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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.09.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189409098
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18940909
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18940909
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-09
- Monat1894-09
- Jahr1894
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.09.1894
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Vez«-D^p«» tz-tzU HuAplixpehltlo »der de» l» EteOd- tatrk »nd den Vorort»» errichteten Ln*» 2lD>» «tztzholt vtertrl^rltch^ll^lX Ll P»t»»ltE Znft.tt»,, «X H«x ^l 5^0. L«ch dt« Post bezoae» für Löüttchtem» «ch vkfterreX. »terustährUch S>—. Ar«1« Mßllchr Krenzbandsendim, ? .so. «» dt» MoryneOlnsyab« erscheint täglich '/,7ll-r, l» >br»d-A»-g»b« Wochentag« 5 ll-r. Redortto« »«d Lr»eritt»»: -»Honee-Offse 8. > »annterbroche» bi»'«b«d« 7 U»L Filiale«: V«, «ttM»'» «ortt». tMfrr» »t«,^ Universität-straße 1. Leut» Lssttz«,.. . ^ . Editzuiiuensir. 1t. P«t. m>d Könia-vlatz 7. ripMr.TWtblllü Anzeiger. Organ fSr Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschiistsverkehr. Anzeige«PreiS ^ie 8 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem Redaction-strich (1ao> spaltr») ÜO^, vor den Familiennachrichn» (6 gespalten) 40^. Erißere Schriften laut onferem Prris- ttrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz »ach höherem Tarif. Ertr«-Veil<t>et» (gefalzt), u»r mit der Morgen-AaSgad«, ohne Postbesörderung ^4 SO.—, m«t Postbessrdernng 70.—. A«naij«eschluß f»r Änzrige«: Abend-An-gab«: vormittag« 10 Mr. Marge »-Au-gab«: Nachmittag« 4 Uhr. So»», und Festtag« früh '/,9 Uhr. V«i de» Filiale» und Annahmestelle» je ein« halb« Stunde früher. U»»ei»e« sind stet» aa dt« Expedition zu richte«. Druck und Verlag von E. Pol» l« Leipzig ^°461. Sonntag den 9. September 1894. 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. König!. Kunstakademie und Kunftgewerbeschule zu Leipzig. ^ . Beginn der Studien im Winiersemester 1804 95 am 1. Ociober ». e. . Anstalt »er»it1elt di« Anddildun« ttrer Schäler für da» Gesummt,ediet der retchnenden (»raphischen) Künste «nd für da» ««»st,emerde ä. Fachudttzeilu», s»r urchttett»ntsche «nnstgetoerbe. Darstellende Geometrie, architektonische Formen-, Vesäßsormen- »nd Etillehrr: Architekt Immpreolrt. Ornamentik und Entwerfen malerischer Decorationrn: Pros IVetedarckt, Architekt. Perspectiv« »ad Schattenconstructionen: Prof. 7l«l>ve„r, Architekt. L. Fachabtheiluug für vtldtzaueret. Ornamentmodelliren, figürliche« Modelliren nach dem Leben und lliseliren von Gußarbeiten, verbunden mit Ausführung selbst ständiger Werke plastischer Kunst und de« «unstgewrrde«: Professor »ur ktruaaen. O. Fach«dltz«ilun, für Zeichnen «nd Malen. Zeichnen nach graphischen Vorlagen: Prof. Keltert, Prof. Llodn und Lehrer Llepal,. Zeichnen nach Gyp«, anatomischen Prä- paraten, Naturavgüssen und Antiken: Prof. Vekle und Prof. Nioteriteiu. Buchornamentik, Entwerfen für künstlerisch« Buch- aillstattung, für Diplome. Placat« re.: Prof, llooexxer. Aquarell- Aomeldungeu vom 17. bi« mit 2L. September ». e. Nachm. Leipzig am 8. August 1894. maleu und landschaftliche« Siafsagezeichnen: Pros. Louräet. Deco« ration«malen: Viutber. GlaS- und Porzellanmalen: Prof. Laeelderaer. Kupfer- und Stahlstechen, Radiren: Prof. Keltert. Lylographie: Pros. Lertkolä. Lithographie: Kedelter. Typs- graphische» Zeichnen: krlsek und Pros. llooe»«er. Zeichnen und Malen nach dem lebenden Modell und nach der Natur, EompositionS- übungen und Ausführung selbstständiger Illustrationen unter An wendung der für die mechanischen Reproduktion-Methoden ersorder- Uchen Technik: Tirettor. v. Photomechanische Vervtelsaltigungs- nnd Druckverfahren, vr. pdil. ^»rlaock. Französisch und Englisch: vr. pdil. Lredms. Stillehre, Kunstgrschschie und Geschichte der Aunflindustrie: vucut. Archäologie: Pros. vr. Orerdeelr. Anatomie de» Menschen: vr. weä. Lange. Thier- und Pflanzeniuade: vr. pdil. Lllr»., von 4—5 Uhr erbeten. Regulative kostenfrei. Id«r Vlreetorr Prof. vr. pdil. Kl1ep«r, K. S. Geh. Hofrath. Vekannlmachung. Bei Gelegenheit de- sogen. Tauchaer Jahrmarkt«» ist sn früheren Jahren namentlich von halbwüchsigen Burschen und Kindern in den Slratzen hiesiger Stadt darch mirrlaudte» Abhrrnuen »<N Feuerwerk-kilrpern, wk sogen. Kanonenschlägen, Fröschen und bengalischen Zündhölzchen, welche nach dem Anzünden einpor- geworfen werden, erheblicher Unfug verübt worden. ES wird daher gegen »in solche- Gebahrea nachdrücklich eingeschritten werden. Die verüb« derartigeu Uufug- haben ihr« Bestrafung aus Grund ß. SSO Ziffer 11, bez. t- S66 Ziffer 7 de« Rrich-strasgejrtzbuche- », gewärtige». Auch wird dara»f hiaarwiesen, daß »ach §. lkS der neuerlich er lassenen Bestimmungen ilb» dm Verkehr mit Sprengstoffen Li» Abgabe derartiger.Feuerwerblkürper aa Person«», vou «elcheu ei» Mißbrauch derselben zu besürchtm sst, «nSbesondrrr an Personen nnter 16 Aahrm verbotm ist, uud sich Kanslrute uad Händler, welche diesen, verbot» zuwiderhandela, ebenfalls ihrer Bestrasung uach Z. 86? Ziffer S de» Rrich-strasgrsrtzbuche« au-setzen. Leipzig, am 6. September 1894. Da» Paliieiamt »er Stadt Leipzig, v. L. 3777.Bretschueider. Sie städtische Aparcasse beleiht «erthpapiere uuter günstige» Bedingungen. Leipzig, den 10. Januar 1Ä4. Die Sparcaffen-Deputatton. Versteigerung. Dien«ta,, den 11. Septbr. 1894, vormittag» 10 Uhr, sollen im Lersteigerung-raum« de« Königi. Amtsgericht« hier Ladeniafeln, Regale. 1 Federhandwagen, 1 N. Rollwagen. 1 Decimalwaage mit Gewichten, 1 Fletschwolf, 3500 Llgarren, 1001 Rordhänser, Posamenten, 1 Leihhau-schetn, 2 Biblio theken, 38 Bd«. Meyer'« Lexikon, Piantno«, Möbel a.v a. E. meistbietend gegen Baarzahlung öffentlich verstrtgert werden. Leipzig, am 8. September 1894. Der SerichtSdollzieher de» Königl. «mt»,ericht». ir»ek», Actuar. Vekanntmachung. Bei dem Unterzeichneten Stadtrath« soll ein Schuhmann mit einem JahreSgeholt von 940 — einschließlich BekleiduugSgeld — sosort angestellt werden. Der defiastiven Anstellung soll «tue drei monatig« Probezeit Voranathen. Dir Stelle ist mit Pensionsberechtigung verbunden. Geeignete Bewerber baben ihre selbstgeschriebenen Gesuche, di» eine kurze Schilderung de» bisherigen Leben» enthalten müssen, bi» zum 10. September or. anher «inzureichen. Markranstädt, am 8. September 1894. Der Stadtralh. «eil. Städtische Höhere Schule für Mädchen, — läkdertaLr»»»« vv. — Anmeldnnge« von Schülerinnen, die zu Michaeli» d. A. in die Schul« rilitreten solle», nehme ich täglich von 11—18 Uhr ent gegen. Da» letzt« Schulzeugnib ist mitzubriagen. Leipzig, den 3. September 18S4. vr. Wychgram. Prinz Ludwig Phitipp Albert von Orleans s. Wie noch in der gestrigen Abrnd-Au-gabe de« „Leipziger Tageblatt»»" telegraphisch mitaetbeilt werden konnte, ist Prinz Ludwig Philipp Ulbert von Orleans, Graf von Pari«, im Schlöffe Stowe House bei London am 8. September Morgen« zwischen 8 und 9 Uhr verschieden. Der Graf von Pari« war am 24. August 1838 al» Sohn de« Prinzen Ferdinand vo» Orleans, de» damaligen Kron prinzen von Frankreich, und deffe, Gemahlin Helene, getorrnrr Herzogin von Mecklenburg-Schwerin, geboren. Seit dem Er loschen der Linie Artois-Vourbon mit dem Grafen von Ehambord war der Graf von Pari» der Ehef de» Hause». In dieser Eigeuschaft fiel er auch unter da» im Juni 1886 von den französischen Kammeru angenommene Gesetz über dir Prinzen- auswrisung, dessen erster Artikel lautete: .Da« Gebiet der Republik ist und bleibt de« Häupter« jener Familien, dir in Frankreich regiert haben, und ihren nach der Primogenitur un- mittelbaren Erben untersagt." Da« herausfordernde Auftreten de« Graf«, vou Pari« bei Gelegenheit der vrrhrirathuag sriurr Tochter mit dem Kronprinzen von Portugal hatte den fortgeschriNeoen republikanischen Elementen veranlaffuog gegeben, auf di» Ausweisung der Mitglieder der frühere« regierende» Häuser zu dringe«, und di« Regierung sah sich gen-ihiai, «ameutlich da auch deren radicale Mitglieder in diesem Sinne wirkten, selbst die Initiative zu ergreifen. Z«rst widerstand Fre»ei««t damals, bi» durch di» Vermitte lung Iule« GrLvy'S rin Compromiß zu Stande kam, da« im Wesentlichen mit dem vo» der Kammer beschlossenen Gesetze Lbereinstimmte. Wa» die Vorgänge bei der er wähnten Verlobung betrifft, so batten die royalistischen Blätter die Angelegenheit sehr tactlo» behandelt und zu neuem Mißtrauen wegen royalistischer Umtriebe Veranlassung gegeben. Die« wurde dann durch den vor der Abreise zu den BermählungSfrierlichkeiien nach Lissabon von dem Grafen von Pari« ganz nach dem Muster eine« regie renden Herrscher- abgehaltenen großen Empfang noch wesentlich verstärkt. Infolge des AuSweisung-gesetzr» mußten der Graf von Pari« und die Prinzen Isrüme und Victor Napoleon innerhalb 24 Stunde» Frankreich verlassen. Die Royalisten benutzten die Abreise de« Prätendenten, der sich in Treport nach England einschiffte, zu einer großen Demonstration. Zugleich veröffentlichten die royalistischen Organe da-Abschied«manifest, in dem eine sehr heftige Sprache geführt wurde. Seit jener Zeit hat der Graf von Pari« von Zeit zu Zeit ähnliche Kundgebungen erlaffen, ohne daß ihnen ernstere Bedeutung beigemeffen worden wäre. Der Graf ist in jüngeren Jahren auch literarisch thätig gewesen. Während der Regierung Napoleon'« IH suchte er sich durch ein Buch über die englischen Gewerk vereine, die damal« auf dem Eontinent noch wenig bekannt waren, bei den Franzosen in Erinnerung zu bringen. Sein Reichihum war fast sprichwörtlich. — Als Haupterbe der nie in ihrer Zahl bekannt gewordenen Millionen LouiS Philipp'- ist er, wie sein Großvater, ein ausgezeichneter Finanzmann und stet» ein echt orleanistisch genau rechnender Familien vater gewesen. Nach dem Jahre 1871 sind für die Orleans zu den: väterlichen, beziehentlich großväterlichen Vermögen noch die sehr bedeutenden Summen hinzugekommen, welche die Rückerstattung des 1848 confiScirten Vermögens der Familie repräsentiren. Und die Gräfin von Paris ist al- Erbin ihre- Vater-, de- 1889 in Spanien verstorbenen Herzog- von Montpensier, gut „ihre 300 Millionen werth", wir die Amerikaner sagen. Als Prätendent ist dabei der Graf von Paris mehr al» sparsam gewesen; die Propaganda für seine Sache hat er sich blutwenig kosten lassen. Jeden fall« hat die Republik zur Abwehr ungleich mehr Mittel aus gewandt, al» ihr Gegner zum Zweck de- Angriffe». Großen Schaden hat dem Grafen von Paris und der royalistischen Sache, wie wir schon einmal hervor hoben, seine Theilnahme an der boulaugistischen Eam ,aane gebracht, weit schlimmer aber war, daß ihm elvst der Glaube an seine Sache fehlte. Der Gra »at trotz mancher theatralischer Demonstration nie ernstlich an die Möglichkeit einer Restauration zu seinen Gunsten geglaubt. Und nicht mehr Vertrauen al- in seine Sache hat er in seine Person gesetzt. Er ist sein Leben lang rin sehr liebenswürdiger, aber sehr weicher, energieloser Charakter gewesen. Er hatte wohl wenig oder gar keine per sönlichen Feinde, er hatte aber auch wenig vder gar keine politischen Freunde. Wollte er sein Geburt-recht auf den Thron geltend machen, so war ein solcher Anspruch zu gewissen Zeiten nicht a»»sichtSloS,und ein tapfer unternommeneS.charaktcr- vvll durchaesührte» Abenteuer, wie e» auch geendet hätte, wäre für ihn nicht unrübmlild gewesen. Aber Philipp Graf von Pari» batte nicht die Krast und Schlagsertigkeit, sich in der richtigen Weise und zur rechten Zeit zu entscheiden. Er war hinter hältig, zweideutig, schwankend und widerspruchsvoll. Er ließ sich, wie erwähnt, von der Republik die vom Kaiserreich beschlag nahmlen Familiengüter auslikfern und zum Major de» Terr, torialherre» ernennen, er that äußerlich, al» wäre er ein gesetz achtender Bürger ohne Ehrgeiz, und agitirt« doch in seinem Salon kleinlich gegen dir bestehenden Einrichtungen. Al- die Republik ihn au« dem Lande jagt«, da bekannte er sich zwar offen al- Thronforderer. aber er that e« lahm, schwunglo«, ohne rechte Ueberzrugung. Er machte Redensarten, aber sie wirkten jämmerlich, weil ihnen keine That, nicht einmal der Versuch einer That entsprack,. Während seiner Verbannung war der Gcaf von Paris nichts weiter al» ein im AuSlande lebender reicher Privatmann. Große Hoffnungen setzt man dagegen auf seinen ältesten Sohn und Erben, den Herzog Ludwig Philipp Robert von Orleans, nunmehr als Philipp VIII. von Bourbon Orleans Haupt der französischen Bourbon». Auch der Gra von Pari« soll einmal gesagt haben, nicht er, sondern sein Sohn würde dereinst in Frankreich wieder zur Regierung kommen. Vorläufig sieht e» freilich nicht so au-, al- ob diese Proppezriung sich bald erfüllen sollte. Der junge Herzo bat in Frankreich zwar manche Sympathien, denn er i l hübsch, ansehnlich, li«b«n»würdig, als heiterer Lebemann nicht knauserig und engherzig, wie eS sonst Wohl den Orleans vorgeworsen wird. Dabei hat er sckon ein paar dumme Streiche gemacht, nach der Art, wie man sie jungen Leuten, mögen sie nun Prinzen oder andere Sterblicbc sein, namentlich in Frankreich nicht sehr übelnimmt. Auch an dem gewissen „Schneid", wie man ihn dort liebt, hat er eS nicht fehlen lassen. Obwohl mit seinem Vater auSgtwiesen, lclltc er sich nach Erlangung der Großjährigkeit eine- Tage» in Paris den Ersatzbehörden und forderte auch für sich den „Suppennaps der Soldaten", la gamello. Man sperrte ihn statt dessen wegen Bannbruches ein und schob ibn nach Abbüßung einer mehrmonatigen Strafe wieder ab. ES ist ihm seitdem spottweise der Name „Prince Gamelle" eblieben. Aber im Grunde des Herzen- hat man ihm eine „cranerie", trotz ihre» etwas kindischen Beigeschmacks, als „patriotisch" hoch angerecknet, und selbst der Umstand, daß die bösen Zungen behaupten, er sei viel weniger wegen der allgemeinen Dienstpflicht, als wegen der Madame Melba, der bekannten Sängerin, nach Paris gekommen, hat ihm in der öffentlichen Meinung keinen Abbruch gethan. Jetzt wird der Herzog von Orleans nun zeigen können, ob er für Politik so viel Verständniß hat wie für schöne Frauen, und ob er um deren Gunst mit ebensoviel Erfolg wird werben önnen. Nach dem, wa- der Herzog seit der schweren Erkrankung seines Vater- gethan und geredet hat, oder wa» die unter der Direclion seiner ehrgeizigen Mutier stehenden royalistischen Agenten ihn haben thun nnd reden lassen, hat es den An- chein, daß er ganz andere Bahnen beschreiten wird, al» sein Vater, und auf kühne Streiche sinnt, die in Frankreich immer Anklang finden. Daher werden schon jetzt Stimmen laut, welche die Leiter der Republick mahnen, daß sie die Augen offen halte», weil ein so wagemuthiger Prätendent „üu ckv oiöelo" anarchistische vder andere Wirren wahrnehmen könnte, um das Wasser der öffentlichen Unzufriedenheit auf seine Mühle zu leiten. — Der einzige Bruder de» Herzogs von Orleans ist der erst zehnjährige jetzige Herzog von Montpensier. Deutsches Reich. Berlin, 8. September. Die bedeutungsvolle Rede, welche der Kaiser bei dem Festmahl in Königsberg ae halten, wird in allen politischen Kreisen wie in der Presse aller Parteien eifrig commentirt. Freilich bleibt vor Allem die Wirkung der kaiserlichen Worte auf den Krei» der Männer, an welche sie gerichtet sind, abzuwarten. Die agra rische Demagogie ist eS, welche — belebrt und gebessert werden soll, jene Demagogie, welche durch Lärm die Volks massen aufzuwühlen bestrebt ist und der alle Mittel reckt sind zur Erreichung ihrer selbstsüchtigen Zwecke; jene agra rische Demagogie, welche die gewerbsmäßige Opposition systematisch betreibt. E- ist ganz natürlich, daß die »Frei sinnige Zeitung", so wenig sie sonst der geschichtlichen Bedeutung des Adels gerecht zu werden vermag, für die gewerbsmäßige Opposition und deren Berechtigung ein- tritt, um so mehr» al- der Kaiser in Königsberg um Kamps gegen die Umsturzbestrebunaen aufgerufen mt. Die „Kreuzzeitung" hat noch keine Worte gefunden, beeilt sich aber, zu versickern, daß in den ostpreußischen Groß agrariern „niemals da» Gefühl der Verbitterung" aufkommen werde. Wir wollen e- abwavten. Zunächst allerdings auch, ob die Regierung sich einig und stark genug zeigen wird, nach einem bestimmten ActionSplan der agrarischen wie der socialrevolutionairen Opposition, die beide derselben Tonart sich befleißigen und sehr ähnlicher Mittel sich bedienen, nach drücklich entgegenzutreten. I» der nächsten Woche wird da» Staat-ministerium wieder vollzählig in Berlin zusammen sein und auch die meisten Bevollmächtigten zum BundeSralh werden al-dann hier eintreffen. Alsbald werden auch die Sitzungen de- StaatSministeriumö wieder beginnen, und wenn auch der BundeSralh zunächst noch keine Plenar sitzungen abhält, werden ihm doch in Bälde Anträge de» preußischen StaatSministeriumö und ander« Vorlagen zugehen, und auch die Ausschüsse werden zu regelmäßiger Arbeit zusammentreten. Man wird also bald Gelegenheit haben, von bestimmten Entschlüssen zu ver nehmen, m welcher Weise der Kampf gegen die Umsturz brstrebungen seiten» der Regierung geführt werden soll. Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß der GeburtSadcl als solcher» so wenig ihm heutzutage irgendwelche staatsrecht liche Bevorrechtung beigelegt ist, ein wesentlicher Factor in diesem Kampf ist; „Adelige" bewähren sich neben „Bürger lichen" auf allen Gebieten de» praktischen Leben-, im Heere wie auf dem Katheder, aus der Kanzel und im Bureau, in Kunst uud Literatur» im Ackerbau, im Handel und in der Industrie. In dem Kampfe, der um die Fortdauer der Cultur, um die Existenz von Staat und Gesellschaft zu führen ist, müssen all rP vte n zenjusammenstehen.denen Recht und Sitte, Religion und menschliche Entwickelung noch irgend etwa« gelten: alle Stände,jeder Beruf — und kein Unterschied der politischen Partei, der Abstammung, de» Namen-, darf hier in Frage kommen Insofern dir kaiserlichen Worte alle Kräfte der Nation zu sammenfassen und zusammenrufen zum einigen Kampf gegen die Mächte de» Umsturzes, finden sie Widerhall allerseits, und kleinlich erscheinen dagegen die Haarspaltereien nnd Düfteleien um Schaffung neuer „Parteiprogramme". Gegen über dem Individualismus, dem Partei- und Cliquenwesen der Parlamente erblickte Fürst BiSmarck in der Einigkeit der deutschen Fürsten die Gewähr sür die Stärke de« Reiche«. Unsere Fürsten sind einig; möge sich die Einigkeit im Schooße der Regierungen kundthun im zielbewußten planmäßigen Vorgehen, und diese zielbrwußle Action wird auch im Reichstage «ine geschloffene Mehrheit mit sich sortrrißen. 1t Berlin. 8 September. Die Leiter der Socialdemo kratie sind ärgerlich darüber, daß, wie au« den jüngst vom „ReichSanzeigcr" veröffentlichten Zahlen hervorgina, di« der Förderung de» socialen Frieden- dienenden Gewerbe gerichte dort errichtet werden, wo sie nöthig sind, und nicht dort, wo die Socialbeniokratie sie gerne hergestellt sehen möHte Sie ergehen sich deshalb in dem Parteiorgan in Verdäch tigungen der Arbeitgeber und der Gemeindebebörden. Der Eharakter der socialdemokratischen Aeußerungen wird wohl dadurch zur Genüge kenntlich, daß die Gemeindebehörden als unter dem Banne de» Unternehmcrthum» siebend bezeichnet werden und ihnen vorgeworsen wird, sie hätten vielfach da» Verlangen der Arbeiter nach Errichtung eine» Gewerbegerichts brutal abgewiesen. Es lohnt nicht, hierauf einzugehen, weil der „Vorwärts" niemals begreifen lernen wird, daß für die Entscheidung der Frage der Zweckmäßig keit einer Einrichtung daS Urtbeil eine» oder mehrerer social- demokratischer Agitatoren nicht maßgebend ist. Wenn er edoch seinem Leserkreise bei Darstellung der bisherigen Be- trebungen aus Errichtung von Gewerbegerichten die Meinung beibringen will, als hätten die staatlichen Behörden ihre Pflicht verletzt, wenn sie dem Drängen einiger socialdemokratischer Agitatoren nicht nachgcgeben baben, so verdient diese- der Schürung von Unzufriedenheit dienende Vorgehen eine Zurück Weisung. Das GewcrbcgerichtSgesetz vom 29. Juli 1890 be- limmt durchaus nicht, daß die Centralbehörden auf einen Antrag von Arbeitern die Errichtung von Gewerbegerichten anordncn müssen, sondern eS schreibt vor, daß dies auf Antrag betheiligter Arbeitgeber oder Arbeiter geschehen kann. Die Entscheidung darüber, ob die Errichtung zweckmäßig ist oder nicht, liegt lediglich in der Hand der Centralbehörden. Diejenigen BevölkerungSkreise, welche nicht auf die Worte der Herren Bebel und Liebknecht schwören, halten diese Stellen auch für compelcnter zu dieser Entscheidung, als die Redaction des socialdemokratischen Parteiorgan». lD Berlin, 8. September. Der „Socialist" veröffentlicht die anarchistische Adressentafel nicht mehr, die Leiter cheinen eingesehen zu baben, daß sie im Verborgenen doch mit größerer Sicherheit ihre sinsteren Pläne verfolgen können. Die Sammlungen für ihre Parteicasse, die eine Zeit lang ziemlich erfolglos waren, reizen jetzt ein bessere- Ergebniß, denn eS sind im vorigen Monat allein auS Amerika 103 eingegangen. InSgelammt beträgt die August - Einnabme 478^ und die Ausgabe 425 In der Casft befinden sich noch 120 Gleich den „rrvolutionairen Metall arbeitern" treten nun auch die gleichgesinnten Holz arbeiter öffentlich auf. In einem Aufruf, unterzeichnet „Die Anhänger einer freien KampftSorganisation", wird zur Gründung einer eigenen Organisation ausgefordcrt, da der Holzarbeiterverband die aufgebrachten Arbeiterqroschen nur ür die VerwaltungSkosteu und die hohen Gehälter der Beamten vergeude. L. Berlin, 8. September. (Privattrlegramm.) Zn den Katsermanilvern »er Al«tte werden sich, der „Post" zu folge, auf der „Hobenzollern" einschiffen: Erzherzog Karl Stephan von Oesterreich, der General der Cavallerie Graf von Sckliesfen, der StaatSsecretair Vice-Avmiral Holl mann, der Generallicutenant und Gencraladjutant v. Plcsscn, der Contrr-Admiral Freiherr von Senden- Bibran, der Oberst und Flügeladjulant v. Scholl, Oberst lieutenant und Flügeladjulant v. Arnim, der Hosmarsckall Freiberr v. Eg lo sfste i n, der Generalarzt und Leibarzt Prof. Or. Le nt hold, der Capitain zur See Iaeschke, die Cor- vetten-Capitain« Siegel und v. Usedom. v. Berlin, 8. September. (Privat Telegramm.) Die „Köln. Ztg." glaubt etwaigen falschen Auslegungen der KönigSberger Rede de« Kaisers entgegenlrelen und die folgende eigene Auslegung als die richtige hinstcllcn zu sollen: „ES scheint unS angebracht, die Rede al- Ganze» zu betrachten, und wenn man da- thut und von allen Einzelheiten absieht, jo «rhölt man unzweifelhaft den Eindruck, daß der Kaiser nichts Andere- wollte, at-den Agrariern eine streng» Warnung geben. Es ist nicht unbekannt, daß der Kaiser schon seit geraumer Zelt da- Treiben der Agrarier mit großem MißsaUen betrachtet hat und daß er der Ueberzcugnng ist, daß «r nicht da« Recht habe, das allgemeine Wohl zu Gunsten «ine- einzelnrn Stande- zu schädigen. Wenn dann der Kaiser den Kamps gegen di« Umsturzpartelen so stark als wünschen-werth uad nöthig betont Hot, so hat ihn dabei auch viel leicht di« Ansicht geleitet, daß da- Treiben de- Bunde- der Land- wirthe durch andauernd« Verhetzung und Erregung vo» Unzufrieden heit nur dahin wirken kann, der Socialdeinokratie auch aus solchen Gebieten den Weg zu ebnen, die sich ihnen bisher verschlossen hatten. Unsere- Erachten- braucht der Ausruf zum Kampfe gegen die Umsturzparteien auch keine-weg- so verstanden zu werden, als ob der Kaiser damit schon «ine Aera neuer Socialisten« gesetze ankündtgen wolle. Scho» daß der Kaiser die Worte gebrauchte: „Aus zum Kampfe für Religion, für Sitte und Ordnung gegen die Parteien de- Umsturzes", deutet daraus hin, daß er mehr eine moralische, allgemeine, alle staatSerhaltenden Ele mente zu samm en sa ss« n d e Tbiitigkett aller Parteien gemeint hat, al» eine Gesetzgebung, durch die man mit einem Schlage Deutschland von den Socialdemokraten befreien könnte. So lange solche Gesetze nicht erfunden sind — und man kann sich heut« gar nicht vorstellen, wie sie auSsehen sollten —, wird dem Staate nichts Anderes übrig bleiben, ai» einzelnen etwa besonder- hervortretenden Uebelsländen mit der Gesetzgebung entgegenzutreten, im klebrige» aber da» Heil von gemeinsamer verständiger Arbeit zu erwarten, deren Voraussetzung vor Allem sein muß, der Socialdemokratie nicht, wie e» der Bund der Landwirth« gethan hat, durch Verhetzung Wasser auf die Mühle zu leiten." Daß der Kaiser den Agrariern eine strenge Warnung aeben wollte, haben auch andere Blätter begriffen, aber schwerlich werden sie sich zu der Ansicht der „Köln. Ztg." aufschwingen, daß der Kaiser mit seiner Aufforderung zum „Kampfe" lediglich aus eine „moralische, allgemeine, alle staatSerhaltcnden Elemente zusammenfafsendc Thätigkcit aller Parteien" habe hinwirken wollen. Damit „bekämpft" man die Umstürzler nicht, am wenigsten in einer Zeit, in der politische Wahlen nicht bevorstehen. Ein Zusammenwirken der staatSerhaltenden Parteien zu Kampfzwecken kann nur kann von Erfolg sein, wenn es gesetzliche Handhaben zur Niederhaltung der Umstürzler schaffen hilft. Wenn Graf Capri vi der Meinung der „Köln. Ztg " sein sollte, so würde er wahrscheinlich den Kaiser mißverstanden haben. L. vcrkt«, 8. September. (Privattrlegramm.) Wie der „Voss. Ztg." aus München trlegrapbirt wird, versichern die ,M. Neuest. Nachr." angeblich aus Grund genauer Informationen, die Angabe der „Allgem. Ztg", baß die duyerlscheResterun» einer reich-gesetzlichen Regelung de» Vereins- und Versammlungswesen» aus inneren politischen Gründen nicht zustimmr, sei zutreffend. Da gegen wäre dir Regierung keineswegs abgeneigt, Ab- anderungen der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und de« Reichstrafgesetzbuche«, m«b«sonderr de» 8 l30h
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