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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940927025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894092702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894092702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-27
- Monat1894-09
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6994 nach Coburg mit und überreicht« r« dem neuen Herzog mil ter dringenden Bitte, dasselbe zur Kenntniß de- Zaren :>> bringen. Prinzessin Clementine wie- dabei daraus hin, wie unangenehm e» sei, daß ein Mitglied de- Hause« Coburg eine nur geduldete Stellung einnehme, wie ihr Sohn. Diese« Mei»or.,nc»m wurde dem russischen Thronfolger während seine- Aufenthalte« in England eingehändigt und von ibm dem Zaren üderdracht. Alle diese Manöver wurden Etambulow ängstlich verheimlicht. Da keine Antwort vom Zaren kam, scheint Fürst Ferdinand geglaubt zu haben, einen Beweis seiner bona käe» geben zu müssen, und so entließ er Stambulow. Dann deutete er an, baß er sür eine Antwort aus sein Memorandum dankbar sein würde. Schließlich langte denn auch eine Antwort an, aber, wie e« scheint, nicht direct vom Zaren. Dir Antwort aber lautete, daß ehe die im Memorandum erwähnten Sachen einer Erwägung unterworfen werden könnten, eine neue Wahl eine- Fürsten durch eine sreigewählte Sobraaje statt- sindcn und der VersaffungSartikel wegen der Religion de» Thronfolgers aufgehoben werden müßte. Dann erst könne die bulgarische Frage vom Zaren wieder in Erwägung gezogen werten. — Ob diese Darstellung richtig ist, bleibe dahin» gestellt. An innerer Wahrscheinlichkeit fehlt ei ihr jeden falls nicht. Ucber die Stellung Rußland« zu dem Kriege zwischen Japan und Ehina wird der ossiciösen .Pol. Corr." au» St. Petersburg geschrieben: Schon bei Au-bruch de« KriegeS wurde betont, daß die russische Regierung unter keinen Um ständen zngebea werde, daß die Selbstständigkeit Korea« von irgend einem der beiden kriegführenden Staaten an getastet 'werde. Rußland muß sowohl au« politischen Grünten, sowie mit Rücksicht aus seine Handel-interessen gegen eine solche Eventualität Stellung nehmen und tönnte es aus diesem Grunde auch nicht dulden, wenn irgend eine andere europäische Macht etwa die Absicht haben sollte, nach Maßgabe ihrer eigenen Interessen in Ostasien in die koreanisch« Angelegenheit einzugreisen Dieser Standpunkt der russischen Regierung hat sich durch die inzwischen einge- Iretcnen Ereignisse nicht geändert und ist auch nach dem Siege der Japaner bei Pingyang unverrückt derselbe ge blieben. In vollständiger Uebereinstimmung mil dieser Haltung der hiesigen RegierungSkreise lauten auch die Stim men ter russischen Zeitungen, welche in dieser Frage die An sichten de- St Petersburger CabinetS mit vollkommener Treue wiecerspiegeln. Die russischen Journale erklären einmüthig, daß weder der Sieg der Japaner bei Pingyang, noch irgend welche weitere Siege der japanischen Armee die russische Re gierung von ihrem Entschlüsse abträngen werden, sich nach Beendigung de- Kriege- zwischen Ebina und Japan jedem Versuche, die Unabhängigkeit Korea« anzutasten, zu wider setzen Tie russische Regierung erachte nämlich nach wie vor die Erhaltung der Selbstständigkeit Korea» sür die Sicherheit und die Interessen der russifchen Be sitzungen in Ostasien als eine nothwendigr Bor bedingung. So führt beispielsweise die .Nowoje Wremja" aus, daß Rußland Japan nicht verhindern werde, seinen Streit mit Ehina wo immer auSzutragen. ES könne seine »iilitairischen Operationen auch, wenn r« die« für zweckmäßig halte, selbst aus chinesische- Gebiet übertragen, aber wenn eS einmal, nach Beendigung de« Kriege«, zur Frage der materiellen Entschädigungen, respective der Gebiets abtretungen kommen werde, dann werde Japan aus die Stimme Rußland« höre» müssen. Sollte Japan Absichten aus Korea haben, so möge e» schon heute wissen, daß die russische Regierung dagegen einen formellen Protest ein- legen werde. Diese Auslassung deckt sich, wie gesagt, voll kommen mit jener der leitenden russischen Kreise über die koreanische Angelegenheit. Deutsches Reich. er Berlin. 26. September. Die bisher beim Central- bureau eingegangenen Anmeldungen zum allgemeinen Dele- irtrutaa der nationallibrralrn Partei in Frank- url a. M am 3». September machen e« zur Gewißheit, daß der Deleairtentag au« allen OrganisationSbezirken der Parte, über Erwarten aut besucht sein wird. E« lagen bi« >etzi bereit- rund 43» Meldungen vor. Die ansehnliche Ziffer bietet den sicheren Beweis dafür, daß dir Einberufung de« TelegirtentageS zur rechten Stunde erfolgte und daß allent halben das lebhafte Verlangen besteht, sich über die ernsten Fragen der Zeit gegenseitig zu verständigen und nach außen- din gemeinsam zu erkläre» Der vom Eentralvorstand im Frühjahr eingesetzte Ausschuß zur Vorbereitung de« Dele- girlentageS (Vorsitzender: Adg. vr Hammachrr) hat in zwischen seine Arbeite» abgeschlossen und wird in einer auf den 2» September nach Frankfurt a. M. «inberusenen Sitzung de- EenlralvorstandeS seinen Bericht erstatten. Demnächst wird der Eentralvorstand die Tagesordnung für dir Delegirten- versaminlung de» 3V. September endgiltig festsetzen und da» Bureau der Versammlung berufen. Die Verhandlungen de« Delegirtentage« werden zunächst der allgemeinen politischen Vage zugewendct werden. Hiernach wird über Vorlagen de« erwähnte» Vu«schufse« »erhandelt werden, wozu «. L dir Herren ReichStagSabg. vr. Bürklin (ReichSfiaanzrn), Landtag»adg. Krei-rath vr. Haa«-Offenbach a. M. und ReichStagSabg. Schulze-Henne (Landwirthschaft), Stadl rath Duvignean - Magdeburg und Professor vr. Gg. Meyer-Heidelberg (Handwerk), ReichStagSabg. vr. Osanu und ReichStagSabg. vr. Hammachrr (gewerblicher Mittel stand), Geh. Reg-Rath lw. Simon-Berlin (Colooialpolitik) zu Wort gemeldet sind. Die Frage eine« besseren Schutze» aegen di« Umsturzbrstrrbunarn wird wohl mit der Er örterung der allgemeinen politischen Lage verbunden werden. tt Berlin, 26. September. Wenn der Bunde»rath dem nächst seine Plenarsitzungen wieder ausgenommen haben wird, werden ihm mehrere Vorlagen zugeheo, welche die Au«nahmr- bcstimmungen von der Sonotag«ruhe in der Industrie betreffen. Bisher liegt dem BundeSrathe nur der Entwurf sür eine der in Betracht kommenden ErwerbSaruxpen, die Montanindustrie, vor. Jetzt sind jedoch die Arbeiten im ReichSamt des Innern soweit gefordert, daß in ziemlich chneller Folge die Borlegung der Ausnahmebestimmungen ür dir anderen Gewerb-zweige zur endgiltigen Feststellung an den BundeSrath wird vor sich gehen können. Die Vor bereitung der Bestimmungen für eioigr Gruppen hat große Schwierigkeiten bereitet, obwohl in den Conferenzen »der Vertreter der Gruppen mit den Behörden der größte Theil der in Betracht kommenden Fragen geklärt war. Man hat jedoch dir eingehendsten Erwägungen über die zu berücksichtigenden Einzelheiten angestellt, um so viel al« möglich zu vermeiden, daß in der BuudeSrathSinstanz nochmal« eine umsaffende Erörterung nöthig wird, und um auch dir eventuelle Einreichung von neuen Eingaben an den BundeSrath überflüssig zu machen. Für andere Industriezweige ließ sich die Arbeit glatt er ledigen. So bat beispielsweise die Feststellung der Aus nahmebestimmungen von der Sonntagsruhe sür die Leder- iudustrie keine Schwierigkeiten bereitet, obschon hier münd- liche Erörterungen in einer Conserenz nicht vorangegangen waren. Allerdings ist eS auch nicht nöthig gewesen, hier weitgehende Ausnahmen zu gewähren, da die meisten der in dem genannten BcrusSzweige an Sonn- und Feiertagen nicht zu entbehrenden Arbeiten schon auf Grund der im Gesetzt selbst festgestellten Ausnahmebestimmungen gestattet sind. Der Entwurf zu Ausnahmebestimmungen für diese In dustriezweige wird natürlich auch im BundeSrathe wenig Schwie rigkeiten begegnen. Eine umfangreichere Arbeit werden die mit der Vorbereitung der betreffenden Entwürfe betrauten be hördlichen Stellen eigentlich nur noch von der AuSaahmefest- setzung für dir Saison industriell haben. Hier hat sich au- einer ganzen Reihe von GewerbSzweigen, die man in dem an die Einzelregierungen versandten Entwürfe nicht in Betracht gezogen halte, der Wunsch nach Berücksichtigung bemerkbar gemacht. Nach Sichtung und Zusammenstellung der von den Einzelregierungen erstatteten Gutachten dürste e« jedenfalls nothwendig werden, die eingeheudsten Erwägungen über die geäußerten Wünsche zu veranstalten, um auch alle be rechtigten Wünsche der Saisonindustrien bei der Regelung der Sonntagsruhe zur Berücksichtigung zu bringen. Berlin, 26. September. Am >. October tritt da« in der vorigen ReichltagSsession beschlossene Gesetz zum Schutz der Waarenbezeichnungen in Kraft, eine der gegen den unlautrrn Wettbewerb gerichteten Maßregeln. DaS neue Gesetz erstrebt eine durch die fortgeschrittenen praktischen Bedürfnisse nothwendig gewordene weitere Ausbildung de« deutschen Marlenrecht« und soll an Stelle de» geltenden MarkenschutzgesetzeS treten. Eine der wesentlichsten Neuerungen bestand darin, daß die Anmeldungen zum Schutz der Waaren- bezeichnungen künftig bei dem Reichspatentamt erfolgen und centralisirt werden sollen, während sie bi«her bei den Localgerichtrn stattsanden. — In der Asfaire Leist war bekanntlich der damal« im Colonialdienst in Kamerun thätige vr. Ballentin der Mann, der die skandalösen Vorgänge in dem genannten Schutzgebiete dadurch an die Oeffentlichkeit brachte, daß er ein Tagebuch über die dortigen Ereigniffe führte, da« dann von einem seiner Freunde veröffentlich« wurde. Es scheint in manchen Kreisen nun die Ansicht verbreitet zu sein, daß vr. Vallentin wegen der Rolle, die ihm in dieser Sache zugesallen ist. mit Entlassung bestraft sei. Da« ist indeß, wie da» .Berl. Tagebl." erfährt, keineswegs der Fall. Daß vr. Ballentin im Eolonialdienst keine Verwendung mehr findet, ist nicht da« Resultat einer gegen ihn ein- gelritetcn DiScipliaaruntersuchung, sondern vr. Ballentin'« eigener freier Wille. Der Genannte wurde gleich nach Ver öffentlichung seine« Tagebuches von seinen Vorgesetzten zur Verantwortung gezogen. Da» Resultat dieser Untersuchung war, daß er während der Anwesenheit de« RegierungSrathS Rose i» Kamerun demselben zur Dienstleistung in der Unter suchung gegen Kanzler Leist beigeaeben und dann zum Chef einer Station im Innern de- Lande» ernannt wurde, vr Vallentin, der noch nicht etat-mäßiger Beamter war, nahm im Laufe de« letzten Sommer« seinen Abschied, da er glaubte, in Diensten einer Privatgesellschaft einen größeren WirkungSkrei» zu finden. — Der antisemitische ReichStagtabgeordnttt Köhler vor» ofsentlicht im Stöcker'schen .Volk" Folgende-: Ich erklär«: E« ist Thatsache. 1) daß Herr vr. Bücket durch seine „ehemaligen Freunde", di« Abgeordneten Bähr, Biudewald, Hirsch«!, Köhler, Rippec «ad sä mint liche Vertreter der Ortsgruppen de- mitteldeutschen Bauern» verein« aenüthtgt worden ist, den Vorsitz niederznlege»: 2) daß für vr. Bückel sich in der Versammlung keine einzige Stimm« erhob, er aber auch »irgend« angegriffen oder beleidigt und überhaupt lehr großmüthig uad schonead behandelt wnrd«; 3) daß vor der Generalversammlung bl« Abgeordnete» Binde» wald und Hirsch«! Oberheffen bereisten, um dt« Parteigeuoffen aus da« Kommend« »orzabereitea; 4) daß dies« Vorbereitungen unbedingt erforderlich waren, da dt« Zustände in Marburg durch vr. Bückel'« einzig eigene Schuld «»haltbar und lebensgefährlich sür das Weiter- befteheo der Partei uud de« mitteldeutschen BaueravereiuS geworden waren; b) daß vr. Bückel'« „ehemaligen Freunde", damit sind iaS- besonder« gemeint dir Abgeordneten Bähr, Bindewold. Hirsche!, Kühler uud Ripper, dazu Lausende treuer Parteigeuoffen, nicht au« „Bosheit" handelte», all sie vr. Bückel zwangen, au» Hessen sortzugehea. vielmehr, daß das Vorgehen dieser „ehemaligen Freunde" eia Werk der unbedingten Nothweudigkeit war, um die Parte! in Hessen und den mitteldeutschen Bauernverein vor dem sonst sicheren Untergänge zu bewahren. Nach» wie vordem sind wir, vr. Bückel'S „ehemalige Freunde", in Hinsicht der politischen Dinge vollständig mit Herrn vr. Bückel gleichgesinnt, ja mit ihm gerade mehr alt mit irgend einem aaderrn Mitglied« der Deutlchea Reformpartei. Die- gilt ins besondere sür den Abgeordneten Hirsche! und mich, den Unterzeich» neten. Aber e« war von jeher di« schwache Seit« vr. Bückel'S, seine getreuesten und edelsten und gutgesinntesten Freunde zu ver» stoßen und ganz mit Leib uud Seele sein Heil unlauteren Elementen anzuvertrauen. Nun hatte eS vr. Bückel aas die Spitze getrieben. „Tn l as voulu, Oeorgs vanäio!" da mußte dieser Schritt geschehen! Und nun haben wir ihn gethan und werden im Vertrauen aus Bott auch siegreich hervorgehen aus diesem schweren Kampfe sür Deutschlhum und Lhristenthum, wider „falsche Götter" in» und außerhalb der Partei. Mit deutschem Gruß! Bauer Philipp Köhler» Mitglied de« Reichstags und der hessische» Landtag«, Vorsitzender d«S Mitteldeutschen Bauernvereins. — Kürzlich wurde in mehreren Blättern berichtet, daß zwischen der deutschen Regierung und Japan Verhand lungen über einen Vertrag schwebten, u. A. darüber, daß der japanischen Regierung die volle Jurisdiction über alle Europäer, also auch über die Deutscheo in Japan, und da» Recht, die Einfuhrzölle nach Gutdünken gestalten zu dürfen, zugestanden werden soll.e wogegen den Europäern statt der bisherigen besonderen Vertrag-Hafen der ungehinderte Verkehr durch ganz Japan eingeräumt würde. Die ganze Mittheilung ist der .Frkf. Ztg." zufolge unbegründet. Es werde über haupt über keinen Vertrag verhandelt. — Wie die „Frankfurter Zeitung" erfährt, findet am Mittwoch, den 3. Oktober, im Reichsamt de« Innern eine Besprechung unter Zuziehung geladener Sachverständiger statt, in der eS sich um die Berathung der Gründzüge eines Gesetzentwürfe« über Maßregeln zur Bekämpfung de- un lautrrn Wettbewerb» handelt. Der Entwurf sei bereit» fertiggesrellt. — Der Reichskanzler Graf Caprivi ist der „Post" zufolge von hier wieder abgereist, um den Rest feine- Urlaubs auf einem Laukgute in der Mark Brandenburg zuzubringen. — Wie die „Nordd. Mg. Ztg." bestätigt, wird der derzeitige Gesandt« in Weimar, v. Derenthall, an Stelle de» nach Stockholm versetzten Gesandten Grasen Bray - Steinburg nach Lissabon gehen. — Der preußische Gesandte am badischen Hose v. Ei sende cher ist au» Hamburg hier «ingetroffen. — Major v. Wissmann ist in Begleitung von vr. Bumiller zu kurzem Aufenthalte hier angekommen. — Zu Ehren des sächsischen Legation-jecretair- Grasen Vitz thum fand im Kaiserhos eia AbschiedSessen statt, an dem sich unter Anderen vom Auswärtigen Amte Graf PourtalSS, sowie Graf Pahlen von der russischen, Mr. Whithead von der englischen, Mr. Jackson von der amerikanischen, Gras NemeS von der österreichischen Botschaft und Gras Rechteren von der niederländischen Gejandschast betheiligtea. — Assessor vr. Max Rhode in Berlin hat vom Justiz» Ministerium, in welchem er beschäftigt ist, einen einjährigen Urlaub zu einer Informationsreise nach Deutsch »Südwe st asrika erhallen, die er am 3V. d. M. antritt. Wie die „B. N N " hören, ist Assessor Rhode seiten« de« Vorstände- der Deutsch-Südwest» afrikanischen Gesellschaft mit einem Eominissortum betraut. * Kiel, 26. September. Prinz Heinrich hat heute Abend 8>/e Uhr in Begleitung de« persönlichen Adjutanten, Hauptmann von Ruexleben, über Vlissingen die Reise nach England angctreten. * varzin. 26. September. Fürst Bismarck hat, wie dem „Berl. Tagebl." gemeldet wird, den Stenographen durch Professor Schwenninger sagen lassen, in den letzten vier Jahren sei keine seiner Reden so aut wiedergegeben worden, wie diejenige, die er am 23. d. M. gehalten habe. — Für den 20. October planen die Ostpreußen eine I Huldigungsfahrt nach Varzin. L vrannschweig. 27. September. Ll« Tag der AnkiMft de« Kaiser» in Blankenburg zur Theilnahme an der dortigen Hofjagd wird jetzt der 25. October genannt. Die Vorbereitungen zum Empfange de« Kaiser« sind bereit- im Gange. * ApalSa, 25. September. Bei der heutigen Wahl eine« Landtagsabgeordneten im X. Wahlbezirk (Allstedt) wurde mit l6 Stimmen Herr Mühlenbesitzer Max Weineck au- Oldisleben gewählt, 9 Stimmen fielen auf den social- demokratischen Eandibaten Aug. Bauden in Apolda und l Stimme auf Herrn Bürgermeister Freysoldt in KalbSrieth. u. Eisenach, 2b. September. Da» Vorgehen de» hiesigen BezirkSdirectors gegen di« Socialdemokrati« erregt auch außerhalb unseres Großherzvglhum» viel Aussehen. Der Bezirks» director untersagt nämlich aus Grund miaisterieller Verfügungen alle von Socialdemokraten eiuberusenen Versammlungen, für die als Referent ein al» Agitator bekannter „Genoss?' au«ersehen uud angegebea ist. da durch dies« Agitation eine Gefährdung der öffentlichen Ruh« zu erwarten sei. Demgemäß hat auch unser Oberbürgermeister eine von dev Socioldemokrateu eiuberufene Versammlung vor etwa 14 Tage« verboten. Hiermit hat er natür lich daß Mißfallen der Freisinnigen de« Bemeinderalhs erregt, uud «» ist bereit» in der Presse aiigekündigt, daß er deshalb in der nächsten GemeinderalhS - Sitzung interpellirt «ad zur Ordnung gerufen werden soll. Die Solialdemo- kraten haben unterdessen auch in ihrer Presse Stellung gegen da» behördliche Vorgehen genommen, uud dieser Tage versuchten sie in eiaer öffentlichen Versammlung des Hirsch-Duncker schen Gewerk- vereia» der Maschinenbauer und Metallarbeiter Protest gegea daS Verbot ihrer Versammlungen zu erheben. Die von ihnen rin» gebrachte Resolutton wurde zwar nicht angenommen, der Vor» sitzende der Versammlung erklärte aber, daß der hiesige Gewerk- verein ebenfalls da« Verbot mißbillige, und der Redner deS Abends, Redakteur Goldschmidt-Berlin, constatirte, daß die Bersammluag, die von etwa IbO Persoueu — darunter eine ganze Anzahl der zum Freisinnigen Parteitage hier erschienenen Delegirten — besucht war, einhellig da» Vorgehen der Behörden verurtheilt». Daß der BezirkSdirector bei seinen Verboten das Recht aus seiner Seite hat. muß aaerkanut werdeu; wir bezweiseln aber, daß e» an- gebracht sei, von diesem Rechte Gebrauch zu machen. Die social- demokratischen Versammlungen sind hier durchweg ruhig verlausen, und wenn durch di« Minirarbeit der hier ausgetretenen auSwärUgen Agitatoren auch Dieser und Jener in da- Lager der Socialdemo kratie hinübergezogen ist, so war die öffentliche Ruhe doch keine«- weg- gefährdet. Dje BersommlungSverbote machen aber nach unseren Ermittelungen unter den Arbeitern rascher Propaganda für die Socialdemokratie, al- zehn Agitatoren, zumal da in anderen Orten unsere» BroßderzogthumS di« hier als Agitatoren abgewieseneo socialdemokratijcheu Referenten öffentlich in Versammlungen aus» treten dursten uad man nicht mit Unrecht meint, daß da«, wa» den Apoldaeru recht ist, den Eisenachern billig sein müßte. * Köln, 26. September. DaS Befinden de« deutschen Bot» schasterS in London, Gras Hatzfeldt-Wildenburg, der im Hotel du Nord au einer starken Erkältung erkrankt darnieder» lieg«, bat sich etwa- gebessert. Der Kranke muß aber aus An» ordnung de» ihn behandelnden Arzte« vr. Prior vorläufig noch das Bett hüten. * Darmstadt, 26. September. Der russische Groß fürst-Thronfolger trifft hier am Freitag ein. Er wird sich mit seiner Braut an einem Tage der nächsten Woche nach Wiesbaden begeben, um dem Gottesdienst in der dortigen russischen Capelle veizuwohnen. (Oesterreich. Ungar«. * Wien, 26. September. Prinz Johann Georg von Sachsen ist heute Abend aus Gmunden hier «ingetroffen. * Wien, 26. September. Demnächst sollen probeweise bei fünf Armeecorps Corps schulen errichtet werden, worin die älteren OberlientenantS in sechsmonatigem Lehrcurse ihre theoretische Besähigung zum Hauptmann oder Rittmeister darthun sollen. — In politischen Kreisen spricht man von der Abberusung des österreichischen Botschafter« beim Ouirinal, Baron Bruck, der seines hohen DieustalterS wtgen schon im vorigen Jahre zurücktretea wollte. Als seinen Nachfolger nennt man GoluchowSki, den Gesandten in Bukarest. Ob wohl Pole und mit einer Prinzessin Mura« verheirathet, zeigte sich GoluchowSki bisher nicht franzosensreundlich und als einen entschiedenen Vertreter der Dreibundpclitik. (K. Z.) Frankreich. r* Pari«, 26. September. Die radikalen Blätter setzen ihre Angriffe gegen Casimir-Prrier wegen de« Aus gangs der Wahl in Nogent-sur-Seine fort. BemerkenSwertk erscheint die Thatsache, daß sich unter den Zeitungen, die den Feldzug gegen den Präsidenten der Republik mit besonderer Heftigkeit führen, auch da« vielgelesene .Petit Journal" befindet. Der neue radikale Abgeordnete für Nogent, Herr Bachimvnt, richtet ein Dankschreiben an seine Wähler, in dem er daS Wahlerzcbniß vom Sonntag al- eine persönliche Niederlage seines Vorgänger« Casimir- Perier darstellt. * Der Fehlbetrag im Staatshaushalt beträgt nach der .M. Z" in Folge der schlechte» Zolleingänge über 100 Millionen. * Part», 24. September. Nach der „France Militalre" ist die bevorstehende Durchbohrung der Pyrenäen mittel» zweier Tunnels da» Ergebniß von Verhandlungen, die zwischen der sranzö- fischeu uad der spanischen Regierung über diesen Gegenstand schon Die WaldmilllerS kielten nicht viel von einem Herum- streisen de« Mädchen« in Wald und Heide. Klein-Trudel mußte, wenn die Schularbeiten erledigt waren, der Müllerin in der Besorgung der HauSwirthschas» Helsen, kehren, Ge schirr abtrccknen und daneben sein säuberlich aus ein Bänk chen setzen und an einem riesengroßen, fchier niemals fertig werdenden Strumpfe stricken — kurzum, die Dienste einer Magd verrichten. Hatte sie die« getban, dann durste sie wohl auch im Müdlgarten, der ring- von einem mäßig hohen Zaun ein gefaßt war und in welchem eine Menge von fruchttragenden Bäumen stand, sich ergehen und von dem Obst effen, so viel sie nur begehrte. Zuweilen leistete ihr Erich Gesellschaft, und dir MüllerS- leute, welche den Blondkopf gut leiden konnten, wehrten ihm selche» Unterfangen nicht. Aber da« geschah nur au-nahm»- ivcise, in der Regel mußte der Knabe aus dem großväterlichen Hose verbleiben Die kleine Eva batte sich inzwischen zu einem wunder- lieblichen Mägdelein entwickelt und wurde um so liebreizender und schöner, je mehr Monde seit dem Hinscheiden ihrer un glücklichen Mutter in« Land gingen. Lebrech« Winkler konnte sich an der lieblichen Kleinen gar nicht satt sehen Er beobachtete Alle- und Jede» an >lir. Jede ihrer Bewegungen erschien ibiu interessant, und al» sie aar so weit war, unbebolsene Gebversucht zu machen, da schonte er seinen steif gewordenen Buckel nicht: im Gegentheil, so sauer es «bin auch wurde, hielt er dir Kleine unter den Aermchen gefaßt und brachte ihr dir ersten Schritte bei.l Klein Evchen war sich ganz sicherlich der Macht bewußt, welche sie aus Großvater und Bruder auSzuüben verstaub; wußte ganz genau, daß, wenn sie schmollend da« MUndchen verzog »nk gar sich zum Weinen anschickte. Beide für sie durch» Feuer gegangen wären — und sie nahm diesen Vor- tbeil wacker wahr. Sie war kaum vier Jahre alt, da schaltete und waltete sie schon wie eine Erwachsene im Hose, ha«te Dünsche, wir eine gieße Dame und allem Einreden der kopfschüttelnd«» Frau Barl ara zum Trotz erfüllte Winkler ,hr alle« und jede« Begebren .Ich kann Dich nick« begreifen, daß Du dem liebe» Mädele gar nicht« gönnst", sagte Winkler, al« r« wieder ein mal zur edelichen Aussprache gekommen war, „jeden Taj tanke ich Gott >m Himmel, daß er mich noch zuletzt so vie Glück erleben läßt Schau, wenn ich noch an d,e traurig« Zeit zurückdenke, wo ich meine tobte El«beth im Hause ge- !>abt habe, und dann wieder an den vielen Sonnenschein, den dir kleine Eva noch aus meinen letzten Leben-Weg verbreitet, dann kann ich nicht genug Dank wissen, und. Alte, für wen ind denn die vielen Batzen, dir wir erübrigt haben? — Schließlich doch nur für sie, denn au« dem Duckmäuser, dem Erich, wird sein Lebtag nicht viel . . . und ich denk', mein' El-beth, wenn sie vom Himmel zu un« herabsiebt, wird sich freuen und glücklich darüber sein, daß ,hr kleiner, holder Lngel e« verstanden hat, solch' «ine Liebe mir in» Herz zu pflanzen." .Ich Hab' r« Dir schon oft gesagt, Du kannst den Mittel weg nicht einschlagen", antwortete Krau Barbara; .vergönn' ich Dir Deine Freud', aber ob r« dem Kinde gut ist? Auch allzu viel Sonnenschein taugt dem Pfläozlein nicht, e« will auch begossen sein." Aber alle Worte waren nur in den Wind gesprochen. E« blieb beim Alten, und wenn Erich nur selten ein freund liche« Wort vom Großvater zu hören bekam, während er, wie man zu sagen pflegt, da« fünfte Rad am Wagen war, kcminirte Klein Evchen nach wie vor im Hause, und wenn sie ihr Helle«, glockenreine« Stimmchen zum jubilirenden Ge sänge erhob, wenn sie durch Hau» und Hof wie eine FrühlingS- lerche wirbelte, dann lachte dem alten Manne da« Herz ,m Leibe und dir Thränen traten ihm vor Freude und Rührung >n die Augen XII. Al« Erich ungefähr zehn Jahre alt geworden war, kam Baron von Thuniar mit seiner Familie von der Reise zurück, welche er unmittelbar nach der Ermordung de« Bankier« Litpmann und der Vrrurtheilung de» WaldhegerS in« Ausland angetreten hatte. E» waren nicht die günstigsten Gerüchte, welche über den Baron, der zugleich die Funktionen eine» AmlSvor- stande« >m Orte selbst und den benachbarten Dörfern au«- zuüben batte, und welche während seiner Abwesenheit von Winkler wahrgenommen worden waren, im Schwünge waren. Da wollten Einige im Dorfe wissen, daß er mit seiner Familie ein rechte« Abenteuerleben in einem italienischen Spielorte geführt habe. Al« echter Glücks ritter habe er dem Trent, - und Ouarante-Spiel gehuldigt und sich vor allen Dingen dam,« beschäftigt. Unersahrene in da« Gehrimniß re« Spiele« einzuweihen So habe er, je nachdem da« Glück ibm günstig war, in leidlich guten Ver hältnissen gelebt, dann aber auch wieder Zeiten über sich bereinbrecheo seben, wo e« ihm sammt seiner Familie am Nothwendigsten fehlte. Jedenfalls war da« Auftreten der freiherrlichen Familie da« denkbar bescheidenste. Sie batte ihren Aufenthalt selbst verständlich wieder in dem Schlöffe genommen, welche- dem Dorfe gegenüber aus einer BergeSanhöhe gelegen war, halb versteck» durch einen dickten Buchenwald und schon au« früheren Jahrhunderten stammte. Nur^ die allernolhwendigste Dienerschaft, bestehend au» einer Köchin uad einem naseweisen jungen Diener, war zu gleich mit der Familie angekommen. Die gnädige Frau selbst war noch von Niemandem gesehen worden und man munkelte unten im Torfe, daß sie ihre freie Zeit, die sich täglich aus 24 Stunden zusammensetzte, nur dazu benutzte, um sich neue Redewendungen auSzudenken, mit welchen sie gelegentlich der täglich sich wiederholenden Streitigkeiten ihren Gatten auf möglichst empfindliche Weise zu kränken und herabzusetzen vermochte. Hatte Winkler ordentlich unter dem Gesinde aufgeräumt und mit lauter Kernflüchen in Stall und Hof umhergewettert, dann stellte er sich wohl unter den Thorbogen und rauchte, während rin behäbige« Selbstbewußtsein au« seinen Zügen sprach, au» seiner kurzen Pfeife, bald dahin, bald dorthin mit seinen klug und verschmitzt blickenden Augen die Dorf- straße entlang schauend und wobl auch mit gerade de« Wege« zufällig Vorübergehenden einige Worte wechselnd Eben schaute er wieder die Torsstraßr hinauf, al« auch schon ein spöttische«, geringschätzige« Lächeln um seine faltigen Mundwinkel erschien und sich in diesen sestseyte. Die Torsstraßr herunter kam der Baron; er trug sich noch wie früher, aber seine Erscheinung war eine womöglich noch schmächtigere und hinfälligere geworden. Da« nabm der mit prüfendem, lauerndem Bu»drucke auf ibm haftende Blick Winkler'« wohl war. Mit weit gekrümmtem Rücken schritt der Baron langsam einher, während er e« vermied, um sich zu schauen, sondern sein Blick vielmehr den Boden suchte. Er schien nur noch au« Haut unv Knochen zu bestehen, uad wenn auch die modischen, etwa« abgetragenen Kleider den knappsten Schnitt aufwiefen, so schlotterten doch die Beinkleider um die Knire und auch da« Jaquet schlug über der Brust weite Fallen. Tiefe Furche» ,n den Zügen de» Manne« gaben «m Vereine mit den weit in den Höhlen znrücklitzendtll und unstet umherirrenten Augen beredte Kunde davon, daß Ttumar an den Folgen einer vergeudeten Jagend körperlich schwer zu leiden hatte. Sein Bart ver stärkte noch die greisenbaste Erscheinung de« Manne- War er früher schon dünn und spärlich gewesen, so wies er jetzt nur noch einzelne Haare auf, welche sich durch reichlich an gewandte Pomade nur mübsam zu einem Ganzen hatten vereinigen lassen. Al« er jetzt ganz nahe berangekommeu war und den Hut lüftete vor dem unter dem Thorbogen Harrenden, wie« sein Kopf vollends nur noch einen dünnen Kranz von Haaren auf, die sich schüchtern um eine riesige Glatze ,u gruppiren suchten. Winkler hatte nur lässig an seine Kappe gegriffen und saugte gleichmüthiz an seiner Pfeife weiter, als ter Baron nun stehen blieb und ihn mit einem ungewissen Lächeln an- schaute. „Schau, schau, auch 'mal wieder hiesig, Herr Baron?" versetzte er io gleichmüthigem, rin wenig gönner haft klingendem Ton. „Schon seit einigen Tagen, lieber Bürgermeister", r»t- geanele Tbumar, dem Andern die Hand entgegenstreckend. „Mein erster Gang ist beute zu Ihnen, muß doch sehen, wie e« meinem lieben Bürgermeister geht." „Na, dank' der Nachfrage, es passirt so", brummte er, lässig die Fingerspitzen der ihm entgegengestreckten Hand er- greijend, aber dieselben gleich wieder loSlaffend. „Der Herr Baron will wohl einen Spaziergang machen? Wagen und Pferde habt Ihr diesmal nickt mitgebracht, wie ich vernommen habe? Na. r« marschirt sich schließlich auch zu Fuß!" Ein fahle« Zucken ginadurch die verlebten Züge Thumar'S. .Ich möchte gern einige Worte im Vertrauen sprechen, lieber Bürgermeister", versetzte er, während er zugleich wie bittend die Hände aus den einen Arm de» in Hemdärmeln vor ihm Stehenden legte. „Sir baben doch auch Zeit?" Winkler schob die Achseln hoch. — „Hm, Zeit Hab' ich freilich", brummte er, „ist nur so ein' Sach'. Ich erwart' eigentlich Einen, der de« Weg« vorüber kommen wollte." .E« wäre mir in der Tbat sehr lieb, Sie sprechen zu dürfen!" sagte Tbumar in fast bittendem Ton, während er, ein verbindliche« Lächeln um seinen faltigen, eingefallenen Mund, Winkler wie hilfesuchend ansah. „So kommt in GotteSnamen nur mit hinein in dir Stuben, wenn man « hier nicht au»machen kann", brummte Winkler wieder; auf einen erneuten bittenden Blick Le« Baron« wandte 'er sich rasch um, dem Andern da« Nach kommen überlassend. Fortsetzung folgt)
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