02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.10.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941015024
- PURL
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- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894101502
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
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Tabellarischer und Zifferusatz nach höherem Taris. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der lüorqr». Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—. mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,S Uhr. V«t den Filialen und Annahmestellen >e ein» halbe Stunde srüher. Utchetgen find stet« an die Oxpetzittsir zu richte». Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig ^- 528. Montag den 15. Oetobcr 1894. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, l5. October. Die Organe der ReichSregieruua dürfen sich glück lich schätzen, daß sie in der Frage der Bekämpfung der Umsturzbestrebungen neuerdings wenigstens einigermaßen eingelenkt und das Vorhandensein einer für Staat und Ge sellschaft gefährlichen socialistischen Propaganda nicht mehr rund abgeleugnet baden. Sie müßten sonst stumm die Brand fackel wcitcrsresscn sehen, welche die Parteileitung der Social demokratie soeben geschleudert. Wir theilen an anderer Stelle einen Artikel des „Vorwärts" über das nenc Heil mittel gegen Diphtherie mit und sind überzeugt, daß Jeder, der das menschliche Gemüth auch nur oberflächlich kennt, dem llrtheil beistimmen wird, daß niemals von anarchistischer Seite maßloser und wirksamer gegen Einrichtungen und Menschen aufgereizt worden ist, als eS in dem von einem socialdcmokratifchen Führer berauSgegebcnen Blatte gcschiebt. Allerdings gegen Menschen, denn mit der „kapitalistischen Gesell schaft" wissen die Leute, auf die gewirkt werden soll, nicht» anzu- sangen, und wenn der Artikel nicht Gewalttbäligkeitcn zur Folge gehabt hat, so ist da» nicht Herrn Liebknecht noch der gerühmten socialdemokratischen DiScipli» zu verdanken, sondern dem allbekannten Umstande, daß Berlin ausreichend mit Schutzmannschasten und Militair verseben ist. Der «Vor wärts" sagt den Müttern: Ter CapitaliSmuS mordet Eure Kinder, er apostrophirt die Kinder: Arme Kinder, ihr müßt sterben, nicht weil Ihr erkrankt seid, sondern weit der Capita- liSmuS eS so will. Die also belehrten Mütter müßten keine Mütter, ihre Galten keine Männer sein, wenn dieser Schuld spruch in ihnen nicht die Begierde erwecken würde, an Gliedern dieser kaltblütig mordenden Gesellschaft Wiedcr- vergeltung zu üben. Und der .Vorwärts" selbst vertröstet aus drücklich aus den Tag der Rache. Wa« nützt eS, daß die Be schuldigung eine falscheist, sich aus eine Behauptung gründet, von der die socialdemokratischcn Fübrer selbst wissen, daß sic mit der Wabrbeit in Widerspruch steht. — das Gift ist eingetreufelt und wirkt! Die unentgeltliche Ueberweisung de» Hellmittel ist nicht durch den Mangel an Fonds verursacht, sondern durch Mangel au auch nur annäkernd ausreichenden Mengen von Blutserum. Dieser Mangel wiederum ist bedingt weniger durch die Kostspieligkeit der Herstellung, sondern dnöch den Um stand, daß daS neue Mittel bi- vor Kurzem nicht erprobt war, eS auch heute noch nur in einem beschränkten Maße ist. E« ist selbstverständlich, daß man eine Arznei, so lange ihre An wendung noch den Charakter des Experiments trägt, nicht in Mengen hcrstellt, die dem muthmaßlichcn allgemeinen Bedarf genügen. Dem raschen Uebergang vom Expcrimenliren bis zur allgemeinen Verwendung stand und steht aber die Lang wierigkeit de- Herstellungsverfahrens entgegen. Der Mangel an Blutserum bat auch die Zahlungsfähigen und Reichen berührt. Uns ist zufällig aus der Mitte der verflossenen Woche der Fall bekannt, daß ein angesehener Berliner Arzt, der zwei Kinder einer sehr wohlhabenden Familie an Diph therie zu behandeln hatte, sich über eine» kalben Tag ver geblich um daS Mittel bemüble. Indessen wenn das Blut serum auch unentgeltlich auf Vorrath in jedes HauS geliefert würde, der CapitaliSmuS bliebe doch ein GewohnheitS- inörder. Der „Vorwärts" sagt eS ja: „Wenn selbst Staaten sich dazu entschließen, Summen für diesen Zweck au-zuwersen, würde darum unser Urtheil über sie milder auSfallcu? Mit Nichten Sic lhaten es dann ja doch nur deswegen, weil dieser speciclle Fall zu stark zum Himmel schreit und zu sehr geeignet ist, auch dem Dümmsten die Culturwidrigkeit und die schauderhaften Folgen de- CapitaliSmuS zu Gemüthe zu führen. Am Princip jedoch würde dadurch nichts geändert werden." Diese Erklärung unversöhnlicher Feindschaft sei dem „Rcichsboten" empsoblen, der lediglich durch sociale Maßnahmen die Socialdcmokratie un schädlich machen zu können glaubt. Wir unserseits sind der Meinung, daß der Staat, der durch fortgesetzte Duldung solcher Unterwühlung seiner Existenz nicht zur energische» Abwehr gedrängt wird, sich selbst aufgiebt. Wenn die Norh- wendigkeit, im Interesse der Ausrechterballung der Ord nung die bestehenden Strafgesetze zu verschärfen, noch eine» Beweises bedurft hätte, der „Vorwärts" Kälte iln jetzt er bracht, und die Regierung braucht ih.er Vorlage keine andere allgemeine Begründung, als jenen Artikel über das Blutserum, vorauSzuschickcn. Wenn auch die Reise deö preußischen CultuSministerS llr. Bosse nach Posen und seine Unterredung mit dem Erz bischof vr. v. StablcwSki keinen politischen Zweck gehabt baden sollte, so wird die polnische Propaganda doch sicher lich in den Sitzungen des preußischen StaalSministcriumS zur Besprechung kommen. Das ist umso nötbizer, je rascher die einschüchternde Wirkung der Warnung, die der Kaiser in Tborn den undeutschen Störensricden bat zu Tbeil werden lassen, verflogen ist. Selbst die polnischen Blätter der zahmeren Richtung, wie der „Cur. Pozn.", gcberdcn sich beute, als ob von polnischer Seite kein Wässerchen getrübt wäre und als ob die Deutschen schweres Unrecht abzubüßen hätten. Genau in dem Tone, in dem Herr Florian v. StablcwSki über polnische Angelegenheiten gesprochen, als er noch Ab geordneter war, spricht der „Cur. Pozn." von der Undank barkeit der „deutschen Einwanderer", die „auf unsere (d. h. der Polen) Kosten Brot und Ansebcn gesunden". Man behauptet, daß diese an Vermögen und Ansehen gewachsen seien, während man die Polen an den Bettelstab gebracht und verfolgt babe. Der Hang zur Lüge ist, wie die „Magdeb. Ztg." mit vollem Rechte hervorhebt. bei den „ritterlichen Polen" immer mit dem zur Liederlichkeit parallel gegangen. Nur so erklären sich auch Bchauprungen in einem dem ersten Geistlichen der Provinz nahestehenden Blatte, die der Wahrheit direct in» Gesicht schlagen. Wie die „deutschen Einwanderer" vor einem Jahrhundert die jetzige Provinz Posen fanden, da» ist selbst der armen polnischen Bevölkerung noch nicht ganz fremd geworden. Dennoch leben Söhne, die auf den Rücken ihrer Großväter die Wobltbaten de» polnischen AdelörcgimentrS eingegerbt gesehen haben. Und wenn beute blühende Städte an der Stätte der Ocdenei und Uncultur entstanden sind und auch ein kräftiger und vcrhältnifl- mäßig wohlhabender Bauernstand beranwächst, so weiß man, daß dies allein der preußischen Regierung und den Opfern zu verdanken ist, die die Gesammtheil der deutschen Bewohner Preußens ihren in Elend verkommenen polnischen Mitbürgern dargebracht hat. Wahrlich, wenn eine Rechnung ausgemacht würde, was die Polen gegeben und empfangen haben, die Deutschen würden dabei nicht schleckt zu stehen kommen, und nur die Verlogenheit der die Interessen der polnischen Geistlichkeit und des polnischen Adels vertretenden Polcnprcsse vermag die von deutscher Seite empfangenen Wohlthatcn in Abrede zu stellen. DaS Organ de» Orleanismus in Frankreich, der „Svleil", entbält ein sehr bemcrkeuSwertheS Gestäudniß. ES erkennt an, daß die Monarchie ganz vergeben- gegen die Republik Sturm gelaufen und die Verschwörung vom 16. Mai, bei welcher der Staats-Chef Marschall Mac Mahon als Verbündeter de» Duc de Broglie ausgetreten ist, ebenso kläglich gescheitert sei, wie der Aorist des Grasen von Paris und die Intriguc mit Boulanger. „Wie lies wir auch gefallen sein mögen", schreibt der „Soleil", „so bleibt uns doch ein lindernder Trost. Tie Republik, welche daS Gebiet siegreich behauptet, hat in ihrem Fleische einen furchtbaren Psabl stecken: der SocialiSmuS bat sich an ibr festgesetzt und läßt sie nickt mebr loS.^ Wie wohl tbut die» un» Invaliden der Politik, ein solche» Schau spiel zu betrachten und die gesegnete Stunde abzuwarten, da die Republik den Gnadenstoß erhalten wird." Offenbar ist eS der Herzog von Orleans, von dem der „Soleil" diesen Gnadenstoß erwartet. Ganz grundlos ist die monarchische Spekulation auf die unfreiwilligen Dienste des SocialismnS allerdings nicht, denn derselbe bat trotz seine» osjenkundigen FratcrnisirenS in Frankreich einen solchen, aus alle Gescll- schasiSscbichten sich erstreckenden Einfluß erlangt, daß man in ibm zweifellos den gefährlichsten Gegner der Republik erblicken muß. Zückten der SocialiSmuS und die socialistisck angehauchte Gesell schaft noch weiter den Anarchismus und bringen sie eS dabin, daß derselbe einmal da» Hcst in die Hand bekommt, so kann ein Umschwung nicht auSbleiben, der sich, wie man unschwer voraussehen kann, nur in reactionaircn Bahnen bewegen würde. DaS Bestreben der russtsch-arthatzoxeu Kirche, die Allein- Herrschaft auf geistlichem Gebiete in ganz Rußland an sich zu reißen, ist allgemein bekannt. Dieser Kampf der „Ortho doxie" gegen alle Andersgläubigen nimmt bald mebr. bald minder deftige Formen a». erstirbt aber nie gänzlich. Gegenwärtig liegen abermals verschiedene Anzeichen vor, welche daraus hinzudeuten scheinen, daß die orthodoxe Kirche einen neuen allgemeinen Feldzug, gewissermaßen einen Kreuzzug, gegen die „Ungläubigen" vorbereitet, welche innerbald der Grenzen des russischen Reiche» leben, und eS hat den Anschein, als sollte der Angriff zuerst gegen die deutschen Colo nisten im südlichen Rußland gerichtet werden. BiSber ließ man dieselben so ziemlich in Rukc ibrcn Arbeiten nachgeben, nunmebr aber baden sie daS Mißtrauen der russischen Behörden aus sich gezogen, weil sich die Ansicht festgesetzt bat, daß sie den „Stund iSmuS" unterstützen. Bekanntlich ist der sogenannte „StundiSmuS" eine religiöse Seele. welche in vielen Puncten mit der lutherischen Lehre eine Verwandtschaft ausweist. Millionen von Russen, beson der» im südlichen Tbeile de» Lande», bekennen sich zum StundiSmuS, obgleich sie sich osficiell als „orthodox" erklären und den Priestern der Staat-kirche die üblichen Abgaben be zahlen, um nicht den strengen Strafen zu verfallen, welche in Rußland auf den Abfall von der orthodoxen Kirche gesetzt sind. Nach der Meinung der führenden Geister der orthodoxen Kirche findet der verhaßte StundiSmuS seine Hauptstütze an den deutschen Colonisten. Gegen diese müsse sich daher der Hauptschlag richten, dann werben auch die Stundistcn von selbst verschwinden. Die Zeitung „Iußjni kraj", welcher man intime Brziebungen zur orthodoxen Geist lichkeit nachsagt, predigt bereit« den Feldzug gegen diese Colonisten. Sie weiß zu berichten, daß die lutherischen Prediger derselben jede Gelegenheit benützen, um die orthodoxe Kirche und ihre Gebräuche, ganz besonders das Anbeten der Heiligen und der Reliquien, zu verhöhnen. Diese Angriffe, welche sich in anderen russischen Blättern wiederholen, werden wenigsten» von einer einflußreichen russischen Zeitung zurück- ewiescn. Die liberale St. Petersburger Zeitung „Rußkaja jiSn", welche immer bereit ist, sllr Religion»-und Gewissens sreiheit eine Lanze zu brechen, wendet sich mit treffender Ironie gegen das brutale Treiben der genannten Organe der Orthodoxen und meint, cs wäre vielleicht da» Beste, wenn man nicht nur den deutschen Colonisten, sondern auch den katholischen Polackcn, den mohammedanischen Tartaren, den Kirghisen, Jakuten u. s. w. ein consilmm ubeuucii crtbeilte. Hierauf sollte man, so fährt das Blatt fort, unter Leitung chinesischer Architekten eine hohe Mauer ringS um Rußland aussührcn lasten, damit die echten Rüsten künftighin innerhalb derselben ungestört bleiben könnten und in ihrer Selbst- anbctung und in der Bewunderung ihrer vorzüglichen Staats ordnung nickt mehr gestört werden würden. Köniz Alexander »an Serbien ist gestern in Pest au- gclangt und vom Kaiser Franz Joses mit allen Ehren, welche einem gekrönten Haupte gebühren, empfangen worden, und ein gleicher Empfang wird ihm zweifellos auch in Berlin zu Tbeil werden, wohin der König zunächst seine Schritte lenken wird. Man hat die Reise de» jungen Alexander so gedeutet, als suche er einen engen Anschluß Serbiens an die Dreibundmäckte berbeizusühren. Dieser Deutung ist bekanntlich der serbische Gesandte in Petersburg, Wassiljeivilsck, auf das Bestimmteste entgegengctretcn. Derselbe äußerte einem Gewährsmann der „Nowostr" gegenüber: Er könne die Versicherung geben, daß alle derartigen Gerüchte aui Ersindung beriihcn. Soweit il»» die Verhältnisse bekannt seien, hätten die bevorstehenden Besuch« deS Königs Alexander keine andere Bedeutung, als die eines HöflichkeitsacteS. Vor drei Jahren habe König Alexander den russischen Hof besucht, jüngsthin sei er in Konstantinopel zu Gast gewesen, nun habe er de» begreislichen Entschluß gefaßt, auch den Kaiserlichen von Oesterreich und von Dcuischtand Besuche abzusialicn. Längst schon habe Kaiser Wilhelm dem serbischen Gesandten i» Berlin, Herr» Boghivchevitsch, den Wunsch auSgedrückt, de» König als seinen Gail z» begrüße»; eo sei nur zn natürlich, daß der König Alexander diesem Wunsche einnial Rechnung trage. Und eS würde sich sonder- bar aiiöiikbmen. wen» der König »nienvrg« nach Berlin nicht dein Kaiser von Oesterreich seinen Bciuch adslalten wollte. Einer Festigung der herrschenden Dynastie bedürse eS auS dem einfachen Grunde nicht, weit diese Dynastie ohnehin schon eine hinreichend mächtige Stütze an der Liebe der Volker habe; außerdem habe die Festigung der Dynn'lie inil dem cvciiliiellcn Anschlüsse Serbiens o»^ den Dreibund gar nicht« zu thun. Der junge König, welcher sich der Sympathien des Kaisers von Oesterreich und de» denlschen Kaisers erfreue, würde durch seinen Besuch diese Sympathien ganz gewiß nur vermehren, allein hieran-; dürfe »och lange nicht gciotgcrt werden, daß König Alexander dies« Llnnpalhien im Interesse der Sicher- heit ienies Hause« gegen etwaige Jntriguen der Karageorgiewusc» und Anzettelungen dcr jonjiige» inneren Feinde des. Lander suche. Eine solche inehr als zureichende Sicherheit sei in der Liebe des serbischen Volkes, wie auch ui den dem Könige persönlich, als auch dem ganzen serbischen Volke geltenden Sympathien Rußlands zu erblicken. Die politischen Neigungen des Ex König« Milan kommen nur sehr wenig, ja gar nicht in Betracht. Vor allen Dingen sei er um das Wohl seines Sohnes besorgt, und schon deshalb könne er Letzterem einen Anschluß an den Dreibund un möglich anratheu. Nur zu gut erinnere er sich, daß ihm selbst die Syinpathien für den Dreibund die Sympathien seines Volke« ge kostet haben, und in ganz Serbien fände sich kein Menjel. der nicht für «in Bündniß mit Rußland wäre. Ganz ab gesehen von den beiden Parteien, über deren Sympathien in Ruß land nicht der geringste Zweifel bestünde, die Radikale» und Liberalen, seien selbst die Naprebujaken Rußten) zugeneigt, höchsten« hervoc- ragende Vertreter dieser Partei ausgenommen, deren Synipatbicn Oesterreich gewonnen habe. Im Uebrigen bedürfe Serbien rincc friedlichen und ruhigen äußeren und inneren Politik, »nd dies sichre zu der Nothwendigkcit, g,»>- Beziehungen zu all,» Mächten zu untci- halten und etwaig« gewagte Schritte zu vermeide». DaS ist im Ganzen eine sehr vernünstige Sprache. Denn in der Thal würde König Alexander sich einem großen Irrtbuin hingebcn, wenn er glauben sollte, die Vertreter dcr Dreibund mäcklc vermöchten ibm mehr als persönliche Synipatbicn entgegcnzubringen. Weder Deutschland »och Oesterreich, deren Politik tabi» geht, die besten Beziebungen z» Rußland an- zuknüpscn und zu erbalten, sind in der Lage, sich politisch snr Serbien zu engagircn: ein solcher Schritt könnte nur aus Kosten dcr Freundschaft mit dem russischen Nachbar geschehen und wäre eine schwere Bedrohung deö europäischen Friedens. Aber auch Serbien selbst kann auf die Sympathie» Rußlands nicht verzichten, da» weiß dort Jedermann, denn cs Fettilletsn. ver goldene Mittelweg. 87s Roman von Erich Rott. Nachdruck »erbeten. IFortsetzung.) Während die Bauern nur zu geneigt waren, in ibrer mißtrauischen, beschränkten Art alle- Neue und Ungewöhn liche weit von sich abzuwcisen, und während sie sammt und sonder- sich Wehl bedacht Kaden würden, ehe sie trotz aller der gepriesenen Vorzüge Gertrud - ihre Einwillignng ge geben hätten zur Heirath derselben mit einem ihrer Söhne, fanden sie eS nun ganz in dcr Ordnung, daß der Heim gekehrte sich sofort mit ihr versprochen hatte. Am liebsten hätten sie, wenn eS in ihrer Macht gelegen, den starrköpfigen Bürgermeister gezwungen, sich mit dem Handel einverstanden m erklären. Da dies nun nicht ging, begnügten sie sich mit Schimpfen und Wettern. Die Schankwirthe schmunzelten, denn sie machten bei der erregt geführten Debatte die besten Geschäfte; warben doch dabei die Kehlen trocken und immer auf» Neue mußten die Schoppengläser gefüllt werden. Gertrud war sreilich in Erich gedrungen, nicht um ihret willen den Unfrieden mit seinen Verwandten berbei,„führen. „Schau, ich Hab Dich so lieb, wie ick keinen Menschen jemals lieb gehabt bade, noch lieb haben kann", versetzte sie roll Innigkeit, „aber es wird mir immer al- ein trüber Schalten durch de» Sinn geben, wenn ich mir » immer aus» Neue vorsagen sollt', daß um meine Schuld Du Unfrieden mit Deinen Angehörigen hast." Aber da hatte Erich nur die Arme um sie geschlungen und sie innig aus die frische» Lippen geküßt. „Du bist fortan meine Hcimath und mein Vaterhaus, Gertrud", hatte er lies empfunden gesagt, „soll ich denn immer Dir c» Wieder bolen, daß nur Tu es gewesen bist, die mich in die Heimath zurückgesührt bat? Die Anderen baden mich nie verstanden, und vollend» zwischen mir und dem Großvater liegt eine un überbrückbare Kluft. Mein Schwesterlein aber, die Eva, mag glücklich werden. Sie hält zum Großvater und empfindet »>cht gar so schwer, daß Unfrieden eingetrrten ist." Damit batte per Heimgekebrte nun freilich Recht. Scho» am Tage nach dem Bruche war er auf der Straße, ein wenig abseits vom Dorfe, dem zierlichen Korbwägelchen mit dem Schimmel davor begegnet. In dem selben hatten Eva und ibr Bräutigam gesessen, die so sich zum ersten Mal vor aller Welt zusammen gezeigt hatten. Auch Evchcn hatte den deS Wege» daberkommeadcn Bruder wahr- gcnommen gehabt, und eine glühende Röthc war dabei über ihr Gesicht gehuscht. Es batte zuerst den Anschein gehabt, als ob sie mit jähem Zügeldruck daS feurig ausgreifende Pferdchen anhalten gewollt, aber auch dcr junge Baron halte Len Dabcrkommendcn bemerkt, und einige flüsternde Worte batten hingereicht gehabt, um daS junge Mädchen von seinem Vorsatz abzubringen und diese- abseilS vom Weg blicken zu lassen, so den Anschein erweckend, als ob sie, im ticsen Ge spräch mit dem Verlobten verwickelt, den Dorüberschrcitcnden gar nicht wahrgenommen hätte. Ein ungemein wehmüthiges Gefühl hatte dabei Erich - Herz durchzuckt: also auch in der kaum wicdcrgefundenen Schwester Herzen war er bereit« verurtheilt, ohne gehört worden zu sein. Aber er war weit davon entfernt, Evchcn darum zu grollen, er konnte cs Wohl begreifen, daß sie eS weder mit dem Großvater verderben konnte, noch wollte. Sie mußte an dem alten Manne, der in fanatischer Ver ehrung an ihr hing und sie gewissermaßen zum anderen Götzen seine» Ich geschaffen batte, mit unsäglicher Liebe hängen und darum Alle- vermeiden, wa» den Großvater zu kränken vermocht hätte. Zu alledem kam der Einfluß deS Bräutigam», da mochte die Waagschale zu Gunsten de- Bruder» freilich hoch in die Luft ausflattern. Frau Barbara « Liebe dagegen erfüllte den Heimgekebrten mit Stolz. Die alte Frau hatte freilich zuerst auch in Erich gedrungen, doch oack Möglichkeit schon um ihretwillen cin- zulenkcn und klein bcizugrben; als aber Erich ibr tief in die Augen geschaut und gesagt batte: „Großmütterlem. daS kann Dein Ernst nicht sein. Sieb, wenn eS nun Deine Ehre wäre, die die Welt mit Füßen träte, und ein Anderer wüßte, daß Du unschuldig bist, kann'- nur nicht gleich er weisen, sondern müßte kämpfen um Deine verloren gegangene Edre. wäre der nicht ein Schurke, thät er's nicht? Unv wa» wäre da» für eine Lieb«, die schon in sonniger Kinderzeit begonnen und sich durch die Trennung fortgesetzt bat. Iakr um Iahr.dieimmer, obne daß Eiaervom Anderen gewußt, stärker gewachsen ist in dcrBrust.bi« sie endlich, zu lichtcrlobenFlammen angefacht, da« andere Herz ergriffen »»d an sich gerissen bat, die, kaum daß der Sonnenschein wirklich und wahrhaftig auf- gegangen, schon wieder nur aus eines ungünstig Gestimmten Machtwort hin bereit wäre, in sich zusammenrusinken! . . . nein, Großmütterlein, in mir lebt meiner Mutter Sinn: Sie bat'S gegen Euch Beide durckgesetzt, meinen Vater zu heiratben, uud wenn auch das Leben ihr Unglück dafür gebracht hat, ich weiß eS, bis zu ihrem letzten Athcmzuge hat sie eS nicht bereut . . " da hatte sie seufzend gemeint: „Ja. daS sagte ich dem Großvater auch schon. Du flößest ibn so ab, weil Du au» seinem Holz geschnitzt bist. Nimm'S nicht ungut, Erich, aber Du hast gerade einen so barten Kops wie er, vielleicht indeß ein weichere« Herz; daS hast Du von der Mutter sicherlich. — Na, einerlei, ich thu' nicht mit; für mich bist Du zurückgekchrt — Hab' mich uur ein wenig lieb, 'S ist ja nit mehr lang, waS ich aus Erden zu schalten und zu walten Hab'." Dann batte sie Erich in so zärtlicher inniger Weise ge beten. womöglich am Orte zu bleiben und sich in Erwartung deS Augenblickes, in welchem Winkler sein Unrecht einsebcn würde, eine LebenSzukunst daselbst zu gründe», daß Erich gerührt ihr um den HalS gefallen und ibr Anerbieten an genommen hatte» auS ihrem eigenen Vermögen, da» ja doch später ihm einmal zusallen würde, schon jetzt einen Tbeil vorweg zu nehmen und mit zäher Kraft zu versuchen, was Dauerhaftes zu schaffen. Auch Müller Forschner, der kopfschüttelnd einige Tage herumgeaangen war, trat eines Morgens nach schlaflos ver brachter Nacht au den unter seinem Dache als Gast Weilenden heran. „Ich werde Euch mal WaS sagen", versetzte er, nachdem er Erich unter dem Arme gefaßt und mit ibm binter die Mühle in den Baumgarten gegangen war, dessen in vollem Sommerschmuckc prangenden Bäume schon das Spiel der kleinen, unzertrennlichen Spielgefährten mit angeschaut hatten. „Ich bin mit niemer Frau in« Reine gekommen. An dem starren Sinne de« Winkler darf Euer LebenSalück nicht scheitern. Die Gertrud ist so gut, als ob'« mein Kind wäre, die hat » um uns verdient, daß wir fest zu ihr stehen — und wa» ihren Vater betrifft, so ist e» mir eigen durch den Sinn gegangen, der Herrgott allein weiß e«, ob er die schwere Heimsuchung verdient bat. Kur» und gut, ick bin ein alter Mann unv will mich jetzt zur Rüde setzen, ober wenigsten», ein Anderer soll schaffen unv wirken, mitlhun will ich schon noch ein wenig, soviel ich kann und da Hab' ick denn gemeint, man könnte dem Winkler auch einmal aus die Finger klopfen. Der tbut so protzig mit seinem Sägewerk. — Hier haben wir ja die Mühle schon und ich mein, es müßt' sich bald einrickteli lasse», daß wir auch ein Sägewerk da zu Stande brächten. Ich weiß, eine Menge Bauern im Gebirg würden gern ibr Holz bei uns schneiden lassen, denn dcr Winkler thut'S nur ans Barmherzigkeit, dabei hat er schon viel zu viel zu tlmn mit seinem eigenen Holz, er frißt ja ganze Wälder auf mit seinem Thun. Nun ja", schloß Forschner, den jungen Mann dabei anlachend, „da meine ick» denn, da- wäre etwa» für Euch, um Euch ei» warme« Nest zu gründen. Ihr beiratkct in Gottes Namen bald, langer Braut stand taugt in keinem Fall, und ich gebe die paar Batzen ber, die ick auf dcr hohen Kante liegen habe. Ihr sangt mit frischem Wagcmuthc und frohem Gottverlraucn an, ich thuc mein bescheiden Thcil dazu, und es müßt' doch seltsam zugehcn, Wenn wir eS nicht zu etwa» brächten!" „Ihr seid ein guter, braver Mensch", murmelte Erich tief ergriffe», während er Forschner» Hände drückte, „nun gebt Ihr mir erst den rechten Frohsinn wieder! Ick bade erst gebangt vor dem Augenblick, wo ich vor Euch trete» und sagen müßte, daß meines Bleiben« hier am Orr mit meinem jungen Weibe nicht länger sei, da ich als Kaufmann mir vier keine Existenz gründen könne. Nun aber — Vertrauen gegen Vertrauen", fügte er hinzu, „schaut, in Amerika, da bab' ich die Auge» wacker aus gemacht; da war ich zuletzt auch in einer großen Dampf- schneidrrei als Buckbalicr anaestellt. Da wurden aber die Stämme nickt wie hier aus die Eisenbabiiwagen geladen »nd weit ins Reich bineingelchickt, die blieben fein säuberlich in dcr Mühle, wurde» »ickl nur zersägt, sondern auch gemahlen, und auS den Holzfasern tn wurden Euch alle möglichen Gegenstände bcrgeslellt, selbst Eisenbahnwagen, Räder und ganze Häusermaucrn ... »nd da ich die Angen wacker aus- gcballen bade und auch mein Principal mir gewogen war. weiß ick ganz genau, wie eS gemacht wird, »nd ick glaube, daraufhin könnten wir eS wagen; da« heißt, nicht dem Großvater eine Eoncurren; gemacht, daß ec mir zürnen kann, sondern ein ganz neuer, eigener Betrieb kommt dann in- Dorf." Müller Forschner nickte vielsagend mit dem Kopf. „Ick vertraue Euch ganz und gar, wenn Ihr eS mir auch »och genauer auScinaiircrsetzcti müßt mit der neumodische» Fabri kation", versetzte er. „Die Welt wird mit jedem Tag ander». Wer bat zu meiner Zeit etwa», davon gewußt, aber recht soll mir'» sein, wenn nur brav Batzen in» HauS kommen und Ihr mit Eurem Weibe glücklich und zufrieden lebe» könnt!" (Fortsetzung folgt.)
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