02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.10.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941009023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894100902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894100902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-09
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Denn beule schreibt diese selbe Feder: „Angesichts der für die zweit« Halite dieser Woche in Au-sicht stehenden Berathnngen des preußische» StaatSminisierium« über di« von der einen oder anderen Seite verbreiteten (?) Vorschläge gesetzgebe, rischer Mast,>al,me,i gegen die„Umsturzbestrebungen", um diesen tormi- ou» teediiieu» beizudehalten, haben weitere Erörterungen in der Presse kaum noch einen Zweck. Wie die Dinge stehen, dürsten solche «inen Einfluß aus die Beschlüsse uni so weniger ausüben, als die dem StaatSininisterium vorliegenden Entwürfe im Einzelnen oder selbst ihrer Tendenz nach sich der ffenntnißnahme weiterer Kreise entziehen. Wenn einige Blätter, wie die „B. Bors -Ztg " rc. sortfahren, von einer GesinnungSänderung des Reichskanzlers bezüglich der zu ergreifenden Maßregeln zu sprechen, so verfolgen sie damit lediglich taktische Zwecke, die für die sachliche Entscheidung nicht in« Gewicht fallen. Be- merkenswertd übrigens ist es. daß selbst die „Post" jetzt eingesteht, aus der Seite der Anhänger der aus die wirksame Bekämpfung der Socialdemokratie gerichteten Bestrebungen seien bedauerlicher Weise Aeußerungen nicht vermieden worden, aus denen sich eine persönliche Spitze herauslesen ließ. Wenn das Blatt aber sort sährt. die sensationelle Ausbauschung falle wesentlich derjenigen Presse zur Last, die das ÄönigSberger Programm in der Sache bekämpft, so ist cS ui» so seltsamer, als es doch auch der „Post" sehr schwer werden würde, den Inhalt dikses „Programms" zu prckcisiren. Die einzelne» Parteien haben darüber bekanntlich sehr verschiedene Ansichten; wer Recht hat, wird sich erst aus den Handlungen der Regierung ergeben lassen (?>, und diese wird man, wie die Dinge stehen, adwarten mästen. Nicht darum handelt eS sich, ob Aus- schreitungen der socialistischen Agitation bekämpft werden sollen, sondern ob man für gesetzgeberische Maß- regeln, die immerhin nur eine beschränkte Wirkung baden können, auf di« Gefahr hin eintretcn soll, einen Eooflict zwischen Reichstag und Regierung herbei- zuführen. Das, ein solcher Conflict im Sinne des »önigsberger Programm- liege, halten wir nach wie vor sür ausgeschlossen." Wenn diese Auslassung überhaupt einen Zweck hat. so kann cs doch nur der sei», die Welt daraus vorzubereitcn, daß au- den Berathungen dcS preußischen Staatsministeriums über Anträge beim Bundesrathe entweder gar nichts oder nicht viel herau-koniiiit, weil der Reichskanzler ini Reichs tage nicht turckdringe» zu können fürchtet und deSbalb lieber auf reick-gesetzliche Maßregeln zur Bekämpfung dcS Umsturzes verzichtet. Beruhigung wird durch eine solche Perspective doch wabrlich nickt erzeugt, auch wenn an- gedeutct wird. Gras Eaprivi werde sür seine Berzicktleistung auf reichSgesepliche Maßregeln die Zustimmung dcS Kaiser« erkalten. Gerate durch diese Andeutung wird eingestanden, daß vorläufig Gras Eaprivi diese Zustimmung noch nicht erlangt bat. Den „Krisengerüchten" wird dadurch wieder Thür und Thor geöffnet. Bor Allem wird wieder die Frage angeregt, warum Graf Eaprivi, der doch ein sicheres Urtheil über die Aufnahme, welche Vorschläge zur Ver schärfung reichsgesetzlicher Bestimmungen im Reichstage finden würden, nickt haben kan», den Weg vermeidet, der ibm -Klarheit verschaffen konnte: nämlich de» von seinem Vorgänger so oft und so erfolgreich betretenen Weg einer Verständigung mit den Fübrern der ausschlag gebenden Parteien. Wird dieser Weg hartnäckig ver mieden und wegen bloßer Bermuthungen über die Haltung des Reichstags der Versuch eines reich-gesetzlichen Ein- chreitcnS gegen die Umsturrbestrebungen unterlasicn, so kann man eS dem von dieser Bewegung beunruhigten und be drohten deutsche» Bürgerthum wabrlich nicht verübeln, wenn es nach Varzin und FriedrichSruh pilgert und dort Trost in seinen Sorgen sucht. Die Ultramontanen lieben eS nicht, wenn man auf die Tbatsacke hinweist, daß die katholische Kirche in den europäischen Rattanaltläteukäm-scn. bei denen das Dcutsck- thum bctheiligt ist, ausnahmslos die Partei der Gegner der Deutschen nimmt. AIS das .Leipziger Tageblatt" vor längerer Zeit im Hinblick auf da- Verhalten der Geistlichkeit in Posen und Westpreußcn aus jenes System aufmerksam machte, zeigte sich die klerikale Presse sehr ungehalten und machte sogar einen, natürlich gänzlich mißglückten, Versuch der Widerlegung. Während aber der UltramontaniSmuS das Gelten der Regel: .Unter allen Umständen gegen da- Deutschthum" ableugnet, handelt er ohne alle Scham nach ihr und zwar nickt nur auf den Schauplätzen der nationalen Kämpfe. Kaum war die Aufmerksamkeit weiterer Kreise aus daS Vordringen de« PolcnIhumS gelenkt worden, da waren die CentrumS- organe auch sogleich bei der Hand, um im Verein mit dem .specifiscken" Theil der Berliner Fortschrittspresse die Bestrebungen zur Erhaltung des DenlschtbumS als .Polen- Hetze" zu kennzeichnen und so den Polen Waffen gegen die Deutschen zu liefern. Wa» die letztgenannte Spielart der Presse angebt, so ist ihre Haltung in der Polcnfraae einer besonderen Betrachtung wcrth. Für heute nur die Bemerkung, daß cS gar kein geeigneteres Mittel giebt, dem An tisemitiSmuS in Kreisen, die sich ihm bisher verschlossen kielten, Eingang zu verschaffen, als die Parteinahme Berliner und sonstiger außerhalb der LandeStheile mit polnischer Bevölkerung wohnender Juden sür ein der deutschen Nationalität und dein preußischen Staate feindselig gesinnte- nationale- Element. Um aus die u l tra m on tauen Organe zurückzukommen, so nennt die „Germania" als da-jüngste Beispiel vonBoyco tt den in derBe- gründung begriffenen Verein zur Förderung des DeutschthumS in den Ostsceprovinzen, .von dessen positiven Zielen und Be strebungen", wie da« Blatt sagt, .bisher nur so viel bekannt geworden ist, daß die Deutschen in den polnischen (!) LandeS- theilen die Geschäfte und Handwerksbetriebe, deren Eigen- tbümer Polen sind, mit dem Boykott belegen sollen." Zunächst ist eS unwahr, daß nur von materiellen Bestrebungen des Vereins etwas verlautet habe. Vielmehr ist die ideale Aufgabe desselben stark und vor Allem betont worden. Die Erkaltung verdeutschen Sprache, die Sorge, daß der deutsche Schulunterricht aller Orten auch wirklich ein deutscher sei, und ähnliche Vorhaben mögen in den Augen der Ultramontanen, die die Treue zum deutschen VolkSIbum überall heidnisch und die anderen Nationalitäten überall gottgewollte Besonderheiten nennen, allerdings nickt für ideale gelten. Durch die Kennzeichnung der materieücn Bestrebungen de- deutschen Verein- vcrräth die .Germania" mit einer für die augenblickliche Lage vielleicht doch allzu großen Deutlichkeit, daß die Sache des PolenthumS die ihrige ist. E- ist dem Blatte wobl bekannt — sind doch seine Gesinnungsgenossen am eifrigsten bctheiligt —, daß aller dings in Posen längst au- nationalen Beweggründen ein großartiger Boycott vcrbängt ist, aber von den Polen über die deutschen Geschäftsleute, Handwerker, auch über deutsche Aerzte, Anwälte rc. Der deutsche Handwerker und Kauf mann wird dadurch, daß der Pole, will er sich nickt selbst geschäftlich unmöglich machen, nur bei Polen kaust, au das Schwerste geschädigt. Der deutsche Verein bezweckt nun, den deutschen Gewerbetreibenden wenigstens die deutsche Kundschaft zu erhalten oder zurusühren, und daS nennt dieselbe .Germania" Boykott, die fünf Zeilen vorher die Berliner Brauereilciter, die sich gegen den Bierverrus jusammengeschlossen, höchlich belobt und cS „tief bedauerlich" jindet, daß sich nicht alle Brauereien an der Abwehr des Boykotts bctheiligen! DaS ist nicht mehr die viclbeklagtc deutsche Gutmütbigkcit in nationaler Beziehung, sondern die bewußte Unterstützung slavischer Nationalität in ihrem Angriffskrieg gegen die deutsche. Es ist unbe stritten, daß in Böhmen, Mähren, in der Steiermark und ander.« österreichischen Kronländer» die Slaven daS Deutschthum c>n- engen und vielfach vernichten konnten, weil sie den nationalen Kamps von Anbeginn mit wirtbschastlicken Mitteln geführt und die in der Defensive befindlichen Deutschen zu spät die Furcht barkeit dieser Methode erkannt hatten. Wenn nun der Ultra montanismus für den deutschen Osten jene Angriffe billigt und deren Abwehr tadelt, so offenbart er eben sein Interesse an der Verdrängung der Deutschen, selbst derjenigen katholischen Bekenntnisses. Bon deutscher ossiciöser Seite wird heute initgetbcilt. daß die schwebenden Verhandlungen »er europäischen Groß mächte wegen des gemeinsamen Schutzes ihrer in Ehina lebenden Ünterthancn insbesondere der Festsetzung der Aclion-gebiete sür die Geschwader der einzelnen Mächte gelten. Zu gleicher Zeit liegt in der englischen liberalen Wochenschrift „Speaker" ein Artikel vor, der init wohltbucndcr Naivität cingestcht, welche Wünsche daS selbst süchtige Albion an daS gemeinsame Eingreifen der Groß mächte knüpft. .Wir müssen", so schreibt der .Speaker", .zur Sicherheit unsere- asiatischen ReickcS gute Beziehungen mit Ehina aufrecht erkalten und verhindern, daß cS Ruß land in die Hände falle und daß die Mandschu-Dynaslic bei dem nördlichen Nachbar Hilfe suche, wie einst die chinesische Ming-Dynastie bei den Mandschu. Der schwer erschütterte Thron würde angesichts großer Verluste an die Japaner indessen unstreitig stürzen, und deshalb kommt eS daraus an. Japan eine Warnung zukommcn zu lassen und eine gemeinsame Intervention, unterstützt durch die moralische Wirkung, welche die Anwesenheit der europäischen Flotten hervorbräckile, mag die Ansprüche der Japaner herab- mindcrn .... Unsere Hoffnung ist, daß Ehina vor Eintritt de« Winter- zu einer Verständigung kommt und dann, zum Theil wenigstens, seine Augen öffnet." Hu welchen Zwecke ? Der Leser crrätb wobl kaum, welche prächtige Kastanien die europäischen Mächte John Bull an- dem Feuer holen sollen. .England ist", fährt der .Speaker" fort, .ganz bereit, Ehina wieder auf feste Füße zu stellen. Wenn China die übrigen Depar tements seincrVerwaltung zu reformiren wünscht, wie sein Zollwescn, so würden sich leicht genug Engländer — daS einzige Volk, daS wirklich mit weniger civilisirten Völkern gut fertig wird — bereit finden, diese Aufgabe zu unternehmen." Ein Beispiel hierfür fällt Jedem sofort ein. Allein das Blatt — wohlzcmerkt ein radicaleS — läßt keinen etwaigen Zweifel übrig und fügt hinzu: .Die Eng länder können in Ebina im großen Maßstabe vollbringen, waS sie täglich in Egypten und Indien tbun.' — Der Gedanke, daS chinesische Riescnreick mit seinen 406 Millionen auf diese Weise unter seine freundliche Protection — Protektorat würde unangenehm klingen — zu nehmen, ist nicht übel. Diese Idee bat schon lange einen eifrigen Vertreter gesunden in Mr. Eurzv», dem tüchtigen UnterstaatSsecretair dcS Acußern im Eabinet Salisbury. Der Gedanke ist ja auch eigentlich conservativ. Besonders interessant aber ist es jedenfalls, solche Ziele in einem radikalen Blatt befürwortet zu finden, dessen Redakteur erst kürzlich wegen seiner Verdienste um die Partei die Ritterwürde erhalten bat. Dabei zu ver langen, daß die übrigen europäifchrn Mächte England zu diesem fetten Bissen verhelfen sollen, ist echt englisch Die Verwerfung de« Gesetzentwurfs über die Reccpticn der Juden (Gestattung de- UebcrtrittS zum Judenibum durch daS ungarische Magnatenbaus ist dem Cabinet Wekeric wie der liberalen Partei unerwartet gekommen. Noch in der Sonnabendversammlung de- liberalen Club» hatte inan daraus gerechnet, die Klerikalen würden dieser Vorlage keine Schwierigkeiten machen. DaS negative Erzcbniß der Ab stimmung ist daraus rurückzusühren, daß mehrere lutherische Geistliche, so die Bischöfe Zclcnka und Baltik, ferner der lutherische Obcr-Eurator Baron Desiver Pronan und dessen Bruder Baron Gabriel Pronay, endlich auch mehrere Aristokraten, welche bisher stets »nt der Regierung gestimmt hatten, wie Gras Emerick Szechenyi 8ou.. Graf Aladar Andrassy, Gras Nikolaus Zay, von der Abstimmung sich fernhielten. Allerdings sebllc» auch mehrere Mitglieder deS klerikalen Lager-. Oberstbos marschall Gras Anton Szccsen stimmte gleichfalls mit Nein. Ebenso Fürst Paul Esterbazy und Gras Elemer Battbvaiw. welche zum ersten Male bei den kirchenpolitischen Vorlagen von ihrem Stimmrechte Gebrauch machten — Die weitere Bcrathung der kirchcnpolitischen Vor lagen im Magnatcnhause wünscht die Regierung und die liberale Partei so bald als möglich beendigt zu sehen, damit die Angelegenheit im Unter Hause erschöpfend behandelt werden kann Letzteres bat gestern auch schon einen Beschluß in diesem Sinne gefaßt. (S. unter Oesterreich Ungar». Red.) Es ist sicher, daß die kirchenpolitischen Vor lagen im Unterbansc zum zweiten Male werden angenommen werden, wenn auch vielleicht mit etwas geringerer Mehrheit. Den Widerstand des Magnaten Hauses zu drecken,'wird daS Ministerium aller Wahrscheinlichkeit nach auch jetzt im Stande sein. Man spricht bekanntlich davon, daß durch eine Veränderung i»> EcniuS sicbenbürgische» liberalen Magnaten der Eintritt in das Oberbaus ermöglicht werden soll. Da aber dazu einige Zeit erforderlich ist, so wird vielleicht doch ein Druck der Krone aus die Hoswürdenträgcr stattsinden, um sic zum Fernbleiben von der Abstimmung zu veran- lassen. wa- bei dem Stärkeverbältniß der Parteien von entschcidrndem Einfluß sein kann. Die politische innere Lage ist nicht dazu angcthan, dem Kaiser Franz Joses den Gedanken einzuflößcn, ein Ministerium fallen zu lassen, daS eine Partei vertritt, die jederzeit sür den Ausgleich von 1867 mit Energie eingetreten ist. Nachdem der Eivilckc Entwurf die Genebinigung deS Herrschers und seine kräftige Unterstützung gesunden hat, wird Wckcrle bei den nebcnsäck licken Streitpunkten gewiß erst recht aus die Hilfe der Krone rechnen können. Die Hoffnung dcS vlämischen Volkes, daß in der neuen belgischen Kammer seine Muttersprache endlick zu Ehren kommen und die Gleichberechtigung mit der französischen erringen werte, scheint leider nickt in Erfüllung geben zu sollen. Die vlämischen Führer selbst sind über diese wichtige Frage uniinig, so daß deren Lösung noch in weiter Ferne liegt Der oberste Führer der Vlamländer, der Antwcrpcner Dcputirte EoremanS, dessen große Gcjolgschast den be deutendsten Einfluß besitzt, hat sich also ausgesprochen: „Vergessen wir nicht, daß Vas Recht der Wallone», französisch zu sprechen, ebenso geheiligt ist, wie das unsere, vlämisch zu sprechen. Bis zu dein Augenblicke, wo alle Gewählten di« beiden Sprachen kenne» werde», ist es unerläßlich, daß man sich in einer von Allen verstandenen Sprache ausdrückt. Nur um diesen Preis können wir Fe»iilleton. Der goldene Mittelweg. L2s Roman von Erich Rott. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Winkler batte die eine Hand auf die eine Schulter des Heimgekchrten gelegt. Er kalte ersichtlich mit einem jäh aussteigendcn Unmutb zu kämpfen. „Komm, sei kein Spiel verderber, sür unS ist die Vergangenheit todt, wir wollen immer einer glücklichen Gegenwart leben", versetzte er. Besangen ergriff Erich die ibm entgeaengestreckte Rechte de- BaronS und schüttelte sie leicht. „Aus gute Freundschaft denn, Herr Baron, verzeihen Sie, wenn ich . . . ein wenig... überrascht von dieser Verlobung bin, von der ick nichts ahnte, aber nehmen Sic meinen Glückwunsch und lassen Sie un gute Schwagerschafl halten." .Soll durchaus nicht an mir fehlen. Besten Dank für den Glückwunsch", versetzte Felix in kühlem Tone, indem er sich aus die Lippen biß. „Nun, ibr sollt schon den richtigen HerzenSton finden", sagte Eva, wäbrcnv sie die Hände der beiden jungen Männer ergriff. „Du, Felix, sollst bald verspüren, was cS heißt, unter der Last de» Pantoffel« zu schmachten, und Tu, Erich, wirst Dich al-dann »lit Schaudern und Entsetzen vom Ehestand obwenden und zeitlebens Junggeselle zu bleiben geloben." „So gefährlich wird da« wobl nicht sein", versuchte Felix zu scherzen, um dadurch dir immer noch unzcmütblich bleibende Stimmung etwa- ;» beben; ..diese» Pantöffelchen ist ja so klein und zierlich, daß man seine Last nickt sehr spüren kann." „Auf der anderen Seile habe ich mich auch schon sür den Ehestand entschieden", sagte der Heiingekebrtt, der einen raschen Entschluß gefaßt zu haben schien, „auch ick darf wobl die Kette der lleberraschungen um ein Glied vermehre». Auch ich bade heule schon den süßesten Augenblick, der eia ManncSherz zu erheben vermag, durchkosten dürfen — auch ich habe wich verlobt!" DaS junge Mädchen schlug die Hände zusammen. — „Nickt möglich", sagte es. „daS kling« za ganz romantisch." WinNer hatte die Stirn gerunzelt, schaute aber fragend den Enkel an, während Baron Thumar und sein Sohn rin eaaveutiouelle«, zurückhaltende« Schweigen beobachteten. „Ich traf an meiner Eltern Grab ein wundersam lieb liche- Mägdlein an, da» mir vor Jahren eine treue Spiel gefährtin gewesen war und dem ich ein unauslöschliche- Andenken bewahrt habe", fuhr Erich fort, während er mit tiefernstem Ausdruck den Blick erhob und die Anwesenden der Reihe nach anschaute, bis derselbe auf den sich ver düsternden Zügen des Großvater« basten blieb. „Die kleine Trudel von damals, vcS MüllerS Forschner Pflegekind, ist zu einer herrlichen Jungfrau gereist, diese ist'-, die ich Euch nun zuzusührcn gedenke, theure Großeltern und Schwester, und ich darf wohl heute schon bitten, sie freundlich in Eure Mitte als Verwandte auszunehmcn." Ein eisige- Schweigen folgte dieser Erklärung. Betrete» schaute die plötzlich ernst gewordene Eva bald auf ihren Bruder, bald aus ihren Großvater. Die ZorneS- adcr aus Winklcr'S Stirn war anaeschwollen und man sah cs ibm an, daß er nur noch mit Mühe einen Ausbruch de in ihm gährenden Jähzornes zurückhielt. „Du weißt vermuthlich nicht, lieber Erich, daß Deine Auserkorene, gegen die ich persönlich nichts ein- zuwcnden habe, da sie >m ganzen Dorf al« ein Muster der Sittsamkeit gilt und auch im übrigen die Adoptiv tochter de« braven Waldmüller- ist, auS sehr niedriger, verrufener Familie stammt?" begann Winkler mit tief- grollender Stimme. .Es ist ja die Tochter eine- bestraften Verbrecher-", schaltete der innge Baron ein, während er sich achselzuckend zu Eva wendete. .Da« kann unmöglich Dein Ernst sein, Erich", versetzte Eva. .Du scherzest doch nur?" Sie wollte sich schmeichelnd an ihn schmiegen; wich dann aber vor dem rrusteu Blicke be sungen Manne« betreten zurück. .Ich scherze nicht", entgegnet» der Letztere, während sein Blick selbstbewußt dem strengen de« Großvater« standbielt. .AIS ich Auge in Auge Gertrud zrgenüberstand, da überkam eS mich, ich weiß selbst nicht wie, aber ich weiß, daß ich nur an der Seite diese« Mädchen« glücklich werden kann. Wa» kümmert mich da« Fehlen ihre« Bater«? Gott im Himmel allein weiß, welche Schuld diesen unglücklichen Mann trifft", fuhr er fort, indem sein Blick die Augen de« Baron« suchte, „und wenn man der Väter Schuld den Kindern anrecknen wollte, würde manche Hochzeit nicht zu Stande kommen!" »Du beliebst in Rätbseln zu sprechen", meinte Winkler, während er unmuthig den Kops schüttelte. .Erlaß e« mir heute, Dir eine Antwort zu ertheilen, aber ea< Eine muß ich Dir beute schon sagen, in der Stunde Deiner Heimkehr, jenes Mädchen kommt niemals als Schwiegertochter unter mein Dach. Damit basta." ES schwebte dem jungen Manne eine heftige Entgegnung aus den Lippen und der alte Groll zwischen Großvater und Enkel schien wieder in lichterloher Flamme cmporzuzüngeln; aber bittend und beschwörend hängtc Evchen sich an seinen Hals. .Sri still, Erich, sich, ick bin so glücklich heute, weil Du wieder bei unS weilst", flüsterte sie leise, „über Deinen Herzenswunsch läßt sich ja noch sprechen. Macke mich nur z» Deiner Verbündeten, dann wirst Du schon den Sieg erringen." Aber ihr Lächeln verfing nicht bei dem ernsten Mann. DeS BaronS Gesicht war ausfallend blaß geworden; er hatte sich aus den Lehnstuhl niedergelassen, ein GlaS Wein eingeschenkt und dasselbe hastig hinuntergestürzt. Die Großmutter rief den Heimgekehrten zu sich. Besorgt hatte sie die Entwicklung deS Gespräche- verfolgt. Jetzt, als eS nicht sofort zum Ausbruch de» von ihr befürchteten Streite» gekommen war, athmete sie erleichtert aus. .Ich kenne daS Mädchen reckt wobl", versetzte sie, leicht u Erich gewandt, der sich zu ihr hcrabbeugte. „Es ist ein iebeS, holde« Geschöpf, Hab' c« oft an Deiner Eltern Grab gesehen, aber schau, mein Junge, da wirst Du schon dem Großvater entgrgenkommcn müssen. Er hat in seinem Leben immer streng aus Ehre gesebrn und man hängt doch nun einmal von seinem Namen ab." .Verzeih mir, Großmütterchen, Evchen bat recht. Es war reckt ungeschickt von mir, gleich in der ersten Stunde de« Wirber- sebens einen Mißton durch solche Erklärung bervorzuruscn", versetzte Erich, der vergeblich versuchte, den auf seinen Zügen lagernden Ernst durch rin Lächeln zu bannen. Winkler batte sich »u dem alten Baron an den Tisch ge setzt. .Komm, trinke, Erich", sagte er und schenkte die Gläser voll, .auf Deine glückliche Heimkehr!" Er hob da« GlaS und stieß mit seinem Enkel, der herantzetreten war und ein Glas ergriffen halte, au und sagte dabei mit leiser, nur dem Heimgekehrten verständlicher Stimme: .Hat schon wieder wettergeleuckiet zwischen unS, laß eS nicht zum Blitzen kommen Aus Deine Gesundheit, mein Junge!" Er führte daS GlaS an die Lippen und that einen kräsligen Zug daraus Eva erwies fick als geschickte Diplomatin , sie drängte den Heimgekehrten sanft in einen Stuhl nieder und verstrickle ihn sofort in ein Gespräch, stellte tausend Kragen an ihn, lachte und scherzte und krackte es richtig dabin, daß die Erinnerung an den erklungenen Mißlo» allmählich rinichlics und man mit Interesse Erick'S M»ll,eilu»gcii entgegen»»!',». Freilich, der alte Frohsinn wollte nicht wieder zum Durchbruche kommen. .Nun wird Deine Schwester eine Baronin", meinte Winkler im Laufe de« Gespräche«, eS geflissentlich vcrineident, dem Heiiiigekckrlen in die Augen zu schauen; .aber Ihr bleibt mir hübsch ii» Torfe", wendcle er sich an die Verlobten und hob schcrzenö tcn einen Finger wie zur Drohung i» ric Höhe. .Für Sic, Felix, habe ick Arbeit in Hülle und Fülle. Jetzt, wo Sic meiner Eva bald näher treten werden, will ich nicht- dagegen cinzuwenden haben, wen» die Säge werke noch bedeutend erweitert werten. Da läßt sich neck viel Geld gewinnen. Zudem ist jetzt auch mein Enkel da. der ei» tüchtiger Kaufmann sein soll . . . da inöckt Ibr Euch verständigen und daraus loSspeculiren. Walk ist noch genug vorhanden und an Kleingeld fehlt eS Gottlob auch nicht!" Erich gab keine Antwort. Er begnügte sich nur, ausmerk- sam den Ausführungen deS Alten zu folgen. Um die Lippe» dcS jungen BaronS aber zuckte ei» spöttische- Lackel»; die Aussicht, sei» junges Eheglück als Moleite» de« Sägewerke- im stillen, weltferne» Tbale verleben zu sollen, schien für ihn nichts sonderlich Verlockende- in sich z» berge». .Erst macken wir aber eine Hochzeitsreise, gelt?" sagte Eva. „Weißt Du, Großpapa, ick bin ohnehin noch nickt weit in der Welt herumgekoinmen — — und wenn Erich so gar in Amerika gewesen ist, darf ick dock wenigsten- nach Italien, wenn eS auch viel Geld kostet, gelt?" .Sei nur erst verbeiralbet", schmunzelte Winkler, .an mir soll eS nicht fehle», und etwa« Geld kann schon d raus gehen, da bin ich nickt so . . ." er füllte die Gläser und ließ daS Brautpaar hochlcben. Nach einer Weile erhob sich da- Brautpaar und ging Arm in Arm in den Garten, dir Großmutter mußte sich in die Küche begebe», um dort nach dem Reckten zu sehen Der Baron aber, welcher wobl ein wenig zu viel Wein gelruiikc» baden mochte und schließlich schläfrig geworden war, erklärte, nach Hanse gehen, aber gegen Abend wieder koimne» zu wolle». Winkler bot ibm an, den kleinen Selbsikiitschirwaaen niit dem stinke» Apfelschimmel davor, Beide« Eigentduin Evchen-, zu benutzen »nd ertkeilte dann auf Thumar'S ziistimmcnde Ant wort durchs Fenster einem Knecht den Bcsehl, anzuspannen. Der Baron empfahl sich; auch Erich erhob sich, um sich
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