02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941006024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894100602
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894100602
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-06
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Tabellarischer uud Ziffernlatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gesalzt», ,nr «tt de» Worqeu-Ausgabe. ohne PoslbetSrderuag Ull M.—, mit Postbesördernng ^l 70.—. ^nuahmrschluß für Anzeigen: Adeud-Ausgob«: Vormittag« 10 Uhr. Worg« n»Ln«gabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn« »ad Festtag« früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halb« Stande früher. Unzetgen sind stet« au die Ergeht tt^n zo richten. Druck und Verlag vou E. Holz in Leipzig 512. Sonnabend den 6. Oktober 1894. 88. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den V. Oetober, Vormittags nur bis V-.9 Uhr geöffnet. LxpeiUtlon ües Käseblattes. Politische Lagesfchau. * Leipzig, 6. Oetober. Die ebenso dreiste wie ungerechtfertigte und den Thalsachcn Hohn sprechende Behauptung der „Nordd. Allgem. Ztg ", daß »jede« ActiouSprogramm der Regierung für den Kamps gegen die Umsturzparteicn, eS mag auS- fallen wie e« will, in der natianaliiberaien Partei Gegner findet", haben wir schon gestern an dieser Stelle zurück- gcwiesen. Trotzdem halten wir für angebracht, auch die energische Zurückweisung bicr wiederzugebcn, welche heute die .Nationalliberale Correspondenz" den Osficiösen zu Tbeil werden läßt. Sie lautet: .Während der Kaiser und der Großherzog von Baden eben noch in eindrucksvollen Worten zur Sammlung der staatserhaltenden Kräfte gegen die Bestrebungen des Umstürze« anfgerufen haben, gehen wir in Wahrheit in die bevorstehende ReichStagSsessioi^ in einer Zer splitterung und Uneinigkeit der Parteien hinein, wie sic nie größer gewesen ist. Die .Kreuzzrituog" und die .Nord deutsche Allgemeine Zeitung" haben in diesem Augenblick kein wichtigeres Anliegen, als mit Wutb aus die Nationalliberalen loSzudreschen, als ob eS jetzt keinen gefährlicheren inneren Feind gäbe. DaS letztere Blatt besitzt die Dreistigkeit, ven National- liberalen vorzuwerfcn, daß sie Gegner jedes ActionSpro- gramniS der Regierung für den Kamps gegen die Umstnrr- parteien, eS möge aussallen wie es will, sein würden. Diese gehässige und gänzlich haltlose Unterstellung, in einem Augenblick, wo die nationalliberale Partei das bereitwilligste Entgegenkommen ausgesprochen bat, zu einer Verständigung mit der Regierung in dieser Frage zu gelangen, reibt sich den neuesten Leistungen dieses anmaßenden Blattes würdig an. Soeben hat der Kaiser selbst den Nationalliberalen die An erkennung ausgesprochen: „Die Versicherung unwandelbarer Treue ist Mir eine neue Bürgschaft dafür, daß Ich auf die Partei in gute» wie in ernsten Zeiten rechnen kann." Wie ein Hohn hierauf ertönt e« aus den Spalten des osficiösen Blattes. WaS dem Reichskanzler gelungen ist, bat er wesentlich der Unterstützung durch die nationalliberale Partei zu verdanken, die Militairreform, die Handelsverträge und, wenn überhaupt etwas zu Stande kommt, die Stärkung der Staatsgewalt gegen die Umslurzbestrebungcn und die Finanzresorm. Dank bat die Partei dafür nie gehabt, Lohn pflegt nur daS Centrum zu erhalten, auch wenn e« in den entscheidendsten Fragen Widerstand leistet oder sich durch Hälftung selbst aufbebt. Wir verlangen auch weder Dank noch Anerkennung, wir sind mit dem Lohn zufrieden, den nnS das Gefühl patriotischer Pflichterfüllung gewährt. Wir verbitten uns aber, von dreisten Preßgehilfcn der Regierung angekläsft zu werden, wenn wir uns gestatten, Die« und Jenes bei unserer heutige» Regierung nicht unüber- irefflich zu finden. Wir sind keine politischen Lakaien." In der Presse des Vrntrnm« geben sich immer schärfere (Gegensätze in der Beurtheilung der,trage der Abwebr der Umsturz bestreb ungen kund. Während die Presse deS preußischen Westens entweder schrcffe Ablehnung au-spricht ober verlegene nichtssagende Redensarten vorbrinzt, erkennen die leitenden klerikalen Blätter Bayerns ziemlich rückbaltlo- die Nothwendigkeit an, daß endlich einmal dem Unfug ein Ende gemacht werde. So erklärte eS eines der an gesehensten Blätter der bayerischen Klerikalen, die .Augsburger Postzeitunz". dieser Tage wieder für eine Pflicht der Katholiken, unter Fernhaltung von Gefährdungen der allgemeinen Frci- beitSrechte ernstlich zu prüsen, ob auf dem Boden deS gemeinen Rechts Maßregeln möglich und nolhwcndig seien, um die öffentliche Ordnung, den Staat und die Gesell- schasl zu schützen. Den Katholiken brennt, trotz ihrer stet« wiederbolten Versicherung, daß ihre Kirche ein festc« Bollwerk gegen die Revolution schaffe, die (Gefahr der Umsturzbewegung ebenso stark aus den Nägeln, wie andern bürgerlichen Parteien. Die bayerischen Klerikalen sind nüchterne Realpolitiker und durchaus nicht a»z«^ränkcll durch die doctrinairen Demokratenphrascn deS rheinischen CentrumS. Sie widmen sich eben mehr dem nützlichen Dreschflegel, als der öden Studirlampe, hinter der Herr Lieber sitzt. Sie bildeten auch immer neben einigen aristokratischen Mitgliedern deS Nordens denjenigen Bestand- lbeil de« CentrumS, der die wiederbolle Erneuerung deS SociaiistciigesetzeS durchzubringen geholfen hat. Wir erinnern bei dieser Gelegenheit auch an wiederholte Anträge deS Ab geordneten Winvtborst, den BundeSrath zu ersuchen, an Stelle deS SocialistengesetzeS einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher das gemeine RcichSrecht insoweit abändert oder ergänzt, als cS dessen bedarf, um den Staat und die Gesellschaft nachballig und dauernd vor den besonderen Gefahren zu schützen, deren zeitweilige Abwebr daS vorgenannte außerordentliche Gesetz bezweckt bat. Mit diesem Standpunkt kann man im Allgemeine» wohl einverstanden sein. Ein neues Ausnahme gesetz wünscht wohl heute Niemand, aber aus dem Boden deS gemeinen Rechts können wohl die erstrebten Erfolge erzielt werden. Nach alledem halten wir die Möglichkeit einer Ver ständigung über diese Frage auch mit dem gegenwärtigen Reichstag noch nicht für ausgeschlossen, wenn die Regierung geschickt und fest vorgeht. Ein POlnische« Blatt, der »Cza»", macht seinem Grimm über vic letzten Reden de« Fürsten Bismarck u. A. dadurch Lust, daß eS den alten Köbl von Verhandlungen mit dem Fürsten Czartory«ki wegen Wiederherstellung eines selbst ständigen PolcnrcichcS wieder einmal auswärmt. Die Ent stehung dieser Fabel wird in der „Magdeb. Ztg." wie folgt vargcsteUt. Die Fabel ist zurückzusübren aus K. W. Berg, den Geschichtsschreiber de« letzten PoienausstandeS. Im Jahre 1879 ließ er in der russischen Zeitschrist „Rußkaja Starina" eine Reihe von Aufsätzen erscheinen, deren Tendenz daraus gerichtet war, die wertbvollen Dienste, die Preußen in dem Polenaufstandc von 187.1 der russischen Regierung erwiesen hatte, vergessen zu machen. DiesemZweckc sollte auch dieGesckichte von den Verhandlungen mit dem Fürsten CzartorySki dienen. Im Anfang deS Jahre« 1868 (der.CzaS" nennt ein falsche« Jahr) sandte, so erzählt Herr Berg, Herr v. Bismarck den Gencraladjutantcn v. TreSckow »ach Dresden, wo er dem dortigen bevollmächtigten Nationalagcnten Klobukowckki mittheilen sollte, daß er (v. Bismarck) demnächst nach Peters burg reisen und dort Gelegenheit haben würde, über die Ge schicke Polens zu verhandeln. Vielleicht liege eS im Interesse der Polen, wenn sie jetzt mit der feierlichen Erklärung hervorträten, daß sie die deutsche Herrschaft der russischen vorzögen. Auf sie gestützt, werde er den Vor schlag machen, Polen bi- zur Weichsel an Preußen abzulrrten. KlobnkowSki bade sich mit dem Gcneraladjutanten zu dem bekannten polnischen Schriftsteller KraSzewSki begeben und diesen zur Inscenirung einer Kundgebung zu Gunsten Preußens z» bestimmen gesucht, was bei der damals all gemeinen Erbitterung der Polen gegen Rußland nicht zu schwierig erschienen sei. KraSzewSki habe jcdocb geantwortet, daß er sich aus ein derartiges Unternehmen nicht cinlassen könne. Man möge sich an den Fürsten CzartorySki in Paris wenden, und an diesen babe er KlobnkowSki einen Einführung« bries mitgegeben. KlobnkowSki babe auch den Brief im Hotel Lambert überreicht, aber schon »ach den ersten Zeilen habe der Fürst auSgcrusen: „Zu den Deutschen! Um leinen Preis der Welt!" So die abenteuerliche Geschichte. Herr Klobu- kowSki hat den Erzähler sofort öffentlich als Lügner be zeichnet und mit einem BeleidigungSproccß bedroht. Ebenso hat die „Nordd. Allg. Ztg." die Geschickte als erfunden be zeichnet und nur milgetbeilt, daß von russischer Seite seit dem Tode deS Zaren Alexander I. wiederholt Anerbietungen gemacht worden seien, Preußen möge den früher bi- 1807 besessenen Theil Polen« zurücknchmen. — Dies der thatsäch- lichc Untergrund sür die Fabeln de- „CzaS"! Tic englische» Osficiösen haben mit ihren wiederholten Versicherungen, der vielberufene Ministerrath habe nur der bedrohten Lage der britischen Staatsangehörigen in den chinesischen Vertrag-Häfen gegolten, auch in der deutschen Presse mehrfach Glauben gefunden. Inwieweit dabei da« Be mühen, daS Fallen der Course aufzubalten, eine Rolle spielte, bleibe dahingestellt. Wir haben von vornherein die entgegen gesetzte Ansicht vertreten und halten sie auch jetzt noch sür zutreffend. Es erscheint un- ausgeschlossen, daß der englische Premier die Welt und den Geldmarkt ausregcn werde einer Angelegenheit wegen, die er ebenso gut in einer Conferenz mit dem Minister deS Auswärtigen und dem Ersten Lord der Admiralität Kälte erledigen können. Abgesehen von der „brennenden" Madagaskar-Angelegenheit, die schon wegen der Gerückte von einer Blockade der Insel durch Frank reich im Ministcrrathe besprochen werden mußte, ist eS klar, daß daS angeblich ausschließliche BerathmigS- thcma de« Ministerratd«, die Frage der Verstärkung der britischen Streitkräfte in Ostasien zum Schutze der britischen Uuterthanen und Interessen in China» noch in anderer Beziebung erörtert werden konnte. Wenn die Mandscku-Dynastie stürzt und daS chinesische Reich aus den Fugen geht, dann ist daS Gleichgewicht im Osten ge stört; kann handelt eS sich sür England darum, bei dem Aufbau neuer Verhältnisse mit hinreichender Land- und Seemacht zur Stelle zu sein, damit die britischen Interessen in Zukunst gesichert und daS Gewicht Groß britanniens mit gebührendem Nachdruck in die Waagschale geworfen werden könne; und dann hat allerdings ein noch so plötzlich angeordneter Cabinetsrath seine volle Be rechtigung. Bon Beginn deS Kampfe- an wurde den Japanern angedeutct, daß beim Friedensschluß England berücksichtigt werden solle. Angesichts der reißenden Schnelligkeit, mit der die Dinge sich entwickelt haben, liegt eS nahe, daß die haupt sächlich betbciligten Mächte ihre Vorkehrungen treffen, sei e« durch Sondcrmaßregeln, sei c« durch Vereinbarungen, um nicht von vollzogenen Thatsachcn überrascht zu werden. Die Meldung von Vorbesprechungen zwischen England und Ruß land mag daher verfrüht sein ; sie paßt aber in den Rahmen deS ostasiatischen Kriegsgemäldes. Die russische „Nedrlja", ein im liberalen Sinne redi- girtcs Wochenblatt, bespricht die niedrigen Korn Preise, deren Wiederaufsteigen nicht in Aussicht zu nehmen sei, unv tröstet die russischen Gutsbesitzer damit» daß sich in dieser schlimmen Situation die Landwirthe nicht allein Rußlands, andern auch aller anderen Staaten befänden. Zugleich er klärt die „Ncdclja", daß an den niedrigen Kornpreisen die Gutsbesitzer am meisten selbst schuld wären. Die russischen Gutsbesitzer thätcn unrecht, wenn sie sich über ihr Schicksal beklagte» und fast so weit gingen, vaß sie vom Staate ver langten, er solle sie unterhalten. Da« Sinken der Kornpreise und die gleichzeitige Abnahme deS Ertrage« vom Lande sei heute eine allgemeine Erscheinung in ganz Europa. „Während deS DecenniumS von 1870 bi« 1880 haben die eng- lilchen Grundbesitzer 30 Proc. ihrer jährlich«» Einkünfte verloren. Sie mußten eine Saatfläche von 12 Millionen Acker ans 9'/, Mill. reduciren und da« ganz« Wirthlchastüsystem verändern; Felder wurden in Wiesen verwandelt und statt Koni Gros gesäet. Eine Menge Farmer machte Bankrott, und die Bodenrente fiel um 10, 20, 30, 40 und 50 Proc. In dem Bericht an di« Parlament-commission wird behauptet, daß di« Hauptlast der Kris« nicht aus den Farmer», sondern den Eigentyümern de« Landes liege, denn wenn ein Arrrndator daS Geschäft unvortheilhasl finde, so snche er eine andere Besckai- tigung, während der Besitzer de« Lande« keinen AuSmeg Hab«. Ein ähnliches Sinken der Landpreis« infolge der niedrigen Aorupreije läßt sich auch in Frankreich conftanren. Dieselben sanken >» den zwei Jahren von 1874 bi« 187k um 15 Proc., in einigen Gegenden iogar um 20 bi« 25 Proc. Dasselbe war auch in Deutschland der Fall, wo di« Kornkrise große Aehnlichkeit mit der unserigen besaß. In der ersten Hälfte der siebziger Jahre steigerteil die Landwirthe unter dem Einflüße der dohen «ornpreise den Koni- und Arrendeprei» de» Lande« so stark, daß sich dies« Preise nach verlaus von 25 Jahren säst verdoppelt hatten. Inzwischen fand aus dem Weltmärkte ein Sinken der Kvrnpreise statt, und der Markt preis deckte nicht mehr die Productioilskosten. Wie unsere Guts besitzer, so verlangten auch die deutschen Agrarier allerlei Unter- stiitzuiigen vom Staate, aber diese letzteren, welche gewisse Hoffnungen' Hervorriesen, bliebe» resultatlos, und die Landwinde sahen sich-ge- »öidigi, sich mit dem Gedanken an ein Sinken ihrer Rente aus- znsöhnen, oder richtiger gesagt, aus den Ueberschuß zu verzichten, den sie in den letzte» fünszlg Jahren gehabt hatten." Mit einem Worte, nicht allein in Rußland, sondern überall lasse sich eine und dieselbe Erscheinung beobachten: Der Preis sür daS Land sei viel höher gesteigert worden, als Letzteres in Wirklichkeit Werth gewesen sei. Dieser künstlich Kode Preis habe sich nur zeitweilig ballen können und müsse in demselben Verhältnisse fallen, als immer weitere, Kisker unbebaut gelegene Flächen für die landwirth- schaslliche Culrur gewonnen werden. Auch in den Ver einigten Staaten Amerika«, wo sich die ganze ökonomische Seite de« Ackerbaues nach den „Bulletins de« internationalen Markte»" gestalte, seien die Preise für daS Land stark ge sunken. Die russischen Gutsbesitzer — so schreibt die „Nedclja" u. A. — wünschten, nachdem sie den Bodenpreis um das Doppelte des wabren Wrrthe« gesteigert hatten, von diesem künstlichen Werlhe den vollen Ertrag zu beziehen: „Ein Gui-besitzer von lOOO Dessjatinen lHektaren) im Süden bat sich an den Gedanken gewöhnt, daß sein Gut z. B. 150000 Rubel wertb ist, und will von demselben wenigstens 8000 Rubel jährlich (5 Procent, Revenuen haben. In dieser Erwartung richtet er auch seine Ausgaben ein; reduciren sich nun seine Einnahmen auf 4000 Rubel, io spricht er vom Ruin und wird auch Idatsäcklict, ruinirt, obwodl Alle» seinen ordentlichen Gang gehl Bringt das Gut nur 4000 Rubel «in, so ist sei» ryerlh nicht 150000 Rudel, sondern nur 750(<0 Rubel, und müssen sich auch die Ausgaben nach dem wirklichen, nicht nach dem eingebildeten Werth« richten ' BiS zu einem gewissen Grade dürsten diese Ausführungen auch aus die Verhältnisse in Deutschland passen. Deutsches Reich. U Verlin, 5. Oetober. Den vom BundeSratbc den Aus schüssen zur Vorberalhung überwiesenen Entwürfen der Aus- nahmebtstimmungen von der Sonntagsruhe sür ver- Der goldene Mittelweg. >0) Roman von Erich Rott. Rachsriick »ersoieu (Fortsetzung.) Der Baron hatte sich wieder mit schmerzlicher Miene erhoben; jetzt humpelte er wieder durch das Zimmer. „Ter vertractc RbeuuiatiSmuS", sagte er, „aber ich will ihm zeigen, daß ich stärker bin; ich werde zu Fuß nach dem Dorfe wandern . . . und geht'- nicht in einer halben Stunde, dann brauche ich ein« ganz«. Der Wagen kann mich dann Mittag« unten abholen." Auf die zweifelnde Miene seines Sobne« setzte er binzu: „Glaubst wohl, ich gehöre schon ganz zum alten Eisen? Freilich, Deine Iugendkrast habe ich nicht mehr, aber nun soll'S gerade geschehen. Die Treppen herunter zu kommen, da« ist da« Schwierigste, nachher gebt « Schritt vor Schritt. Schließlich kommt auch die Schnecke anS Ziel!" Sein Sohn lachte, und mit flüchtigem Kopfnicken sich verabschiedend, verließ er da« Zimmer. XIX. Eine Woche war ungefähr vergangen. Der Morgenzug fuhr in den kleinen Babnbof der Station ein „Station Tbumar, eine Minute Aufenthalt!" riefen die Schaffner und rissen die Thüren auf. Aber nur aus einem Coupe zweiter und au« einem solchen dritter Claffe stieg je ein Reisender au«. AnS dem ersten Coup« ein junger Mann im leichten englischen Reiseanzuge, den Paletot über den Arm »nd einen mäßig großen Hand koffer in der Rechten, da« freundliche, ein wenig weiter gebräunte Antlitz mit den bellen blauen Augen darin» von einem knrz gehaltenen blonden Vollbart umsäuuss, da« kurz- gelockte Haupthaar durch einen breitrandigen Filzhut halb verborgen Er war mit einem Satz anS dem Wagen zur Erde ge sprungen; ander« dagegen der Passagier in der dritten Claffe, ein berkulisch gebauter Mann mit einem glattrafirtcn bleichen Gesicht, au« welchem ein Paar dunkle Augen mit kerben, scheuen, halb bedrohlichem Blicke blitzte». Der mußte sich der Hilfe de« Schaffner« bediene» und er setzte die Geduld des Stationsvorstehers, der schon längst das Signal zur Abfabrt gegeben hatte, aus eine harte Probe, bis cS endlich gelungen war. den Mann, dessen Füße ihm offenbar den Dienst versagten, aus den Perron zu befördern. Ein kurze- Brummen, welches wohl den Dank vorstellcn sollte, entrang sich seinen Lippen. Dann einen neugierigen Blick rings um sich werfend, raffte der Fremde da« ihm vom Schaffner ebenfalls au» dem Coup« herauSgercichte Tuchbündel, in welchem er seine Habseligkeilen aufbcwahrcn mochte, zusammen und strebte mit fast unmerklich ausgreifenden Schritten langsam dem AuSgangc deS Bahnhofes zu. In etwa zwanzig Schritten Entfernung vor sich sah er schon den anS der zweiten Claffe auSgestiegenen Passagier. — „Der hat« gut", knurrte er mit verbissenem Ingrimm vor sich bin. „So flink war ich auch einmal; aber dann kam daS Schicksal, Tag für Tag, zwanzig lange Jahre hindurch. Da wollen die Füße nimmer mitthun!" Cr mußte sich, kaum daß da« Babnbofgebäudc ihm im Rücken lag, schon wieder aus einen Feldstein an der Chaussee setzen und sich au«rnhen. Der junge Mann mit dem Koffer in der Hand war inzwischen einem alten Bauern begegnet, der mit einem freundlichen „Grüß Gott" die Kappe vor ihm lüstete und dabei vergnüglich an« einem kurzen Pfeifchen schmauchte. „Wollt wohl auch zur Eikenbabii, Alter?" rief der junge Mann, stehen bleibend und rin Gespräch beginnend. „Behüt', ich fahr nit mit dem TcuftlSzeug, schau' mir'S nur immer au« der Fern' an. Hat un« kein Glück gebracht im Dorfe." „Nun, nun, da« sollte man kaum glauben", entgegnet« der Fremde, während er den hellleuchtrndea Blick in die Runde stressen ließ. „Kenne die Gegend von früher, da war von den freundlichen Landhäusern hüben »nd drüben vom Weg, die mitten im Garten liegen und so städtisch anmuthen, noch nicht viel z, sehen!" „Ja, da wohnen die Fremden drin", meinte der Alte, „dir haben ja gerade da- neumodisch' Lumpezeug in« Dörsle 'nein 'bracht. Al« ich noch jung war, Du mein liebe« Herr» göttl«, da bat man die Stadt nur vom Hörensagen gekannt, und jetzt vergebt kein Sonntag im Sommer, wo die Städter nicht bei un« sind. Da schaut nur, Herr, da ist ei» Wirth«- ban«, aus'» Büchsenschuß weiter i« Dorf ein »»esst« und so gebt « fort, sechs an der Zahl. Früher babe wir ein» gehabt, da« war die gute alte Zeit, dann aber bat der Winkler, wa« unser Bürgermeischter »sch, sunscht gar kei so über zwcrcher Mann, da« Holzsägc glei mit Dampf ang'fange uud dann isch da» fremde Lumpechore«, die Schlowake, und sunschtige Unckrischtc inS Dorf kumme, selle babe sih in- Sägewerk verdingt un nu isch'S loS'gange. Jetzt ischt alle Tag' Tanzmusik un da sauft Alles wie die Bürsckte- binder . . . und wa« da« Schlimmst' isch, man muß mit mache, ob man will oder nit . . . un srll isch ebe da« Ver dammte am Suff, daß er so ein angenchm's Laschter isch, der bat ein'm am Schlawittich un laß dann nimmer lo« ... sunscht aber sin d' Leut im Dorf brav un häuslich, da isch nix dagege zu sage!" Neugierig hatte der Alte inzwischen trotz seine« Lamentos den stattlichen jungen Fremden betrachtet. „Will der Herr ins Dorf?" frug er dann. „Errathen, will Einige besuchen. Lebt denn der alte Waldmüller Forschner noch?" „Dem geht'« gut und seiner Frau auch", sagte der alte Bauer, „ich bin bald sein Nachbar!" „Nun, da müßt Ihr doch auch seine Pflegetochter kennen, Alter?" „Die Trud'? Will ich meinen, daS isch ein blitzsauber' Mädel geworde, aber sie trägt die Nas' gar bock. Der Müller bat sie verzöge, uud sie isch doch nur schlechter Leut' Kind. Mein Bub' hat sie abblitzen lasse. Na, man soll'S nit glaub« . . . und früher war sie Einem zur Gäns'magd zu schlecht! Ist auch so eine Neamodischel" Der Alte ging humpelnd weiter; Erich Treumann, denn er war der Heim kehrende, schaute, ein leichte- Lächeln um die Lippe», sich mit träumerischen Blicke» in der Heimath um, langsam seinen Weg dabei fortsetzenv. Der Alte hatte recht; da war von der weltabgeschiedenen GcbirgSeinsamkeit nicht mehr viel übrig geblieben. Die Berge selbst standen freilich noch immer so trotzig und welt entrückt da, und der alte bläulichschwarze Glanz strahlte von ibrem waldbedeckten Rücken au«. Aber die Thalmulde batte sich verändert; da- Dorf hatte sich mächtig gereckt und war gewachsen. Eine Menge neuer Häuser war tzmzu- gekcmmeu: wo eben der Bahnhess lag. da« Dampfroß ans eisernem Weg dahinbranste und eine Menge mit geschnittenen Brettern beladene Lowrss« stand, batte sich früher der Wald gestreckt, und der vormalige Diesengrund daneben hatte sich nun zu Schmuckziergärten, welche freundlich« Landhäuser um gaben. verwandnt. Weiter drüben, nicht fern vom Mühlen- «eiher, reckten mächtige Schlote sich himmelan und stießen schwarz« Rauchwolken an«, während d»« Geknirsch der raftlo« arbeitenden Dampfsägen weithin durch die klare Morgenluft schrillte. Erst allmählich, als der junge Mann, dem Mancher auf der Straße neugierig nachschaute, in da- eigentliche Dorf gekommen war, kannte er e« wieder. Ja, da« waren noch dieselben alten Häuser, an denen er al« Knabe so oft vorüber- gestricken war; nur die vielen Strohdächer waren verschwunden und Ziegeldächer an ihre Stelle getreten. Ein halb lustiges, bald wcbmüthigcS Lächeln stahl sich um deS Heimgekebrtcn Lippen, al« er den Blick zum Krrchthurme aufhob und wahr- nabm, daß dem Wctlrrbahn daraus noch immer der eine Flügel scblte, den ihm schon vor mehr als zwanzig Jahren ein lähcr Windstoß tückisch abgerissen batte. Dann aber wurden die Augen Erich'« feucht. DaS saftige, duftende Grün, da« über die niedrige, ring« da« Kirchlein umgcbcude Mauer sich legte, gehörte zum Friedbofe. Dorthin lenkten sich nun auch seine Schritte. Sein erster Gang sollte zu seiner verklärten Eltern tbeurem Grabe sein. Ein sinniger Ernst prägte sich in seinen Zügen au«, al« er nun jugendlich elastisch den ziemlich steil aufstrebenden Pfad zur KirckhosSböhe emporstieg Al« Erich zum letzte» Mal ihn gegangen war, da batte ibm da« Herz voll bitteren AbschiedSwebeS in der Brust gezuckt und einem ungewissen Schicksale war er entgegcngegangen. Nun kehrte der geresste Mann zurück, den, daS Leben trotz allen Ernste« segrn«voll aelächelt hatte. Noch vor wenigen Wochen hatte Ncw-?)ork m t seinem geräuschvollen Getriebe den jungen Mann umtost; nun stieg er schon, während vom Himmel besserer Sonnen schein berablachle, die Lerchen durch die Lüfte wirbelten und da« friedliche Gackern de- Hübnervolke« von der Straße heraufdrang, dein Friedhöfe zu, nach dessen geweihter Stätte er sich oft gesehnt batte. E« galt, manchen neuen Schläfer ,n ihm zu begrüßen; der alt: milde Geistliche war längst schon in dir Wohnungen de» Frieden« eingrganzen, und auch die immer schaffen-frohe Lene mit ihrem widerborstigen Wesen uud ihrem goldtrenrn Grmüthe halte man schon vor Jahren unter den grünen Rasen gebettet. Da« Airchhof-tbor stand offen, und Erich trat in den stillen GotteSjrieden. Die Gräber der Eltern befanden sich hinter der Kirche; mit beschleunigter Hast schritt der Heim- arkrhrte dahin, während unwillkürlich Lbräncn fick nm seine Augenwimpern zeigten. Er entsann fick in diesem Augen blicke wieder ganz deutlich der stillen, schönen, bleichen Krau, an dereo Hand er al« Knabe denselben Weg gegangen war, wen» fi» de« Vater« Ruhestätte besucht hatten.
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