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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940915021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894091502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894091502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-15
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September hat es natürlich nicht gefehlt und selbst jetzt noch finden Leute, die sich Politiker nenne», den Mutl>, aus den Worten des Monarchen eine scharfe Verurlheilung der Agrarier bcrauSzuhören und sonst »ichlS. Mil diesen und ähnlichen Thorbcilen braucht mau keine Heil zu verlieren. Aber es muß auf die seltsame Erscheinung binzcwiesc» werden, daß selbst dort, wo eine unbefangene Ansnabme der kaiser lichen Rede sich von selbst verstand, keine Uebercinstimmnng in der Erklärung derselben und in der Schätzung ibrer Trag weite hervorgetrelcn ist. Diese Erscheinung ist vielleicht ebenso charakteristisch sür die Zeit- und Partciverhältnissc, wie für die Kaiscrreke — jercnsalls ist sie ungesund. Am stärksten ist vielleicht die Zahl Derjenigen, die den KönigSberger Borgang als eine Episode anseben, nach der Alles bleiben wirk, wie eS vorher gewesen. Wir haben die Gründe, welche gegen diese Auffassung zu sprechen scheinen, angeführt, ohne u»S jedock der «Stimmung jener Resignirten völlig eiitschlagen zu können. So viel wird man auch einräume» müssen, wen» man jeder Acnkerung in den obersten Regierungsverhält nissen, sowie einer wie immer gearteten Action gegen den Umsturz abgeneigt ist: folgen der Königsberger Rede nicht Thale», so wird daS dort so-stark betonte monarchische Ansehen Einbuße statt Kräftigung erfahren. Ist eS nicht unbedenklich, wenn daö monarchisch gesinnte Volk häufig in die Lage kommt, an einem Kaiscrwork zu „drehen" und zu „deuteln", so wird eS geradezu verheerend wirken, wenn man dabin gelangt, dem Gebalie von Kaiserworten eine ^'minderte Beachtung zu schenken. Im gegebenen Falle würde das Ausbleiben von Handlungen geradezu einer Aufmunlerunz der Agrardemagogie gleich- kommen. Den» wenn der zweite Theil der Kaiserrede in seiner Tragweite angezweifelr werden kan», so ist cs ein Leichtes, den ersten, das volksbelbörende Treiben strafenden, im Lande seiner Bedeutung zu entkleiden. Um so leichter, als das merkwürdige Schicksal des am 5. September mit einer seltenen Auszeichnung bedachten und am 6. von einem Beweis der Ungnade betroffenen, aber doch zweisellos als ausgezeichnet anzuscbenden Grafen Kan itz den demagogische» Enlslellungöküiistcn den weitesten Spielraum giebl. Beobachtet man, was schon jetzt, unter dem frischen Eindruck der kaiser- lichen Ansprache, von „christlichen" und monarchische» BolkSbläliern und deren Hintermännern an sophistischer Aus legung und erneuter Bolksaufrcizuiig geleistet wird, so muß man zu dem dringenden Wunsch nach raschem Hantel» gelangen. Daß der Ministerpräsident Gras Eulen- bürg den Aniheil a» dem KönigSberger Ercigniß, den er lhat sächlich hat, nicht genommen bätte, ivenn er nicht im Besitze eines wenigstens in große» Zügen festgesetzten Aclionsprozramms gewesen wäre, ist als sicher anzuncbmen. Es muß also als bald eine amtliche Benachrichtigung über das Borhabe» der Regierung erfolgen, und dadurch verbülel werten könne», daß cinerseilö der vertraucnslose Pessimismus weiter frißt, andererseits die gruntstürzeiire Agitation in, »ichlsocialistischcn Gewände die Wirkung der Kaiserredc in das Gegcntbeil der beabsichtigten verkcbrl. Allerdings ist die preußische Regierung schon in Berlin nicht die allein maßgebende. Er- sind in Be rücksichtigung zu zicbc» der „Dualismus" und späterbin der Reichstag. WaS das gegenwärtige Verhältnis; zwischen Ncichs- iind preußischer Negierung betrifft, so bildet seine Aendcrung — so oder so — die iiotbweiidige Voraussetzung jeder höheren politischen Tbätigkeit, weshalb die Ankündigung einer solchen folgerichtig als die Berbeißung der Be seitigung deö Dualismus ausgcsaßt werten muß. Und die gegenwärtige Zusammensetzung des Reichstags darf nicht mehr gcg-n den Plan einer Action un Reiche iuS Tresse» geführt werden. Niemals war vielinebr die Forderung einer „Quittung" dringender geböte», als jetzt, wo eS gilt, zur Erfüllung einer hoben Zusage Alles zu lbun, was von den veraniworltichen Dienern des Kaisers verfassungsmäßig geiba» werten kann. Die „Nortd Allg. Zig." ergeht sich zwar seil drei Tagen wieder in lange», öden Betrachtungen über dic Nolhwentigkcil, den Schwerpunkt des Künftigen in die Parteien zu verlege». Aber sie erweckt nur in den ernsthaslen Organe» ein Echo, die aus cine persönliche Anzapfung zu er widern haben. Im Uebrige» hall sich die Presse mit den Ergießungen nicht weiter ans, da sie wohl weiß, daß diese unbeachtet bleiben dürfen, selbst wenn sie nicht Privcuarbeit, sondern von „einem Mitglied der Regierung" in das Regie rungsblatt geleitet sein sollten. DaS in Betracht kommende Mitglied hat der Geschichte der letzten Wochen als Zuschauer, wie ein gcwöbnlichcS Menschenkind, gegenüber gestanden Wäre dieser Umstand unbekannt geblieben, jo konnte man aus ihn aus der verlegenen Haltung der demokratischen und ullra- iiiontanen Presse schließen. Bei der Erörterung des gesetzgeberischen Vor gehens gegen die Umsturzbestrebungen wird vielfach die Frage berührt, wie eS gekommen ist, dag das Lortaliftc»- grsctz einfach ohne jeden Ersatz erloschen ist, und ob es nicht besser gewesen wäre, damals eine neue Bcrständigung berbeizuslihren. Die damaligen Vorgänge, die man seiner Zeit ziemlich gelassen hinnabm, gewinnen jetzt in der allgemeinen Vcrlcgciibeil über das weitere Vor gehen neues und erhöhtes Interesse. Bis zum 30. Sep tember 1890 war daö Socialistcngesctz immer unver ändert auf kurze Fristen crneuerl worden. Als dieser Dermin dem Ablauf sich näherte, wurde, im Oclober 1889, dem Reichstag ein Gesetzentwurf vorgelegt, welcher nicht mehr die GiltigkeilSdancr des unveränderten Gesetzes um eine mäßige Frist verlängern wollte, sondern erhebliche Abänderungen vor- schlng, deren wichtigste die Aushebung der Frist- beschrän kung, die Feststellung der dauernden Giftigkeit war. In der Begründung dieses Vorschlags hieß es: „Die Hoffnung, die durch da- Gesetz zu bekämpfenden gemeingesädrlichc» Bestrebungen würden binnen kurzer Zeit verschwinden, bat sich als trügerisch erwiesen. Unleugbar balle das Gesetz der socialbemokratischcn Bewegung weit stärkere» Abbruch ge tban, wenn eS von Anfang an als ein fristloses Gesetz er lassen wäre. Die in kurzen Pausen immer wieder auf- lauchende Frage der Verlängerung des Gesetzes bol der Socialdemokratie den erwünschten Stoff zur Agitation. Unablässig, nicht nur zur Zeit der RcichötagSwakle». son dern auch sür jede Session, in welcher die Verlängerung deö SocialistengesetzcS zur Beralbung stank, bildete die selbe de» Angelpunkt, um den sich die Agitation der Social- dcmokralie ,» der Presse »nd in Versammlungen drehte." Der neue Gesetzentwurf enthielt eine Anzahl Milderungen hinsichtlich der Erweiterung der NcchtSgaranlien. der Be seitigung oder Abschwächung von Strasvorschrislcn und polizei liche» Vcsiimmiinge»; die unlcr dem Namen des „llcincii BelagcniiigszustandeS" bekannten außerordentlichen Maßregeln sollten ansgeboben werden, mit Ausnahme der allerdings wichtigsten A uSweis u n g S b e f » g n i ß. wonach Personen, von teile» eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung z» besorgen ist, der Ausenlbatt in bestimmten Be zirken oder Ortschaften versagt werde» kann. Diese letztere Bestimmung gestaltete sich alsbald zu einer scbr krilnchcn Krage. Die Regierung glaubte, aus diese Befugnis; zur Auf- rechterhallung der öffentliche» Sichcrbcit und Ordnung nicht verzichten zu können. Die nalionalliberalc Partei Wär ter Ansicht, daß diese Bcsugniß zur Aufnahme in ein dauerndes Gesetz nicht geeignet sei. Die Ausweisungen ai.S den große,« Stätte», in denen der „kleine Bclazerungö- zustand" verhängt worden, Kälten ihren Zweck ganz verfehlt; sie hätten die socialistische Wühlerei an Orte verpflanzt, die bisher davon verschont geblieben. Einmal trage die Maß regel die socialdeinokratische Agitation hinaus in die kleinen Stätte und daS platte Land, wo i» der Regel die polizeiliche Ueberwachuug der AuSgcwiescnen eine viel ungenügendere sei, als in den seitherigen Wohnorten derselbe», den großen Slätrcn. Es werde daher durch die Ausweisungen von Agilatorc» die Socialtemokralic selbst nicht gedämpst, viel mehr gefördert. Sodann aber schaffe die Ausweisung politische Märtyrer und errege hierdurch nicht bloS bei de» Anhänger» der Socialdemokraiie, sondern in weite» Kreisen Erbitterung gegen die bestehende Gesetzgebung. Mil dein Gesetzcntwurs ohne die AusweisungShesugniß, aber mit dauernder Giltigkeit, waren die Naiiviialftberaftn einver standen und es bätte sich dafür mit Hilfe der Eonscr- vativen eine große Mehrheit gewinne» lassen. Allein die Regierung sowohl als die Conservalivcu bestanden aus Beibehaltung der AuSwcisnngSbefugniß, woraus daS ganze Gesetz in der Schlußabstimmung am 25. Januar 1890 mil 169 Stimmen der. Eonservalive», des EentrumS, der Polen, Dentschsreisinnigen und Socialvemokrale» gegen 98 Stimmen der Nationalliberalen und der ReichSpartci abgelehnt wurde. Damit ging der ScptcnaiSreichStag zu Ende, der bekanntlich nach langer Zeit zum erste» Mal wieder eine conservativ- »ationalliberale Mehrheit besessen hatte und somit zur Lösung auch dieser Ausgabe so geeignet war, wie schwerlich so bald ei» anderer. Der letzte günstige Augenblick war verpaßt. Wäre danialS ein dauerndes Gesetz zu Stande gekommen, wozu alle Voraussetzungen vorhanden waren, so wären wir wohl jetzt über die ärgsten Verlegenheiten hinaus. Die inneren Triebfedern bei dieser Kiisis sind nie recht durchsichtig gewesen. Daß allein die Versagung der AnöweisiingSbesugnig sür die Regierung der Beweggrund gewesen, das auch so sehr werth- volle Angebot auSznichlage», wollte Niemandem recht ein- leuchten. Gleich nachher vollzog sich auch der Kanzlerwechsel. Fürst Bismarck fühlte sich wohl damals schon in seiner Stellung erschüttert, sonst hätte die Sache vielleicht einen anderen AuSgang genommen. Die Regierung ist seitdem aus die ganze Frage nicht wieder zurückgekommen, die Zügel schleiften am Boten und wie sie wieder ausgegrissen werden sollen, ist die brennende Frage der Gegenwart. ^2 Es scheint, als ob der junge Hrrzo, von Orleans wirklich die Absicht habe, mit seinen Getreuen eine royal ist ischc Eampagne zu eröffnen. An Zustimmung 'ebft eS ibni i» einem Thcile der Pariser Presse nichl. „Gazette de France" giebt der Hoffnung Ausdruck, der Herzog werde sich seines ValerS würdig zeigen. Er habe mit GoitcS Beistand mutbig die Ausgabe aus sich genommen, daö christliche Frankreich von der Revolution zu erretten, die eS verzcbrt, von der Freimaurerei, die eS sauft» macht, von dem jüdischen PanamiSmuS, der eS zu Grunde richtet. Der Prinz trete in einem günstigen, von der Vorsehung angedeutetc» Augenblick auf. Er möge darum nicht Zandern, sondern geradeaus seines Weges gehen, denn er sei sicher, daß ibm FrankrcichS Herz dankbar cot- gegenschlage. Aus dieser Stilprobe ist zu ersehen, weß Geistes Kinder die Anhänger des Herzogs sind. „GauloiS", der ncch immer »iit Trauerrand erscheint, ist da« designirle ofsiciclle Organ des „Roi des EamelotS," wie einzelne Boulevardblätter den Herzog nennen. I» dem Hofstaate dieses „Königs" wird, nachdem Gras d'H.iussonville seiner Würden und Acmter in Gnaden enthoben wurde, der Herzog von LnvneS, Schwiegersohn der Herzogin von UzöS, die erste Stelle einnckmcn, zweiter Raihgeber des Herzogs aber der Dircclor des „GauloiS", Herr Arthur Meyer, sein. Die gcmäßigle» republikanischen Blätter rcgislrirc» die Vorgänge am Hole des „Königs der Illu sionen" mit dem Bemerken, durch cine Aenderung im Personal »nd in der Politik des OrleaniSmuS könne die Auslösung der rouaftstische» Partei nur beschleunigt werden. Eine sebr gewichtige Tlütze findet diese Ansicht in der be- merkciiSwerth.-» Tbatsachc, dasz daö Hanptorgan der fran- zöiiscbcn Bischöfe, der „UnivcrS", die Unterstützung der orlca- nistischcn Eampagne durch den KleruS ablehnt. DaS klerikale Blatt erklärt, der Herzog von Orleans habe nicht die geringste Aussicht, de» sraiizösischcn Thron zu besteige». DaS Köiiigllnim sei in Frankreich sür immer ab geiba». Der „UnioerS" sordcrt dann die Royalisten aus, sich bezüglich dcS Herzogs von Orleans keiner Täuschung hinzugebcn, riclmehr die Republik anzuerkcnncli. — Ucberraschcn kann diese Sprache nicht, denn bei den zwischen dem Valican und der Regierung der französische» Republik bestehenden s»cund- schafilicbcn Beziehungen konnten nur Pbantastcn aus eine Thcilnahme des KleruS für die royalistischc Bewegung rechnen. Diejenigen Politiker in pnriibu« tickeliiim. welche die Welt mit dem ewigen Frieden beglücken wollen, sind in dieser Jahres zeit besonders tbälig. Aus den internationale» FricdenS- congrcß zu Anlwerpcn folgte der interparlamentarische FriedciiSIag im Haag, jetzt wird unter dem Namen eines Friedciiscoiigresscö ein k> aiizosisch-ttaltriitschrs Bert» uvrriin,»- scst zu Perugia abgehaftcn. Alle „Friedensfreunde", die in Aiiiweipen und im Haag von der Revision dcü Frank furter Friedens nicht ballen sprechen dürfen, gebe» sich hier ein Stelldichein, und versuche» wieder einmal^ ans Kosten dcS Dreibundes den Gegensatz zwischen Frankreich und Italien zu beseitige». Die Worljnhrer sind Mcnott, Garibaldi, Bong hi. Eavallotti, General Türr, die sranzösischc» Senatoren Panc. Trcrieur und Höbrard, scrner die französischen Ab geordneten Siegfried und Leckroy. Es macht einen merk würdigen Eindruck, auch einen IuleS Simon Arm in Arm mit Eavallolti und Bongbi anszichen zu sehen. Der gnimtttbigc^ redselige Greis, der sich mit unendlichem Behagen als Schaustück und Paratcrctncr bei den ver schiedensten Eongreßveranstallungeii verwenden läßt, bat sich ebenso geduldig nach Perugia schaffen lassen, wie vor etlichen Tagen »ach Antwerpen, vielleicht ohne sich trotz der vcr- Feuilletsii. Der goldene Mittelweg. Ls Roman von Erich Roll. Nachdruck vkrtoten. (Fortletzung.) Die erste Bewegung dcS kleinen Burschen war, die beiden Daumen zugleich in den Mund zu practicircn; als der Fremde aocr nach kurzem Besinnen, immer noch die Kleine an der Hand, gar aus ihn und die Lene Zuschrift, da duckte sich der Knabe ängstlich. Ob der Bürgermeister zu Hause sei, fruz der Fremde; er habe mit ihm zu spreche». Ans daS bejahende Kopfnicken LenenS setzte er binzu, dann könne wohl seine Kleine draußen auf dem Hose seine Rückkunft erwarten, da er sie nicht mit hinein in die Stube nehmen wolle. Als die Magd nur glcickmüthig mit dem Kops nickte, wandte sich der Fremde um und hieß mit rauher Stimme das Kind warten. Aus dem Hose regte sich nunmehr nur noch die wülbende Stimme des unablässig kläffenden Kettenhundes; Ami saß gravitätisch neben seinem jugendliche» Gebieter »nd schaute gleich diesem die Kleine an, welche verlassen, verschüchtert und niedergeschlagen aenug. dastand. Endlich wagte sich Erich zuerst ein wenig hinter LenenS Schürze bcrvor und als er den ihm durch sein wilde» Aussehen riesigen Respect einstößcnden fremden Mann eben im Dunkel der cssenstehcnden HauSthür verschwinden sah, scbaule er tief ausalhmcnd das kleine Mädchen an. daS treuherzig seinen Blick erwiderte. „Nun, WaS stcbscht da und guckscht. geh', spiel mit dem Mädele!" sagte Lene und schob dabei den Knaben rin wenig vor. Dann aber, die Kleine schärfer anschauend, setzte sic hinzu: „Oder 'fisch besser, Tn läßt eS bleibe . . Gell, Du bischt doch die GänSIrutel von 'S WiftmerS, was?" wendete sie sich direct an die Kleine. „Trudel heiß ich", meinte diese schüchtern und nickte mit dem Kopse. „Dann isch'S scho recht!" begann die Magd wieder. ,Dei Großmutter iscd dock, die Dorsbex', die Franz, gell?" „Mei! die Großmutter ischt lieb und kci' Hex' nit!" sagte die Kleine und plötzlich drang aus ihren Augen ein böftr, zorniger Blick aus die vorlaute Frazerin. ,,Wa« weischt Du denn davun!", lachte die Magd, während sie den Rest ihre» MiltaggemüseS in eine Schüssel warf und dann mit dieser zum Brunnen gehen wollte. „Kumm nummc mit, Erich, selle isch' kei Umgang sür Dich nit, die stammt von verrufene Leut!" Aber wider Erwarten blieb Erich, der sonst so gern bereit war, jeder neuen Bekanntschaft auSzuwcichen, bei dem kleinen Mädchen sieben. „Icb will mit ihr spielen!" sagte er und schaute die Magd trotzig an. „Kumm numme, kumm!" drängte Lene und faßte den Kleinen bei der Hand. Aber mit einer geschickten Bewegung entglitt ihr dieser, und während sie, verdrießlich brummend, nach dem Brunne» ging, um dort daö geputzte Gemüse vollends abzuwaschen, blieb Erich bei der Kleinen stehe» und starrte diese eine Weile hindurch sprachlos an. „Sag' 'mal, bist Du ein Mädel?" srug er endlich und schnitt dabei ein möglichst tiefsinniges Gesicht. „Ich bin 'S Trudele", erwiderte die Kleine und schwieg dann ebenfalls wieder, schämig die beiden Hände unter dem abgerissene» Scbürzchen verbergend. „Du bist kein Trudel, Du bist ein Mäbcl!" sagte Erich wieder >m Tone großer Bestimmtheit, während er zu seiner Behauptung nachdrücklich mit dem Kopse nicklc. „Weißt Tu. in meinem Bilderbuch da sind gerad' so kleine Mädel und haben gerad' solche Röckchcn an wie Tu . . . früher bin ich auch ein Mädel gewesen . . . aber nun bin ich ein Bub', denn ich Hab' Hosen an. . . ja, mein Muttchen hat's gesagt." Die Kleine gab keine Antwort, sondern betrachtete mil leuchtenden Augen die braunen Beinkleider de« Knaben, welche zu betrachten ihr dieser auch ausreichende Gelegenheit gab. indem er sich mit gespreizten Beinen, die Hände in den Hosentaschen, vor ihr aufstellte und sich zum Uedcrfluß dann auch noch »mkehrte. „Hast Du ei» Bilderbuch?" srug er dann plötzlich wieder. Trudel gab wieder keine Antwort; aber ihr unsicher fragender Blick vcrriclh deni Knaben deutlich, daß seine neue Bekannte ein Bilderbuch nicht einmal vom Hörensagen kannte. „Nun, weißt Du, so'n Papierbuch mit vielen, vielen bunten Thieren!" erläuterte er. „Da lachte die Kleine aber auch schon über da« ganze Gesicht. „Ich bin ja die Gänsetrudel!" sagte sie mit wichtig- Ihuender Miene. „Wir haben auch zwei Ziegen im Stall und viel, ganz viel Gänsl" „Ja. die sind auch in meinem Bilderbuch", meinte Erich. „Aber sie sind klein, viel kleiner, als wie die, die da auf dem Hose berumläuft." „Unsere sind groß und sie können schreien, und wenn ich mich Morgens gewaschen und Milch getrunken und Schwarz brot) gegessen habe, dann treib' ich sie hinaus aus die Wie) , wo die Blumen blühen. Und dann bleibe ich da, bis der Later mich bolt." „Du, ich möchte auch einmal Schwarzbrot, essen — schmeckt das gut?" „Viel gut!" rübmle die Kleine, während sic ihre schimmernd weißen MauSzäbncben zeigte. „Großmutter kan» mir n»m»ie ein hisste gebe, Valer lrinkl zu viel ScbnapS, da ischt kci' Geld z' HauS, da müsse mir balt Hunger lcid'n." „Du, tbut das weh?" srug der Knabe wißbegierig. „Wenn ich 'mal bös' bin, sagt die Lene, ich müßt Hunger leiden, bis ich schwarz wert» — bist Tu vom Hunger so schwarz geworden?" „Ach bewahr'", lachte daö Mädchen. „So 'n biSle Hunger verheißt man halt — komm nur mal 'raus auf die Wies', Du schöner Bub', dann schenk' ich Dir auch mein ganzes Schwarzbrot,!" Erich sann cine Weile nach. „Du, ist daS weit von hier?" fragte er dann, während er tief ausathmcle. „Vor dem Dorsc drauße, dort, wo keine Häuser mehr stehe, da ischl'S ganz still und so schön — so schön!" Ganz begeistert klatschte sic dabei in die Hände. „Du, da fürcht ich mich aber, wenn daS so weit ist", meinte Erich schüchtern. „Ist daS bis am Ende der Welt?" „Ack bcivabr'!" sagte Trudel und riß zugleich die Augen weit auf. „G'rad vor'm Dorf ist - — schäm' Dich, ein Bub' »nd sürckte' — da fürcht sich ja nit einmal die Liese, weißt Du, die große GanS mil dem schwarzen Kops die kennt den Play schon ganz genau." „Ich kann mehr wie so 'ne dumme GanS", entgegnete der kleine Bursch empfindlich. „Da komm' ich auch mal hin, wenn Du mir Scbwarzbrod gicbst, und mein Muttchen muß mil uns gehen. Kennst Tu mein Mnftchcn?" VerständnißloS blickte daS kleine Mädchen ihn an und schüttelte dann den Kopf. „Aber Du mußt doch ein Muttchen haben?" fruz Erich hartnäckig. Ein erneute- Kopfschütteln de» Mädchen» folgte. — „Ich weiß nicht, waS daS ist", sagte e« verschüchtert. „Bist Du aber dumm, La» ist doch die Frau, dir immer weint und wo man immer zu essen kriegt von ihr, und Abend» betet sie immer mit mir, wenn ich in meinem Beuchen d'rm liege, weißt Du « nicht?" „Ach ja, daS ist ja daS Mutierte", lachte die Kleine und klatschte die braune» Händchen zusammen. „Mei Muiterle ist lodt, lang' lodt, eS liegt auf dem Gottesacker, und wenn der Vater von ihr spricht, dann heult er jedesmal!" „Mein Papa ist auch lodt!" sagte Erich mit leuchtenden Augen, als ob er wniikerwciß welch' große Neuigkeit der kleinen Spielgefährtin milzulhcile» babe. „De» liegt auch aus dem GollcSacker, da ist'S arg schön, Blumen bringt ibm die Mama und tan» weint sic immer. Also Mutterte sagst Du, ich sage auch Muttchen. So bat sic micb'S gelehrt, aber weist Tn, Mutterft, das ist viel schöner." Er alhmele wieder tief ans und wendete sich zu Leiie zurück, „Lene, Lene", ries er, „die kleine Trudel soll mit heraus zur Mama kommen!" „Bebül', waS sällt Dir ein, kumm jetzt, gleich klimmst her!" ries die Magd barsch, die inzwischen ihre Hanlirunz am Brunnen beendigt batte. „Tie Trudel von der Dorsber» die war' mir g'rad die Richtige. Behüt', waS wird die Frau Lehrer dazu sagen?" Und dabei faßte sie den kleinen Erich und wollte ihn fortzicbcn, aber dieser entglitt ibr behende. — „Ich Hab' Dich lieb, Trudel", wandte sich Erich »och einmal an die Kleine, „und wenn ich darf, komme ich einmal zu Dir auf die Wies' und dann spielen wir zusammen und Du giebst mir auch Schwarzbrod, gell?" Trudel nicklc und schaute dann dem kleinen, blond lockigen Knaben nach, biS er im Innern dcS HanseS ver schwunden war. Im Hausflur stand der Unbekannte, der eben aus der Wobnstubenlbür gclrelcn und im Begriff war, sich aus den Hof zurückzuzcben. Derselbe schnitt ein mürrisches Gesicht und eS war dem Knaben, als ob er ihn mit einem feind seligen Blicke messe, und enge drückte er sich an Lenen- Äcitc. Diese wollte grußlos mil dem Knaben an dem Manne vorüberscbrcitcn. „Na ja, Ibr habt keine Barmherzigkeit sür uns", brummte dieser. „Da schau' nur Einer daS Bühle an, bat einen Sammlkittcl am Werkellag! Unserem- läßt seine Kinder am Sonntag barfuß lausen — und wenn man sich 'mal einen SchnapSrausch kaust, tan» muß daS Mätle hungern!" „WaS ist denn da» sür ein böser Mann?" murmelte Erich, al» er außer Hörweite de- Unbekannten gekommen war. „Siehst Du, Du ballest Dich vorhin nit cinlassc solle mit dem Mädle", sagte die Lene, „das ist der Flurschütz, der schreibt die bösen Buben auf, wenn sie aus dem
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