Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941005023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894100502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894100502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-05
- Monat1894-10
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
B»z«-»-PrerA M tz« Hnnptqpedili»» «der de» i» Sä«d^ t«irk «tz de» Vororte, errichtete» An«- «2«ste>«, »tgoholt: vierteljährlich ^l4.üL hei Meiwalißer täglicher Zustellung in« Hau« » Durch die Post bezogen für DeaZchlaud und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direct» täglich» Krruzbaadiendung i«t >u«la,d: mouatlich ^4 7.S0. DteMorgen-Ausqabe erscheint täglich '/,7Uyr, dt» Abend-Ausgab« Wochentag» ö Uhr. LeLartio« und Lr,e-itio»: A»hm,ne«,assr 8. WieLrvedition ist Wochentag« anunterbroche» tzeojsnet ov» früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Filiale«: Dtt» Rlemm's Eortim. («lfre» Uoiversitätsstrube I, Loui» Lösche. _ Klvthorinensir. I«, pari und »Snlasvlotz » Abend-Ausgabe. MWMr.TilgMalt Anzeiger. k>WN filr Politik, Local-eschichte, Handels «nd Geschäftsverkehr. Änzeigcn.iprei- dle Sgespaltme Petitzeile LS Psg. Neclamen unter dem Redactionsstrich (4 KV« spalten) üO^z. vor den Famtlieunachricht» (6 gespalten) 40 ch. Srogere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Toris. Or»r«-Beilagen (gesalzt), »ur mit de» Morgen - Ausgabe . ohne Posldesörderuag SO.—, mit Posldejordrrung ^4 70.—. A«nahmeschl«k für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgeu-Ausgade: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- »ad Festtag» früh Uhr. Bei den Filialen und Annadinestelle» je ein« halbe Stund» sruher. U»ze,,r« sind stets an die «»rpeditbea zu richte». Druck »»d Berlaa van E. Polj in Leipzig ^510. Freitag den 5. Ottober 1894. 88. Jahrgang politische Lagesschau. * Leipzig. 5. October. Au« dem Nmstaude, daß die nattoualliderale Presse ein klares Programm der Regierung in Bezug auf die Bekämpfung der Umsturzparteien fordert uns in Er mangelung eines solchen Programms bald diesen, bald jenen Vorschlag zustiminend oder adlet,nend bespricht, glaubt die .Norddeutsche Allgemeine Zeitung" den Schluß zieben zu sollen, daß „jede« AclionSprogramm der Regierung sür den Kampf gegen die Umsllirzparteien, es mag auSfallen wie e« will, in der nationalliberalen Partei Gegner sinten wird". Da Logik nie die stärkste Seite der „Norvd. Allg. Z." gewesen ist, so braucht mau sich über diese» seltsame» Schluß weder zu Wunder», »och auiziiregeu: es genügt, au dieselbe Stelle, von der man ei» klares Programm gefordert bat, das Ersuchen zu richten, koch den Versuch zu machen, ob wirklich jede- Actions- progranim der Regierung gegen die Umsturzparteien in der nationalliberalen Partei Gegner findet. Wir, die wir die in der iiationalllberalcn Partei herrschenden Ansichten etwas bester können als die „Nordd. Allg. Ztg.", sind der festen Ueberzeuguiig, daß jedes Aetionsprogranim der Regierung in dieser Partei eine übereinstimmendere Bcurtbeilung findet, als in jeder anderen Fraction. Nur stelle man die Dinge nicht auf den Kopf und verlange nicht, daß die Nalionai- libcralcu, um ibrc Geschlossenheit und ihre Bereitwilligkeit, an der Bekämpfung des Umsturzes mit zu arbeiten, ihrer seits die Initiative zur Ausarbeitung von Gescpenlwürscn er greifen. DaS ist von jeder Sache de» Regierungen gewesen. Wozu har man denn überhaupt Reichskanzler und Minister? Wenn das Parlament oder gar einzelne Parteien auch die Borbereitung und Ausarbeitung der wnchligsten Gesetzentwürfe übernehmen solle», so könnte» wir uns am Ende mit sub alternen Beamten begnügen. Dabei ist es noch ganz unwahr, daß die nationalliberalen Erörterungen dieser Frage sich nur in ganz allgemeinen Redensarten obuc greifbaren Inhalt zu bewegen pflegten. Die Partei bar jedenfalls mebr Ideen entwickelt, als alle andern, die Freisinnigen, die gegen über der wachsenden Verwilderung und Verrohung der Masten immer nur von dem Kamps mit geistigen Waffen und der Macht rer Belehrung saseln, oder die Conjrrvativcn, die von der Rücklebr zu abgestorbenen Lebensformen das Heil erwarte», oder das Ecnlrum, das überhaupt nickt« mebr zu sagen weiß. Die naiionalliberale Partei hat gegenüber dieser vollendete» Hilf- und Ideenlosigkeit oft genug wenigstens in allgemeinen Umrissen sich darüber geäußert, was nach ihrer Ansicht am zweckmäßigste» gegen diese Gefahr zu geschehet, habe. Sie will keuieswegs »ur Zwangs und UntcrdrückungSmaßvegcl», sie hat stets, meist unter Wider spruch der Fortschrittspartei, die Vorschläge praklischer Arbeilersreundiichtcit und wirthscbasllichcr Ausbesserung unter stützt und wirk in dem Bestreben, die materielle und geistige Lebenshaltung der Arbeiter zu heben, »ie Nachlassen. Anderseits ist sie aber auch entschlösse», die Zucht, die Ordnung, den öffentlichen Frieden ausrecht zu halten. Waö in dieser Hinsicht zu geschehen babe, ist iu den Grundzügcn oft genug dargestcllt worden. Es kann sich handeln um bessere Ab- webr von Ausschreitungen im Preß- und Vereinswesen, namentlich um die Fernhaltung unreifer frecher Jungen von politischen Versammlungen, Verschärfung der Sicherheiten gegen Vertragsbruch und Gcwalttbätigkeiten aller Art, ins besondere gegen Drohung und Zwang zur Theilnabmc an Arbeit?-. > ii ücllun gen und sonnigen Kampfverbiiivungen; eS kann sich bandeln um mancherlei Bestimmungen in der Gewerbeordnung, welche Zucht und Botmäßigkeit nament lich in der Heranwachsende» Generation besser sickern. Wenn wir nur hätten, was vor längerer Zeit der Abg. Hänel, der die ganze beutige Fortschrittspartei an praktischer Einsicht übcrtras, als Ersatz für das Socialistengesetz verlangte, so wären wir schon zufrieden. Also nur frisch heraus mit einem Actionsproaramm; das wird zur Klärung der Partristand- punctc mehr beitragen, als jede zwecklose und verbitternde Schwätzern der „Nordd. Allgcm. Ztg.' Io der Münchener „Allgem. Ztg." finden wir folgende, anscheinend der Redaction dieses Blattes entstammende Aus führung: „Die Antwort de- Kaiser« aus das Huldigungstelegrainm des «attanattitzerale» DelegirtentageS hat unziveifelhast eine gewisse politische Bedeutung. Wenn Kaffer Wilhelm ll. in der Huldigung eine Bürgschaft dasur sieht, daß er aus die Partei in guten und in ernsten Zeiten rechnen könnt, jo kann er unmöglich mit dem Gedanke» mngehen, diese ernsten Zeiten mit Hits« einer kterikal-reactlonairen Allianz zu überwinden und zur Losung dieser kritische» Zeit „den Kamps gegen den Liberalismus" zu machen, von dem man im extrrmconjervativen wie im ultramon tanen Lager bereits träumen zu dürfen glaubte. Man verkennt denn auch diele Bedeutung weder hüben noch drüben: in national- liberalen Kreisen scheint man sogar geneigt, dieselbe eher zu überschätzen, und ^aut — so unzeilgemäß als möglich — die kühnsten Luftschlösser; ini gegnerisch«,! Lager ist mau ver stimmt, bemüht sich aber dabei, die Worte des Kaiser- als eine bloße Höflichkeit-Wendung inögltchst niedrig zu taxiren. Beide- ist gleich falsch: der Kaiser wollte gewiß keine liberale Aera ankundigen, so wenig wie in Königsberg eine reactiouaire, er ruft alle staatS- erhallenden Elemente aus, an ihrem Theile an der gemeinsamen Arbeit imtzuwirke», und, wenn es noth thut, in geschlossenen Reihen dem Ansturm der Elemenle des Umsturzes entgegenzulreten." Wir bedauern, daß ein so angescbenes Blatt in einer im Allgemeinen durchaus zutreffenden Äussübrung den national- libcralcu Kreisen etwas unterschiebt, was tbarsächllch in diesen Kreisen nicht vorhanden ist. Wir constatiren hiermit aus drücklich, daß wir weder bei irgend einem Mitglied« der Partei einer Uebrrschätzung der kaiserlichen Worte noch vollend« „kühnsten Lustschlössern" begegnet sind. Im Gegentheil wird von allen Mitgliedern der Partei erkannt und betont, daß der Kaiser von ihr wie von allen auverea in dem großen Kampfe der Zeit einen Verzicht aus LltbUnzswünschc erwartet. Auf Verzichte aber baut man keine „kühnsten Lustschlösser". E« kann jedoch aus die anderen Parteien und aus die Regierung einen güustigen, den Zusammenschluß aller staat«erhaltenden Elemente und den allgemeinen Verzicht aus besondere Wünsche befördernden Eindruck nicht mache», wenn dir nationallideralc Partei von einem Blatte, wie die „Allgem. Ztg ", in den Verdacht gesetzt wird, sie hoff« aus der Situation etwas ganz Besonderes für sich berauSzumünzen. Wir weisen des halb diesen Verdacht als gänzlich uugercchlfertigt entschieden zurück. Im pvlittschen Lager fährt man fort, in der dankens- wcrthcstcn Weise mit Offenherzigkeiten aufzuwarten. Der schon kurz erwähnte Artikel der Krakauer „ Reforma", welcher erklärt, daß die Polen unter alle» Umständen am Unabhängigkeits-Gedanken sesthaltcn werden, liegt nun voll ständig vor. Er ist überschriebcn: „Sie fürchte» Polen!" und betont »achdrücklichst, daß die galizischen Polen sich auch für den Dreibund nicht zu erhitzen gedenken, wenn von ihnen gefordert wird, daß sie au- Rücksicht für denselben die „pol nische ^ragc" in Preußen prciSgebcn sollen. Nach einer Polemik gegen die Wiener Presse bemerkt das polnische Organ: „Möchten doch die Deutschen aller politischen Schattiruugen ein mal begreifen, daß wir Polen unter keiner Bedingung dem unerschütterlichen Glauben an den Wiederaufbau de» Vaterlandes entsagen können. Wenn wir einmal, wir man dies von uns verlangt, erklären würden: Wir sind vor Allem treue Unterthane« Oesterreichs, Deutschlands oder Rußlands und suchen bloS darin eine politisch» Zukunst in Gemeinschaft mit Deutschen oder Russen, so würden wir vor Allem aushören, das zu sein, wa< wir heute sind und wofür wir gehalten werden. Wir leben selbstständig aus dem Gebiete der Kunst, Literatur, heimischen Eullur; wenn die Politik von diesen Kundgebungen nationaler Selbstständigkeit da» polnische Gepräge wegwischen sollte, dann würden wir ausdöre», »ine Nativn zu sein, weil wir kein, selbstständige politisch» Existenz besitzen. Und ied-n denn die Deutschen nicht, daß Alles, was bei uns geistige Schöpfung ist, unsere Kunst, Dichtung, unser gesammtrS Schrist- thum und unsere Lultur — Kraft uud Begeisterung aus der unerschütterlichen Ueberzeugung schöpft, daß dies eine Arbeit für das künsttgr unabhängigt Polen ist'? In dem Augenblicke, in welchem wir unser« Eiviiisation von diesem Glauben an die Zukunst trennen, hören wir aus, als Ration zu existiren. Dos Alles hindert uns aber nicht (!) a« der Erfüllung unserer Pflichten gegenüber den Staaten, in denen wir leben. Wir haben doch niemals anders unser Berhältniß zur Negierung in Oesterreich ausgesaßt und trotzdem au« dem Munde de- Kaisers Worte der Anerkennung und des Lobe« vernommen.. . Oesterreich-Ungarn hat ebenso wenig wie ein anderer Staat einBorrecht aus Unantast- barkeitundewigeDaner seinerheutigen st aatlichenOrga- ui-meo, noch kann eS dasselbe beanspruchen. Staate» entstehen und zersallen, «ie Menschen geboren werden und sterben. Aber Nationen gehen nicht zu Grunde, wenn sie sich nicht mit selbst mörderischer Hand beim eigenen Halse fassen. Daher dürsen wir ans di» Zukunft rechnen, welch« für uns ebenso geheimnißvoll ist, wie für alle Staaten: unS wie jeder anderen Nation ist e« gestaltet, in der Zukunft die Motive zum Festhalten au der Selbstständigkeit und eigenartigen Individualität zu suchen. Wir schwingen un« zu großen Opfern aus für den Staat, in welchem wir leben, wir finde» unS bereitwillig ein zur g-meinjamen Arbeit bei seinen wichtigsten und schwierigsten Ausgaben, und wir werden das auch Weiler Ihn», aber ... des Unterpfandes unserer nationalen LebenS- sähigkeit können wir unS um keinen Preis entäußern. Es ist eine Lächerlichkeit, von unS zu verlange», daß wir freiwillig Deutsche werden sollen, während eS un- freiste!)», Polen zu sein." Aus dieser wirklich ganz unverblümten Kundgebung geht klar hervor, daß in dem polnischen Rechcnexcmpel der Zerfall Oesterreich- ein Factor ist, mit dem zu oprriren ganz selbstverständlich erscheint. Hoffentlich lassen diejenigen Conventikcl iu Oesterreich, die mit dem Gedanken spielten oder spielen, einem Habsburger die Krone des wiedcr- bergestcllten Polen« auszusetzen, diese Offenherzigkeit sich als Warnung dienen. Der schwehertsche Gellt livere in, der auf seiner jüngst abgrballencn Dclcgirtenvcrsammlung beachtenSwerthe Beschlüsse faßte, von welchen wir unten berichten, ist die stärkste Arbeiter Organisation der Schweiz. Er begann im Jahre 1839 recht klein und entsprang dem Organisationstalent de« badischen Schulmeister« Galeer, welcher damals in Genf Lehrer war und dort im Verein mit ein paar Ostschweizern die erste Sectio» in- Leben ries. Seit jener Zeit bat der Grütli- verein in allen Eantonen feste» Fuß gefaßt und zählt nun 300 Sektionen mit 14 000 Mitgliedern. Seine Politik war lange Zeit maßvoll, als linker Flügel der freisinnigen Partei stand er auf dem Boden der bürger lichen Gesellschaftsordnung, kämpsle in den Reihen der Freisinnigen, Hais redlich mit, ein Stück Socialresvrm um da« andere zu erkämpfen und theilte deren Freuden und Leiden. Erst seit den 90er Jahren schied sich der Grütli- verein von der freisinnigen Partei und constituirte sich als selbstständige Partei. Im Jahre 1892 wurde dieser Schritt in den Centralstatuten srstgelegt und in Art. l die Bestimmung ausgenommen, daß der Verband aus dem Boden der Socialdemokratie stehe und eine un abhängige Politik befolge. Bei den Laadseclionen, welch« etwa- weiter rechts stehen, hat diese« politische Glauben-bckcnntniß verblüfft und sic veranlaßt, mit dem Anträge vor die Dele- girtenversammlung zu treten, daß die Wvrtc „aus dem Boden der Socialdemokratie" ersetzt werden durch den Satz „auf Grundlage der Socialresvrm". Die Delegirlen- versammluog lehnte aber die Anträge rundweg ab. Auch gegenüber anderen grundsätzlichen Frage» »ahm der Delegirtc» tag eine entschiedene Stellung ein. Entgegen den gestellt.» Anträgen wurde beschlossen, die Reserve- und Strci! caste dcS Gewerkschast»bunbc« auch in Zukunft zu uiire. stützen und mit diesem in steter Fühlung zu bleiben Eine radicalr Stimmung machte sich bezüglich der Fe" legung des Verhältnisses des GrüllivcrcinS zu den, schweizerischen Arbeiterbund, dem Arbeitervereine aller po litischen und cvnsessioncllen Ueberzeugungen angebören, aettcnr. eS wurde beschlossen, die Pi», «vereine aus dem Arbeitet bundc auszuschließen. Diesen PiuSvereinen wirb der Bankcrvtt der Initiative für die unentgeltliche Krankcnpstegc zugeschriebeu, und deshalb der Beschluß. Die Zolliniliativc, die am 4. November dem Volksentscheid unterliegt, wurde verworse» und beschlossen, sie mil alle» zu Gebote stehenden Mittel,! zu bekämpfen. Die Arbeitslosenversicherung soll auf eidgenössischem Boden geregelt werden, doch soll dem Vorgehen einzelner Slädte kein Hindernis; in den Weg gelegt werde». Die Verstaatlichung der Eisenbahnen und die eidgenössische Verstaatlichung und Subvcntionirung der VolkSschuic» sollen geprüft und im geeigneten Momente in Form der Volk-initiative der Verwirklichung entgegen geführt werden. Die Verhandlungen zeugte» von hohem Ernste, koiinlc» aber auch die Tbatsacbe nicht verschleiern, daß i» der schweizerischen Arbeiterbewegung zwischen de» sogenannten Bourgeois- und den Prvlclaricrsocialdcmokralcii rin tiefer Riß vorhanden ist. Erslerc wollen bedächtig ovr- gebcn und sich nach den pratliscken Verhältnissen richte», letztere sind Stürmer, die ans ikre Mitstreiter im „besseren Rocke" mit scheelen Äugen berabblickc» und ihre Bestrebungen verdächtigen. Dieser Riß ist vorhanden, aber seine Con- seguelizcn trete» noch nicht bervor. In Paris tagt augenblicklich der zweite internattanalr t-isendahi,arl»ritcrron«rrh. welcher von den Verbänden der Badnangestelllen aller größere» Eulturländcr. mit alleiniger AuSnabiiic Deutschlands, beschickt wird. Der vorige (erste) Eisenbabnarbeitercvugreß fand letzte« Jahr in Zürich bald nach dem internationalen Socialisteutage statt und halte einen mehr vorbereitenden Charakter; auf ihm wurden die hauptsächlichsten Fragen und Wünsche der Interessenten ausgestellt, ohne daß es möglich gewesen wäre, sie ein gehend zu erörtern. De« Weiteren beschloß man, in jedem Jahre einen Congrcß abzuhalten, zu dessen Beschickung die Bahnbeamten und -Arbeiter aller Eulturstaatcn ein zuladen wären Bereit- auf einem der diesjährigen Socia listcocongrcffe, welcher in Dijon von den Possib,listen abgehaltc» worden, tauchte die Frage auf, wie sich die im TranSport- dienste angestellten Arbeiter im Falle einer Mobilisirung zu verhalten hätten. Einige der radikalste» Revolulionaire und Internat,onalistcn beantragten eine Tagesordnung, in welcher sich die gedachten Arbeiter und Beamten verpflichten sollten, bei Ausbruch ciue« europäische» Kriege« sofort die Arbeit nirder- rulegen, jedweden Dienst zu verweigern nnd dadurch die Mobilisirung schlechterding« zur Unmöglichkeit zu machen. Die Bahnarbeiter von Frankreich uud, aus Grund der inter nationale» Solidarität, auch die von Deutschland, bezicbung« weise Italien, sollten den Generalstreik gleichzeitig be ginnen; dann wäre ein Krieg einfach unmöglich, und das Proletariat könne dem CapitaliSmuS seine Bedingungen stellen Auch die rabiatesten Socialisten scheine» mittlerweile eiugesebcn zu haben, daß ihre theoretischen Maßregeln, selbst wenn sie allgemeine Billigung finden sollten, doch die moderne Heeresleitung nicht mit einem Schlagt aller Mittel zur Mobilisirung und Kriegführung berauben würden. Aber e« fehlt selbst an der nöthigen Einstimmigkeit unter den zunächst FeriiHetsn. Der goldene Mittelweg. 'S) Roman von Erich Rott. (Fortsetzung.) Nachdruck »rrbotea. „Ack, da« würden Sie schon bleiben lassen, Herr Baron", lachte das Mädchen, „da würden Sic lange brauchen, wäre zudem auch überflüssig, wo Sir ja den schönen Korbwagen mit den beiden PonicS zur Verfügung baden!" „Nichts da, eS bleibt dabei", cnlgcgnctc Thumar. „Mein Himmel, ich bin erst ein hoher Fünfziger, und Ihr behandelt mich gcrad, als ob ick schon wer weiß wie alt. mindesten« schon so alt wie der Bürgermeister im Dorfe unten wäre!" „Run, der strammt sich noch immer, Herr Baron, der ist «den aus einem gar festen Schlag", lachte da« Mädchen. Der Baron zuckte mit den Achseln. „Gehen Sie jetzt, Kuni, und schicken Sie mir meinen Sohn hierher, ich habe mit ihm zu plaudern. Sic helfen meiner Frau jetzt bei der Toilette?" Knni nickte mit dem Kopfe. — „Die gnädige Frau er wartet mich bereits" „Dann machen Sic nur recht langsam", scherzte Thumar, „eS schadet ja gar nicht, wenn ick mit meinem Sohne eine Viertelstunde ungestört plaudern kann!" Er »ickle dem Mädchen, dessen Gesicht ein verständuiß innige« Lächeln aufwie«, zu; letztere« wendete sich und ging. E« dauerte nicht lange, so öffnete sich die Thüre uud zu dem einsam Harrenden trat ein zierlich gewachsener, mittel großer junger Mann, trotz der frühen Morgenstunde schon mit tadelloser Eleganz gekleidet, in das Gemach. Vater und Sohn glichen sich nicht im Geringsten, während der Baron den Eindruck eine« ruincnhasten, völlig am Rande seiner Kraft angekvmmenen Greise« machte, war Felir von Thumar wirklich bildbübsch zu nennen. Alle« an ibm atbmete Feuer und Lebenslust; da- hübsche regelmäßige Gesicht mit dem starken dunkelblonden Schnurrbart, die dunklen, verliebt blickenden Anzen, da« Grübchen im Kinn. Nur zuweilen strich, besonder« wenn er sich gehen ließ, über dir blühenden Züge ein müder, blasirter Ausdruck, der verricth, daß auch er schon die Vergnügungen de« Leben« bi« zur Neige durch- tzekoftet zu haben glaubte. „Du hast mich rufen lassen, Papa, da bin ich!" Nachdem der junge Mann einen flüchtigen Händedruck mit seinem Baker getauscht und sich dann diesem gegenüber niedergelassen hatte, sagte der Baron: „Zünde Dir eine Cigarre an, mein Junge, ich habe Wichtiges, Unangenehmes mit Dir zu besprechen!" Er hielt wieder inne, während Felir sich eine Cigarre anzündete und, nun im Sessel sich zurücklchnend, erwartungsvoll ihn ansckaute. — „Hoffentlich keine Strafpredigt, Papa, ich hoffe, daß Du diese« Gebiet Mama überläßt, die ja allerdings in seltener Vollkommenheit diese« Fach bemeistert", sagte er, als der Baron noch nicht gleich Miene machte, aazufangen. „Ich habe Dir ja reuig Alle« gebeichtet, wiewohl ich von Anfang an wußte, daß Du mir nicht Helsen kannst." ,,E« war aber auch ein höllischer Leichtsinn von Dir, nimm mir'« nicht übel, Felix", entgegnete der Baron, an seiner Cigarre kauend, während zugleich da« alle nervöse Zucken wieder durch sein Gesicht flackerte. „Ein kleine« Ver mögen in einer Nacht verspielt ; Do warst so hübsch gesichert, Deine Tante, die StistSdame, starb, kaum daß Du die diplomatische Carriere begannst und hinterließ Dir ein hübsches Vermögen; ich beneidete Dich ordentlich om Dein sorgen freie« Leben, da» Du führen durftest, während ich hier in der Gebirgseiusamkeit versauern mußte . . ." „Na, na, da« ist nicht so tragisch zu nehmen, Papa", unterbrach ihn der junge Maon lachend. „Man erzählt sich in der Residenz von allerliebsten kleinen Spielabendcn, an denen man Dich auch gesehen haben will." „Pst, um Himmelswillen still", murmelte der Baron, während er einen scheuen Blick um sich warf, „von solchen Dingen spricht mau am liebsten io diesen Mauern nicht. Wenn Deine Mutter hinter so etwa« käme, ich hätte keine ruhige Stunde mehr von ihrer Seite." Er a'.hmete tief aus, strich sich mit der stachea Hand über da« Gesicht und beugte sich dann vornüber, mit gedämpfter Stimme wieder be ginnend: „Ich sage Dir, mein Junge, ich habe schrecklich auf meinem Schmerzenslager gelitteu. Jeden Morgen schwebte ich io der Angst, e« konnte ein Uria«bries, irgendeine Mah nung wegen eine« leider Gotte« wieder frisch angebundenen Bären entkalkend, eintreffen. Ich aber, an Leib und Gliedern gelähmt, hätte rubig mit ansehrn muffen, wenn Deine Mutter solchen Brief geöffnet und gelesen hätte. Wa« natürlich dann geschehen wäre, darüber schweigt de« Sänarr« Höflichkeit!" Er kraute sich, während er eine komische Grimasse schnitt, hinter dem Ohr und fnhr daun hastig fort, als sein Sohn Miene machte, ihn zu unterbrechen: „Ich denke gar nicht daran. Dir Vorwürfe zu macken, aber Du glaubst gar nicht, wie Deine Mutier hinter mir der ist, sie ist mal wieder außer Rand uud Band und kann « nicht verschmerzen, daß Tu nothgedrungen Deinen Abschied hast nehmen müssen. Na ja, sie hat ja recht, Deine Carri'-re ist verpfuscht. Die glänzenden Verbindungen, die Du durch Deine Erziehung am Hose gewonnen hattest, sind fadenscheinig und brüchig geworden . . . und der Gedanke, daß Du hier vielleicht Dein ganze« Leben versauern sollst, Noth und Entbehrung leitend, wie ich, Dein alter Vater, durch lange Jahre habe thun müssen, bedrückt mich ebrnsall« schwer." Felix lachte sorglo«, lehnte sich tiefer in seinen Sessel zurück und blie« wohlgefällig dichte blaue Rauchwolken vor sich in die Luft; gedankeuvoll verfolgte er dann die Ringel, die, je mehr sie iu dir Höbe strebten, sich zu immer weiteren Kreisen dehnten und schließlich zerbarsten. — „Muß eben sehen, reich zu heirathen, da« ist da« einzige Mittel, welche» mir noch helseu kann", bemerkte er dann leichthin, ein Bein über da« andere schlagend. „Ich habe, offen gestanden, an 80000 Mark Schulden!" „Da- ist ja gerade so viel wie ich", fuhr e« dem Alten berau«, und dann verlegen werdend, schaute dieser sich wieder ängstlich um. „Gottlob, die Mutter hat « nicht gehört", sagte er flüsternd und sich den Schweiß von der Stirne trocknend; „na, da« Halloh, wenn sie hinter diese« Gehcimniß käme . . . Hör' mich an, mein Junge", unterbrach er sich und sich wieder vorwärt« beugend, faßte er seinen Sohn bei der Haud: „Ich habe Dir einen Vorschlag zu machen. D» weißt, heute ist der Geburtstag von der Enkelin de« Bürgermeister« unten im Dorfe ... wie gefällt Dir übrigen« die Kleine?" „Hm, hm", Felix kniff ein Auge zu und wirbelte an den Spitzen seine« Schnurrbarte«. „Ein reizender Käfer", sagte er dann, „da« Mädchen hat Rasse. Ich lernte 'maj in Pari eine kleine Tänzerin kennen, war zurrst über di« Ähnlichkeit verblüfft, hat mich höllisch viel Geld gekoste», Papa ... der seligen Tante Vermögen ging erst draus . . . war aber ein famose« Mädeb" — Er lachte noch io der Rückrrinnerung woblarsällig. „Ich glaub' Dir'«, Du Schwerenöther", brummte der Baron zwischen Aergrr «nd Lachen, während er zugleich ein listeroe« Gesicht zeigte. „Da« war damal«, wo Du mir die vrrzweilrlten Brandbriefe schriebst ... Aber Scherz beiseite, gestern uaym mich der Bürgermeister mit in seine Schreib stube nnd da zeigte er mir denn grwist« Document«, welch« meine Unterschrift tragen ... ja, schau' mich nur so fragend an, Winkler ist nämlich nicht nur mein Geschäftspartner, sondern in noch höbercm Maße mein Gläubiger; er bat mir immer, ohne Schwierigkeiten zu machen, kleine, zinslose Darlehen gegeben. Ich bade sic wahrhaftig nicht zusammen gezählt und bin nun gestern wie aus den Wolken gefallen, als er mir klipp und klar nachweist, daß ich ihn um 8 4 0 0 0 Mark im Lause der Jahre angepumpt habe. Jetzt kommt natürlich die ganze Geschichte zum Klappen, denn er will sein Geld. Mein GeschäftSantbeil bei dem Sägewerk beziffert sich nominell auf 40. «»0 0 Mark Einlage .... und wie Du weißt, vermag ich seit dem Bestehen des Werks mit Deiner Mutter ganz anständig zu leben . . . Legt Winkler aber die Hand auf meinen Antheil, und berechtigt incrzu ist er alle Tage, dann sitze ich schön aus dem Trockenen und daS Ende ist unwiderruflich da. Nun hoffe ich, daß er cs nicht zum Aeußerste» kommen lassen wird. Aber er bat mir als einzigen rettenden Ausweg einen Entschluß nabegelcgt, der noch heute getroffen werden muß . . . unter uns gesagt: ich glaube» der Alte bat mir die lange» Iabre immer nur Darlehen au« dem Grunde anstand-lo« bewilligt, »in mich jetzt umso sicherer in der Tasche zu baben Nun will er sich ja höchst nobel zeigen ... ist sogar bereit, fall« wir seine» Bedingungen entsprechen wollen, die Schuldscheine zu ver nichten und außerdem mir neue Darlehen . . . hm, da« gehört nicht hierher", unterbrach er sich hüstelnd, „unter einer Bedingung, sagte ich — „Und diese Bedingung lautet?" srug Felir, während er seinen Vater mit gespannter Aufmerksamkeit betrachtete. „Du sollst Dick mit Eva Treumann vcrheiralben", versetzte der Baron, einzeln jede« Wort betonend, dabei aber seine Stimme zum Flüstern hcrabtämpfcnd. „Da dachte ich auch schon daran, Papa", sagte der junge Mann, „das wirb wohl das Gescheitteste sein, wa« ich thun kann, ich glaube, da« Mädchen bat Geld!" „Der alte Winkler hat mindestens eine halbe Million im Vermögen", beeilte sich Thumar bändereibend einzuschallen. „Um so besser, kann käme auf die Kleine einmal eme Viertel-Million; damit läßt sich » zur Nolh auSkonimcu, wenn man auch gerade nicht große Sprünge macken kann." „Glaubst Du denn, daß sie Dich mag ?" forschte der Barou, erwartungsvoll seinen Sohn dabei anschauenk Dieser lachte leicht und strich sich dann wohlgefällig die Enden de« wohlgepflegten Barte« wieder zurecht. .^Lelche« Mädchen möchte «ich wohl nicht! Nein Scherz
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite