02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940912026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894091202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894091202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-12
- Monat1894-09
- Jahr1894
-
-
-
6600
-
6601
-
6602
-
6603
-
6604
-
6605
-
6606
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VszNGO-PretO R Rr Hantztqpeditio» »d« d« t« ..... äqkk «ck di» Sorortr, «erichiet» >»«- vInvliährltch^ll^L »ei M«i»aliaer täglicher Zoftell,», t»1 -«» ^l bchü. Durch die Post bezog», für Deutichlaud und Oesterreich: virrteliährlich . Direct» täglich« Kreuzbandirndiu», i>ch Nntland: moaatlich ^ ?chO. rie«orgen.«orgabe «scheint täglich'/,? Uye. di, Abrud-Ailsgab« Wochen tag« ü vhr. Le^gklio» »ust Lr»editio»: Jehaone-OaGe 8. »i, Expedition istWocheatag« -n-aterbroche» vo» stütz « bi. Abend« 7 Uhr. Filialen: vtt, ««,«'« E-rti». <«lttrd U-lversitLtSsttaß« 1, Leni« Liischc, t^harinenstr. I«. pari und Köniasplatz V. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und GeschSstsverkehr. «uzetgen^pre»- die «gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen «nter demRedactioalstrich («ga- ipaUen) üO>E, vor den FamüieunachrichM» (Sgespattenl 40 >E. Größere Schriften laut unserem Preis» vrrzeichnist. Tadellanicher und Zisftrajatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen lg«nlzt>, nur mit d« Morgen-Ausgabe. ohne Posldeiörderung >l 60.—, mit Postbesarderung -Sl 70.—. Ännahmeschlnb siir Anzeigen: Adead-Au-gabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Hann- und Festtag« früh '/,9 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je ei« halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet« an die Sxpe«itt«n zu richten. Druck »nd Verlag non E. Polz in Leipzig Mittwoch den 12. September 1894. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. September. Die deutsche Marine, soweit sie in den heimischen Ge wässern anwesend ist, also mit Au-nahme der auf über seeischen Stationen weilenden oder nach und von dort in Fahrt begriffenen Schiffe, die Gesammlheit der deutschen Seeslrcitkräste, wird in diesen Tagen vor den Augen ihre- obersten Kriegsherrn Revue passircn. Eine so »nposanie maritime Machlentsaltung, wie in den Tagen vom 13. bis 16. d. M. bei Swinemünde, haben die deutschen MeereS- gewässer seit den Glanzzeiten des stolzen Hansabunde« nicht mehr erlcbl. Kein Wunder, wenn sich au« so un gewöhnlicher Vcranlaflung das Interesse weiter VolkS- kreije für unsere Wehrkraft zur See mächtig regt, wenn ein breiter Strom wißbegieriger Zuschauer aus allen Gegenden des deutschen Binnenlandes sich der Ostseeküste zuwäizt. um Herz und Sin» an dem großartigen Drama zu erheben, da in Gestalt mrhrträgiger Flotten manöver unter dem prüfenden Blicke des obersten Kriegsherrn sich abspielt. In richtiger BorauSahnung der »ngenieineu Anziehungskraft, welche die Flottenmanöver bei Swinemünde auf das deutsche Volk üben würden, hat die Eisenbahnverwaltung durch Herstellung von mög lichst zahlreichen und bequemen Fahrtverbindungen nach dem mehrgenanntcn Ostseehafen dafür Sorge getragen, daß alle jene Wünsche vollauf Befriedigung finden. Es bietet sich also Gelegenheit in Fülle, unsere Marine am Werke zu sehen, sich zu vergewissern, was alles mit den auf unsere Seestreituiackt verwendeten Mitteln geschaffen und ge leistet worden ist, nicht minder aber auch, sich ein un gefähres Bild davon zu machen, wie ungleich viel mebr noch geleistet werden könnte, wenn unserer hoffnungsvoll und kräftig aufstrebenden Marine der für ihr normales WachS- lhuin unumgänglich erforderte Spielraum gegeben werden würbe. „Vorwärts!" lautet die Parole, zur See nicht minder als am festen Lande; einen Rückschritt gicbt es nicht, auch keinen Stillstand bars cS geben, denn dieser wäre eben schon Rückschritt. Für unsere Armee haben wir bis jetzt — baS Zeugniß dürfen wir uns mit gutem Gewissen auSstellen — nach Kräften gesorgt. Hur vollen Sicherheit de« Vaterlandes aber können wir eine Seemacht, welche de- hervorragenden Platzes, den Deutschland im Rathe der Böller behauptet, würdig ist, nicht entbehren. Schon lange, ehe wir unsere palitische Einheit eroberten und dadurch zu einem allgemein anerkannten internationalen Machtfactvr wurden, hatte der deutsche Unternehmungsgeist den Bann der engeren heimischen und selbst der europäischen Grenzen ge waltig durchbrochen, dir deutsche Handelsflagge, die deutsche Waare, die deutsche Sprache drangen diS zu den ent legensten Puncren des Erdballs. Mit der wachsenden Hesligkeit und Leidenschaftlichkeit de« Concurreiizkampses um den Weltmarkt sind auch die Neider und Feinde deutscher Prosperität gewachsen und nachhaltiger Schutz unserer überseeischen Interessen erweist sich als unumgäng lich geboten. Ten aber kann nur eine Flotte bringen, deren Leistungsfähigkeit zu den an sie herantretenden Anwrterunge» in eine», nicht gar zu grellen Miß verhältnisse steht. Die Pflege unserer Marine wird daher gewissermaßen zur Pflicht der nationalen Selbsterhaltung, und wenn die jetzt statlfindenden Flottenmanöver dem nationalen Gewissen hierin zur Erkennlniß de« Rechten und Ersprießlichen verhelfen würden, so wäre da« ein Erfolg, mit dem alle Interessenten, der Kaiser, die Marine und da« deutsche Volk gleichmäßig zufrieden sein könnten. Der «stelbische ASel und wohl auch die Führer der conservativen Fraktion haben durch die „Kreuzzeitung" zur KöniaSberger Kaiserrede gesprochen. Wissend, daß sie keinen Löwenvertrag riugehen, erklären sie, der demago gischen. „gewerbsmäßigen" Opposition Valet sagen zu wollen. Nun fragt es sich, wie mächtig der Factor ist, in Lessen Namen die „Kreuzzeitung" heute noch Zusicherungen abgeden kann, mit anderen Worten, wie viel sich von dem durch die Tivoli-Politik Bewirkten ungeschehen machen lassen kann. Augenblicklich sind die Adspecten ziemlich trübe. Die „Kreuz zeitung" selbst hat sich — und wir wollen glauben, diesmal der Noth gehorchend, nicht dem eigenen Triebe — veranlaßt gesehen, unter Ausrechthaltung ihrer GchorsamSerklärung geltend zu machen, daß die konservative Partei nicht Alles vermöge, was der ostelbische Adel zu thun sich entschließen könne. Auch dies mit anderen Worten auSgcdrückt, ist an der „Kreuzzeitung" herauSzulescn: „Die ich rief, die Geister, werd' ich nicht mehr loS." Die Bestätigung wird dem leitenden conservativen Blatte von mehr als einer Seite. Vor Allem ist eS das konservative FractionSmitglied Herr v. Ploctz, daS in seinem Namen und zweifellos auch in dem der Leitung des Bundes der Landwirthc da« Recht, scheinbar aus Opposition, thalsächlich aber auf die bisherige AgitationS- inetbodc rcclauiirt. Eö ist eine eigcnthümliche Antwort auf die Rede des Kaiser«, daß dieser adelige Agrarier billigend des Zeitungsartikels de- Herrn v. Wangenheim Erwähnung thut. der VaS Stärkste enthielt, was von konservativer Seite an Drohungen gegen die Krone geleistet worden war. Wenn aus der ersten Erklärung der „Kreuzzeitung" mit Sicherheit zu entnehmen war, daß dieses Blatt und die ibm treu Ergebenen auf die agitatorische Verwerthung der Handels vertragspolitik zu verzichten entschlossen seien, weil Liese al« die Sache de« Monarchen betrachtet werden müsse, fährt Herr v.Ploetz mit ungeschwächten Kräften fort, die verantwortliche ReichSregicrung wegen der Handelsverträge anzugreisen. Diesem Herrn beliebt r« offenbar nach wie vor, dieThatsachen zu Gunsten einer längst zur Fiction gewordenen konstitutionellen Doktrin zu ignoriren. Dcr^ Präsident des Bundes der Landwirthe beschäftigt sich aber auch direct mit den jüngsten MeinungSkundgebungen des Kaisers, um — selbst verständlich unter Verbeugungen und Versickerungen der König-treue — der Aufforderung, die gegenwärtige miß- licke Lage der Landwirtbschaft im christlichen Geiste als eine Prüfung ausrufaffen, mit einem verbrämten, aber sehr deutlichen Nein entacgenzutreten. Herr von Ploetz spricht in der bekannten Weise von der Noth und der Verzweiflung der deutschen Landwirthe und vindicirt den ostprcußisckcn insbesondere rin Recht zur „Verwunderung" über die Ansicht de« Monarchen, daß Handel und Wandel in ihrer Provinz im Allgemeinen wieder aufblühen. Mil einem Worte, der Artikel ist Tivoli-Arbeit. Der Umstand, daß ihm die„Krcuzzeitung"—drei Tage nack ihrerLoyalilälScrkiärung — die Ausnahme nicht verweigern durfte, genügt, um zu zeigen, daß die conservativen Führer der Agrar-Demagogie gegenüber nicht mehr Herren ihrer Entschlüsse sind. Es fehlt aber auch an sonstigen Anzeichen hierfür nicht. So droht daS „Volk" mit dem Abfall der Massen für den Fall einer Aenderung der konservativen Agitation, die dieses von Herrn Stöcker beeinflußte Blatt mit Organen der Linken als eine „Unterwerfung" auf- jaßt. Daß die „Kreuzzeitung" und die conservativen Führer in Wahrheit an nichts weniger al« bedingungslose Unter werfung denken, haben wir schon bervorgchoben. Wie viel Zuckerbrot» man vielmehr für die KönigSbcrger Strafe bean spruchen zu können glaubt, gebt a»S einer Besprechung hervor, welckc die „Kreiszeitung" der bevorstehenden Er nennung des Fürsten Hatzsetdt-Trachcnbcrg zum Ober- präsideiitcn von Schlesien widmet. Nachdem daS Blatt die „conservativen, stet« in der „Kreuzzeitung" vedtretenen Grund sätze", welch- verbieten, die Ansübung dev Allerböchsten Erncn- nungSrechis einer Kritik zu unterzicbcn, feierlichst betbeucrt bat, nörgelt eS an der königlichenEntschließung in einer Weise herum, die deutlich erkenne» läßt, daß djc „Kxeuzzeitung«"-Leute in Königsberg einen Pact abgeschlossen. sehen, dem es zuwider läuft, wenn in politisckc Aeintcr andere als Ihresgleichen berufen werden. Unvorsichtiger Weise constatirt die „Kreuz zeitung" die in der Ernennung de« Fürsten Hatzfeldt „in die Erscheinung tretende Durchbrechung der BeaiiiicabieSarchic", sowie die Tbatsache, daß der neue Oderpräsideul eine Beamten- laufbahn nicht hinter sich hat, da er als Referendar aus dem Dienste geschieden. In diesen Tagen, wo in der „Krcuz- zeitung" die Hoffnung auf den Grasen Zcdlitz-Trützschlcr neu zu grünen begonnen hat, sollte daS Blatt nicht vergessen haben, daß der ehemalige Oberpräsident und CultuSminister in der „Bcamtenhierarchie" nicht einmal Referendar hätte werden können. Bei der Bedeutung, welche de» neuesten Vorgängen auf dem Gebiete der italienischen Kirchenpoiitik beigclcgt wird, ist cö erklärlich, daß sich die gcsaiilmtc italienische Presse mit dem päpstlichen Breve über die apostolische Präfeclur in Erythräa und die Ertbeilung tcS Exequatur an eine Reibe italienischer Bischöfe beschäftigt. Co schreibt u. A., wie schon kurz erwähnt, die CriSpi'sche „Riforma" : Die Wichtigkeit dieser päpstlichen Anerkennung der italienischen Herrschaft in Afrika wird Niemandem entgangen sein. Der Heilige Vater hat alsStaatSmann bewiest», daß er sich milSlaotSmännern verständigen konnte. In diesem stillschweigenden Einvernehmen liegt ein Moment der größten politischen Wichtigkeit. ES wäre unrichtig und unwürdig, von TranSactionen zu sprechen; sie haben nicht stattgesuiide». Jeder Theil hat mit voller Freiheit gehandelt. Die Einigung floß ivonlan au« der vorurtheilSIosen ruhigen Art, wie die schwebenden Angelegenheiten von beiden Theilen betrachtet und beurtheiit worden waren. Tie königliche Regierung hat keinem Rechte des Staate« entsagt. Das Papstthinii hingegen, welches in Italien aus seinem alten Standpuncte besteht, Hot in Afrika im Interesse des Glauben- und der von den Italienern geforderten Cultur eine italienische Thal zu vollsühren vermocht. ES wäre ein Jrrtdum, daraus die Möglichkeit einer sofortigen Versöhnung des Papstthui»« und taliens obzuleiten. Biele Jahre werden vergehe», ehe der alte treit ausgeglichen sein wird, den keine diplomatische Action ver hüllen oder tilgen könnte. Die Zeit allein wird die Heilung bringen. Weise und groß ist eS aber, der bellenden Kraft der Zeit nicht künst liche Hindernisse in den Weg zu stellen. Von einer „Versöhnung" kann also, wenigstens so lange Umberto's Auge über dem italienischen Nationalstaatc wacht, keine Rede sein. Auch der „Osservatorc Romano", daS- intransigentr Organ des Baticans, urgirt den „rein religiösen' Charakter der Errichtung der italienisch-apostolichen Präfeclur und der Erledigung der Frage des Patriarchates in Venedig, und warnt, ähnlich wie die deutsch-römische „Germania" vor dem „Fuchs" EriSpi. DaS Blatt, dem natürlich der frankophile „Moniteur de Rome" lebhaft secundirt, meint: „Vom Jupiter Stator und der Göttin Vernunft ist also Herr CriSpi zum deftigen Namen Gottes gekommen. Warum? Zu welchem Zwecke? 'Woraus sinnt der alte Atheist und Republikaner? Wen will er täuschen?" Zweifellos sind im Vatican mächtige Strömungen vorhanden, welche mit dem Entgegenkommen de« Papste« nicht einverstanden sind (eS sind das dieselben Elemente, welche in Ungarn den Kampf mit der anti-ultramontaucii Regierung bis auss Messer ver langen), und dcSbalb ist eS gut, aller über die allernächste Zukunft hilialiöschweifenden Hoffnungen und Befürchtungen sich zu cnljchlagen, zumal Leo XIII. am Rand deS Grabes steht. CriSpi glaubt die Hilfe der Kirche im Kamps gegen die social-anarchistischen Umsturzbestrebungen zu brauchen, wie er ja in seiner vorgestrigen Neapeler Rede von der „mehr als je sich fühlbar machende» Nothwendigkeit eines Zusammengehens der bürgerlichen mit der religiösen Gewalt" sprach, und der Papst wird sich sein Entgegen kommen, wie anderwärts, so auch in Italien gut b«ablcn lassen. Zu einer Fusioniruna der beiden Firmen „Staat" und „Kirche" wird aber das Handelsgeschäft niemals fuhren. Wie schon telegraphisch gemeldet wurde, bat der russische Finanz minister Wille in Abbazia eine Unterredung mit einem Mitarbeiter der Wiener „Neue» Freie» Presse" gehabt, in welcher cr sich über die gegenwärtige Lage in Europa aussprack. In Bezug aus die eben wieder bren nende bulgarische Frage sagte er: „Wann hat Rußland jemals seine Absicht knndgegeben, Bulgarien in eine iussische Provinz zu verwandeln? Wir haben einen Krieg für Bulgarien geführt aus religiösen und nationalen Sympathien, aber wir halte» niemal» die Absicht,. Bulgarien für uns zu erobern." . . . „Die Frage, ob cs für Rußland keine AuSiohn ung mft Bulgarien gebe, ist eine Frage de« pülinsLe» nmaur prnpre. Aber der Zustand in Bulgarien be droht den «urop.iijchen Friede» nicht, und wir hatten itiemals dieAbsicht i» Bulgarien zu beiriche»". Aus die Frage: War eS nicht eine faktische Herrschaft, al» die oberste» Stellen i» der bulgarischen Armee und Verwaltung mit Russen besetzt waren? antwortete der Minister: „Gerade damit habe» wir Bulgarien sehr genützt und die Sieger von Slivnitza sind ans der »iftitairlschen Schule der russi sche» Osficiere bervorgegange». Man legt zu viel Gewicht aus Bulgarien. In ganz Europa ist es bekannt, daß kein Monarch mehr den Frieden liebt, al« der Zar. I» de» letzte» sechs Jahren war die Gefahr einer Kriege- zuweilen nahe genug, aber der Will« beS Zaren bat den Friede» erhallen. Wenn er eine andere Ge sinnung gehabt hätte, so hätten wir Krieg gehabt. I» so vielen Jahren hat der Zar nicht eine Rede grbalte», ja nicht ein« Bemerkung gemacht, di« aus die Möglichkeit eines Krieges hinge- deutet hätte. Denken Eie doch a» die wiederhotte» Reben anderer Herrscher, die bald auf ihren Säbel geklopft, bald aus den Flintenlaus geschlagen habe». Wie ost habe» wir kriegerische Reden hören müsse». Aber der Zar hat nie geantwortet, »nd doch ist er in freierer Lage, denn sein Will« ist absolut. Kronstadt und Toulon waren Kundgebungen, die nur auS den Sympathien beider Völker entsprungen sind. Niemals seit dein deutsch-sranzösischen Krieg war der Friede so gesichert wie gegenwärtig. Ich sehe keine» Anlaß zu irgend einer Verwickelung." Witte sagte dann vom Kaiser Franz Joses, dieser dabe in ollen seine» Beziehungen zu Rußland »nd zum russische» Hos stet- höchste Correclheit gezeigt. Er genieße in Rußland da« grüßte Vertrauen. Die Frage sei jedoch, wie cS mit Ungarn steht, „die Magyaren haben das Bestreben, alles ungarisch zu machen". Ueber die Stellung Rußland« zur Türkei bemerkte Witte: „Wir haben in diesem Jahrhundert vier Kriege im Lrient geftihrt, aber niemals für uns selber, sondern stets sü r An dere. Die Krieg« gegen die Türkei sind aus dem Bedürfnisse Rußlands hervorgegangeo, Fr«illet»n. °°> Sei« Weib. Roman frei nach dem Englischen von Emil Brrofeld. Nachdruck rerdote». (Fortsetzung.) XXXI ES bedurfte kaum noch der Worte, Annette in Kenntniß zu setzen, daß irgend etwa« Ungeahnte-, Schreckliche« bezüglich ihres sterbenden Vater« sich zugetragen habe; die ganze Situation, die lähmende Erstarrung, in die Mr«. Foag ver fallen, die Verstörtheit Gregory s, selbst einigt dumpfe, un klare Aeußerungen, die zu ihren Obren gelangt, hatten sie längst errathen laffen, daß Furchtbare« geschehen sein müsse, dessen Mittheilung sie mit Beben entgegensah: allein die traurige Pflicht, die Wirklichkeit vor ihr zu enthüllen, sie mit dem schrecklichen Geständnisse ihre« BattrS bekannt zu machen, blieb der armen Ioan überlassen. Sie hatte sich mit der Freundin auf ihr gemeinsame« Zimmer zurückgezogen, wo die beiden Mädchen den ganzen Vormittag cingeschlossen blieben. Mr«. Fogg, von dem Durchlebten in ihrem ganzen Nervensystem zu sehr erschüttert, um irgend etwa« thun zu können, batte jeden Versuch aufgegebcn, sich nützlich zu macheu: die Wirthschajt ging, so gut oder schlecht sie konnte, ihren Gang unter der Leitung der Dienstboten. Annetten« verhaßte Aufgabe, diesen uuterwüblten Hausstand nach den prätentiösen Anforderungen ihre« Vater« fin seinem Schein- glanz aufrecht zu erhalten, war vorüber. Da« unglückliche Mädchen hatte den Mitteilungen Ioan« düster gelauscht, voll Schauder, aber ohne ein Zeichen der Uebrrraschung oder auch nur der heftigen Erregung — sie hatte so Fürchterliche« zu hören erwartet und hatte r« seit heute Nacht selbst geahnt. Al« sie da« Schlimmste gehört, drückte sie die bittere, herb« Verurteilung ihre« Vater«, die sie schon seit langen Jahren tief in ibrem Herzen trug, in den Worten au«: „Mein Vater ist nicht heute Nacht ge storben. Mein Vater starb vor zehn Jahren, al« er noch würdig war, daß ich einen Vater in ihm sah!" Dan» hatte sie sich erhoben und einsam an dem Fenster Platz genommen, durch da- sie, bleich und stumm, mit zusammengrprrßten Lippen und brennendem, thränenlosem Auge in da« Weite hi»au«starrte, während Ioan, aus« Aeußrrste erschöpft, sich ongekleidet auf ihr Lager hinstreckte und fast sofort in einen langen, tiefen Schlummer versank. Annetten« Sinn war strenger al« Ioan'« und ihr lang jährige«, verzwefflnng-volle« Mitaoschaueu de« moralischen Silken« ihre« Vater«, seiner fortschreitenden persönlichen Entwürdigung um schmachvoller Genüsse willen und zur Aufrechthaltung eine« durch niedere Hilfsmittel und auf ge- wisienloscu Wegen erkünstelten äußeren Glanze«, der eine Lüge war —, ihr langjährige« vergebliche« Ankämpsen gegen diese moralische und sociale Zerrüttung, die nur dazu gedient, die Selbstsucht ihre« Vaters zum trotzigen Groll und zur brüsken, rücksichtslosen Tyrannei zu erhöben, hatten ihr Ge- müth erbittert und sich erkältend um ihr Herz gelegt. ES bedurfte langer Stunden de« einsamen Brütens und sich läuternden DurchempfindenS der Gefühle, bis die EiseSrinde schmolz vor der Sonne mildernden, sanfteren Fühlen«, da« sich zu dem gequälten Mädchenherzen Bahn brach, und Ioan batte Recht gethan, auf daS Gute, Wahre in dem Busen der Freundin vertrauend, dieselbe sich selbst zu überlassen, damit dieser Proceß sich vollziehe. Dir EiseSrinde schmolz hinweg und Thräncn kamen der armen Annette. Sie konnte weinen, und als ihre Thränrn flössen, sank da- Laster von der Gestalt ihre« Vaters nieder und in der Erinnerung an ihn beherrschte sie nur noch Ein Gedanke: er war ihr Vater — ihr Vater — und er war todt — gestorben reuig und bekennend! Lange Stunden verrannen, e« schlug zwölf Uhr Mittag«, al« Ioan au« ihrem tiefen Schlafe, in den die äußerste Er schöpfung sie gesenkt, erwachte. Sie sab die Freundin weinend auf den Knieen liegen an dem Stuhl, aus dem sie zuvor trockenen Auge« und in starrer Haltung gesessen, und sie errieth, wa» in ihr vorging. Leise erhob sie sich, trat zu ihr und umfaßte sie. „Ich wußte, daß e« so geschehen würde", sagte sie sanft. „Diese Thränen haben den Bann gebrochen. Kommen Sie mit mir, tbeuere Annette» laffen Sie uns zu ihm gehen — lassen Sie un« am Bette Ihre« Vater« beten!" Die beiden Mädchen begaben sich binauf in da« Sterbe- immer, wo sie nebeneinander an dem Bette de« Tobten nieend, in stillem, versöhnendem Gebete verweilten. Al« sie in ihr gemeinsame« Schlafgemach zurückkebrtrn, trug Ioao'S Hand die vrrhängnißvolle eiserne Caffette. „WaS soll zunächst geschehen?" fragte Annette matt. „Wann wollen wir sagen, wa« sich zugetrageu hat?" „Noch heute — sofortl" entgegnrte Ioan ernst. ,Ich bade schon zu viel Zeit verloren, die ich nicht hätte meinrm Schlaf opfern dürfen. Ich eile gleich jetzt ..." Sie unterbrach sich und erschrak. Wohin wollte sie eilen? Zu ihm, zu Falconer? Sie hatte sich ihm verrathrn — wa« sollte sie ,hm sagen, wenn er fragte, forscht« — wie würde er sie aufnehmen, nachdem sie ihr Gehrimniß geoffrnbart, wie würde er ihre Handlungsweise vrrurtheilen, nachdem er wußte, wer sie war — wie würde sie vor ihn hinzotrrten vermögen! verwirrt sank sie aus einen Stuhl nieder und überlegte. Sollte sie Markham auffochen und diesem ihre Mittheilung mache», damit er sie Falconer überbrmgr? Ader Markham war nicht hier, wie, wo sollte sie ihn finden? Zu einer Reise nach London war nicht Zeit, eine andere Mittelsperson, der sie da« Wichtige hätte anvertrauen dürfen, gab e« für sie nicht — sie mußte nach Old Hall, zu ihm hin, vor seine Augen treten, wie sehr auch immer Scham, Bangen, Zweifel sie verwirrten und vor der Lösung ihrer Aufgabe erzittern lassen mochten! Sie bedeckte in stürmischer innerer Bewegung da« Gesicht mit den Händen und saß regungslos, beniübt, sich zu sammeln und Kraft zu gewinne». Da ertönte die Hausglocke und einige Augenblicke später trat die Dienerin ein mit der Meldung, der Anwalt Mr. Everctt sei gekommen und wünsche Miß Jane Brown zu sprechen. Ah, Everett! Ioan erröthete und fuhr von ibrem Sitz empor. Everett, ganz recht — und er hatte da« Geheimniß ihre« NamenS noch gewahrt, oder glaubte nicht an dasselbe. Sie wollte ihn sprechen. — Die Erfüllung ihrer Aufgabe begann. Hastig ordnete sie rin wenig ihren Anzug und eilte hinaus, die eiserne Caffette mit sich nehmend. Sie fand den Anwalt im Besuchszimmer, wo er in einem Stuhl Platz genommen hatte. Er blickte bei ihrem Eintreten scharf, prüfend aus sie hin, und sie bemerkte, daß seine Züge düster waren, den Au-druck einer gewissen Unruhe trugen, den man an diesem Granitgesichte nicht gewöhnt war. „Miß Ioan Brownell?" sagte er, sich von seinem Sitz erhebend und ihr einen Schritt entgegentrrtend, at« sie in den, Zimmer erschien. „Oder vielmehr Mr«. Falconer Thrale, nicht wahr? „Mr«. Falconer Thrale, ja!" entgegnet« sie ruhig, die Caffette vor sich aus den Tisch niedersetzend und ihm in ge messener Haltung gegenüderstebend. Er schwieg einen Moment und blickte forschend auf sie hin» wie er sie dort vor sich sah, mit bleichen Wangen, ihr goldenes Haar glänzend im bereinströmenden Sonnenjichte, einen Ausdruck de« Mißtrauen« in den großen dunkelblauen Augen, die schön gezeichneten Lippen rin wenig trotzig geschweift. „Lassen Sie un« Platz nehmen, Mr«. Thrale", sagte er, ihr einen Stuhl hinrückend und sich selbst aus einen >olchen niederlafsend. Dann zog er au« seiner Tasche ein kleine« in Papier geschlagene« Päckchen, da- Ioan wohl kannte — da« Päckchen, da« sie Falconer gesendet, und dessen Inhalt der Anwalt jetzt au« der geöffneten Umhüllung entnahm. ,E« ist die« Ihr HeirathSschein und Ihr Trauring, wie ich glaube. Ist dem so?" fragte er. „S« ist so." . . . „Sie sind bereit, Ihre Identität mit der in diesem Schriftstücke genannten Ioa« Brownell zu beweisen?" „Wenn nothig, ja." „Rur nöthig al« Formensache, da mein unglücklicher Irrthum bezüglich Ihre« Verschwinde»« die Angelegenheit zur Kenntniß der Bekörden gebracht bat. Und eine Formensache, die sich leickt erledigen wird, da Ihre Londoner Sachwalter und Mr. Markhani S Schreiber, HtlmphreyS, die Sie kennen, Ihre Ideiitiiät bekunden werden. Mein tinglücklichcr Irrthum, — bin, wir irren Alle im Leben" — seine Hüge wurden noch düsterer, und e« schlich wie ein Erbleichen über dieselben bin. „Mein Irrthum war -- ein Fehler, wie ich gestehe", subr er zögernd sort, als falle ibm daS Gcstäntniß besonder- schwer, „aber er — cr entsprang aus gutem Wille». Mich leitete die Theilnahmc für Sie, MrS. Tbrale." Sie blickte verwundert aus ihn. „Tbcilnabmc für mich?" sagte sie. „Ich wußte nicht, daß Sie an mir Interesse nehmen oder überhaupt auch »ur meine Existenz kannten." Der Anwalt schaute schweigend vor sich nieder und trommelte nervös mit den Fingern der einen Hand auf den Tisch. „Bitte, geben Sie mir daS Document und meinen Ring zurück", fuhr Ioan fort. „Wer durfte Beide- meinem Gatten nehmen?" „ES geschah im Interesse der Untersuchung, Ihr Gatte stand unter geheimer Beobachtung", enlgegnete Everett, daS Schriftstück und den Rmg vor ibr aus den Tisch niederlegenb. „Und eS war für Sie von Nutzen, daß cS geschah. Ich wußte, daß Sie eS gewesen, die Falconer Thrale das Päckchen durch Miß Ncwbott übersenket, der Detectiv Simpson batte c- in der Unterredung zwischen Beiden gekört, und ich erfuhr durch die Wcgnakine dc- PäckchenS , wa- eS enthielt. Zunächst, wie ick gestehe» muß, bestärkte eben die« mich in meiner Annahme eines a» Ihnen verübten Verbrechens »»d veranlaß»« mich zum sofortigen Vorgehen; als Cie sich bann jedoch nannten und sich al» die Gattin Thrale« zu erkennen gaben, ließ cS mich sofort den Zusammenhang errathen und aus der naheliegenden Logik der Tdatsacken Ihnen Glauben schenken. Ich theilte den Beamten meine Gründe mit. und sie mußle» mir bripflichten. Sie nabmen von der Verhaftung Abstand." Ioan hatte seine Worte kaum gekört. Sie schien seine Anwesenbeit vergessen zu haben — sinneud hielt sie ihre Blicke ans den kleinen Goldreif in ihrer Hand gebeslct, de« sie mit verklärtem Ausdruck ihre« Gesicht« betrachtete. „Weshalb nehmen Sie den Ring nicht an Ihren Finger?" fragte Everett plötzlich. Ioan schrak zusammen und erröthete lebhaft. Hasti- schloß sie die Hand, um in ihr den Ring zu verbergen. Sic erhob weder die Auge», noch antwortete sie, vielmehr preßten sich ihre Lippen fester auf einander, wie zum Au-druck, daß sie jede Antwort zurückzudaltrn entschlossen sei. Everett beobachtete sie aufmerksam. „Sie werden, meine ich, Veranlassung nehmen, nicht bei diesem Schweigen z» verharren, und ich möchte meine Frage sogar noch umfassender
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht