit ist aus dein Munde unsere- Kaiser«- in Königsberg erschollen, eine überaus scharfe Berurtheilung der Richtung und de» Treibens, welche in der conservativen Partei unter Führung der „Kreuzzeitung" und der agrarischen Hetzblätter seit Jahr und Tag um sich gegriffen. Der politisch berechtigte, die Ehrfurcht vor der Krone und das Wohl des Staats als obersten Grundsatz betrachtend« Konservatismus ist mehr und mehr von der eigenen Partei angefeindet und hinau-gedrängt worden: statt dessen beherrscht jetzt eine wühlende agitatorisch« Thätig- keit die Kreise dieser Partei, di« ihre Pflicht, ihre Gefthichlr und Ausgabe vergessen hat und nicht mehr in einer ruhigen, stetigen, verständig erhaltenden Politik, sondern in der Aufstachelung von Leiden- schäften und SonLerinteresse» ihren Lebenszweck erblickt. Zu lange hatte sich die conservative Partei in der Gunst der Krone gesonnt und daraus ein ganz unberechtigtes Selbstgefühl ge- lchöpst; sie hielt sich sür unentbehrlich zur Erhaltung eine- monarchischen Staate- und kam aus dem Vorurtheil nicht heraus, daß wir noch immer wie vor Jahrhunderten eia feudaler Grobgrundbesitzerstaat seien. Di« Unduldsamkeit und der Haß gegen alle andern berechtigten Bestrebungen, die Mißachtung aller Be dürfnisse und Anforderungen der neuen Zeit haben die Partei immer mehr dahin gebracht, daß sie statt einer den Staat er- haltenden und stützenden Macht ein Hemniß auch der berechtigtsten und nothwrndigsten Fortentwicklung geworden ist und zu den gefährlichen zersetzenden Bestrebungen in unserm Volk einen starken Beitrag geliefert hat. Hoffentlich hat das Kaiser wort die Wirkung einer Einkehr und Umkehr in den besseren und maßvolleren Kreise» der Pattei. Es könnt« daraus eine Wandlung in derselben hervorgehen, die wir sür di« Gesundung unserer politischen Zustände als höchst wünschen-- Werth begrüßen würden. Ueberaus treffend ist di« Abwedr des Kaisers gegen die Unterstellungen, al» ob er die Nothlage der Land- wirthschast verkenne oder geringschätze, der Hinweis aus das, wa» in den letzten Jahren für die Landwirthschost gerade der beiden öst lichsten Provinzen geschehen, und die Mahnung, bet augenblicklichen Mißständen nicht gleich zu verzagen." Und die „Köln. Ztg." sagt am Schluffe einer längeren Ausführung: „Selten war wohl so viel Anlaß zu dieser Mahnung vorhanden al- jetzt, wo die Agrarier und di« große Mehrheit de- Adels eine Politik betreiben, die an nackter Interessenvertretung der social- demokratischen Arbeiterpattei nicht» nachgiebt. Wir wiederholen, die Erklärung des Kaiser- ist klar und unumwunden, und darin liegt ihre Bedeutung in der Gegenwart. Für die Zukunst wird ihr« Bedeutung darin liegen, ob die Agrarier, oder richtiger gesagt, ob ihre Leiter, die „Kreuzzeitung" und Herr von Hammerstein, sich dem kaiserlichen Willen beugen oder sich in aller Form al» eine Oppositionspartei gegen di« Regierung und gegen den Kaiser aus- thua werden. Das Programm des Herrn von Hammerstein und sein« heute in der coaservattvrn Partei maßgebend« Politik kann jetzt nur unter regelrechter und formeller Opposition gegen den Kaiser weitergesührt werden, und es fragt sich, ob Herr v. Haminersiein da- wogen und ob er in der conservativen Partei allgemein« Nachfolge finden wird. Wenn er es thut und wenn die conser- vative Partei «ine ossittelle Oppositionspartei gegen di« Regierung und den Kaiser werdea will, so wird auch di« Regierung die nolhigen Folgerungen ziehen müssen, und daS wäre das Ende der conservativen Pattei, die namentlich im Osten nur durch Unterstützung und Duldung der Regierung die heute von ihr eingenommene Stelluna behaupten kann. Der Ausruf des Kaisers zum Kampf« gegen die Umsturz. Parteien ist mit dem heutigen Programm der Conservativen unvereinbar, denn, wenn ein solcher Kamps Aussicht aus Erfolg haben soll, so muß er mit vereinten Kräften unternommen werden, nicht nur von den Conservativen, sondern von alten Parteien, denen die Erhaltung unserer heutigen Lultur am Herzen liegt. Da aber die Hammerslein und Genossen die ent schiedensten Feinde einer solchen Zusammroschiießung aller slaatS- erhallenden Parteien sind, so ist nicht abzusehen, wie die Conser- vattven in nützlicher Weise an diesem Wette Mitarbeiten können, ehe sie sich nicht der heutigen Führung entledigt und maßvolle Männer an ihre Spitze gestellt haben, die auch sür andere ai» rein selbstische Zwecke Versländniß und Gefühl haben." Auch folgende AuSlaffung der Bert. „Neuest. Rachr." sei: erwähnt: „Daß der Kaiser zum Kampfe gegen die finsteren Gewalten d«S Umsturz«- ausruft, wird allenthalben — vor allem auch in den bürgerlichen Kreisen, weiche die kaiserliche Apostrophe sittlich nicht berührt — als eine erlösend« Thal begrüßt werden. Diese» Wort zeigt den Weg aus all den Zweifeln heraus, in di» «ine schwächlich«, unentschlossene Politik den Slaat-wagen hat gleiten lassen. Den Erörterungen, ob di« Socialdemokatie fürder ai- eine gleichberechtigte politische Anschauung betrachtet und behandelt werden soll oder ob der Staat Mittel anzuwenden habe, wie sie ein ehrlicher Krieg gegenüber den, Feinde in Kraft setzt, dürste nun «in erwünschtes Ende gekommen sein. An diesem Puncte scheint die Rede des Monarchen in die Bahnen zurückzuleiten, in welchen eine zielbewußt« Staaisleitung ehedem den Weg zur Größe des nationalen Gemeinwesen- und zu seinem Gedeihen ge sunden hat". Sehr begreiflich ist, daß gerade wegen ihre» Aufrufs zum Kampfe gegen die finsteren Mächte des Umsturzes die kaiser liche Rede bei der „freisinnigen" und der demo kratischen Presse eine unliebsame Ueberraschung bcrvor- aerufcn hat. Aus dieser Empfindung heraus giebt die „Franks. Ztg." sich Mühe, die Bedeutung de» kaiserlichen TavelS ab» zuschwächeu. Sie sagt: „Wenn irgendwo noch ein Zweifel darüber bestanden haben sollte, daß trotz manchen scharfen Wortes, das namentlich der Reichskanzler Gras Caprivi der zügellosen Begehrlichkeit und dem anmaßenden »Uebrrmuth des ostpreußijchen JunkerthumS entgegengesetzt hat, die agrarisch« Opposition in de« höchsten Kreisen weniger mit dem Gefühl des Zornes, al» mit jener schmerzlichenWehmuth bendachtet «vor- den sei, mit der man etwa da» Treiben de< mißratheneu und doch immer noch heißgeliebten Sohnes verfolgt — so must nach der Rede des Kaiser- in Königsberg dieser Zweifel gründlich gehoben sein. Tenn so wie der Kaiser zu dem ostpreußijchen Adel, so spricht die chwergekränkte Liebe und Freundschaft, Li« durch keine Kränkung aus dem Herzen gerissen werden kann. Sie waren schwer, sehr schwer, die Kränkungen, die das schreiende Junkerthum dem ihm so wohlgeneigten König angethau; ist man doch so weit gegangen, mit dem Ueber- lausen zur Socialdemokratie zu drohen, den Kaiser direct als einen Gegner besten zu bezeichnen, was di« Agrarier „Hebung und Förderung der Landwirthschasl" nennen, vor den schwersten Verunglimpfungen der obersten Rathgeber de» Kaisers und der Regierung-Politik ist man nicht zurückgeschreckt, kurz, man hat sich der Mittel bedient, deren Anwendung daS xnvtlvgtiim oäioeum der „gewerbsmäßigen Opposition" sein sollte. Der Schmerz über diese Verirrung de- geliebten Sohne» oder Freunde- mußte um so größer seiu, als, wie der Kaiser zahlenmäßig darthut, Wohlthaten in reicherer Fülle über ihn auSgegoffen worden ind, al» über andere, die sich niemals zu gleichem Thun haben hinreißen lasten. Aber wenn die Schuld auf der einen Seite groß, größer ist doch auf der anderen Seite die Liebe, deren schönstes Recht das Vergeben und Vergessen ist. Und vergeben und ver gessen, ausgelöscht soll Alle- sein, was die Plötz'schen getttebe» und gethan, wenn sie eintreten wolle» durch die allzeit offene Thür des kaiserlichen Hauses, wenn sie das „Schreien" «iustellen und „stillhalten", vor Allein aber in Gemeinschaft mit dem gesummten Adel der deutschen Nation de» Kampf sür Religion, Sitte und Ordnung gegen die Mächte des Umstürze» führen wollen." Kurz, da» Organ der süddeutschen Demokratie sucht den Gesinnungsgenossen, um sie zu desto schärferer Opposition wider jede» Vergeben gegen die Unislurzparteien anzuregea, klar zu machen, daß dcu KreuzzeitunzSlcuten jeder Wunsch werde erfüllt werden, wenn sie nur de» Feldzug gegen jene Parteien mitmache». Es ist wobt kaum nötbig zu sage», daß der Kaiser mit seine» eigenen Worten sich in Widerspruch setzen würde, wenn er als Belobnung sür eine von Allen geforderte Pflichterfüllung Wünsche Einzelner befriedigen wollte, die er al» übertrieben zurückwcist. Seme Worte bewegen sich genau aus derselben Grundlinie, wie jene schon oft von uns citirte kaiserliche Kundgebung im „NeichSanzeigcr" vom 2. Lctobcr 1889: Se. Majestät der Kaiser und König hat von dem Inhalt der „Kreuzzeitung" vom 26 v, M. Kcuntaiß genommen und di« dann ausgesprochenen politischen Auffastungen und Angriffe aus andere Fractionen lebhaft gemißbilligt. Se. Majestät gestatten keiner Partei, sich das Ansehen zu ge-Lenr, als besäße dieselbe das kaiserliche Ohr. Der Kaiser sieht aber in der Verständigung und gegenseitigen Schonung der staatSerhaltende» Parteien unter einander eine für unser parlamentarisches Leben sachlich nützlich» Einrich tung und hat die Allerhöchste Mißbilligung der dagegen von der „Kreuzzeitung" erichtetcn Angriffe und Insinuationen unzwei- eutig ausgesprochen. Se. Majestät lieht in dem Cartei eine den Grundsätzen Seiner Regier,ingent- sprechende politische Gestaltung und vermag die Mittel, mit Lenen die „Kreuzzeitung" dasselbe angreist, mit der Achtung vor der Allerhöchsten Person und vor unseren verfassungsmäßigen Institutionen nicht in Einklang zu dringen. Daß die Herren, welche jene Kundgebung ebenso trifft» wie die jetzige Rebe de» Kaisers, den Sinn derselben genau verstanden haben, das geht au» ihrem beredten Schweigen klar hervor. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. September. Ueber den unlauteren Wettbewerb im Handel und Ge werbe werden am l8. dieses MonatS in Braunschweig verschiedene nordwestdeutschc Handelskammern Be- Sein Weib. Roman frei nach dem Englischen von Emil Beruseld. Nachdruck »erböte». (Fortsetzung.) Endlich hatte ich den Kamin erreicht, fand auf ihm daS Feuerzeug und zündete ein Streichhölzchen an. Ich leuchtete bei dem Schein desselben in dem Raume umher, sah, daß er leer war und schritt zur Thür. Auch das Vorgcmach War dunkel und leer: man war im Hause offenbar zur Rübe gegangen. Ich gelaugte bei dem Leuchten meine« Streich hölzchen» noch durch da» vorderste Zimmer, dann erlosch dasselbe. Hier jedoch befand ich mich gegenüber dem Arbeits zimmer meine« VaierS, aus dessen unterer Tbürspalte und dem Schlüsselloch ein schmaler Lichtstrom schimmerte. Es War die» jedoch noch kein Zeichen, daß er sich darin befand oder auch nur noch nicht sein Lager ausgesucht habe. Er pflegte in diesem Zimmer die ganze Nacht bindurch Licht brennen zu lassen, da er häufig an Schlaflosigkeit litt und dann sein Bett verließ und diese- Gemach aufsuchte, um hier lesend oder rauchend zu verweilen. Ich war daher, al» ich aus die Thür de» verhängnißvollen Zimmers zuschritt, noch ganz ungewiß, ob ich ihn in demselben antreffen werde oder nicht. Zn dieser Ungewißheit öffnete ich die Thür und trat ein. Nur eine einzelne Lampe brannte in dem Gemache, aber ihr Licht reichte hi», mich, der ich au« der Dunkelbcit kam, zu blenden, ich sah deshalb nur unvollkommen. Auf dem Tische mir zunächst lag da- Besteck, geöffnet, wie ich eS hingelegt, daS mir durch seine bell glänzenden Klingen in» Auge fiel. Ich trat an den Tisch und nahm e« au mich. Dabei erblickte ich die Gestalt meine» Vater» in seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch, mir noch halb verdeckt durch die Lampe und einen Tbcil de» Tiscbaufsatze». Bei seinem Anblicke — e» ist furchtbar, Jane, eS auszusprechen, und e» hat sich schwer an mir gerächt — bei seinem Anblicke bäumte sich noch einmal der alle Trotz in mir empor, brauste von Neuem der alte Groll in mir auf und drohte «ich hinweazurcißen. Die Lippe» fest aus einander gepreßt, trat ich auf ihn zu. Wa» ich beabsichtigte, weiß ich selbst picht zu sagen, »och war e« mir damals klar, aber ich staube, Jane, ich wäre in jenem Moment de» Wahnsinn» ähig gewesen, Gewalt gegen ihn anzuwenden, um ihn zur Herausgabe meine« mütterlichen Vermögen-, da» mein war, zu zwingen! Zudem ich auf ihn zutrat, sah ich deutlicher, erschrak plötzlich, vlieb stehen und starrte wie grläbmt aus ibn hin. Ich hatte geglaubt, ihn aufrecht an dem Tisch sitzend zu finden, schweigend mit seinem Auge voll Wuth und Zurückweisung mir entgrgenblickend. Es war nicht so. Ich sah ihn, wie Sie au» der Erzählung von der Mordthat wissen, daß man ihn gefunden — obwohl ich in diesem fürchterlichen Augenblicke noch nicht begriff, wa» ich sah! Er saß in seinem Stuhl, aber sein Oberkörper war vornüber gesunken und ruhte, die Arme vor sich hingestreckt, da« Gesicht verborgen, regungslos aus dem Tische. Ich stand erstarrt, entsetzt, regungslos wie er selbst! Mein Kopf brauste, mein Herz pochte wild, meine Glieder bebten! E» war nicht Erschütterung, nicht Theilnahme, nicht Reue oder Selbstvorwurf, was ich empfand, eS war in diesem Moment nur überwältigende» Entsetzen, kalter, lähmender Schrecken. Ich vermochte nicht den Gedanken zu fassen, zu ibm zu springen und ihm Hilfe zu leisten, mir kam nicht der natürliche Impuls zu sehen, wa« mit ihm sei — ein ParoxySmuS irrer, wilder Verstörtheit hatte sich meiner bemächtigt und ließ mich nur Einen Trieb empfinden, diesem Anblicke hier vor mir zu cntflieben, vem Hause für immer den Rücken zu kebren! Ick, stürzte zu dem Zimmer hinaus, eilte zu der Thür nach der Terrasse, die ich mit dem von innen steckenden Schlüssel öffnete, und war eine Minute später im Stall, wo ich in wahnsinniger Hast Pierrepoint Sattel und Zügel überwarf. Kaum auf dem Rücken de» Thiere», jagte ich von dannen, die weichen, dunklen Wege de» Parks dahin, dessen Gitter ich mir vom Pferde au- öffnete, auf die Straße hinaus, da» Tbier zu rasendem Lauf anpeitschend, auf da» Dorf zu, au demselben vorüber, ich wußte selbst kaum wohin, bi« ich mich nach etwa einer halben Stund« diese» sausenden DahinjagenS in Foxton wirderfand. Der tolle, wilde Ritt entsprach deu Gefühlen, die mich bewegten. Noch einmal lassen Sie mich wiederholen, daß ich noch nicht begriffen, noch nicht erkannt hatte, wa« geschehen war; ich hatte noch nicht die Fassung gewonnen, mir die Natur der furchtbaren Erregung, die wie ein fortreißender Sturmwind über mich gekommen war, klar zu machen. Aber mit jedem Schritte dieser dröhnenden Huse aus dem funkensprührnden Pflaster der Hochstraße schien sür mich eia Schrei der Reue und Noth von meinen Lippen zu brechen und in die Nacht hinaus zu tönen. Ich wußte nicht, ob mein Vater lebend oder tobt sei, ich hatte nicht Sammlung der Gedanken genug, eS mich auch nur zu fragen. Wenn mein Pferd auf diesem rasenden Lauf mit mir in einen Abgrund gejagt wäre und mich in jähem Sturz zermalmt Kälte, e» wäre mir nur als ein entsprechende» Ende meines Leben« erschienen. Aber Picrrcpoint stürzte nicht; er brachte mich nach Foxton. Ich stieg in dem Hotel ab, in welchem ich dort gewöhnlich übernachtete und, merkwürdig genug, verfiel wieder in einen tiefen Schlaf, sobald ich mein Lager ausgesucht hatte. Ich erwachte ziemlich spät am Morgen. Der erste Gedanke, der mir wiederkehrte, war die Erinnerung an meinen Vater, wie ich ihn in der verflossenen Nacht gesehen hatte, und die bange Frage drängte sich mir aus: war er tobt, al» ich vor ihm stand? Oder, wenn nicht todt, war er krank, vielleicht sterbend? Drohend mahnte mich mein Gewissen, daß ich nichts gethan, ihm Hilfe zu leisten, keine Hand zu seinem Beistände auSgestreckt, wo vielleicht, wenn er krank war, ein Schlagfluß oder ein ähnlicher Unfall ihn getroffen, in jenem Moment, da ich bei ihm weilte, mein Eingreifen ihn hätte retten können. Stumpf, betäubt erhob ich mich vom Bett und kleidete mich an. Die heftige Erregung in mir war vorüber, ich befand mich in dumpfer, erstarrender Ruhe; nur die beiden Fragen lasteten aus meinem Geist und lähmten ihn mehr, al» sie ihn beschäftigten: lebte mein Vater oder war er tobt? In mich verloren, halb abwesend verließ ich da» Hotel und streifte den Tag über ziellos, planlos in der Umgegend umher. Al» ich endlich gegen Abend erschöpft in da» Hotel zurückkehrt«, vernabm ich daselbst da- inzwischen bekannt gewordene Schreckliche und erwartete mich dort eine der Depeschen, die mir nach verschiedenen Orten, wo man meinen Aufenthalt vermuthele, nachzesendet waren. Der Schlag war für mich ein furchtbarer — ich kannte nur eine Erklärung sür da» Geschehene, eine entsetzliche Erklärung: mein Vater hatte sich selbst entleibt und ich war die fluch würdige Veranlassung dazu, trug die Schuld an der blutigen That. Alle«, wa- ,ch in den näebsten Tagen hörte, mußte mich in dieser schrecklichen Annahme bestärken^ selbst da« bald von mir entdeckte Fehlen de» Messer« au» meinem Besteck, da» offen auf seinem Tisch gelegen, und nur zu nahe lag für mich di« Bermuthuug, daß Jemand diese» Messer bei der Leiche gefunden und e» bei Seite gebracht, sei r», um mich zu schonen oder um r» als Waffe gegen mich zu gebrauchen. Meine Schuld am Tode meines Vater< stand sür mich fest, ich trug schwer daran, daß ich ihn. woran ich nicht zweifelte, zum Aeußersten getrieben und auf mich diese Gewissenslast geladen halte. Es folgte die Eröffnung de« EodicillS zu dem Testament meines VaterS. So räthselbast mir dasselbe bezüglich der Person jener Ioan Brownell war, so verrieth eS mir doch in anderer Hinsicht zwei Dinge. Erstlich, daß Everctt an jenem Abend zu jener späten Stunde insgeheim selbst hier im Hause war, daß er mied mulhmaßlich in der Bibliothek gesebcn und mich daher von Ansang an wegen der Mordthat in Verdacht batte — ein Verdacht, mit dem er nur, ohne sonstige Beweise, nicht aufzutrctcn wagte, weil der Umstand, daß er sich gleichfalls um diese Zeit hier befand, ibn selbst nicht minder dem Verdachte aussetzcn konnte. Zweiten», daß der lebenslange Haß, den mein Vater gegen mich gehegt, bestrebt gewesen, noch Uber sein Lebensende hinaus mir Böse» anzuthun und meinen Weg zu durchkreuzen. Noch die letzte Stunde seine- Dasein» hatte er benutzt, seine Rache auf die Dauer meine» Lebens auSzudchnen, noch seine letzte That war eine Thal de» durchdachten, weithin reichenden Hasse« gegen mich gewesen. Da» legte sich wie eine EiSrinde um mein Herz; mein Gemüth verhärtete sich, und ich glaube trotzig, mich von Schuld srcisprechen zu dürfen, wenn rin Wesen von so unnatürlichem Hasse und so ungezäbmter Lcirenschasllichkeit leine» Zorne- und seiner Rachsucht meinetwegen in den Tod gegangen. Ich wollte den Kampf ansnekiiien, den er mir geboten, sagte ich mir, mein Recht mir erringen und dock noch Sieger bleiben! Ich nahm den Kampf auf und sübrle ibn durch — Sie wissen, in welch schnöder Weise! Ich erfüllte die Bedingung de» EodicillS, ich wurde de» Gatte Ioan Brownell » und Herr deS Vermögens. Ich that e«, Jane, und suchte zu vergessen — allein darin — ha, Jane — darin sollte ich nicht Sieger bleiben! Die Vergangenheit, deren Gcdächlniß ich von mir werfen wollte, lastet schwer auf mir und hat sich vernichtend gerächt. Die wenigen letzten Monate babcn mir gezeigt, daß mein ruchloses Tbun nur Schmack auf mich gebracht und mich de» böcksten, süßesten Glücke» hat verlustig gehen lassen, da» ich sonst vielleicht hätte mein nennen dürfen. Der Rest ist eitel Verstrickung in Unglück und Elend, von der ich noch nicht weiß, ob eS einen Weg giebt» ihr zu entrinnen!" „Aber wer — wer könnte der Tbäter sein?" „Ich habe bi» jetzt kein« Spur gefunden — ich habe kam»
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