Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940922027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894092202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894092202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-22
- Monat1894-09
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vez»gS.Prei» K d« ha»pt»kVedttto» oder de» d» vttd»» t«»irk »»d d«» Vororte» «rtchtete» A»«- aooestelleo abgeh oll: vierteljährliche« 4.5C bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« e» bchä Durch die Potz bezogen für Deuifchlaud und Oesterreich: vierteljLdrlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzdandiendung i«t LuSlaad: monatlich 7.50. Dteviorgeu-vurgabe erscheint täglich '/,7 Uyr, dt« -beud-Ausgade Wochentags 5 Uhr. LeLartion und Expedition: A,hanne»,i>ßr 8. Dte krvedition ist Wochentag« uuunterbroche» gedffuet vo» früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale«: vtt» Nie»«'« Sorti». («lfrr» »«»»>» Universität-straße l, L«nt» Lisch». , . . . , >»thart»«nstr. I«, Part. und NSnig«vla> 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. §WN für Politik, Localgcschichte, Handels- und GeschSstsverkehr. Anzrtgen.Pvei- die «gespaltene Petitzeile 20 Psg. veclamen nnter dem RedacnonSstrich (4g»> spalten) üv»z, vor den Aamilieunachrich«» <6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unterem Preis» verzeichnitz. Tabellariicker »nd Zisferajatz nach höherem Tacis. Extra-Veiiltqrn (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, oline Poslbesürderuag e« 60.—. mit Poslbesorderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Porinittag« 10 Uhr. viorgr«-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh ' ,9 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestelle» je eia» Halde Stunde sriiher. Anzeigen sind stet» an die Expediths« zu richten. Druck und Verlag van E. P.olz in Leipzig ^°M. Tonnabend den 22. September 1894. 88. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag» den Ä3 September, Vormittags nur bis '/-S Uhr geöffnet. LxpeMion üe8 I^elp/Ixor ^uxedlattes. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. September. Die im heutigen Morgenblatte mitgetheilten Auslassungen dn ..Köln. Ztg." über taS Verhalten der Behörden in der Provinz Posen gegenüber dem Polrnthum haben be- greislicherireise überall das größte Aufseben gemacht, nicht zum Wenigsten in der genannten Provinz selbst, aus der auch bereits einige Kundgebungen vortiegen, welche die Angaben des rheinischen Blattes als „übertrieben" hinstcllen. solche Kundgebungen sind aber nicht im Stande, die Beunruhigung zu beschwichtigen, die der Artikel der „Köln. Ztg." bat bervorrusen müssen. Ist in demselben auch wirklich ÄkanckeS oder sogar Vieles übertrieben, so bleibt doch genug übrig, was den Rückgang deö DeutschthumS und den ersichtlich wachsenden Uebcrmuth der Polen begreiflich macht. Jeden falls muß jetzt, nachdem solche Anschuldigungen erhoben worden sind, volle Klarheit geschaffen werden, schon im Interesse der preußischen Regierung. Mit vollem Rechte schreibt heute die „Nat.-Lib. Corr.": „Ob der Ministerpräsident von diesen Vorgängen wohl Kenntniß bat? Man sollte es kaum glauben, denn sonst wäre eS unbegreiflich, wie solche Dinge geduldet werden könnten. Im nächsten Abgeordnetenhause wird einmal die jetzige Polenpolitik gründlich zur Erörterung gebracht werden müssen. Da icheinen sich ja merkwürdige Zustände entwickelt zu haben. Die preußische Polenpolitik ist eine fortgesetzte Kette von Widersprüchen und Schwankungen, was nicht zum geringsten Tbcil daran schuld ist, daß die Germanisirung keine Forschritte mehr macht, sondern zurückzeht. An und für sich müßte das Deulschthum vermöge seiner höheren (Geistesbildung und wirtbschastlichcn Stärke das Polenthum immer mehr zurückdrängen. Aber wenn das letztere durch die Regierung geradezu verzogen und in seinem Hochmuth bestärkt wird, kann man sich nicht Wundern, wenn die Früchte danach aussallen. Wohin sind wir gekommen, seitdem durch die Gesetzgebung des Staats das Dcutschthum im Widerstand gegen den polnischen Stamm befestigt und gestärkt werde» sollte? Ueberall, in den baltischen Provinze», in BLbmen, in Ungarn werten die Deutschen brutal verfolgt und unter drückt, was wir wahrhaftig nicht billigen oder zur Nach ahmung empsehlen wollen. Nur bei nnS im eigenen Vater- landc wird ein fremder Volksstainin, der von leiden schaftlichem Haß gegen das deutsche Wesen erfüllt ist, aui jede Weise begünstigt und ausgezeichnet. Das kann nicht im Sinne unseres Kaisers liegen, der soeben erst die Culturarbcit deutscher Männer gegen das Polenthum aus westpreußischem Boden warm anerkannt hat. Wenn die An gaben über die Haltung der Posener Behörden nicht ganz den Thatsachcn entspreche» sollten, so wird man unverzüglich eine Berichtigung erwarten dürfen, sonst aber ein energisches Einschreiten gegen diese Zustände." In der bayerischen klerikalen Presse finden sich bcmerkensmertbc Aeußerungen über die Frage schärferer Ald- wehrmittel «egen dtc Umsturzbeftredungen. So erklärt die „LandShuter Zeitung" eine Abänderung de« Vereins- und VcrsammluiigsrechlS für dringend nothwendig, namentlich ein Verbot deö VersammlungSbcsuchS für Männer unter 25 Jahren. TaS Blatt verlangt, daß dem socialdemo kratischen Terrorismus Schranken gesetzt werden; so könne es nicht Weiler geben. Andere bayerische CentrumS- btätler nehmen eine ähnliche Haltung ein. TaS klingt doch wesentlich anders, als waS wir bisher in der norddeutschen EentrumSpresse gelesen haben. Dabei ist daran zu erinnern, daß Bayern bisher scbon ein weit strengere« VcreinSgesetz besaß, als Preußen. Wir könnten zufrieden sein, wenn wir im Reich auch nur ein Gesetz nach bayerischem Muster erreichen würde». Wenn diese Stimmung unter den bayerischen EenlrumS- »litzlictern überwiegt, so würden die Aussichten aus eine Ver ständigung wesentlich bester werden. Die bayerischen EcntruinSmänner waren auch früher bei Erneuerung dcS SocialistenczesetzeS am wenigsten empfänglich für die senti mentalen Phrasen über Bedrohung der allgemeinen FreiheilS- rechte. Sie sind eben Realpolitiker im Vergleich zu ihren demokratischen Parteigenosten vom Rhein. Am Ende kann nian doch auch mit diesem Reichstag ein reichSzesetzlicheS Vorgehen riökire». Daß daS Centruin einer RcichStagSauflösuiig gern aus dem Wege ginge, tritt auch anderweitig in de» Erörterungen seiner Presse hervor. Ohne einen und tiefgehenden Riß im Centrum wird eS freilick nicht abgehcn, wen» die Partei vor eine derartige Entscheidung gestellt wird. Denn jener Theil dcS CentrumS, der mit dem geistlichen Rath Wacker in Baden die Wahl eines Sociatdcmokraten für ei» kleineres Uebel als die Wahl eines Nationalliberalcii erachtet, muß doch in schärfsten Gegensatz zu dem anderen Tbeile treten, der mit den Nationattiberalcn für schärfere Abwebrmittel gegen die socialdemokratischen llmsturzbestrebungen eiutritt. Ader die verbüiideten Regierungen haben doch wahrlich keine Ursache, eine Spaltung des CentruniS abzuwcndcn und um dieser Partei willen, die einen wesentlichen Schuldantheil an den Erfolgen der Socialdemokratie trägt, der letzteren die Zügel noch länger schießen zu lassen. In der ungarischen Delegation hat Gras Kaluoky »ock einmal mit dem Erzbischof Samassa wegen dcS nächsten Conclave sich auSeinanderseyen müssen. Der Minister hatte bekanntlich mitgelheilt, er habe die Ueber- zeugung, daß dem Eonclave die volle Freiheit und Unab hängigkeit gesichert sei, und er besitze darüber eine kategorische Erklärung der italienischen Regierung, die Tradition aber, die dem Kaiser eine Einflußnahme aus die Papstwadl ge stattet, werde nicht fallen gelassen, sondern »ack Umständen zur Geltung gebracht werden. Der Erzbischof findet jedoch in seinem Eifer für das Interesse der Monarchie, die bloS polizeiliche Sicherheit, welche dicilalienischeRcgierung der freien Papstwahl gewähren könne, genüge nickt; er scheint auch eine positivere Erklärung über die Ausübung des Rechtes der Exclusive gewünscht zu haben. Weiche Beeinflussung des Eonclave Erzbischof Samassa fürchtet, ob er insbesondere dabei die italienische Regierung oder eine andere katholische Macht im Auge bat, ist nicht recht ersichtlich. Jedenfalls bleibt eS höchst merkwürdig, daß gerade ein Erzbisckos auf die Ausübung deö Rechtes der Erclusivc so starkes Gewicht legt, weil dieses Recht eine Beschränkung der freien Papstwahl durch das EardinalS-Eollegium bedeutet. Der Jahrestag der Erstürmung der Porta Pia, welche der weltlichen Papstherrschast ein Ende bereitete, konnte nickt seltsamer begangen werden als durch das Austreten des ungarischen Erzbischofs. Wenn Gras Kalnoky wieder einmal wegen der römischen Frage interpellirt wird, so kann er wahrlich nicht besser antworten, als mit der Berufung aus den Erzbischof von Erlau. Natürlich ist daS führende Organ des ungarischen KlerikaliSmuS, der „Magyar Allam", über de» Erzbischof in Wutb geratbe». Es schreibt u. A.: „Wir können eS nur bedauern, das, der große Act der Papsl- wadl, welcher nach unjerem Glauben direct unter der erleuchtenden Hilfe des heiligen Geistes vollzogen wird, von einem Bischof« in fv enjnifcher Weife besprochen wird, aiS ob es sich um die Wahl irgend eine» Vereins-Präsidenten handeln würde, bei welcher dem Staate eine polizeiliche Einsprache zusteht. Wir glauben zu wissen, daß Las Papsilbum und die Kirche selbst göttliche Institution«» sind, weiche selbst ein Bischof, wenigstens ein solcher, der von der Heilig- keil seiner Stellung und seiner göttliche» Sendung klare Begriffe b«. sitzt, nicht so darstellen darf, als ob die Großmächte das heilige Collegium der Cardinal«, welches zur Papslwahl berufen ist, beein flussen künnien. Ti« Voraussetzungen des Erzbischofs von Erlau sind einfach verletzend für das CardinalS-Collcgium. Er selbst ge- riethe in Verlegenheit, wenn man ihn frage» würde, welcher Car dinal im Solde einzelner Großmächte siebt Wer nur behauplet, ohne zu beweisen, besten Vertrauenswürdigkeit muß in Zweifel ge- zogen werden. Die Bertheidiguna des öu» vrctusiouis ist nicht Sache der Männer der Kirche. Diese« Recht ist nicht göttlichen Ursprunges; wenn e« besteht, bildet es nur einen AbusuS, welchen die Kirche abschass «n muß. Dieses Recht hatte nur so lange einen Sinn, al« auch di« Kirche das Recht besaß, sich in die Staatsangelegenheiten einzumengen. Es ist sehr zu bedauern, daß der Erzbischof von Erlau sich zu Aeußerungen hinreißen ließ, weiche den Feinden der Kirche günstig, aber weder mit der Wahr heit noch mit der Ehrfurcht gegen die Kirche vereinbar sind." Den aus eine handelspolitische Einigung mit der Schweiz gerichteten Wünschen der französischen Industriellen steht vor Allem die wirthsckaftlichr Emancipation der Schweiz von den französischen Industrie Erzeugnissen als gewichtiges Hinderniß im Wege. Auf der letzthin in Maco» veranstalteten Eonserenz französischer und schweizerischer Delegirten wurde dieser Punct nur behutsam gestreift, aber die Thatsacke selbst besteht in voller Kraft und macht sich den französischen Interessenten täglich fühlbarer. Damit geht die merkliche Abnahme der traditionellen Franzoscnfreundschast der Schweizer Hand in Hand. Selbst in Genf weht der Wind setzt aus anderer Rich tung. Man vergleicht daS Benehmen der Franzosen mit der Bereitwilligkeit, die Deutschland, Oesterreich-Ungarn und Italien zum Abschluß von Handelsverträgen mit der Eid- genosienschost bekundeten, und findet sich von Frankreich mehr als rücksichtslos behandelt. Da nun der Schweizer in Bezug aus die internationale Geltung, die man der Eidgenossenschaft einräumt — oder vorentbält, sehr feinfühlig ist, so hat er ganz allmählich sich gewöhnt, Frankreich mit gleicher Münze zu bezahlen. An die Stelle der frühere» Synipathie ist kühle, höfliche Zurückballung getreten; die schweizerischen Blätter, welche früher den Vorgängen der französischen Politik einen un- vcrhälinißmäßig großen Rani» widmeten, wende» jetzt den mittel europäischen Dingen bereitwilligeres Interesse zu, und ihr Leserkreis ist mit dieser Schwenkung vollkommen einverstanden. Die Abkehr von Frankreich geht soweit, daß französische In dustrielle, welche, um sich ihre schweizerische Kundschaft zu erhalte», niit Opfern ihre Erzeugnisse zu den früheren, niedrigeren Preisen offeriren, indem sie die aesammtcn Kamps- zöllc ans ihr eigene« Eonto nehme», die Erfahrung machen müssen, daß sie selbst dann nur mit große» Schwierigkeiten Abnehmer finden. Die Kundschaft will nichts mehr von Frankreich wissen, seitdem dieses die Schweiz in handels politischer Hinsicht so von oben bcrab behandelt, sondern zieht deutsche und österreichische Bezugsquellen vor, von denen sie nach Wnnsch bedient wird. Daneben sind in der Schweiz selbst Industriezweige emporgeblüht, von denen früber Nie mand geglaubt hätte, Laß sie dort jemals Lebensfähigkeit erlangen würden. In Zürich werden jetzt Tuche, Porzellane, EonfectionSartikcl angefertigt, für welche biSber Frankreich das Monopol besaß oder doch wenigstens zu besitzen meinte. In Gens bat man sich mit gutem Erfolge auf die Er zeugung der sogenannten „ArticleS de Paris" geworfen, in niedreren anderen Städten ist eine Wcinindustrir iin Entstehen begriffen, welche durch kunstgerechte Behandlung panischer und kalifornischer Traubensäfte ein den Geschmacks neigungen des einheimischen Eonsuiiientcn zusagende- Fabrikat verstellt, das den Vergleich nul den gewöhnlicheren fran zösischen Weinen vollständig verträgt. Auch viel versprechende Anfänge im Zuckerrübenbau, und damit zur Schaffung einer eigenen Rübciizuckerindustric, sind gemacht worden, obwobl e« in der Natur der Sache liegt, daß die Schweiz ihren Zuckerconsum der Hauptsache »ach iminer wirb auswärts decken müssen. Früher consumirte sie vorwiegend französischen, jetzt deutschen bezw. österreichischen Zucker. Als gröblichste Selbst täuscbung der Franzosen aber bezeichnen schweizerische Experten die Meinung, daß die Schweiz durch eigene» Schaden „klug" werden, d. k. zur Annäherung an Frankreich gebracht werden würde. Der GesammthandelSverkehr der Schweiz mit dem Auslande wird im lausende» Jahre nach verläßlicher Schätzung nur noch eine» Ausfall von etwa 20 Millionen aufweiscn und schon im nächsten Iakr wird die Schweiz den ganzen, ibr durch Frankreich zugcsüglcn wirlhschafllichen (schaden wieder wett gemacht haben Die vom Telegraphen bereu« gemeldete Thronrede, niit der die Generalstaaicn der Nicvrrtnnvc von der Königin- Regentin eröffnet worden sind, bat man »nt einiger Spannung erwartet, da man aus ihr Millbeilnngen über taS Pro gramm der Regierung erwartete. Die Wißvegierte wurde insofern »icki befriedigt, als die Zusicherungen, mit denen das neue Miiiisteriuni am lk. Mai vöd der Volks vertretung erschien, >etzl wiederbvlt sind; sic bestehen in dem Zustandekommen eine« WablrcchlSgesetzeS, in der Revision der Pcrsonatsteucr und in der Regelung des gegenseitigen Ver hältnisses zwischen de» Staats- und Gemeinde-Finanzen. Der zuletzt genannte Pnnet, dessen Erledigung jebensallü am dringiichslen ist, befindet sich aber noch im Stadium der Vorbereitung, so daß voraussichtlich für die nächsten 2 Jahre die Dinge so bleiben werden, wie sie sind, d. h. die notb- leidenkc» Städte müssen seben, woher sie Las »ötbige Geld bekommen, und den steuerzablenden Bürgern vom Mittelstand wird noch mehr aufgeladcn als bisher. WaS in weilen Kreisen einen außergewöhnlich ungünstigen Eindruck macht, ist die Thatsache, daß die Thronrede über die persönliche Dienst pflicht vollkommen schweigt und nur Verbesserung in der Bewaffnung »nd neue Bestimmungen über die Beförderung der Ossiciere in Aussicht stellt Bon einem soseurigcn llitraniontanen, wie eS der jetzige KricgSniinistcr ist, konnte man allerdings nicht erwarten, daß er es gewagt hätte, die Befehle der Bischöfe und das Geschrei der uilramontanen Presse zu mißachte». In HandciSkrcisen wird die in Aussicht gestellte Erhöhung der Ein- und Ausfuhrzölle in Indien unangcnchnl berühre», allein Atjeh kostet »nincr noch viel Geld, und jetzt ist noch Lombok hinzugckoiilinen, außerdem wirb die Erhöhung von schon bestehende» Steuern angckündigt. In sociatpolitischer Hinsicht hat sich die Regierung jedcnsaUS Großes vor- gcnoiniiicn, denn eS werden, wie die Thronrede versichert, Gesetzentwürfe für Einrichtung von ArbeitSkanimcrn, für Unfall- und Altcröverso rgung und für die Inf pectiou von Fabriken und Werkstätten vorbereitet. In Tüurmark sind die Neuwahlen zum LandSthing, der Ersten Kannner, vollzogen worden. Die Versammlung besteht aus OK Mitglieder», von denen 12 durch den König Fe«!lletsir. ss Der goldene Mittelweg. Roman von Erich Rott. Nachdruck »»boten. (Fortsetzung.) Winkler griff sich nach der Stirn und starrte secundenlang sprachlos aus seine Ehehälfte. „Ja, Mutter, redest Du denn eigentlich im Fieber, oder was ist loS? Die ElSbeth ist sort- gegangen in den Tod, sagst Du? WaS ist denn daS für ein dummes Gerede, ist sie kenn nickt oben? Vermißt man sic denn, ich weiß ja noch von gar nichts!" „So höre", murmelte das Weib atbemloS, während cs ganz dicht an ,h„ herantrat, „vorhin kommt die Lene zu mir und fragt nach ihrer Frau. Ich gebe ihr zur Antwort, daß meine Tochter nicht unten sei, wie cs ja auch nicht in ihrer Gewohnheit gestanden, bei nnS ihre Zeit zu verbringen. Ich ging hinauf, als Lene sich gar unruhig zeigte. Ihr Bett ist unberührt, als wenn sie gar nicht zur Ruhe gegangen ist oder nur oberflächlich darin gelegen hätte - und dann fragen wir den Erich daS Büble meint, die Mutter sei fortgegangen, mitten in der Nacht, sie habe auSgesehen, wie die lichte Mutter Gottes . . . und ans einmal faßt mich die Lene bei der Hand und sagt, sie meinte, sie hätte nur geträumt, daß eine hcllichte Gestalt z» ihr in die Kammer gekommen wäre, und hätte sich »her die kleine Eva gebeugt, bätte sie geküßt und dabei geweint dann wäre sie sort- gegangen. Nur im Traum, hatte sie gemeint, wäre diese Erscheinung an sie herangetrcten und wie ich, in »leiner Herzensangst, die mich da faßt, nach der ElSbeth ihrem Hochzeitskleid schauen will, das mir grab' in den Sinn kommt, da ist e» fort, Schleier und Kran; sind auch nit mehr da, und der Erich sagt uns auf unser Befragen, daß die Mutter daS Alle« angezogen hätte und dann wäre sie bei ihm geblieben, bi« er nichts mehr wußte." DaS Alles kam nur ruckweise in abgebrochenen Sätzen hervor, man merkt« eS der Sprechenden an, wie schwer ihr jede-Wort wurde, wie sie unter der furchtbaren Aufregung, die ihr einfache« Gemütb ersaßt batte, beinahe zusanimenbrach. Aber auch Lebreck! Winkler stand eine lange Weile sprach los mit Wt»t aufgeriffrnen Augen, wie vom Donner gerührt. Dann kam ein dumpfes, wehes Aechzen über seine Lippen und er griff sich mit der einen Hand nach der Stirn. „Nur daS nit", murmelte er mit leiser Stimme, die wie auS weiter Ferne herüberzuklingcn schien, „ElSbeth, da« wirst Dn Deinem alten Vater nicht angethan haben! Unsinn, Unsinn. Weib!" suchte er sich gewaltsam zu beruhigen. „Mann!" ries seine Frau, „kannst Tu eS denn iminer noch nicht begreifen? Sie hat ihrem Manne die Treue bis über den Tod gehalten, bräutlich geschmückt wie an ihrem Ebrentage, ist sic zu ihm gegangen. O Jesus, ich überlebS nicht, mein einzig' Kind, das ich geboren und lieb gehabt Hab', so jammervoll zu Grunde gehen zu sehen." Winkler ging mit wuchtigen Schritten in der Stube auf und nieder. „Du, Du und kein Anderer hat sie in den Tod getrieben!" rief plötzlich seine Frau, während eine jähe Rothe ihrem Gesicht eine ganz andere Prägung verlieh. „Statt daß Du ibr beigestanden wärest in Ihrem Jammer, hattest Du nur Vorwürfe für sie, sic durfte sich nicht sehen lasten, ohne daß Du ihr ein höhnisches Lachen entaegcngebracht hättest; Du warst nit ihr Vater, Du warst ihr Feind, und wenn sie, ohne Abschied zu nehmen, von Dir gegangen ist, in den Tod. Ich möcbt' nicht an Deiner Seit' stehen, wenn eS gilt, Rechen schaft abzulegen von diesem Leben!" „IesscS, Weib, WaS sprichst Du da?" lallte Lebreckt Winkler, der von Secundc zu Sccunde immer mehr in sich zujamiiicngesunken schien, und besten Gesicht nun plötzlich einen ungewohnt verstörten Ausdruck aufwieS. „Die ElSbeth ist in den Tod 'gange, durch meine Schuld, sagst Du? Herr Gott, batt' ick denn nicht ein Recht daraus, zu zürnen? Aber daS Hab' ich nit gewollt, wie kannst da« denken, sie ist ja doch mein einzig' Kind und ich Hab' sie auch lieb aus meine Weise!" Dann plötzlich, wie von einer ungeheueren Unruhe gefaßt, eilte er aus dem Zimmer, die Treppe hinaus, immer zwei Stufen zugleich nebmcnd, stand er gleich oben bei der jammernden Lene; schweigend ging er an dieser vorüber, nachdem sie in unzusammenhängend«» Worten ihm Bericht erstattet hatte. Ja freilich, die Zimmer waren leer; der kleine Erich, der sich bei seinem Anblick scheu in eine Zimmerecke verkroch, flehte in jammernden Tönen nach seiner Mutter, die ihm gar nicht einmal guten Morgen gesagt habe. In der Wohnstube spähte Winkler, ohne sich deS Lächer lichen seine- Vorgehen« bewußt zu sein, in den Ecken umher. Dann kam plötzlich ein Schluchzen, das seinen »lässigen Körper erschütterte, über seine Lippen. „ElSbeth", stöhnte er auf, „nur das nit, IcsuS Christus im Himmel, Du kannst es nit zulasten; WaS hat das Weib gesagt, ich Hab' sie in den Tod getrieben, durch meine Schuld, weil sic kein' Lieb' nit gefunden hat?" , Dann aber, als ob er daS leise Weinen deö kleinen Erich nicht länger hören könnte, eilte er aus dem Zimmer. Er ging in die Nebenstube, hier war eben die kleine Eva wach geworden, sie lag strampelnd in ihren Kissen und lächelte ver gnügt. WaS wußte die vvn Mcnschcnleid und HerzcnS- k,immer. Auch hier litt eS ihn nicht. Polternd eilte er die Treppe hinab in seine Stube, wo er mit erregten Schritten auf- und niederging. Schließlich lief er wieder auf den Hof hinaus und den ersten Knecht, welchen er traf, fragte er, seiner Stimme ge waltsam den alltäglichen Klang verleihend, nach seiner Tochter. Aber Niemand hatte dieselbe gesehen. In diesem Augenblick trat ein Fremder durch den Tborbogen. Ter Hund schlug an und schnellte, wie eS seine Gewobnhcit war, wenn ein Fremder aus den Hos kam, an seiner Kette empor. Winkler faßte plötzlich die Wuth, er faßte eine Radspeiche, welche im Hose lag, vom Boden aus und wollte sie auf den Hund Wersen; dann aber, als er in dem Einaetretcnen den Waldmüller, der außerhalb deS Dorfes das Mühlcngrund- stück besaß, und der neulich erst den kleinen Erich »ach Hause gebracht hatte, erkannte, siel es ihm gar schwer auf das Herz, und von einer plötzlichen Ahnung ersaßt, blieb er mit gesenktem Haupte stehen. „Grüß Gott, Bürgermeister", sagte der Ankömmling, der eine verstörte Miene zur Schau trug „Ihr wißt- wohl noch nicht, 'S ist eine schreckliche Geschickt'!" „Die ElSbeth", preßte Winkler hervor; „sagt'S nur." „Ich zog sie auS dem Weiher Meine Schuld ist'« nit, daS könnt Ihr mir glauben, sie muß bei der Nacht hinein gegangen sein!" „Au« dem Weiber, sagt Ihr? . . . und sie ist todt?" Jede« Wort kam einzeln, abgebrochen heran- und nur mit furchtbarer Willensanstrengung vermochte Winkler sich aus recht Zu erhalten. „(solch ein Unglück!" rief der Müller wieder. ,;Ich danke Euch", sagte der Andere jetzt, mit abzcwandtem Gesicht reichte er dem betreten Dreinschauenden die Hand. „Geht nur voran, ich komme gleich nach, ich will nur mein Weib benachrichtigen, daß sie'« nit ungeschickt erfährt!" Schritt für Schritt, die Fuße vorsichtig voreinander setzend, wie ein alter Plan», der »immer den Weg recht zu finden weiß, schlich er zum Hause zurück. Aus dein Flur traf er Frau Barbara. Er ging auf sic zu, faßte sie bei der Hand und zog sie mit sich in die Stube hinein. „Mutter", preßte er in keuchenden Lauten hervor, „so wahr ein Herrgott im Himmel lebt, ich hab'S nit ge wollt ... ick bab's ja nur gut gemeint. Ich wollte ihr den Sinn gewaltsam strecke» und kräftigen, ick dachte, nur noch eine Gewaltcur könne ihr helfen . . . Mutter!" ächzte er plötzlich, „ich bab' sie ja so lieb gehabt, so lieb. War doch mein einzig Kind und nun . . . nun ist sie todt!" „Todt?" stöhnte Frau Barbara und sank in einem Stuhl nieder. Eine lange Weile herrschte Stillschweigen in Lein Raume. Niemand von den Beiden vermochte zu sprechen. Lebrccht Winkler batte wie von ungefähr mit einem langen Blicke das an der Wand hängende Crucisix gestreift, dann kam von Neuem ein Aechzen über seine Lippen. „Der Müller bat sie in seinem Weiber aufgefunden, sie ist schon ganz todt", murmelte er »icchanisch. „Mutter, Mutter, nimm das Wort zurück, das Du vorhin gesagt hast, ich bin nit schuld daran, der Herrgott weiß, daß ick cö nur gut genieint bab !" „Ich will nicht richten mit Dir, wo daS Unglück ein- gekebrt ist in unser HauS", ächzte Frau Barbara, »ach seiner -yand tastend. „Jesus Maria, welch' ein Unglück, liier in demselben Raum ist sie groß geworden, dort ist noch der Teppich, ans dem sic gespielt hat, da bängt der kleine Hand besen und die Sckipp' noch, »lit denen sic inimer so gern gespielt bat! — ich bab' es ausgebobcn zum Andenken. Da war sie klein und jung und glücklich. Aber nun . . . Jesu» EbristuS, in den Tod gegangen . . . freiwillig auS der Welt geschieden, weil sie - niniiiicr gelitten hat in, Leben!" „Mutter", murmelte Winkler, „Mutter, wir müssen stark sein, der Herrgott schickt uns diese Prüfung, damit wir zeigen sollen, was an un» ist." Er ging nach dem Schrank, in de», seine Kleider dingen. Die Frau schaute ibm nach und schüttelte den Kops. „Wir Kälten sic uns halten sollen, so eine arme Mcnschcn- seel' braucht Lieb', besonder«, wie der Sonnenschein von ibr gegangen war." Winkler batte inzwischen sein HauSwammS mit dem Rock vertauscht. Draußen beauftragte er zwei Knechte, die mit
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite