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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940919021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894091902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894091902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-19
- Monat1894-09
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Maiiteiincl hat auf dem Parteitag der Eoiiservativeu Thüringens iu Erfurt eine Rede gehalten, die nicht mit Stillschweigen übergangen werben darf, obwohl in diesem Augenblick AuS- tlnanrerieuunzeu zwischen den rcm .Kaiser ;» gemeinsamer positiver Arbeit ausgeruscnen Parteien im Allgemeinen nicht Ivrilischenswertb erscheinen können, Aber Frhr. v, Maiileusfct ist der erste Eonscrvatioe, der autoritativ — er erklärte aus drücklich, im Rainen der Gesammrleilniig der conservalive» Partei zu sprechen — ein Echo der Königsberger Kaiser rede bat erschallen lassen, und er bak eine» Ton angeschlagen, der, wenn er von der conservaiivcn Partei bcibehalten wirk, da» Gegenlbeil von dem bewirken must, was herbei- zusühren die große Ausgabe der Zeit ist. Leine Rede fällt deshalb »othwendigerweise in die Erörterung der TageSsrage. Tie Erwiderung, die die Kaiserrete in Ersurl gesunten bat, klingt sehr viel anders, als die erste Erklärung der „Kreuz- zcilniig", und nähen sich ihrem Znball nach anssällig der des Herrn v. Ploctz. Sie zieht insbesondere das Eingeständnist des Parteiorgans, dast in der Form der eonservatwen Agitation gefehlt worden sei, zurück und verrätb den Ent schluß, wic^ bisher sorlzusabren. Biel versprechend ist in dieser Hinsicht die Tbalsacke, dast Frbr. v, Manteusfcl den guten Geschmack zeigt, de» vom Monarchen in Königs berg auf die cvnservalive Poliiik der jüngsten Zeit an gewandten Ausdruck „gewerbsmäßige Opposition" als ein Schtazwort „liberaler Teiiunciaiiv»" zu bezeichne», Wie denn dieser verantwortliche Führer überhaupt nach dem Rccepl des für unveraliiworttich erklärten Präsidenie» des Bundes der Landwirlhe verfährt, indem er die Zurückweisung des kaiserliche» Tadels in Ausfälle gegen andere Parteien kleidet. Die Bereitwilligkeit, sich um den Kaiser zu schaarcn, ui» Religion, Litte und Ordnung aufrecht zu erhalle», erklärt natürlich auch Freiherr v, Maineussel, aber nicht obne durch blickc» zu lasse», daß da» vom Kaiser gesteckte Ziel nur erreicht werten ILune, wenn cS als konservative Parleisache behandelt werde. Das zu sagen, war offenbar der Zweck der Rede, die eine ptaealartigc Anpreisung der Geschlossenheit, Macht und Furchtbarkeit der conservaliven Partei darstelll. Im „Reichsbolen", der doch auch conscrvaliv und ehrlich ccnseroaliv ist, las man noch vor einigen Tagen ganz Anderes über die Energie der Partei. Und wen» Frbr. v. Manleussel anS seiner Partei, als „der geschlossensten von allen", beraus einen selbstgefälligen Blick aus die „verschiedenen Schattirungen" im NalionattiberatiSmuS warf, so Halle er vergessen, baß iinniitlelbar vor ihm der Präsident der Erfurler Versammlung, der Oberlehrer Freiherr von W a n g e » h e i »i, folgende Maknung halte ergehe» lassen: „Wir müssen Differenzen achte» und nick,! verlangen, daß Jeder nach einer Schablone denken und cmpsinden soll". Man hätte übrigen» auch obne das in dieser Aufforderung liegende Zngestänknist gewußt, daß es unter de» Evnservatioe» ebenfalls nicht an „Lchaltirungen" fehlt, namentlich seil den, 8, Lepteniber. Für die Kraft dieser „gesürchtetsten aller Parteien" spricht es gerade auch nicht, daß sic eben jetzt in Gefahr ist, das Publicum ihrer Presse a» Organe zu verliere», die zum Theil in einem siintrnientaleii Gegensatz zum EonservaliSmuS stehen. In diesem Puncle wenigstens ist die Partei dcö Frb u v. Manleussel nicht die „gesürchtetste", sondern die „sürchlentste" Partei, und mit Grund. Indessen gerate der auigezwungcne Kamps mit den weiter Entwickelte» vom Tivolitage erklärt das Bcdürfniß nach der starken Rcclaine, die in Erfurt gemacht worden ist. Darüber soll nicht gerechtet werden. Auch nicht über die wiederholte» persönlichen Ausfälle gegen Herrn v. Bennigsen, die Frbr. v. Manleussel sich gestattete. Man kennt den Zweck dieser Ließe, braucht aber nicht zu furchten, daß sic ikr Ziel lressen. Verwahrung hingegen muß eingelegt werden gegen die Elasseiiverketznng, die der conservative Fübrer in einem Augenblicke treibt, wo man nach Mitteln sucht, sich der socialistischen Elassenaiisreizuiig crwcbrc». Freiherr v. Mantelissel erklärt: Die productiven Ltäntc sind die Lantwirtbschast, der Handwerkersiaiit, daS Kleingewerbe, alles klebrige ist Großeapital, das Großcapilal aber ist inter national, eS bat auf seine Fabne geschrieben: ubi heim, Nu I'niria. Es bleibe uiilinlcrsiicht, inwieweit der Großgrnnd besitz nicht Großcapilal repräsentirt, aber es muß alS Demagogie nnd zwar, um mit Freiherr» v. Manteusfcl zu reden, als „Demagogie im landläufigen Sinne" bezeichnet werten, wenn dieser Herr Alles, was nicht Lantwirth- schast und Kleingewerbe betreibt, dem GroßcapitaliSinnS zurechnet und zwar dein GroßeapltaliSinuS in seiner be denklichsten Fori», dein iniernalioiiatcn Es wird dadurch eine Erwerbsgrnppe, die nnernießlich stärker und wichtiger ist, als der Stand der Großgrundbesitzer, dein Hasse preis- gegeben in der Meinung, die censervalive Agitation in den Kreisen der kleinen Lantwirtbc und der Handwerker zu ver- cinsache», tbalsächtich aber »>il der Wirkung, der grund- stürzeiiteu Vvlksbearbeitnng, mag sie nun sociatdeinokratiscb oder „resormparteilich" sein, Vorschub zu leisten. Tic ehrliche Absicht, an der AusrechierdaUnng von Sine und Ordnung uiitzuwirkeii, gehl aus dieser Methode, das Volk zu belehren, nicht hervor. Für die nur zu berechtigten Mahnungen, welche Fürst Bismarck am Sonntag bei der Erörterung rer Stellung Preußens zum Polcirthum aussprach, für die Warnung an die Regierung vor schädlichen Schwankungen, für die Auf forderung an die Deutschen der Laudestbeile gemischter Rationalität, selbst das Ihrige zur Beseitigung des Tenlsch- lhums dort zu tbu», bietet das neuere Verhallen der Pole» selbst eine interessante Begründung. Seil langer Zeit haben sie, haben insbesondere die preußischen Pole» nicht so offen unk deinonsiraliv die Zusammengehörigkeit der ehemaligen Bestandibeilc, keS Königreichs Polen bclont. Tie gallische Ausstellung in Lemberg hat dazu verschiedene Gelegenheiten dargedoten, die mit Eiser ausgcnutz« worden sind. Was soll man dazu sagen, wenn ein preußisches Herren hauS- initglicd, das in naben Beziehungen zum deutschen Kaiser steht, Herr v. KoScielSki, Angesichts der historischen Tbatsackic der Theilung Polens, betont, Polen sei untheil- bar, trotz der Grenzstriche aus der Landkarte? Klingt anS diesen Worten nicht der Refrain deS bekannten polnischen KainpslicteS heraus: „Roch ist Polen nicht ver loren"? Auch daS Bekenntnis; des Herrn v. KoScielSki verdient Beachtung, daß nämlich die „preußischen Polen von den galizischen jene Klugheit lernten, welche den Ge fühlen Schweigen auserlegt, damit nicht geäußert werde, was schaden, aber nicht nützen könne!" Und Or. Küßte tan aus Posen verflieg sich sogar soweit, „von ^en preußischen Polen im Lande der Thränen und des Elends" zu fabuliren, „wo polnische Kinder deutsch lernen müßten." Wie man hieraus ersieht, legen sich die Polen in ihrer Begehrlichkeit keinerlei Zurückhaltung aus, sie wollen sogar die historische Tbatsackic der Theilung Polens pcrhorrcscirzp und arbeiten mit volleni Dampf daraus loS. Es ergänzt diese Vorgänge trefflich, daß man gleichzeitig von polnischer Seite beinübt ist, in Rußland Besorgnisic vor der PolenpolitikTentschlankS bervorzurusen. So veröffentlicht unter der Ucderschrist „Fürst Bismarck, Kaiser Wilhelm und die Polen" die Petersburger „Birschewija Wedomosti" einen Artikel, testen Verfasser auf Grund der Erfahrungen, welche er während seines Aufenthaltes i» Berlin und Wien ge äninictl habe» will, bebanplct. daß Kaiser Wilhelm ll. nickt nur die Anschauungen des Fürste» Bismarck über das Polenlbuin unk die polniscbe Frage nickt tbeilc, sondern daß er im Gegcnibeilc danach strcbc, unter gewissen-Bedingungen für eimn Proteclor der polnische» Bestrebungen gehalten zu werke». Ben Personen, die dein polnischen Dcputirtenclub in Wien nabe stänke», bade der Autor so dann allmählich erfahre», daß die österreichischen Polen An Hänger der tenlsch-österreichischen Allianz geworden seien in folge der ihnen vv» aulonialiver Seite zngegaiige»cn Bcr- sicherung. daß Kaiser Wilhelm ll. srei vo» allen jenen feindseligen Gefühle» gegen die pelnisihe Nation sei, daß er sich sogar einverstanden erklärt habe, >m Falle eines Krieges mit Rußland die von Oesterreich Ungarn aiiznrcgcnte Frage über die Wiederherstellung PolcnS in Form einer Pcrienatnnio» mit der Habsburger Monarchie zu befür worte», und daß gerade diese Eonidiiiativn iu den Berband lnngen über die Erneuerung der Allianz eine große Rolle cspiell habe. Allerdings würde Preußen seine polnischen aiidcStbcile an dieses neue Polen nicht ablrctcn, ja es wünsche sogar, im Falle eines Krieges mit Rußland und des Sieges der Verbündete», die östliche Grenze abziirnnden durch Vereinigung jenes Dreiecks i»il kein preußischen Territorium, dessen Basis der mittlere Lauf des Flusses Warthe bildet und aus welchem die Stadt Kalisch sich besintct. Aber besser sei cS, „aus einem Beine zu hunipet», als gar nicht zu leben". — Der Verfasser ist Russe, und so mag ibi», wie den Russen im Allgemeinen, die heutige preußische Polenpolitik unt'cqnein oder gar verdächtig erschienen sein, ehe er nach Berlin und Wien ging, »in seine Erfahrung,, zu machen. Dann aber bat er diese Erfahrungen zumeist anS polnischer Ouelle ge schöpft, und seine polnischen Gewährsmänner haben, der allen polnischen Inlrigncnpolitik gemäß, sicher keine Veranlaffung gehabt, daS Mißtrauen des Rüsten gegen die preußische Politik abzuschwächen, sie haben sich vielmehr gewiß beeisen, dem Kaiser Wilhelm Pläne und Absichten anzudichtcn, welche ikre Spitze gegen Rußland richten. Von jeher sind ja die Polen besticht gewesen, Zwietracht zwischen Preußen-Deutsch, land und Rußland zu stifte», um dann im Trübe» fischen zu können. In Petersburg aber jst man mißtrauisch und wird sich in diesem Mißtrauen nur bestärkt süblen können durch ein daS exaltirkc Polentbum geradezu großzicbendcS Verhalten hoher preußischer VerwaltungSbeamten. Wir ballen cS daher sür eine Pflicht des Reichstags, sich mir dieser daS Reichs- intercssc sehr stark berührenden Angelegenheit so bald als möglich zu befassen und den Herr» Reichskanzler zu einer 'eben Zweifel a» der ossicicllen deutschen Polenpolitik auS- chlicßcndeu Kundgebung zu veranlassen. In Luxemburg haben die Kämpfe zwischen den Franzosen- sreuiiden und den Befürworter» eines aiigeiiehniercii Verhält nisses zu Deutschland seit dein Thronwechsel eher an Schärfe zu- als abgcuoiiinien. Schon vor einigen Monaten wußte berichtet werde», daß die Einwanderung von Reichsdeutschen „patriotische Bckteininungen" bei de» Franzoseiisreuude» ker- vorzurnfcn beginne. Jetzt erzählt die „Trierischc Zeitung" i» einer Luxemburger Corrcspoiitciiz von einem Vorgänge, der auch in Deutschland angemessen gewürdigt zu werde» ver dient. Der Bürgermeister vo» Luxemburg bat eS sür taktvoll gehalten, der französischen Gedenkfeier der Schlackt von MarS-la-Tour beizuwohncn. Er bat sich daraufhin von seinen Landsleuten niaiichcü tadelnde Mort gefallen lasse» müssen. Es ist ibm vorgehalten worden, daß solche Gedenkfeiern auf französischer Seite in der Regel in chauvinistische Kundgebungen auSarten, daß sich die Revanche- Leuilletsn. Der goldene Mittelweg. bj Roman vo» Erich Rott. N-chrrmI verboten, (Fortsetzung.) „Na, dann wär'S nit arg", brummte Winkler, ungläubig den Kopf schüttelnd, „er bat ja jetzt schon einen Mondschein. Also falsch gespielt haben fett er, dann war' er ja ein Lump, wie er im Buche siebt." „Behüt', deswegen bleibt er noch immer der gnädige Herr Baron", wisperte die Alte wieder, „und der Herr Baron soll habe sein Abschied nehme inüste. Tie Gnädige soll za»; außer Rand und Band sein, die soll dem gnädige Herrn die furchtbarste Austritt mache, wo Unsereins gar kei Ahnung nit davon bat, sie solle sich in den Haare liege, und ein Heule und Schreie soll daS sein, daß cS nit zum Ausbalte war'. Und was der HanS ist. der hat gesagt zu meinci» Andres, daß er ihm lang nil gut genug war, bei so einer Herrschaft zu diene, und daß er bereits aufgeküutigt hätte und daS andere Personal auch!" Der Bauer ließ einen pfeifenden Ton hören und wiegte sich in de» Kiiiccu hin und her. „So, so. scll bade ich mir all schon gedacht", brummte er, „aber cs ist gut, daß inan's weiß. Ich will Dir aber einen Rath geben, Franz. Verbrenn' Dir'« Maul »it, was Dein Andres aus dem Schloß aedört bat. daS ist rachsüchtiges Tienergeschmeiß. DaS will sich räche» und de» gnädigen Herrn verunglimpfen. Aber weißt, »nt solchen Herren ist nit gut Kirschen essen, halt, halt also Dein Maul!" „Behüt. Herr Büraermeischter, wann ich's Ihne sag', dann weiß ich, daß es bei Ihne gut aufgcbobe ischt, ich bin eine arme einfache Person, aber rechtschaffen und goldtreu, gewiß, daS dürft Ihr mir glauben!" er Bauer griff mit seiner rechten Hand in den ledernen Hosensack, kramte eine Weile in demselben herum, bann brachte er einige kleine Münzen hervor, die er der Alten in die Hand drückte. „Da, langt'S nit sür eine Abendsupp', da»» für Schnaps!" Die Alte dankte tausendmal, hob dann ihren Korb aus und humpelte ihres WegeS weiter. Der Bürgermeister schaute ihr eine lange Weile kopfschüttelnd nach. „Schau, schau, falsch gespielt hat er, darauf haben sie ihm die engen Hosen ausgezogen und jetzt muß er schon seine Felder ver kaufen, damit er nur waS zu beißen bat. Und so ein Luiiipengesindcl nennt sich gnädig", murmelte er dann, höhnisch und gislig vor sich hinlachend. V. Mit gar besorgter Miene kaum Frau Barbara von dem oberen Stockwerk wieder in die Wohnstube herunter und traf ihren Ebeherrn bereits wieder in derselben an. Winkler saß in seinem ledernen Sor^enstuhl, batte ein Bein über daS andere geschlagen, und während sein Gesicht den Ausdruck behäbiger Behaglichkeit trug, paffte er mächtige Rauchwolken vor sich bin. „Nun, wie steht's denn oben?" frug er, wie um nur etwas zu sagen. Dann aber, als seine Frau ei» Lamento anbob und ihm berichtete, wie ihre Tochter so gar bleich und röchelnd in den Kiffen liege, nachdem sie sich nothdürstig von dem Weinkrampf, der sie ergriffen hatte, erholt, da zog Winkler die Ackffcl in die Höhe. „Narrenpossen", knurrte er, „wird dem Buben was schaden, wenn man ibn einmal tüchtig versohlt hat!" „Nimm mir's »it übet", sagte Fra» Barbara ernstlich ungehalten, „aber Du bist »immer wieder zu erkennen! Einen Haß dast Du geworfen aus Tein einzig Kind, und cS muß einem doch jammern, wenn nian'S anstcht, wic'S hinsiechl Tag für Tag." . . . Sie endete nicht, sondern hob plötzlich die Schürze vor die Augen. „Fängst Tu auch noch an?" brummte Winkler, der zuerst sprachlos vor Ucberraschung die Pfeife aus dem Munde be nommen und einen langen, verwunderten Blick auf seine Lebensgefährtin geworfen hatte, die sonst so schweigsam an seiner Seite einbcrging und nun aus einmal die Kraft zum Widerspruch gesunden zu haben schien „Ja. wenn man'S Dir nit ordentlich steckt, dann nimmt'S doch keinen Wandel!" ries seine Gattin nur um so auf gebrachter. „Du glaubst immer, damit ist schon Alle« ge schehen. wen» Du nur mächtig balire» thust! Fürchten thut sich freilich ein Jedes vor Dir! Deine Tochter zittert und bebt vor Dir und Erich, der doch auch eigentlich Dein Fleisch und Blut ist, wagt sich nicht auS dem Hause. Es sich doch so ein lieb'S Bühle. Daß Du den alten Haß nimmer vergessen kannst, den Tu aus den armen Treumann geworfen. Eine Sund' und eine Tchand' ist'-!" „Herrgottsacrament!" rief Winkler und erhob sich zu seiner ganzen stattlichen Größe. „Da« wollt ich mir au«. gebeten haben, Fried' in meinem eigenen Hause! Wann'S wegen der Kopfliängcrin auch noch zwischen u»S tvSgcbt, bcrnachcn hat'« geschellt!" Er ging mit wuchtigen Schritten zur Thüre, öffnete diese und warf sie wieder mit lautem Krachen i» das Schloß, nachdem er daS Zimmer verlassen. Draußen im Hefe begann wieder daS Wettern und Fluchen mit den Knechten. DaS aber binderte den Bauern doch nickt, daß er am Abend, als er an der Küche vorüberkam, wo seine Frau mit der Zubereitung eines Nachtmahls beschäftigt war, an ihr vorllbcrstrich und sic leise bei der Schulter berührte. „Brummst noch Alte? frug er in noch möglichst bär beißigem Tone. Seine Frau gab keine Antwort, sondern rührte in der Suppe umher, die nicht reckt ins Kochen kommen wollte. „Ob Du noch brummst?" frug er »och einmal, während er seine Stiinnie zu dämpfen sichtlich bemüht war. „Hast ja den Valzer vorhin nach der Stadt geschickt, er hat ein Pferd gesattelt und noch dazu den besten Renner!" „Zum Arzt Hab' ich ibn geschickt, daß D»'S weißt, ja. Und daS kann ich Dir sagen", fuhr Fra» Barbara fort, „geht'S zum Schlimmen mit dem armeii jungen Weib da oben, dann sind auch wir geschiedene Leut'!" „Ach. Ihr WeibSleut'", knurrte der Bauer, schaute aber doch unsicher darein, „macht ein Geschrei, weil ich dem Büble ein« draufgegcben Hab'. Wickelt « Euch doch in Watt' und stellt - in den GlaSschrank, daS wird daS Beste sein!" Trotzdem ging Winkler gleich darauf, bedächtig Schritt sür Schritt setzend, die Treppe zu der Wohnung seiner Tochter hinauf. Oben empfing ihn die Lene, und eS wollte Winkler scheinen, als ob auch sic verweint auösäbe. „Man kennt sich nimmer aus im eigenen Hau«!" begann er in halber Verlegenheit. „Wo ist das Büble?" „Ich hab'S zur Ruh' gelegt", gab Lene zuerst wortkarg zurück und brach dann plötzlich gereizt loS: „Daß ick'S nur sag' ... E» ist unbarmherzig, Herr Bürgermeischter, daß Zbr dem armen Weib so einen Stich in daS Herz versetzt habt, wo'S doch einmal Euer Herzblättle isckt!" „Halt « Maul, dumme GanS", knurrte Winkler, „ist da« eine Art, ein arme-, unschuldige« Kind so zu verziehen? Da muß ja ein Strolch geben. Wo liegt die Frau?" unterbrach er sich gleich darauf, als Lene die Fäuste in die Hüsten stemmte und erregt fick in Positur stellte, um gegen ihre Zu gehörigkeit zu den Retterinnen de« Capitols energischen gesüble dabei Luft zu macken suchen. Der luxemburgische Berichterstatter der genannten Zeitung nennt c» ein starkes Stück, daß der erste Bcamie der Hauplstadt eine-neutralen Landes an solchen Kuiikgcbuiige» lbciliieknie; jedenfalls trete in riesei» Ve>ballen eine cigeiiibüiiilickc Auffassung von den Pflichte» der Neutralen bcrvor. „Wenn cS dein früheren Bürgermeister Brasseur, der ja unsere» Protestlern alö „Preuße" gilt, je cingesatlcn wäre, etwa an einer deutschen Feier der Schlackt ven Gi aveletle tbeilzulichinkn. so würde sich im Lager seines NachsolgcrS ei» wabreS Indianergcheul erhoben haben. So will eS nun einmal die Logik unserer FranSguillonS: Französische Lyinpatbien zu begc», ist der höchste Ausdruck de« lnxeinb»»gisckcn Palriolisnins; deutsche Sympathien zu baden, ist Laudcsvcrralb. Selbst französische Blätter scheinen hinter her das Unpassende jenes Vcrballens einzusebe», indem sie den Bürgermeister damit zu vcrlbcidigen suchen, daß er nicht als solcher, sondern als „Privatmann" in MarS-la-Tour er- schiencii sei. Dabei vergessen sie nur, daß sie vorder ihrem Entzücken darüber AnSkruck gegeben hatten, baß der „Bürger- »iciuer" vc» Lnxciuburg die Feier mit seiner Gegenwart be ehrt habe. Die Anwcscnbcit de- Privatmannes würde wohl kaum >» die Tasel» der zeitgenössischen Geschichte ausgezeichnet worden sein." Ob fick die großherzoglich luxem burgische Regierung anßcr Stande sübli, die Theilnabme des hanplsiäetische» Bürgermeisters an eurer sranzösischcu Feier nachträglich z» rügen? EriSpi's Absicht, belniss erfolgreicher Bekämpfung de- itiilienijchcu Anarchismus eine Versöbnnng zwischen O-iiirinal und Vaiica» t>r»bc>znsiil,rcri, stößt allenlbalbcn aus Widerspruch. In erster Linie sind eS die Klerikalen, welche eine Verständigung zwilchen Valican und Ouirinal' sür absolut unmöglich balle» orer a» die Dnrchsnbr»»g>cherselben Bedingungen knüpfe», ne Italien, ohne seine Einigung zu zerstören, nickt annebinen lau» Wie cS scheint, bat die versöhn liche Stimmung im Vatican, wen» auch deren Existenz nicht gc- leugncl werden darf, neck nickt so tiefe Wurzeln geschlagen, daß die Verwirklichung der Idee CriSpi'S Aussicht auf Er folg haben würde. Tie »'Position der liberalen Kreise gegen die Idee EriSprS beruht hingegen ans der Bcsorgniß, daß die Tnrchsührung einer Aussöhnung zwischen Ouirinal und Vatican z» einer allgemeine» Rcaclion führen würde, welche dem Fortschritte tödllicke Wunden schlagen müßte. Aus diesem Grnnte witersetzen sic sich dieser Politik, wenn sie auch die Nützlichkeit und Berechtigung derselben zugebcn. EriSpi selbst läßt eS sich angelegen sein, den Vorwurf der Fahnciislncht zuriickzuiocise». Er veröffentlicht nämlich einen Bncs, den er ini Iakrc 1852 an den Professor Panizza richtete, als dieser ihn ausforderte, in einem neu gcgrünteicn Alheistcnclub „Giortano Bruno" die Eröffnung« rede zu halten. EriSpi lehnt darin die Einladniig ab und sagt: „Ich bin kein Aiheist. Ick bekämpfe weccr den Glauben noch de» Unglaube». Ich will Religion«- und Ge- wisjcnSsreibeil und das Ende jeder Unduldsamkeit. Euer Statut ist sür mich unannehmbar. Webt glaube ick, daß der Aberglaube ein Uebel ist. Aber ich bi» überzeugt, daß daS religiöse Gefühl, wie es sich auch äußern möge, kräftig geschützt werten muß. Giordano Bruno war auch kein Atheist, obwohl ihn die Euric als solchen verdammte; in seinem Herze» glühte jedoch der Glaube an Goit." Prinz Fcr«i»n»k> von Bulgarien befindet sich zur Zeit in einer sehr »»bequemen Lage: er sitzt zwischen zwei Stühlen. Die Syinpaihice» Oesterreichs, die itnn sogar einmal in einer Anrede an die Delegationen knndgegebe» wurden, hat er sich, wie die vo» uns gestern wicdcrgcgebene Stelle aus dein Expose deS Grasen Katnoky unzweideutig lehrt, gründlich ver- Protest einznlegen; dann, als die Magd ib» an da« Lager geführt balle, wo ElSbetli mit geröihetein Gesicht und fliegendem Puls lag, da schlich er sich ans de» Zehenspitzen an dasselbe beran und legte seine Hand auf die heiße Stirn der Kranken, die sich trocken, sicbcrbeiß ansüklte. „Mack' doch keine Geschichten", brummte Winkler i» seinen tiefsten Tönen, „eS wird schon Alles wieder gut werden, he, was fehlt Dir denn eigentlich?" Die Kranke war unter seiner Berührung zusammen- gezuckt, sie machte »ur einige tastende, unsicherc Hand- bewegungen, »nk ein Klagclant entrang sich ihren Lippen; ihre Augen öffneten sich ans Secuntenkürze, um sich sofort wieder zu schließen. „Da kört Sic'S selbst, Herr BUrgerineischtcr, wie ihr Athein fliegt", sagte die Magd vorwurfsvoll. „DaS war ein Sckreck sür die arme Frau. UiiscrciiiS wartet sie und pflegt sic, daß sie sich wieder zurechtsinten soll in ihrem Jammer... und dann koiiiinct Sie und tbun, als wär'S eine Kuh im Stall und nit ein arm'S unglücksselig' Menschenkind!" Der Bauer hob die eine Hank wie zum Schlage, wandte sich dann aber ab und verließ, undeutliche Worte vor sich hinmurni»lnd, da« Zininicr. Daö Abendessen wollte ibm beute nicht recht schmecken. Er war merkwürdig rasch mit demselben fertig, stopfte sich eine Pfeife, ließ sich einen Krug Wein auS dem Keller berauf- bolen und ging tan» »act, der Bank nntcr dem Lintenbaum in der Mitte deS Hose-, seinem gewohnten Platz. Aber auch da litt es ihn heule nickt, er ging gar oft i» das Hau» hinein, suckle seine merkwürdig kurz angebundene Ehehälfte aus und ließ sich von der berichten. Tann kam der Arzt, ei» halber Hausfreund, der im Hose genugsam Bescheid wußte. Ter blieb lange bei Frau ElSbetb. Endlich kam er wieder herunter. „So gefährlich ist'S nicht mit der jungen Frau", sagte er, „wir werten sie wohl turchbrinzrn", und mit arisgebobenem Zeigefinger setzte er hinzu: „Aber so geht mau dock nicht mit einer jungen Frau um, die bald ihre schwere Stunde bcrrannahc» südli!" Winkler sperrte Mund und Nase aus... „Wie meint Ihr da-, Doctor?" brachte er endlich hervor. „Nun, das siebt doch außer Frage, daß die junge Frau bald wieder Mutter werden wird. Hart genug, der Mann unter dem grünen Rasen und nun so ein arme- Kind zur Welt bringen!" „Dachte ich mir- doch", rief Frau Barbara hände ringend. „Hält' sie mir doch nur ein Wort davon gesagt,
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