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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.10.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941003020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894100302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894100302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-03
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AlS am Sonnlag gegen Mittag die Massenverhaftung bekannt wurde, war man ungeachtet der übertriebenen Erzählungen, die an dem zeitnngslosen Abend nicht corrigirt werken konn ten, durchaus geneigt, au besonders tadelnswcrthe „Dunime- jungenstrciche" und nichts Schlimmeres zu glauben. Diese Stimmung wurde durch die wenigen am Montag Morgen erscheinenden Blätter genährt und spiegelte sich noch in allen Abendzeitungen, mit Ausnahme der „Krcuz- zeitung", wieder. Nack den Mittkcilungen dieser Blätter griff eine sehr ernste Auffassung um sich, welche sich durch die Darstellung des ofsicivsen Telegrapben- dureaus nicht beirren liest. Man sagte sich — und wir muffen uns bei aller sonstigen Gegnerschaft der Meinung anschließcn —, daß die „Krcuzzcitung" in mililairiscken Dingen an Dclicatcsse und UrtkcilSfähigkcit von ofsiciöscn Fibern nicht übertroffen wird. Um „kochverratberische Umtriebe" handelt eS sich glücklicherweise allerdings keineswegs, hierin dürften auch die Gewährsmänner der „Krcuzzeilung" mit denen des Telczrapbcnbureaus überein- stimmen. Die Sache liegt wirklich „lediglich aus diSciplinarcm Gebiete", aber die DiScipliiiwidrigkeilcn batten einen außer ordentlich hohen Grad erreicht und in ihren Aeusterungcn allerdings Anleihen bei der socialistischen und anarchistischen Sprache gemacht. Die Rufe: „Es lebe die Anarchie" und „Frei heit, Gleichheit und Brüderlichkeit" sind ans mindestens einem Munde lhatsächlich gefallen; über die Wahrheit hinaus gebt die Erzählung der „Krcuzzeitung" jedenfalls nicht. Es ist deshalb ganz ungerechtfertigt, wenn einzelne Blätter den bei der Ver haftung aufgewandten „großen Apparat" tatet». Man dürste nack sehr reiflicher Ueberlegung — der Director Major v. Stetten hat der humanen Seite der Angelegenheit eine bis aa die Grenze des Möglichen gehende Berücksichtigung an- gcdeihen lassen — zu der Ucberzcugung gelangt sein, daß der eiugeschlagene Weg der einzige gangbare sei. Die Insub- ordinationSvcrgehen und AchtungSvcrtctzungcn hatten nach den an Meuterei streifenden Vorgängen dcS 22. September durchaus nickt ausgehört, es soll sich sogar der nach diesem Tage verhängte allgemeine Eascrnenarrest nicht völlig wirksam erwiesen habe». Den älteren Jahrgang der commandirten Unterossicicre hatte ein Geist der Ünbolmäßigkcit ergriffen, der eine Bekämpfung im Einzelnen nicht mehr zu gestalten schien und dessen weiterer Ausbreitung cntgegenzutretcn um so strenger geboten war, als der jüngere Jahrgang üblen Ein flüssen entzogen werden mußte und vielleicht mit einer oder der anderen Ausnahme auch entzogen geblieben ist. Der In halt deS Berichtes der „Kreuzztg." genügt vollauf, um die umfassende Maßregel auch vor der Ocffcntlichkeit zu recht fertigen, und rS ist vorerst zweifelhaft, ob das Treiben der llnterosficiere, von den Subordinationswidrigkeitcn ganz ab gesehen, erschöpfend als die „Nachahmung studentischer Sitten" gekennzeichnet worden ist. WaS die Boycottirung de» Oekonomen der Caseroe anlangt, so ist auch siethatsachlich erfolgt, und zwar nicht, wie mehrere Blätter andcuten, wegen mangelhafter Verpflegung — Liese ist vielmebr bei ungemein billigcnPrcisen vortrefflich und sorgsam controlirt —, sondern nach dem Einschreiten gegen die Ausführung der Unter- officiere im Easino. die der Oekonom nicht weiter dulden konnte, ohne sich selbst zu compromitliren. Ob der Easerneo- wirth an dem Lärmen und Singen an sich oder an dem Inhalt der Gespräche uud dem Text der gesungenen Lieder Anstoß nehmen mußte, bleibt dahin gestellt. Seine Boy- cotlirung ist förmlich durch Abstimmung beschlossen worden und zwar gegen eine sebr starke Minderheit, die sich dennoch fügte — anck kein Grund, den Zustand, der in der Easerne geherrscht bat, als eitlen vcrdältnißmäßiz harmlosen anzu- schen. Eine über den Kreis der Obersenerwerlerschule binauS- gehendc militairischeBedcutung besitzen kieVorgänge nicht. Wenn das Ausland sich das Vergnügen macht, sie „sympto matisch" zu sindcii, so mag cS das in Gottes Namen thun und unserelbalben auch vergessen, sich an der eigenen Nase zu zupfen. Jene Schule hat ganz eigenartige Zöglinge, junge Leute von beträchtlichem Wissen, das im Durchschnitt aber vielleicht doch nicht hinreicht, den mit der Halbbildung verbundenen Gefahren zu entgehen. Sie sind überdies ökonomisch verhältnißmäßig gut gestellt, da sie zu dem er höhten Lohne mehrfach Zuschuß vom Hause erhalte» und Gelegenheit zu eigenem Verdienst haben. In einer Anstatt dieser Art bedarf es einer anderen TiSciptm, als die in Easernen von selbst gegeben ist, die Gewährung eines größeren SelbstbestnnmnngSrcchtes erscheint auch dienstlich wilnschenswerth. In der Bemessung deS Letzteren »st man aber offenbar in der jüngeren Vergangenbeit nicht glücklich gewesen, indem mau die Leute an einen Punct gelangen ließ, wo sie sich ikre« Ebaraktcrs als Soldaten nickt völlig bewußt bliebe». Diese isotirte Erscheinung in einer vom Heere lhatsächlich isolirtcn Anstalt rechtfertigt keinerlei in»' tairische Besorgnisse. Politisch hingegen sind die üveln Folge» vorauszusehcn. Die Socialdemokratie wird nicht unterlassen, die in dieser Schule ausgcstoßeneu revolutionairen Nuse in der heimlichen Agitation als Beweis dafür anzu führen, daß sic auch „in der Armee" stark sei. Wer mit uns und im Gegensatz zu den augenbticktich im Reiche herrschenden Regierungsmaximen der Meinung ist, daß die in den Mafien hcrvorgerufcnc Boxstellung von einer mächtigen Socialdemo- kratie wie nichts Anderes dein weiteren AuSbruch dcS sociatrcvolulionairen Gedankens den Weg ebnet, der wird die traurigen Vorsälle doppelt beklagen." Wir haben Vieser Ausführung nur hinzuzusügcn, daß die „Nordd. Allgei». Ztg." behauptet, die Angaben der Krcuzzeilung" trügen eine „durchaus einseitige, sub- jective Färbung" uud hatten auch iu den „nächst- betheiligte» amtlichen Kreisen" Befremden erregt. Eine Berichtigung der Angaben der „Kreuzzeilung" bringt die „Nordd. AUgem. Ztg." jedoch nicht. Daraus darf geschloffen werden, daß in de» „nächstbetbeiligten amtlichen Kreisen" nicht der Bericht an sich, sondern nur die „subjektive Färbung" Bcsrcmdcn erregt bat, eine Färbung, die ein cigeo- thümlicheS Licht auf die Zeiten vor dem Eingreifen des jetzigen DirectorS der Anstalt wirst und da« Stöckcr'sche „Volk" zu der Bermuthung führt, es habe „am Befehlen gefehlt." Bei den sirpenpürgtschrn Sachsen besteht gegenüber den kirchcnpolilischen Fragen in Ungarn nicht volle Einmülhigkcit. Die „Jungen" oder „Grünen", zu denen aber auch viele Männer vorgerückten Alters sich rechnen, erblicken in den kirchenpvlitischen Gesetzesvorlagcn eine schwere Gefahr für die Autonomie und nationale Wirksamkeit der sächsischen Landeskirche und machen es den sächsischen Abgeordneten zum Vorwurf, daß sie als Mitglieder der liberalen Regierungspartei zum Durchdringen der Civilehe behilflich waren; sie fürchten überhaupt, daß ihr Volk durch die politische Annäherung an die Magyaren aus eine schiefe Ebene gelangt sei, an deren Ende die nationale Zersetzung der Zipfer seiner warte. Die „Alten", die Träger der ossiciellen sächsischen Politik, betonen hingegen, daß die wenigen sächsischen Stimmen im Adgeordnetenbause an dem Schicksal der Eivilebe nichts batten ändern können, und ver treten die Meinung, daß die langjährige Opposition der Sachsen ihnen schwere Wunden geschlagen habe, für deren Heilung ein Waffenstillstand auf Grnnd de« Besitzstandes unumgänglich gewesen wäre, um so mehr, als die wirthschaitliche Kräftigung deS sächsische» BolkeS, die erste Bedingung sür ibre nationale Erhaltung, fick mit poli tischer OpposilionSstellung nickt vertrüge. Aber alle Sachsen ind darin einig, daß einem Angriff aus den ohnehin aus das mindeste Maß freier Bewegung geschmälerten Besitzstand sächsischer Selbstverwaltung, vor Allem also die von vielen Magyaren geforderte Verstaatlichung aller Schulen und Aushebung des NatwnalitätengesctzeS, mit cinmnlhigcin Widerstand begegnet werden müßte. Die Ent wickelung der Dinge wird also zeigen müssen, ob die versöhnliche Haltung der Sachsen sic vor diesem An griff bewahre» wird, der den Austritt der sächsischen Abgeordneten aus der ReziernngSpartei zur Folge haben und aller Wahrscheinlichkeit »ach auch dahin führen würde, daß die von den „Grünen" unter den Sachsen ebenso wie von den einflußreichen Zeitungen der sicbenbürgischcn Rumänen hervorgehobcnen Berührungen der beiderseitigen Interessen gegenüber der drohende» Magyarisirung sich verdichteten zu stillschweigender oder offen ausgesprochener politischer Blindcö- genosscnschaft. Der sranzisischr Ministerpräsident Dupuy hat mit seinem Verbot der Stiergefcchte in NimeS in ei» Wespennest gegriffen. Der Süden steht auf. Die heiß blütigen Söhne der Provence laste» sich eine Einschränkung ihres gewohnten Vergnügens nicht stillschweigend gefallen. In Ni mcS.daS aus seine Slicrkampfarcna bis jetzt hesonderS stolz war, versammeln sich jetzt allabendlich an die zehntausend Leute (Tartarin schreibt und drahtet an die Zeitungen sogar, daß es dreißigtausend sind; aber wenn Tartarin Zahlen angiebt, so empsieblt eS sich immer, die Ouadratwurzel aus ihnen zu ziehen) und veranstalten feindselige Kundgebungen gegen den Präfectcn, woraus sie vor die Häuser de« Bürgermeisters und dcS Arcnapächlcrs ziehen und sie hvchleben lasten. Der Bürgermeister ist an der Spitze einer Abordnung nach Pari« geeilt und zu Herrn Dupuy gegangen, um auf der Zurücknahme de» Verbot- zu bestehen. Herr Dupuy ist aber fest geblieben und die Abordnung kehrte erbittert nach NimeS zurück. Der Etadtrath vo» NimeS hat seinerseits eine Tagesordnung angenommen, in der eS nach der „Voss. Z " beißt: „Ein Schau spiel in der großen Arena, unter freiein Himmel, bei dem eS keinen Totalisator giebt, ist gewiß weniger entsittlichend, als gewisse andere Veranstaltungen; die Gewandtheit, Geschicklich keit, Tapferkeit, Kaltblütigkeit der Leute, die in beständiger Gefahr leben, verdienen mindesten- ebenso viel Beifall wir die Athcmlosigkeit magerer, knapp gewogener Leute, die auf mageren Pferden reiten und Gefahr laufen» den Hal« zu drecken, bloS um einige Banknoten zu gewinnen; eS wird ebenso schwer sein, diese Helbenspiele. wie Edgar Quinet sagt, diesen Zweikampf zwischen dem Geist und dem Stoffe, um mit Herrn Elaretie zu sprechen, im Süden auSzurotten, wie sie im Norden einzubürgern; die Stiergesechte sind eine erhebliche Einnahmequelle für die Stadl, die vom Pächter der Arena 10 500 Franc« jährlich empfängt, während der Armcnanthcil an den Einnahmen über 20 000 Franc« jährlich beträgt; wild und frei lebende spanische Stiere, die allein zu den Kämpfen ver wendet werden können, sind keine HauSthiere, da» Gesetz zum Schutze der HauSthiere kann also auf sie keine Anwendung finden u. s. w." Trotz dieser Beweisführung, die ästhetische mit finanziellen und zoologischen Gründen angenehm vermischt, wird e« bei dem Verbote sein Bewenden haben. Außerhalb von NimeS und etwa noch von Pan und Perpignan ist die öffentliche Meinung allcntbalben Herrn Dupuy dafür dank bar, daß er den abscheulichen Pferdrmetzeleicn und Sticr- ckläcktcrcicn zum Ergötzen blutgieriger Zuschauer iu Frant- reich ein Ende gemacht bat. In Tpanieu ist der RepublikaniSmu«, in erster Linie durch seinen leidenschaftlichen Wortführer Ruiz Lorilla geschädigt, ersickttich im Niedergänge begriffen. Ein Vor- kämpscr dcS föderativ - republikanischen Gedanken- Pi y Margall spricht sich hierüber i» einem Aufsehen erregende» Artikel des „Nuevo Regimen" nach der „Köln. Ztg." folgender maßen auS: „Da da« eutßchiedene Bestreben herrsch!, die Tbalsachen zu verdunkeln, so ist eS nötbig, sie ei» mal völlig klar zu stelle». Diejenigen, welche tagau« tagci» sagen, daß die Revolution sich verzögere, weil dir Re publikaner uneins seien, betrügen da» Volk. Zweimal fanden sich letztere zusammen, und trotzdem ist der Sieg unserer Sacke dadurch nicht beschleunigt worden. Der Betrug wird nur schlimmer, wenn man die Schuld gar auf die Führer schieben will; diese werden auch ohne vorhergehenden Pact einig sei», wen» die Stunde de- Kampfe» schlagen wird. Wenn man da« Volk wabrhast liebt, ist man ihm die nackte Wahrheit schuldig. Die Revolution ist nicht möglich, weil cs a» Mittel», an Soldaten und Geld fehlt. ES giebt hier in Spanien überhaupt kein Beispiel einer Revolution, die von Eivitistcn gemacht worden wäre; alle wurden von Männern des Schwerts begonnen, die von 184» vo» Esparlcro, die von 1851 von O'Donnell. die von l808 von Scrrano. Das Heer hat aber nicht nur die Revolutionen gemacht, sondern auch die Reaction dagegen, z. B. die von 18l.'t durch Prim, die von 485«, durch O'Donnell, die von 1871 durch Serrano und Martinkz EampoS. VolkSaufsiäntc fanden zwar statt, aber alle wurden niedergeschlagen und unterdrückt. Wenn sie vorher schwierig waren, so würde» sie jetzt, wo eS keine Miliz noch Mittet giebt, sich mit der den modernen Waffen entsprechenden Munition zu verscben. noch schwieriger sein. Mit Soldaten und Geld würde irgend eine der drei republikanischen Parteien die. Revolution machen können, ohne diese aber keine von den dreien und auch nicht alle drei zusammen. WaS sie vereinigt anSgerichtrt, haben wir ia gesehen: die Wahl einiger Anhänger zum Stadt rath, Provinzialrath und Congrcß, waS am Ende auch durch eine einfache und vorübergehende Wahlverbrüdcrung erreicht worden wäre — auf rcvolutionairem Gebiet aber durchaus nicht-. Lassen wir also von dieser unsruchtbarc» Union und leihen wir nicht jenen betrügerischen Stimmungen unser Ohr, die, indem sie uns Einigung predigen, nur unsere Propaganda störe» und uns daran verhindern wollen, über die radikalen Reformen unseres Programms zu spreche» Wenn die Nation sich rühren und da- Heer sich zu unseren Gunsten entscheiden soll, so müssen wir vorher beide davon Überzeugen, daß das Land nur durch diese Reformen auS dev Sackgasse, in die eS durch die Monarchie hincingekommea ist, herauSgedracht werden kann." DaS Gesüge de- chtnefischen Reiches beginnt unter den Schlägen de« Kriege« in merkwürdiger Weise sich zu locker». Aus die Voraussetzung unbedingter Ruhe und absoluten Still standes der Entwickelung berechnet, mochte sich die Organisation de» Staates, sowohl nach der militärischen als nach der civilen Seite im Gleichgewicht erhallen, so lange eben jene Voraus setzung gegeben war. Mit dem Augenblick, wo China in ernste auswärtige Verwickelungen gerielh,versagte VaSLderlcbteSystem seinen Dienst, und an allen Ecken und Enden machen sich Hilflosig keit, Rathlosigleit, Kopflosigkeit breit. Ausruhr und Lcrrath Feuilletsn. Der goldene Mittelweg. 17s Roman von Erich Rott. Nachdru» Verbote«. (Fortsetzung.) Nun war ihm auf einmal der Weg gezeigt. Er gab eS Tbumar freilich nickt zu verstehen, wie viel schlaflose Nächte dessen scheinbar flüchtig bingeworsene Anregung und da- Nachgrübeln und Denken über diese ihn schon gekostet hatten. Winkler hing am Gelte. Der Gedanke, sein >etzt schon sehr bedeutend zu nennendes Vermögen, ohne sonderliche« Risico dabei zu lausen, vielleicht verdoppeln zu können, hatte etwas ungemein Verführerisches für ihn, und je mehr er sich innerlich davon überzeugte, daß da- Pro>ect Thumar'S ein durchführbares und in praktische Wirklichkeit »mzuwandelnde« war, desto weniger zeigte er sich halsstarrig, wenn der Baron in seinen Verlegenheiten sich wieder unter vielen Ent schuldigungen mit der Bitte um ein neue- Darlehen an ihn wandte. Zuletzt waren ihm die Besuche Thuniar'S schon zur halben LebenSgewobnhcit geworden, und wenn der Letztere sich ein paar Tage über nicht aus dem Hofe hatte sehen lassen, dann ging Winkler schon wie beunruhigt nach dem Thorbogen, stand stundenlang unter diesem, aus der kurzen Pfeife rauchend, die Hände in den Taschen, und spähte die Dors- straßc hinaus, ob denn der Erwartete sich nicht endlich zeigen wollte. Eine« Sonntags war Winkler endlich mit sich in- Reine gekommen. Nacktem er dem Gottesdienst in der Kirche bei gewohnt, welchem fern zu bleiben ihm nie in den Sinn gekommen wäre, machte er sich aus und statt im WirthShau« zum Frühschoppentisch der Honoratioren sich zu gesellen, ging er an dem so lockend auSgestecklen MrthSzeichen vorüber und begab sich auf da« Schloß. Zum ersten Mal in seinem Leben betrat Winkler da« Schloßinnere; von außen freilich batte er die Ruine schon cst erbtickt. Da batten ihm immer die so mächtig ge- tbürmten Steinkolossc trotz ihre» sichtbaren, weit vorge schrittenen Verfalle« eine gewisse Achtung ciageflößt, sprachen sie doch von vergangenen große» Zeiten; denn Männer, welche da« Herz auf dem rechten Fleck und nicht zuletzt die nölhigea Batzen ia der Truhe gehabt, mußten e» gewesen sein, die solche gewaltigen Steinmaffea auseinaadergrthürmt und sich zwischen Himmel uud Erde einen weit in die Lande ragenden Wohnsitz auserkoren hatten. Al» nun aber Lebrecht Winkler an den Mittelbau hcrankam und den Verfall von Schritt zu Schritt mehr wahrnahm, al« sein Falkenblick die überall nur nolhdürstig zugedeckte Armuth erblickte, und er mit seinen wuchtigen «schritten beinahe über ein Loch de» die schadhaften Stellen der Corridordielen verdeckenden Teppich» zu Falle gekommen wäre, da zuckte ein gar geringschätziges Lächeln um seine breiten Lippen, und während er verächtlich zur Seite spie, murmelte er in seinem tiefsten Baß rilr ehrlich gemeintes „Lumpengesindel" vor sich bin. Der lunge, nasen eise Diener hatte ihm gesagt, daß der Baron hinter dem Schlosse sich im Garten erginge, er ihn aber sofort rufen wolle. „Recht so, soll mich aber nicht zu lange warten lassen, bin prrssirt", sagte Winkler mit laut dröhnender Stimme, während er zugleich in da« Wohnzimmer eintrat, breit und wuchtig, wie e» seine Art war, den Dreispitz noch aus dem Kopfe und mit seinen Hellen Augen bald da und bald dort hin schauend. Au» einer Fensternische löste sich die Gestalt der Hau«- frau. Diese warf einen entrüsteten Blick auf den Eindring ling, zog dann ihr parfumirte» Taschentuch und wehte sich dasselbe lebhaft in» Gesicht. — ,Mer ist mau? Wa» will man? Welche Dreistigkeit, so ohne Weitere» da» Zimmer zu betreten?" brachte Frau Eulalia, die den Bürgermeister nicht persönlich kannte und den Eingetretenen für irgendein hergelaufene» Bäuerlein halten mochte, da« mit ihrem Gatten in dessen Eigenschaft al- Amtsvorstand zu verhandeln batte, hervor, während sie an Winkler in stolz aufgerichtetrr Hal tung vorüberrauschte» um sich nach der zum Nebenzimmer führenden Thür zu begeben. Sie war ohnehin schwer ge reizt, da sie eben erst rin ganz besonder« heftige« Wort grsrcht mit dem Baron ia den Gang gebracht gehabt» welchem der Letztere durch unrühmliche Flucht in den Garten ein vorschnelle« Ende bereitet hatte; e« zuckte ihr nun in allen Fingerspitzen, ihren Groll über dem Haupte de« ihr so ungeschickt ia di« Quere Gekommenen zu entlade». Lebrecht Winkler stand erst einen Augenblick wie erstarrt; unwillkürlich hatte er den Mund rin wenig geöffnet und die Augen weit auszrriffen. Er schaute sich die wunderliche Araucn«erschcinung, die so unendlich hochmüthig und empört that und dabei in solch' einem abgetragenen unmodernen alten Seidenkleide an ihm vorbeirauschte, eine ganze Weile kopfschüttelnd an. Dann aber brach der Zorn mächtig bei ibm durch. — „Mau ist der Bürgermeister vom Ort drunten, mit Verlaub", sagte er und dachte jetzt erst daran, daß er noch den Dreispitz auf dem Kopf hatte. Nur zögernd und widerwillig that er ihn herunter uud steckte ihn unter den einen Arm. „Man ist doch nicht der erste Beste, sondern ein Mann, dessen Batzen schon manchmal dazu bergchalten haben, daß Supp', Braten uud Gemüs' auf deu hochvornehmen Tisch da in die Stube gekommen ist!" Die Baronin halte schon die magere Hand auf die Thür- klinke gelegt; jetzt, bei den rauhen Worten Winkler'» ging eS gleich einem elektrischen Schlage durch ihre Glieder. Ihr Kops fuhr noch mehr in die Höhe, und ihr gelbliches, unschöne» Gesicht nahm den Ausdruck eine» an der Kette befindlichen, gereizten Raubgrficder» an. In gespreizter Haltung rauschte sie wieder dicht an Winkler heran und maß diesen mit einem unnachahmlichen, das höchste Maß von Geringschätzung an den Tag legenden Blick. — „Weiß mau auch, mit wem man spricht?" schrillte die Dame alsdann, jede« Wort einzeln und schaiff betonend. Winkler lachte nur kurz. — „Das weiß ich freilich . . . Ihr werdet de» Herrn Baron» Frau sein . . .", versetzte er grob, „und da find' ich'» doch ganz eigentümlich, daß, wo Euer Mann doch so oft herunterkommt zu mir und über die sieben mageren Jahre Nagt, ich, wie ich nun einmal mich hierberauf verirre, empfangen werde, al» ob ich der letzte Ochsenknecht in meinem Stalle wär'!" „Euer Benehmen ist wirklich darnach eingerichtet, lieber Mann", sagte Frau Eulalia naserümpfeud, während sie wieder einen vermchteudrn Blick auf Winkler warf. — „Ihr habt in der That eine Art, die sehr an den Stall erinnert!" „Wie « iu den Wald schreit, so schallt « wiedr heran»", brummte WinNer, während es ibm in den Fäusten zuckte und er sich voll maßlosen Ingrimm» ringrstand, daß er einen Mann, der ihm solch' eine Bebaodlung zu bieten wagt, schon längst niedergeschlagen dätte; so lange er sich za erinnern vermocht«, batte noch Niemand gewagt, ihm dergleichen anjubietea. „Wenn man bei mir ia die Wohnstube eiatrit», ist » freilich nur ganz einfach bestellt", fetzte er mit rauher Stimme bin»», sich immer noch mehr ereifernd. „Da sieben nur ge wöhnliche Hau-grräth' drin, wie'« bei uirdrrrn Leut' Sitte ist, aber sauber und ganz ist Alle« und der Boden wie ge leckt . . . uit so ein Krempel, da wa« und dort wa«, da riu Loch im Vorhang, dort ein Fleck im Teppich und da wieder rin Stück vom Bilderrahmen ab, kann ich nicht aufwarten, hoho . . . daun biet' ich einem Gast auch einen Stuhl an, und wenn ich ihn zehnmal lieber 'nausschmeißen möcht', weil » doch oft nur ein hungriger Schlucker ist, der mir die Batzen abknöpst, weil er von sein' Abncnschild, wie er « nennt, nix abbeiße kann . . . fragt nur Euren Mann, ob » nit so ist; ich schwenk' ihm sogar die Gurgel noch mit meinem theurrn Wein . . . hier aber, in dem bochfürnchmen Schloß, wo der FeiocleutSton gilt, hier scheint » bald, al« ob man schon 'rauSgeschmiffen wird, eh' man nur zu Athem kommen ist." Frau Eulalia batte ihn zu Ende sprechen lassen. Un willkürlich war sie bei seinen hämischen Erläuterungen seinen» Blicke gefolgt, und echte», ungesälschlr» Roth färbte jetzt aus einmal ihre Wangen, al» sie, zum erste» Mal vielleicht, mit ganz schonungslosem Blick all' die Defectc in der Einrichtung ringsum entdeckte. Zugleich aber ginq auch schon ein fauchender Laut über ihre Lippen, und sie rauschte wieder dicht an Winkler heran, diesem starr in die Augen sehend. — „Wenn mir ein Mensch Eure» Schlage« vor Iabren der artige Ungezogenheit gesagt hätte", brachte sie zischend hervor, „dann wurde ich einfach geklingelt und dir Dienerschaft herbei gerufen haben. Diese würde Euch ia der einzig würdigen Form zur Thür hiuauSgefübrt haben." „Können vor Lachen", brummte Winkler, während er ingrimmig die Backen ausdlieS. Aber die Baronin ließ sich nicht beirren; sic schöpfte nur schnell einmal Athem und fuhr dann fort: „Unter den gegen wärligen Verhältnissen muß ich mich darauf beschränken. Euch, mein Lieber, zu verstehen zu geben, daß ich e« unter meiner Würde balle. Euer pöbeldafte» Betragen auch nur u rügen. Mögt Ihr im Gelbe bi» über die Ohren sitzen, o bleibt Ihr doch nur ein Bauer, eia ungeschliffener, grob lümmeliger Bauer! . . . Ich aber, und wenn ich selbst nicht einmal die Suppe, dir Ihr mir soeben vorgeworfen habt, mehr auf meinem Tische besitze, bleibe, wer ich bin: die Trägerin eine» erlauchter», vom Glanze langer glorreich ver brachter Jahrhunderte erhellten, ruhmvollen Namen», ver standen? — Sie warf noch einen indignirtra Blick auf den ihrem Wortschwall wie erstarrt Lauschenden, dann rauscht« sie an diesen, vorüber, öffnete die Tbüre zum Nebenzimmer uud warf sie mit scharfem Ruck wieder in» Schloß. Da endlich kam wieder Leben in Winkler'» sehnige Gestalt. „Wa« Du bist", knurrte dieser plötzlich, während «in« furchldare Wuth »ha ersaßt, „eine alberne, hochmüthige Ga»<
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