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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940927025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894092702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894092702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-27
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Extra-v«il»«nt (gesalzt), n,r mit der Vtorgen-Autgabe, ohne Postbeiürderuug L0.—, mit Postbesorberung ^l 70.—. Anaahmeschluk für Anzeige«: Uh»ad->u«gabe: Vormittag« 10 Uhr. »iorg»n.«u»gat>e: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen ,e ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an di« Expedttren zu richten. Druck »nd Verlag von E. Pol» in Leipzig Donnerstag den 27. September 1894. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. September. Der Herr Reichskanzler läßt im „Reichsanzeiger" auf ha« Entschiedenste dcmentiren, daß er den Wunsch aus gesprochen habe, eS möchten in der Provinz Posen polnische Landrälhe angestellt werden können. Indem er einen solchen Gedanken weit von sich weist, bekundet Gras Caprivi, daß er in Zukunft im Bereiche seiner Machtsphäre dafür sorgen Wird, daß die polnischen Bäume nicht in den Himmel wachsen. Nach dieser Richtung hat das Thorner Kaiser- Wort über die Polen, obgleich cS im „ReichSanzeiger" nicht veröffentlicht worden ist, seine Wirkung bereit« gcthan. Und eS wird weiter wirken, trotz der polnische», ultramontanen und demokratischen Insinuationen, der Kaiser habe sich zum Mundstück einer vom Fürsten Bismarck in Scene gesetzten Polenhetze gemacht und ungerechtfertigte Beschuldigungen aus gesprochen. ES wird weiter wirken trotz der in conscrvativcn Blättern unternommenen Bersuchc, die Beamten in der Pro vinz Posen von jedem Vorwurse allzu großer Nachgiebigkeit gegen die polnischen Wünsche rein zu wasche». ES wird weiter wirken trotz oder vielmehr gerade infolge der Kund gebungen des Erzbischofs von Posen, Herrn v. StablcwSki, der sich einem Interviewer gegenüber in langer Rede aus gesprochen hat, deren Inhalt sich folgeudermaßen zusammeu- saffen läßt: In jüngster Zeit wäre förmlich eine Polenhetze inscenirt worden und hohe bürgerliche uud inilitairische Würdenträger feien verdächtigt worden, weil sie mit ihm, dem Erzbischof, ein gutes gesellschaNlicheS Eiiivernchnien erhallen hätten. An der Spitze dieser Bewegung stehe Herr Kennemann-Klenka. Die Beschuldigungen dieses Mannes wögen aber nicht schwer. Er, der Erzbckchof, selbst werde wegen harmloser Aeußerungen als ein planmäßiger Be treibe! der polnischen Propaganda behelligt. Was fürchte man eigentlich von den Polen? Seit 3t) Jahren herrsche ungetrübte Ruhe im Lande, und eine Revolution sei heutzutage eine Unmög lichkeit. Ein einziges Bataillon würde ausreichen, selbst 100 000 Sensenmänner niederznwersen. Was solle durch gewaltsame Germa- nisirung gewonnen werden? Glaub« mau vielleicht, Ruhland werde im Falle eines für uns unglücklichen Kriege« die Provinz Posen nicht aiitasten, weil sie deutsch geworden sei? Dies wäre eia Aber glaube, den kein Staatsmann theilen könne. Das siegreiche Ruß- land würde nach Danzig und dem ganzen Weichselgebiete greifen, wie es bereits weit größere Gebiete verschlungen Hab», die ihm nach Sprache, Sttte und Religion fremd waren. Tie Polen fühlen sich als preußische Unterthanen und erkennen den staatsrechtlichen Zustand vorbehaltlos an. Wa» in zwei- oder drei hundert Jahren sein werde, wisse man nicht, und Niemand könne verhindert werden, sich dies« ferne Zukunft nach seinem Gefallen auszumalen. Was Kvsciel-ki in Lemberg auSgesagt habe, möge wenig geschickt gerade von ihm gewesen sein, doch dieses Alles schaffe die Thatsache nicht aus der Welt, daß die Polen der Regierung in den wichtigsten Fragen ihre oft unentbehrlich, Unterstützung gewährt hatten. Durch polenselndliche Agitation und Unfreundlichkeiten werde diese Haltung der polnische» Abgeordnete» erschwert, am Ende sogar unmöglich gemacht. Ter SocialismuS klopfe vernehmlich an unsere Thore; wir etkennen ihn auch, wenn er sich in das häßliche Gewand des Anttse- mitismus hülle, der übercll nur Geschäft und Borwand für selbstische Sonderzwecke sei. Ter Erzbischof bezeichnet« schließlich die polnische Propaganda in Oberschlesien alS Frucht salscherPottttk. Maß. nahmen Herrn v. Bitters in Oppeln hätten dort die Propaganda künstlich großgezogen. Ich verweise, so schloß der Erzbischos, die polnische Propaganda in Oberschlesien, denn in diesem seit fünf oder sechs Jahrhunderten von Polen getrennten Gebiete ist für das Erwachen des polnischen Nationalgefühls in unseren Tagen keine Berechtigung vorhanden; doch ich kann diese Propagandn unter den obwaltenden Umständen begreifen, und es sind eben die Vertreter der polenscindlichen Politik, die mir die Hände in einer Weise binden, daß ich nicht hindern kann, waS dort geschieht. Wie die Polen sich als Preußen fühlen, geht aus Tausenden von Kundgebungen der polnischen Presse und aus Tausenden von Reden polnischer Führer hervor — man braucht gar nicht einmal an die Aeußerung de« vr. Kuztelan in Lem berg zu denken, die polnischen Bewohner der Provinz Posen würden kämpfen und nicht wanken, bis die Einwohner dieses Landes sämmtlich Polen wären. Indem der Herr Erzbischof alle diese Kundgebungen entschuldigt und den Rednern und Bcrfasscrn das Recht zuspricht, sich die Zukunft Potent nach Gefallen au-zumalen, kennzeichnet er seine eigenen Wünsche so scharf, daß man nicht im Zweifel darüber sei» ka»n,aus welches Ziel er loSstcuert. Am meisten aber wird an der Stelle, auf welche die Kundgebung des Herrn Erzbischof« berechnet ist, die Thatsache gewürdigt werden, daß von dem bisherigen Entgegenkommen der preußischen Regierung gegen oie Polen, LaS der Kaiser sehr genau kennt — hat er doch selbst in der Hoffnung aus eine günstige Wirkung mit AuSzeich. nungen für den polnischen Adel nicht gegeizt —, nur im Tone des BorwursS geredet wird. Gerade das wird an maßgebender Stelle den Entschluß befestigen, andere Saiten aufzuziehen uno mit einem System zu brechen, das nicht« eingetragen hat al» Undank und Gefahr für da« Deutschthum und die Behauptung des Herrn Erzbischos- v. StablewSki, daß in Posen das Erwachen des polnischen NationalgcfühtS seine Berechtigung habe. Zur Frage der Astwrhr »er Umfturzbewegung äußern sich die soeben herauSgekvmmenen Mittheilungen für die Vertrauensmänner der nationalliberalen Partei folgendermaßen: So wenig irgend ein Mitglied der bürger lichen Gesellschaft über den Ernst dieser Entwickelung in Zweifel sein kann, so berechtigt ist eS leider doch, wenn der Kaiser auf dieser Seite der Gesellschaft, also bei „uns allen", noch ganz erhebliche Unterschiede macht. Von Emmüthigkeit in der praktischen Nutzanwendung aus der nämlichen politischen Ein sicht ist keine Spur vorhandeu. Da steht wohl nach wie vor eine starke Schaar von Bürgerlichen und auch recht ange sehenen Adeligen in treuem Zusammenhalt bereit, ihre Pflichten in jeder Hinsicht zu erfüllen, die Pflichten de« Be sitzes und der Menschlichkeit gegenüber den wirtbschaftlich schwächeren Elasten der Gesellschaft und die Pflichten der Ab wehr gegen den inneren Feind. Von dieser Schaar besonders zu reden, ist ja nicht nöthig, sie hat ihren Lohn im Bewußtsein treuer Pflichterfüllung. Aber sehr nöthig war e-, die beiden Gruppen, von denen der Kaiser gesprochen, auszurufeu, daß sie mit auf den Posten treten, wo vaS Pflichtbcwußtsein treulich die Wacht hält, und hohe Zeit ist eS, daß die Mahnung gehört uud beherzigt wird. Die abelia-conscrvative Gruppe, welche ncnestcnS unter Vorantritt de« Freiherr» von Manteuffel und des Herrn von Plvcy sich politisch bewegt hat, kann unmöglich die Fähigkeiten der Selbstbeherrschung und Selbstüberwindung sich bewahrt haben, um Schulter an Schulter mit Männern von anderer politischer oder wirthschaftS-politischer Anschauung die gemeinsamen Aufgaben der StaatSerhaltung und Friedens bewahrung zu erfüllen. Es schien ja gar keine mit anderen Sö.,ncn des Vaterlandes gemeinsamen Pflichten mehr für jene adelig - konservative Gruppe zu geben. Nun ist bis heute noch keineswegs volle Klarheit darüber zu gewinnen, wie weit da« Kaiserwort nach dieser Richtung hin gewirkt hat. Wenn der Kaiser für den Fall der ver langten Einkehr und Umkehr „als auSgelöscht alles" betrachten will, waS an „Lärm" und „Mitteln der gewerbsmäßigen Opposition" bei ihm Anstoß erregte, weil e« vom Adel aus- aiiig, so haben die sich selbst treu gebliebenen gemäßigten Parteien keine Ursache, alte Wunden wieder aufzureißen, sofern di« Umkehr zur Thatsache wird. Das Losungs wort „Für Religion, für Sitte und Ordnung" ist zu ernst, als daß wir nicht Jeden froh begrüßen müßten, der sich unserem Standpunct in dieser Beziebung wieder anschließt. Es ist allerdings keine leichte Aufgabe, der gegenwärtigen Zerfahrenheit im Parleiwescn wirksam beizukvmmen. Aber eS ist auch darüber kein Zweifel, daß eine Gesundung im Parteiwesen entweder niemal« mehr oder jetzt unter dem GesichtSpuncte gemeinsamer Pflichten für Staat«- und GesellschaftSerbaltuna herbeigeführt werden kann. DaS Wirrsal im Parteiwesen ist nun einmal dir naturgemäße Folge einer unklaren Regierungspolitik, und darum wird sie auch nicht anders gelöst, al- durch ein klares ActionSprogramm der Regierung. Damit bervorzu- lreten» „uns alle" zur Vcrtheidigung des inneren Frieden- wieder zusammen zu führen, ist die dringliche Ausgabe der Regierung, zugleich die Voraussetzung de- Erfolge« in dem Kampfe, zu dem der Kaiser aufacrufen hat. Zum KriegS- rus, den wir vernommen, gehört ein Kriegs plan. Dir Regierung muß Entschlossenheit, Kraft und innere Ueberein- stimmung genug besitzen, um den Plan zu entwerfen und vor dem Lande zu vertreten, ovcr es ist ihr Verschulden, wenn die groß gewollte Unternehmung gleich in den Anfängen zu- sammknbricht." Der sungtschrchische Parteitag, der kürzlich in Nimburg abgehalten wurde, hat nicht den von den Iungtschechen an- qestrebten Zweck, ihre Lage zu bessern und zu starken, erfüllt, ja, er hat nicht einmal eine Klärung der Lage gebracht. DaS Ergebniß de- Parteitage- ist weder der Friede zwischen Iung- tschechen und Omladinisten, noch die formelle und endgültige Scheidung zwischen diesen beiden Elementen. Der ganze Verlauf de« Parteitages, daS geheimnißvolle Arrangement desselben, wofür die Iungtschechen von der alttschcchischen Presse unter Hinweis aus die Veranstaltung de- deutschen Parteitages in Prag verhöhnt werden, weist darauf hin, daß die Iungtschechen das Heft vollständig ver loren haben. lieber ihre Lage und Uber einzelne Vor gänge auf dem Nimburger Parteitage wird der „N. Fr. Pr." au« Prag geschrieben: Die Situation gestaltet sich für die jnngtschechische Partei trotz de- Parteitages immer schwieriger. ES hat den Anschein, al« hätte selbst der Parteitag stark zu den Omladinisten hingeneigt. E« ist ausfallend, daß der Abgecrdnete S chil, der ofsicielle Vertreter der Omladina auf dem Parteitage, die Versammlung verließ, und daß eine ganze Reihe radikaler Abgeordneter sich entfernte. Auch die Abgeordneten der Rcdactwn der „Narodni Lisch" hielten sich fern. Aus dem Parteitage unterblieb die bcabsichtigteKundgebung gegen die Realisten. In hohem Maße ausfallend ist eS, daß auch Blätter, die von Abgeordneten erhalten und unterstützt werden, die Vereinigung der Omladina mit der jungtschechischen Partei befürworte». Dir „Lidove Noviny", in deren RcdactionS-EomitS die Abgeordnete» Tuczek, Kramarz und das Mitglied des junglschechischen Vollzugsausschusses, Di-, StraiiSky. sitze», treten ganz entschieden für die Oncka- dina und gegen da« jungtschechische Hauptorgan ein. Dabei wird von demselben Blatte der Abgeordnete Herold al« Kronzeuge zu Gunsten der Omladina angeführt. In Italien kann man sich nicht damit absinden, daß die Vorgeschichte der Erneuerung de« Dreibundes im Jahre I89l und der Inhalt de« Vertrage« Gehrimniß geblieben ist. Die Italiener werden eben den Gedanken nicht los, der da malige leitende Staatsmann, Marchese di Rudini, habe durch anfängliche Liebäugeleien mit Frankreich daS Mißtrauen der Kaisermächte wachgerufen und sich schließlich zu einer überhasteten Erneuerung der Bllndnißverträge genöthigt gesehen, wobei dir Interessen Italiens nickt ausgiebig tnug gewahrt worden seien. Vorwürfe ähnlicher Art at selbst EriSpi gegen Rudini erhoben, freilich auch er, ohne bestimmt anzugebcn, in welchem Punkte Italien benachlliriligt worden sei; einige ziemlich unbc timmte Andeutungen bezogen sich aus den Inhalt der Handelsverträge mit Deutschland und Oesterreich-Ungarn, doch gewann man umsoniebr den Eindruck, daß er absichtlich nicht den eigentliche» Klagepunct berühre, als die neuen Handelsverträge in Wirklichkeit sehr vortbcilbaft für Italien ausgefallen waren. Seit EriSpi wieder zur Macht gelangte, waren die Bemängelungen der ihrem Inhalt nach andauernd unbekannten Bllndnißverträge so ziemlich verstummt. Erst jetzt wrrd wieder eine Klage dieser Art taut, und zwar ist eS die römische „Tribuns", die in einem eizenthümlicheii, angeblich aus Wien staminenden Artikel die Frage der Bündnigbestimmungen zur Erörterung stellt. Es geschieht das in einer Weise, die insbesondere auch in Deutschland Beachtung verdient, wicwobt der Artikel sich in seinem meritorischen Theilc mit dem italienisch-österreichischen Ver trage beschäftigt. Der angebliche Wiener Brief führt aus, in den letzten Jahren sei der Schwerpunkt des Drei bundes von Berlin nach Wien hinübergeglitten: „Lesterreich-Ungarn, da- zu einem Planeten herabgejunken war, ist nun wieder der B re n n p u n c t der europäischen Politik, und es hat dadurch an Freiheit und Selbstständigkeit gewonnen. Ohne dir Interessen des Dreibundes zu beeinträchtigen, hat e» Frankreich an sich gezogen und Rußland überzeugt, daß eS auch im Orient die ganze Fülle seiner erhöhte» Autorität in die Waagschale zu werfen vermag. Es ist wohl wahr, daß diese innere Wandlung des Dreibünde» Frankreich in die Lage setzte, seinen coloniolpolitischen Unternehmungen die größte Entfaltung zu geben. Aber wettn Italien tn Afrika irgend welchen entscheidenden Schritt uolttmehmen wallte, so wird ihm Oesterreich sicherlich keine Hindernisse bereiten. Es ist übrigen« bekannt, daß der letzterneuert« Bundesvertrag Oe st erreich» Interessen im Orient gauzauder« alt Italien- Interessen in Afrika berücksichtigt." Die „Bert. N. N." bemerken hierzu: Der Sinn dieser Auseinandersetzung ist offenbar, daß die afrikanischen Inter essen Italiens in dem neuen Bllndnißverträge von 1891 ungenügend gewahrt worden und daß Oesterreich-Ungarn den Bestrebungen Italien« im schwarzen Welttbeil gar keinen Widerstand leisten, aber auch keine Unterstützung ge währen werde, uin Frankreich nicht zu verletzen. Daß dies« Deutung richtig ist, zeigt auch ein redactioncller Zusatz der „Tribuns", worin sie die bekannten Borwürfe gegen Rudini erneuert und bemerkt: „Wir haben vom Bunde mehr Lasten, während sich Oesterreich mit den anderen Staaten über uns hinweg auch zu unserem Schaden ver bindet. DaS darf nicht so weiter gehen. Rudini ist nicht mehr am Ruder, und unsere Verbündeten müssen erfahren, daß wir nicht nur die Ziele unserer Politik klar vor Augen haben, sondern daß wir sic auch erreichen wollen." Unwill kürlich hat man die Empfindung, daß diese Auslassungen des römischen Blattes in einem gewissen Zusammenhänge mit den britisch-italienischen Plänen gegen die Mah dist en und mit der TripoliSsrage stehen, welche letztere neuesten- die italienisch: Presse wieder sehr lebhaft beschäftigt. Ueber die Bemühungen de« bulgarischen Fürsten, sich die Anerkennung des Zaren zu verschaffen, theilt brr Wiener Corrcspoiident der „Times" Folgendes mit: Kurz nach dem Tode de- Herzog« Ernst von Coburg verfaßte Fürst Ferdinand ein langes Memorand um über die Lage Bulgariens und seine eigene unklare Stellung, wie sie durch die Nicht anerkennung seitens der Mächte hervorgerusen sei. Dieses Memorandum „ahm die Prinzessin Elementine selbst Feiiilletsii. Der goldene Mittelweg. 12 j Roman von Erich Rott. Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) Auf der Torsstraße oder auch nur angesichts der Häuser des Ortes durste inan sie freilich niemals bei einander finden; dafür trafen sie nun tiefer im Walde zusammen; dort gab« eine Menge stillverschwiegener Wiesenplätzchen, auf weichen sie gemeinschaftlich plaudern, den dabingaukelnden Schmetterlingen nachjagcn und die Blumen pflücken konnten, die in verschwenderischer Fülle aus dem hohen Riedgras lockten. Schwarzbrot brachte die kleine Trudel freilich nimmer mit. DaS sei gar rar geworden bei ihnen, versetzte sie aus Erich s Frage, und die Großmutter meine oft Abends, wenn sic Beide nichts zu essen hätten und bungria schlafen gehen müßten, daß Bettelbrot daS theuerste Brot sei, weil e« am ehesten auSgehe. Dem kleinen Erich standen di« Thränen in den Augen, wenn Trudel ibm Derartiges betrübt berichtete. „Großmutter meint, eS solle nun bald besser werden", sagte die Kleine einmal. „Jetzt wäre ich bald groß genug, daß ich in da« Nachbardörfle zum Betteln gehen dürfe." „Bebüt', da« darfst Du nickt, Betteln ist ja eine Schande I" sagte Erich, vor dessen geistigem Blick zerlumpte Gestalten auftauckte», die während der guten Jahreszeit in den Hos des Großvaters zu kommen und um Geld und abgelegte Sachen anzusprechen pflegten und ans die der bisherige Hofhund, mit dem er selbst noch nickt Frieden geschloffen batte, eine besondere Tücke zu haben schien, so daß die zer lumpten Wandervögel frob sein konnten, wenn sie mit Hecken Waden da» Gehöft wieder verließen. Aber die Trudel lachte zu den Einwendungen de« Knaben nur vergnügt. — „Hunger tbut weh", sagte sie, „und da der V>.t«r ini Zuchthaus ilcht, wovon soll ich denn satt werden? O, jetzt freilich giebi'S Beere im Wald, aber wenn der Winter kommt, waS soll ick dann esse?" „Nein, ich will « nicht. Du darfst nickt betteln", rntgeanete Erich, der sich schon bei dem bloßen Gedanken an eine solche Möglichkeit entsetzte, während er ibr zugleich die rechte Hand »ntgegeostreckte. „Gieb mir di« Hanv daraus, daß Tu da« nicht tbun wirst, sonst heirath' ich Dich nicht, wenn ich ein mal groß bin!" Da aber zeigte Trubel ein wehmlltbige- Gesicht. — „Groß mutter bat gesagt, wenn Du groß geworden bist, schaust Du mich gar nimmer an", flüsterte sie, während c« schmerzlich ihre frischen Lippen umzuckte. Da aber flammte eS entrüstet in den Hellen Augen de«Knaben auf. — „Das ist nicht wahr, ich habe Dick lieb und werde Dich immer lieb haben!" versetzte er voll tiefen Ernste«. Da fiel ihm die Trudel auck schon um den Hal« und lachte und weinte zugleich. — „Ich will auch nicht betteln, wenn - Dir nicht recht ist, gewiß nicht!" Aber diesem Versprechen znm Trotz hätte sie doch Wohl der Großmutter folgen, und als die rauhe Jahreszeit wieder kam, bettelnd von Hau» zu Hau«, die Mildthätigkeit gut gesinnter, Keffer gestellter Menschen in Anspruch nehmen müssen, wenn nicht der Tod plötzlich rin Machtwort gesprochen Kälte und die alte Fränz nicht eine- Morgen« todt auf ihrem Bette liegend ausgefunden worden wäre. Nun freilich war guter Rath theuer. Wohin sollte man nun mit dem verwaisten, völlig verlassenen Kinde? Die Bauern wollten e« nicht bei sich aufnebme». DaS sei keine Ehre, solch' eine Bcttelbrut im Hause zu haben, meinten selbst die Aermsten unter ihnen, denen der Bürgermeister die Pflegschaft unter gleichzeitiger Zusage von Unterstützung-geldern aus der Ge- meindecaffc anbot. So halte die Kleine vielleicht bei dem rohen, vertrunkenen Gemrindrbüttel, bei dem sie vorläufig untergebracht Worten war, ihre Jugend vertrauern müssen, wenn nicht Erich in seiner kindlichen Weise unbewußt am rechten Orte für sic Fürsprache eingelegt hätte. Der Müller Froschner, in dessen Weiher sich Frau ElSbcth in ihrem Wahn ertränkt, hatte eine herzliche Zuneigung zu deren hinterlaffenem Knaben ge faßt; er war sonst ein rauber, strenger Mann, mit dem da« Leben unbarmherzig umgesprunzcn war und welcher, seitdem er seine drei blühenden Kinder auf der Todtenbahre hatte liegen sehen, mit seiner ebenfalls mürrischen, wortkargen Gattin ein einsame«, freudloses Leben geführt hatte. Jetzt, wo nun zuweilen Erich in der Mühle umherstrich, bald die», bald jene« an der Einrichtung bewundernd und sich an den schwerfällig um die Achse sich drehenden Mühlenrädern, von deren Sperchen die Waffertropfen farbenschimmernd herabfielru, nicht satt zu sehen vermögend, ward e« ihm oft gar wunder sam um da» alternde Herz. „Ich wollt', ich hält' so rin Büble, wie Du bist, dann würde ich Wohl auch noch einmal da« Lachen lernen", sagte er einmal zu dem kleinen Knaben. Da durchzuckte e« auch schon siedend heiß da« Herz de« Kleinen. Er hatte soeben gerade die Trudel wieder getroffen und diese batte an seinem Halse vor Hunger und Heimweh geweint. „Dir Trudel von Wittmer'S ist so einsam", sagte er dann plötzlich, „ist doch gar ein lieb « Mädele, die thät fein zu Euch paffen!" Der Müller sah ihn zwischen Lachen und Ernst an. „Schau, schau, bist Wohl gar schon ein Kuppler in Deinen jungen Jahren?" meinte er kurz und sagte nicht» weiter dazu. Aber da« bittende Wort de« Kindes hatte einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht. In der Thal hatte er schon früher wohlgefällig d,e kleine sonnenverbrannte, schwarzhaarige Trudel angcschaut, wenn sie gekommen war, auch von ihm die Gänse zur Weide zu treiben. Nachdem er ein LangeS und Breite« mit seiner Frau geredet, ging er eine« Tage« zum Bürgermeister und sagte diesem in seiner wortkargen Art, daß er sich entschlossen hätte, die kleine Trudel al- Pflegekind in sein Haus aufzunehmen. Von dem Tag an hatte di« Waise eine neue, bergende Heimalh gefunden. XU. Ostern darauf kam Erich in die Schule. Da- war ein großer Tag in den, Leben deS kleinen Burschen, Schon zum vergangenen Weihnacht-fest hatte er Ranzel, Tafel und Schiescrstift« zum Geschenk erhalten und sich die Winler- moaate damit vertrieben, unter Anleitung Lene'«, die nach wie vor im Hause thätig war, allerlei wundersame Figuren auf die Schiefertafel zu malen und bei dieser Beschäftigung eine Unmenge von Griffeln zu verbrauchen. Zuerst drückte den Kleinen da« Bewußtsein wieder. Stunden hindurch regungSto« in der Stube zu sitzen und aufmerksam den Unterweisungen de« Lebrer« folgen zu sollen; aber der freundliche, hochgcwachsene Mann, welcher wohl wußte, daß der kleine Blondkopf seine« Amt«vorgänger« hinterlasscner Sohn war, erwies sich sebr freundlich zu dem Kinde uud gewann dadurch gar bald schon dessen volle Sympathie. Aus dem Dorfe ist e« ander« wie in den volksllbersäeten Städten, uud während in den Schulen der letzteren dir Büblein und Mägdlein sein säuberlich i» Elasten geschieden sind, trennte die A-B-E-Schützen beiderlei Geschlecht«« im Heimathdorf« unsere« Helden nur «in mäßig dreiter Gang inniittrn der Schulstube, zur Linken saßen die Knaben» zur Rechten die Mädchen. Unter den letzteren befand sich auch Klein Trudel. Die beiden Spielgefährten, die sich nun auch im Schul zimmer wieder gesunden hatten, batten freilich ihren AltcrS- cnoffen gegenüber einen schweren Stand. Sie wurden öfter ge- änsclt, und besonders Trudel hatte unter den bösen Nachreden viel zu leiden. Man nannte sie immer nur, im Andenken an die inzwischen verstorbene Großmutter, die „Hex". Aber al« Erich, der trotz seiner nur bescheidenen Körperkrast sich vor keinem seiner Kameraden fürchtete, erst zu wieder holten Malen ritterlich für seine kleine Genossin cingetrcten war und deren Widersacher nachhaltig mit den Fäusten bearbeitet batte, freilich nicht, ohne auch seinerseits manche derbe Tracht Prügel bekommen zu haben, hörten die Neckereien allmäklich auf. Zudem hätte auch Müller Froschner nickt gelitten, daß seinem Pflegekind irgendwelche« Herzleid bereitet worden wäre. Die Trudel hatte r« gar gut in der Waldmühle draußen, daß leibeigene Kind der Müller-leute hätte eS kaum besser haben können, und so sorgte Froschner, ein resoluter und seiner Energie wegen weil und breit bekannter Mann, dafür, daß auch außerhalb deS schützenden Heim« seinem Liebling kein Haar gekrümmt oder ihm sonst etwas zu leide gcthan wurde. Erich machte gute Fortschritte in der Schule, und mehr als einmal sagte der Lehrer im Gespräch zu des Knaben Großvater, daß er Einer der begabtesten Schüler sei. Nur eine Untugend halte sich der Knabe vom ersten Schultage an gewöhnt, und trotz Winkler'» strenger Ermabnungen ließ er sich nicht davon abbringen. Er begleitete nämlich Trudel regelmäßig zuerst vom Schulhausc nach der Müble und machte dann erst Kehrt, um, wieder bei dem Schulhause vorüber- kommend, den Nachhauseweg rinzuschlagen. Darüber wurde im Kreise der Erwachsenen viel gelacht; Winkler aber, der einmal in Allem und Jedem, WaS sein Enkelkind »bat, etwa« Falsche« sab, brummte zuweilen in ganz gehöriger Weise, ja. auch ter Haselstock sprach mitunter ein aewichiige« Wort; aber selbst den Schlägen setzte Erich, so folgsam er sich auch in anderer Beziehung erwies, ein starr sinnige« Beharren entgegen. Sonst freilich war eS mit dem Zusammentreffen der Un» zertrennlichen Übel bestellt.
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