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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940917024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894091702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894091702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-17
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Wer durch den wcitgedehnlen Gürtel der Posener FortS in die Stadt gekommen ist, der hat so ziemlich Alles hinter sich, was specifisch preußisch genannt werden kann. Ein farbiges Straßenleben umfängt ihn, daS in keinem Moment an den nüchtern-protestantischen Zug er innert. der die Hauptstädte der alten Provinzen der Mo narchie einander so ähnlich macht. In dem modische» Quartier, um den Wilhelmplatz, schwirrt eS wie in einer wirklichen Großstadt und eS sind meist polnische Laute, die aus dem Gewirr beraustönen. Biel Bettclvolk und zwischen durch ein reger Strom brünetter weiblicher Erscheinungen, meist von umfänglicher Körperlichkeit, mit blitzende» Steinen in den Ohren und in Toiletten, deren Fardendissonanzen von einem modernen italienischen Opernmcister compomrt sein könnten. Hell schimmert eS aus den Auslagen der großen Magazine, die zumeist schon elektrisch beleuchtet sind. Eine- dieser großen Kaufhäuser, ein wahrer Jahrmarkt der Eitelkeiten, hat auch eine Abtbcilung für mechanische „Ton kunst", ein Manopan oder Herophon oder wie der unselige Mechaniker sein Werk genannt haben wag, ist gerade in Bewegung, und auf die Straße töntS mil schriller aufdringlicher Weise: jescre kolska nie regeln, noch ist Polen nicht verloren! Hier in dem Viertel der Begüterten, der polnisch jüdi schen Bourgeoisie, schaut es auS wie iu einer inter nationalen Welt, just wie Hamburg den Vorgeschmack der Londoner Atmosphäre bietet, so bereitet der Posener Wilhelm platz den ostwärts reisenden Deutschen aus Warschau vor. Die gleiche breite Behaglichkeit und derbe Sianjichkcit im äußeren Lebe», wie in der alten Hauptstadt Polens, die gleiche stumpsc Unempfindlichkeit gegen die unvergänglichen Güter nationalen Besitzes. Schwer genug mag eS der ruhigen Art deutscher Bürger werden, hier nicht aufzubegehren. Einen ganz anderen Charakter trägt die Stadt in dem alten Viertel rings um den Markt, den der heilige Nepomuk mit dem goldenen Strahlenbündel schirmt. Auch hier wenig Spuren deutschen Lebens, ein breiter Strom von Ghetlo- brovem und Weibkcrzen- und Räuchcrduft unvermittelt neben einander, Dawuiel Freutenreich'S Schnapsladen neben der .katholischen Buchhandlung", in der TaddäuS Kosciusko'S Conterfci farbig und in Schwarzkruck, in Lithographie wie in Oelfarbe, in allen Größen, zu allen Preisen angcbotcn wird. In verzeihlichem Trotz betrat ich daS geräumige Magazin, um nach einer Bismarck-Photographie zu fragen. Des schwarzlockigen Verkäufers schnarrendes: .Habbcn wir nicht", scheuchte wich schnell aus dem Laden. Drüben schilderte friedlich der Wachtposten unter dem polnischen Doppeladler, der preußische Staat hat ja niemals jenen tbörichtcn Krieg gegen Erz und Stein geführt, der anderen Regierungen wichtiger gewesen ist, als die Ausgaben praktischer Colonisation in neuen GebietStheilcn. Wenn der heißblütige KoSciuSko-Verschleißer auf seinem Wege zur „katholischen Buchhandlung" wieder an der Wacbe vorübergeht und über den preußischen Pickelhauben das Wappen des Iagellonen schaut, mag ihm am Ende ein Moment der Einkehr kommen und sein Widerstreben gegen die PorlraitS deS großen deutschen * Ta au» noch nicht aufgeklärten Ursachen der uns versprochene Lriginalbericht noch nicht eingetrofsen ist, sind wir genöthigl, einst weilen den „Berl. N. N." den solgcnden, leider auch noch unvoll ständigen Bericht zu entnehmen und die Ergänzung desselben uns vorzub-haltea. D. Red. Kanzlers wandeln. Wenn eS nicht auS Rücksichten der Billig keit geschieht, so doch vielleicht auS — Geschäftsinteresse. Denn heute lebte und schwebte der Baumeister deS Reicht um jeden Kreis, im Kleinen und Großen, der deutsche Männer hier vereinigte. BiS zum späten Abend brachten die Local züge Schaarcn rüstiger und müdrr Gestalten, die die Losung Ulsammengesührt hatte: Nach Barzin! Waö sich den Deutschen in dieser Provinz lange schon schwer aus die Seele gelegt, was sie bedrückt und in ihrem patriotischen Stolze verletzt bat. daS Alle» findet in dem mächtigen Drange seine Auslösung: zum allen Kanzler, ihm zu hul digen, der unS das Recht gegeben bat, stolz zu sein und zu bleiben auf deutschen Sinn und deutsche Art! E« ist im wahrsten Sinne eine Wallfahrt, ein Pilgerzug zu der Quelle deS deutschen nationalen Geiste-, um an ihr Stärkung zu finden in schweren Tagen. Tie organisatorische Arbeit, die der HuldigungSzug den Führern aufgczwungen hat, ist ganz außerordentlich gewesen. Nur die freudige Zuversicht, daß eS einem großen nationalen Ziele gelte, kaun solchem Bemühen ein volles Gelingen schaffen. Und daß eö gelungen, bezeugen die Tausende, die heute iu der Hcrbstnachl, frohen Herzens den Schlaf ent behrend, dem stillen Waldsrieden zueilen, wo Deutschland- größter Sohn nach unvergleichlichem Schaffen dem Baterlande leine- Wissen- Hort hütet. Auf der Reife. Reuftetttn, 16. September, 8 Uhr 30 Minuten früh. Die Abfahrt von Posen geschah infolge deS kolossalen Andrangs mit einer halbstündigen Verspätung. Der von Rawitsch kommende Zug, der stürmisch acclamirt wurde, zählte bereits 60 Achsen und wurde von Station zu Station voller. In Schneidemühl wurden die Fahrgenoffen von einer am Babnhof versammelten zahlreichen Volksmenge mit brausenden Hurrahruten und mil Musik empfangen. Leider verhinderte der BahnbosSvorstaad die Zusammen legung des von Bromberg gekommenen mit dem Posener und Rawitscher Zuge; das Schneidemühle« BahnhosSpcrsonal war der allerdings außcvordenllich großen Ausgabe nicht gewachsen. Insolge dessen haben wir jetzt in Neustettiu einen.Aufenthalt von ts. Stunden, um die Bromberger zu erwarten. Hier in Neustettiu tummelt sich eine frohbewcgte Menge, die Theilnehmer an der HuldigungSsahrt stürmen dir Frühstückszelte, während die Capelle deS 4». Infanterie- Regiment« lustige Märsche spielt. Die Stimmung ist eine unbeschreiblich gehobene. Reuftrtttn, g Ubr >5 Min. früh. Wegen der Verspätung deS 45 Achsen zählenden Bromberger Zuges mußte die beab sichtigte Begrüßung in Neustettiu Wegfällen; sobald der Zug cintrifft, wird die gemeinsame Fahrt fortgesetzt. In Barzin. Barzin, 16. September, 4 Uhr 40 Min. Nachm. Bei bester Stimmung aller Theilnehmer traf der riesige, auS 56 vollbesetzten Waggons bestehende Zug in Hammer mühle cm. Hier empfing die von Tempelburg herüber- gekommenc Capelle des Infanterie-Regiments die Gäste mit dem Torgauer Marsch. Namens deS Festausschusses begrüßte OberlanbeSgerichtSralh Meißner au« Posen die versammelten Theilnehmer; er gedachte in seiner Rede Kaiser Wilhelms I. und de« Fürsten Bismarck, denen die Erfüllung de« EinbeitSwunschc« des deutschen Volke« z» danken sei. Die Begrüßung klang in ein Hoch auf den Kaiser au«. Nunmehr wurde der Marsch nach Barzin angetreten. Bekränzte Wagen nahmen die älteren Theilnehmer aus; 20 Gespanne hatte Kürst Bismarck von seinen Gütern bei gestellt. Der Zug marschirte in drei Gliedern in daS Tors Barzin. Alle Wege waren reich geschmückt, mehrere Ehren pforten errichtet. Es herrschte cm riesiger Zudrang seitens der ländlichen Bevölkerung. Im alten und im neuen, noch unfertigen Gasibos war an langen Tischreihe» reichliche Be- wirthung vom Fürsten gespendet. Inzwischen herrschte im Schlosse bereit- rege« Leben. Fürst Bismarck trat bald mit Prof. Schweninger, bald mit I)r. Cbrnsander, bald mit Herrn Gebeimratb von Hansc- mann aus den Balcon; Pros, schweninger weilt seit gestern Nacht i» Varzi». Grai Wilbelm BiSinarck und testen Ge mahlin, Frau Gräfin Rantzau und deren Kinder, letztere in weißen Matrosenanzügen, sieben am Fenster und begrüßen freundlich die im Hose erscheinenden Personen. Zu Gast sind beim Fürsten Baron unk Baronin Merck, Gebeimratb von Hansemann, von Bernutb-Borowo, LanteSökonomierath Kennemann, RegierungSratb Gensichen. Gegen Ubr tritt der Fürst allein auf den Balcon, grüßt sehr huldvoll die Vertreter der Presse, die an zwei Tiscken dicht am Schloß Play genommen haben, und tritt dann an sie heran, aus den Stock gestützt. .Sie kommen sehr früh, meine Herren." sagt er, .eS ist noch nichts los und wird auch nicht viel werden. Ich habe wieder einen Anfall von meinem allen Leiden Lumbago, wenn Sie'- kennen." .Hexenschuß," erlaubte ich mir zu übersetze», dabei nickte ter Fürst und sab lächelnd auf Professor Schweninger. .Ich be- daure, daß die Herren zwei Rächte haben opsern müssen »nd nun gar in der 3. Classe." Als Lieutenant Fischcr- Tirschticgel, der zum Gelingen deS HuldizungSzugeS hervor ragend deigctragen hat, dem Fürsten erklärte, daß selbst rin 75jäbriger Mann sich trotz der Strapazen von der Theil- nähme nicht habe abhalten lassen, und daß der Fürst um Deutschlands willen mehr als eine Nacht ebne Schlaf ver bracht habe, entgcgnete Fürst BiSinarck lächelnd: .Heute kan» ich'- nicht mehr." Lieutenant Fischer berichtete sodann die Ursache ter Verspätung durch den Vorgang in Schncidemühl. .Doch nicht eine beabsichtigte Verzögerung?" fragte der Fürst, Herrn Fischer schließlich die Hand reichend und zum Hause zurückgcdend. Er wandte sich noch einmal um und sagte: .Sie haben sich so viele Mühe gemacht, eine Ruine zu sehen. Mehr ist'- nicht." Daraus schritt er durch die Thür in- Haus. Eine Viertelstunde blieb der Balcon leer, dann wurde rin Stuhl berauSgescbobcn und die Frau Fürstin Bismarck erschien und nahm Play aus der rechten Baikonscitc, neben ihr Gebeimratb v. Hansemann und Frau Baronin Merck. Professor Schweninger trat hinzu und ei» sehr heiteres Ge spräch entwickelte sich. In dem Augenblick, da auch Graf Wilhelm BiSmarck und Gemahlin hinzutralen, nahte der HuldigungSzug unlep veu Klänge» de« Pariser Einzugs- Marsches. Es machte ersichtlich einen mächtigen Eindruck auf die Frau Fürstin und ihre Gäste, als die Schaaren immer dichter heranwogcnd, militairsch gruppirt den ganzen Schloß Hof ein nah men und weit hin in längen Gliedern sich auSdchnten. Mit einem Male geht eine Bewegung durch die Reihen — lang samen Schritte- tritt F ü r st B > Sinarck auö dem Hause. Herr Major von Tiedcmann-Seeheim bringt ein dreifaches Hurrah aus und wohl fünf Minuten lang widcrhallt der Schloßbos von den donnernden Hoch- und Hurrahrujen der Tausende begeisterter deutscher Männer. Es war ein Augen blick von überwältigendem, unauslöschlichem Eindruck, der sich jeder Schilderung entzieht. Der Fürst stand eine gute Weile in tiefer Bewegung, vor Ergriffenheit keines Worte- sähig, da. Mit Müde konnte endlich Ruhe hergestellt werden, woraus Herr LandeS- ökonomierath Ken ne in an» vorlrat und die nachstehende Adresse verlas: „Durchlauchtigster Fürst! Es sind deutsche Männer au- alle» Berussclassen der Provinz Posen, welche sich hier vereinigt daben, um Zeugniß abzulege» von den Gefühlen unbegrenzter Verehrung und unwandelbarer treuer Anhänglichkeit, von denen die deutjche Bevölkerung dieser Provinz Eurer Durchlaucht gegenüber beseelt ist. Wohl hatten wir schwere Bedenken, auch iu diesem TuSculum die Ruhe Eurer Durchlaucht zu stören, aber sie wurden über- wunden durch das lebhafte Verlangen, unserer innigsten Dank barkeit Ausdruck zu geben. Wenn die unsterblichen Thaten Eurer Durchlaucht der Geschichte angebören und alle Völker zur Bewunderung hinreißen, so ist »S doch namentlich da» deutsche Volk, welche- den Segen derselben geerntet hat. und deshalb sühlen alle Teulichen, in welchem Weltiheile sie auch wobnen mögen, ihre Herzen döder schlagen, wenn der Name „BiSmarck" auSgeiprochea wird, indem sie sich mit Stolz zu ihrem srüher so vielsach mißachteten Vater- lande bekennen. Was die Vesten de» deutschen Volke» ersehnten und als einen schönen Traum seiidikllen, der durch die Bestrebungen von Gciieraliviien einst sich zur Wirklichkeit gestalten könne, da- haben Euere Durchlaucht mit weisem Abwägcn und kühnem Wagen in überraschend kurzer Zeit zur Au-sühruug gebracht. To» geeinigte Teulschland vermochie den ihm vom Erbseinde ausgedrungenen Kamps zu einem glücklichen Ende zu führe». Unler ihrem erhabenen Führer au« dem glorreichen Hohen- zollernslanime schritten die deutschen Heere von Sieg zu Sieg und drangen bis ins Herz des semdlichc» Landes. In den goldenen Säle» von Versailles wurde durch «inen feierliche» Act der staunenden Welt verkündet, daß da« deutsche kaiserlhum in neuer Herrlichkeit erstanden sei. Ta ergoß sich ei» Strom der Begeiste rung über all« Hütte» und Palast« und mir den Iubelrusen aus allen Thäler» und von allen Bergen de» weiten Vaterlandes erklangen Legenswünschc für den greise» Heldenkaiser, seinen großen Kanzler und da» siegreiche Heer! TurchMuchtiqsler Fürst! Durch die Vereinigung der deutschen Stämme ist auch die unlösbare Zugehörigkeit der Provinz Posen zu Pieußen-Teutschland. deren Fortbestand in kritischen Tagen Preußens wiederholt gefährdet erschien, iür ewige Heilen besiegelt worden. Euerer Durchlaucht deutscher Politik i» erüer Linie.ver- danke» wir Bewohner dieser Provinz da» Bewußtsein, daß wir in eine», deutschen Landestheile lebe»; wir hegen die feste Zuversicht, daß die i» unserer Provinz noch herrschenden bedauerlichen natio nalen Gegensätze mit der Zeit verschwinden werden, sobald Liese unsere Ueberzeugung erst ein Gemeingut oller Bewohner der Provinz Posen geworden sei» wird. Wohl wird die Erreichung ,rne» Zieles durch mancherlei Schwankungen, deren große Gejahre» wir hier nicht schildern wollen, zeitwrilig ausgedalien. Toch tragen gerade solche Vor gänge dazu bei, de» RcichsgeLanlen unter den deutschen Be- wohner» unserer Prov uz zu Verliese» und ihnen die segensreichen Wirkungen Euerer Turchlaucht weit vorausdlickender, kraftvoller Politik siet- zu erneutem Bewnßisein zu dringen. Sind wir Männer von de» Gefühlen grösster Verehrung und unauslöschlicher Taukbarkeii zu Euerer Durchlaucht beseelt, so linden diese Gefühle den kräftigste» Widerhall in den Herzen der deutschen Frauen der Provinz Posen: damit ist di» Gewahr zu ihrem un- geschwachlen Forlleben von Geschlecht zu Geschlecht gegeben!" Die dem Fürste» überrrichte Adresse ist ei» Meisterwerk deutschen Kunstgiwerbcfleeße«. Die blaue Saninietdecke trägt in der Mitte da« Wappen de« Fürsten in getriebenem Golt- und Silberrelics, darüber den Genius de« Ruhmes. Die Seitenflächen sind von vergoldeten Silbcr-Lrnamentcn um rahmt. DaS Titelblatt ist in fünf Farbe» auSgesübr«. Lbe» ist die Siegesgöttin nach dem Modell des Posener Krieger denkmal« zu scbeii, link- bas ReichSwappc», rechts das Wappen der Provinz Posen. Die Aufschrift lautet: .Sr. Durchlaucht dem Fürsten Bismarck in unverbrüchlicher Treue und Dankbarkeit von seinen Verehrern in ter Provinz Posen.' Unterschrieben ist die Adresse von allen SccliouSvvrstänten der HujtigungSfahrt. Ter Fürst hörte die Verlesung der Adresse tiefbewegt an, während Professor Schweninger dicht hinter ihm stand. Als Herr Ken»enial»i geendet halte, sang die ganze Ver sammlung in taiisendsliiuniigei» Chor mit mächtigem Schwünge die erste Strophe deS BiSmarck-LiedeS »ach der Weise von „Deutschland, Deutschland über Alles": Bismarck Heil! Dem einzig einen, Unires Volkes lreu'slein Mann, Ihm, der heldenhaften Geistes Kaiser un» und Reich gewann. Von Len Alpe» bi» zum Meere Brausend stimmt de» Hochruf an: Heil! Dir, Bismarck, einzig einem. Unsre« Voltes lreu'slein Mann! Nach einer abermaligen minutenlangen stürmischen Ovation ergriff Fürst BiSmarck taS Wort zu einer ein- stündigen Rede, in welcher er, von großen GesichtSpuncten ausgehend, weit ausgreifend das Berdältniß zwischen Feeeillston. Ver goldene Mittelweg. 81 Roman von Erich Rott. Nachdruck vertoiea. (Fortsetzung.) Der kleine Erich hatte an diesem Nachmittage glücklich klein Trudel wieder gesunden, und wieder Hallen sie aus der Waldwiese eine geraume Weile zusammen gespielt. Daun aber war plötzlich eine alte Frau mit einem, wie au- zahllosen Runzeln und Fältchen zusammengesetzten Gesicht und einem Paar an den Rändern stark gerölbeten Augen, gestützt auf einen Stock, an sie herangebumpelt; die trug ein verschlissenes, hie und da mühsam geflicktes Kleid und über den gekrümmten Buckel eine mächtige Traglast gesammelten, dürren Reisigs. „Sell ischt die Großmutter", hatte Trudel gleich zu ihrem Spielkameraden gemeint, welcher betreten auf die so un- vermuthet zwischen sein Spiel Getretene geschaut und bereit« angefangen hatte, sich zu fürchten. Die Erscheinung der alten Fränz war nun allerdings nicht vertrauenerweckend, so daß Erich sofort wieder beide Daumen in den Mund schob und ein dem Weinen nahe verwandte« Gesicht machte. So, sell ischt der kleine Prinz, von wellem Du mir erzählt hast, Trudel", kräbte die Frau mit heiserer und beinahe unheimlich klingender Stimme, während sie zugleich mit der einen knöchernen, hageren Hand Uber den seidenen Lockenscheidel deS Kleinen strich, .gar nil stolz, da« ist recht. Du kleiner, lieber Bursch, spiel' nur out dem Mädele, die ischt grad so einsam wie Du!" Der Knabe gab keine Antwort, aber er fühlte doch Sü den Worten heraus, daß die alte Frau trotz ihres abschreckenden Aeußeren eS doch nicht schlimm mit ihm meinen konnte. Zudem faßte er Muth. als er sah. wie die so schnell gewonnene Spielgesährliu aus die alte Frau loSgiog und diese bei der Hand faßte. .Großmutter, eS ischt so arg schön", meinte Trudel „und der Erich hat mir zwei Aepfel mitgebracht, ach haben die gut geschmeckt!" .So ischt'S recht, sell freut mich", kopsnickte die Alte und grinste den Kleinen dabei an, daß die gelben, abgesaultcn Zabnstumpsen, die sie noch im Munde besaß, zum Vorschein kamen. .Und nun spiel' numme un sei luschtig. DaS Lebe ischt gar arg schwer. Dri Vater ischt auch all' todt. Du bischt doch de« Lehrers Sohn und gehörscht in- BürgermeischterhauS?" Davon verstand Erich freilich nicht« und gab nur mit einem verlegenen Lächeln Auskunft. Dann aber atbmete er tics auf und, einen Schritt vertretend, sagte er, die Alte starr ansehend: .Die Lene hat gesagt. Du wärest eine Hex' und thätest die kleinen Buben iu Deinem Ofen braten. Gelt, daS ist nil wahr?" Da lachte die Alte; daS klang recht giftig und verbissen. .Die Lene soll sich inacht nehme, daß sie nicht selbscht aufm Bese aus'm Schornschtein 'nauSreit't", höhnte sie. .Ich war einmal ein bilesaubcr'S hübsch Mädele, ischt freist schon lang her. bi hi hi . . . sell kann nicht ein jed' wüscht Kratzbürscht von sich sage! Aber Hab' numme kei Anzscht nit — die alte Fränz hat jo koi Zäbn mehr im Maul, da hört'- Bubefressc' aus! — Und Dir thät ich sch»' mal gar nix zu leid, weil Du so liebreich spielscht mit der Trudel — Dich Hab' ich lieb, Du kleiner Bub. Hascht Du'« verschtanne?" Erich nickte mechanisch mit dem Kopse, er schien aber seiner Sacke noch immer nicht recht gewiß zu sein. Al« die Alte wieder mit ihrer hageren, knöchernen Hand über seinen Lockenkopf fuhr und hinzusügte, er solle auch einmal mit der Trudel in ihr Häuschen kommen, sie wolle ihnen die Ziegen zeigen und die Gänschen, die ihr Sohn habe, da schnitt er ein zweifelhafte« Gesicht. .Gelt, ich werde nicht gebraten, wenn ich zu Dir komm ?" Die Alte lachte nur und humpelte davon. Sie wollte offenbar einem Zwiegespräch mit der Lene auSweichen, die eben athemlo« hrrangekeucht kam, Erich schon voo weitem beim Namen rufend. Als sie an diesem Abend auf den Hof zurückkehrten, lauerte Leberecht Winkler nicht auf sein Enkelkind. Dafür aber tollte in dem Hose, ei« Steckenpferd reitend, ei« in eine« blaue» Sammtanzug seingekleideter, bildhübscher Knabe, der vielleicht im gleichen Alter mil Erich stehen mochte, aber diesen wohl um einen halben Kopf an Länge überragte, umher. Mit weitausgerifsencn Augen starrte Erich die ungewohnte Er scheinung an. Er verkroch sich, als der Knabe auf ihn zukam. hinter der Schürze der Lene und erschrak noch mehr, als in diesem Augenblicke daS Wobnstubenscnstcr im Erdgeschoß geöffnet wurde und die Gestalt deS Großvater- sich zeigte. .Da ist ja der Ausreißer!" rief er, schien aber dabei guter Laune zu sein, .na eS ist die höchste Zeit, daß Du kommst. Da ist ein Svirlkamerad, jetzt laßt »» Hof Eure Stimmen erschallen, daß eS nit immer so still bleibt!" Zum erstenmal wohl nickte er dem Kleinen wohlgclaunt zu und verschwand wieder vom Fenster. Der fremde Knabe aber warf hochmüthig den Kops in den Nacken. .Du bist ein tunimcr Junge", sagte er ncste- rümpfend zu Erich, .mit Dir will ich gar nickt spielen. So Einer verkriecht sich hinter der Schürze einer Magd!" DaS war eine ganz andere Sprache, als sie Erich bisher gehört hatte, und sie mochte diesem fremdartig genug Vor kommen. In demselben Augenblicke ging eS auch schon durch sein gutmüthigeS Gefickt wie Abneigung. .Ich bin kein dummer Junge, mein Mutterle bat mich lieb und mit Dir will ich erst recht gar nicht spielen", sagte er und zog dabei an der Lene Hand, daß diese mit ihm in das Hau- gehen sollte. „Du weißt Wohl nicht, wer ich bin", frug der fremde .Knabe und vertrat ihnen den Weg, „eS muß für Dich eine Ehre sein, wenn »ch überhaupt mit Dir spiele, Du Bauernjunge!" Da aber flammte ehrlicher Zorn in den Augen Erichs aus und er ließ unwillkürlich die Hand der Lene loS. .Ick bin kein dummer Bauernjunge", erwiderte er, „ich bin meiner Mutter Liebling, bat sie gesagt!" Er redete sich ordentlich io die Aufregung hinein. Dann aber ging er wieder an die Hand der Lene zurück und schritt weiter über den Hof. Der kleine Ami kam in diesem Augenblicke winselnd und hockaus springend den Beiden entgegen und Erich klatschte bei seinem Anblicke frohgemuth in die Hände. .Pfui, ist da« rin häßlicher Hund", sagte der fremde Knabe verächtlich, dabei batte er auch schon sein Steckenpferd umgedrebt und schlug nun mit dem Stiel desselben dem kleinen Thier gerate aus den Rücken, so daß der Hund sofort zu winseln und jämmerlich zu beulen anstna. Da geschah etwa« Unerwartete«. In dem Augen blick, wo Erich seinen kleinen, vicrsüßigen Spielgefährten leiden sab, schncllic er vor und warf sich in blinder Wulh auf den fremden Knaben. „Ick will Tick lehre», meinen Ami zu schlagen, Du böser, böser Bube", schrie er aus und schlug zugleich mit seinen kleine» zierlichen Fäustchen in regelmäßigem Tact auf seinen Gegner ein. Dieser freilich ließ sich auch nicht« bieten und so tan, eS bald, daß die beiden Knaben sich in einem wirren Knäuel am Bore» wälzten, balgten und dazu Beide au- LcibeSkrästcn schrien. DaS Fenster im Erdgeschosse öffnete sich wieder, Winkler schaute mit zorniger Miene bcrauS und auch Frau Elsdeth wurde durch den Lärm angelockt, binter einem Fenster de- Oberstockes sichtbar. — „Was machst Du nur, Erich, mein liebe« Kink", rief sie mit zitternder Stimme. Da erschien Leberecht Winkler aber auch schon unter der HauSthüre unt ibm folgte r>» zierlich gewachiencr, baserer, in seiner ganzen vornebnien Haltung an den srübercn Osficier gemahnender Herr, der ein Monocle in bas rechte Auge ein geklemmt trug. — „Aber Felix, ich begreife Dick nicht, wie konntest Tu Dick so weit vergessen, sofort kommst Du her!" ries der Herr mit schnarrender Stimme. .Ihr Bliybuben, wollt Ihr wobl auseinander!" ries da gegen Lebereckt Winkler, warf sich zwischen die Streitenden und brachte sie von einander. Nun standen die beiden Kämpfer, beschmutzt, tics auf- athmcnd, die Thränen in den Augen. .Der hat angesangen", ries der vorhin mit Felix Ange redete und zeigte dabei mit der aiiSgestrecktcn Rechten auf Erich. .Ich habe ibm gar nick»- getban. da schlug er mir auch schon ins Gesicht, der grobe Bauernlüniniel!" .Er hat meinen Am, geschlagen, daS bars er nicht thun, der Ami ist mein", »ies Erich dagegen. (Fortsetzung folgt.)
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