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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.10.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941017017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894101701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894101701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-17
- Monat1894-10
- Jahr1894
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Ver*gr-Prei- ß, »er Ha«pt»i»Kfftian oder de» Im Stad», daatrt and dra Vororten errichteten An», aabeftellen ab,«holt: vierteljLhrlich^l1.S0z de« »»«im->'-»r tL,lich« Zu stell-», io» Ha,» » 5.5L Durch die Post bezogen iür Deulschlaad und Oesterreich: vierteljährlich ^g g,—. Direcle tägliche Kreuzdanüiendua, i»> Autlaud: monatlich 7.50. DteMorgen-Aulgab« erscheint täglich '/,7Uy^ di» >dend»>u»gab« Wochentag» 5 Uhr. Le-artion und Lrpeditio«: 2»hanneS,affe 8. Ll» Ervebition ist Wochentag» nnunterbroche» gedffuet »o» ftüh 8 bi« Abend« 7 Utzr. /Malen: Lee» Ule««'» Lortim. (Alfred Universität«s»robe 1, Ls«i«LS,che. Nacharinrnstr. 14, pari »nd KSnlasvlatz ». Morgen-Ausgabe. 'cm rigcr.Tageblatt Anzeiger. Organ filr Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Nnzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamea unter dein Redaction-strich (»,,' spalten) 50^, vor den Familieanachrichte» (8 gespalten) Erobere Schriften laut unserem Preis» vrrzeichmb. Tabellarischer und Zissernsatz »ach höherem Tarif. Optra-Veiiagen (gesalzt), nur mit der Nlorgen-Au-aabe, ohne Postbesorderuag 60—, mit Posidesörderung 70.—. ^nnalfmeschluß für Anzeigen: Abend«Au»gabe: Vormittag» 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittag» »Uhr. Sonn, und Festtag» früh V,S Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde srührr. Anteile« sind stets an di« Er»e»tt»,n zu richten. Druck und Vertan von E. Polz in Leipzig 531. Mittwoch den 17. Oktober 1894. 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Sitzung der Stadt- Nachtrag zu der Tagesordnung sür die öffentliche Sitzung »erordnetrn. Mittwoch, den 17. Oktal»« »891, Abend« 7 Nhr, im Sitznngssaate am Naschmarktr. Bericht des Lau-, Lekononiie. und FinanzauSichnsses über a. die Raiksvorlage, betr. Verlaus einer Arealfläche in Leipzig- Eutritzsch an die Herren Wölker u, Ben., und ein Abkommen wegen Durchführung der Langen Straße; d. «in Alkoinmen mit Herrn Södel über Arealerwerbung rc. zum Zwecke der Verbreiterung der Bornaischen Straße. Leipzig, am 16. Lctober 1894. Ter Stadtberordnrt,«-Vorsteher, vr. Schilt. riicolaigymiialinm. Tie Anmeldungen für die nächste Lstrraufnahme nehme ich chon am 2ö., 26. und 27. Oktober Vormittags von ' ,1> bi- ',1 Uhr n meinem Dienstziminer lllkünigsstraße 30, pari.) entgegen. Gleich bei der Anmeldung erbitte ich mir eine Geburlsurkand», den Jmpi- chein »nd die letzte Schulcensur. Persönliche Vorstellung der Knaben st erwünscht. Leipzig, den 16. Oktober 1894. Prof. vr. Otto Laewwel, Recior. Bekanntmachung. Die Oiitschädigung für die in Lripjig-Gohli» vom IS. zum 20. Septeniber d. I. in der Anton-, Augusten-, Vröder-, Vöttcherstratze, im verggätzche», in der Eisenbahn-, Marten-, unteren Georg-, äußeren Hatteschcn-, Haupt-, Nurtftratzr, nm Nirch-Platz, in der Langen-, Lmdrntbalrr-, Linden-, Mittel-, Schiller-, Seiten- und Ltiststratze »inquariiert gewesnen Truppe» vom königl. 7. Z»fa»tcrir-«egi«ient „Prtzij Georg" Rr. Itsti, kann in den nächsten 8 Togen bei unserem Quarticrainte, Nalchmarkt Nr. 2, im Erdgeschoß links, Zimmer Nr 30 «rdobcn werden. Ter da- Quartierbillet Vorweisende gilt als zur Empfang nahme berechtigt. Leipzig, am 16. October 1894. Ter «ath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Laniprecht. Lauplah-Verfteigernng. Der der Stadtgcmcinde gehörige, an der Ecke der Göschen- und der Nostitzslraße in Leipzig-RenLnitz gelegene Bauplatz Nr. 13 de» ParcellirungSplaneS Nr. 6527 D. V. von 615,3 gm Flächen gehalt soll Montag, den 22. dsS. MtS. Vormittags 11 Nhr im alten PolizeiaintSgebäude ReichSstraße Nr. 3, I. Obergeschoß, Zimmer Nr. L3 zum Verkaufe versteigert werden. Der Versieigerung-termin wird pünctlich z»r angegebenen Stunde eröffnet und die Versteigerung de» fraglichen Bauplätze» geschlossen werden, wenn darauf nach dreimaligem Au-rufe lein weilere» Gebot mehr erfolgt. Tie Bersteigerungsbedingungen und d^r Parcellirung-plan liegen auf dem Nathhause, I. Etage, zur Einsichtnahme an». Exemplar» davon werden in der Tporlelcaffe I, Naschmarkt Nr. 2, l. Eloge Zimmer Nr. 6 für 1 ,8i abgegeben. Leipzig, den 10. October 1894. »232 Ter Nath der Stadt I». 2118 vr. Ge orgi. rumbiegel Bekanntmachung. Die Maradamifirnng »er Hardenbrrg-Stratze, zwischen der Süd- und der Koch-Straße, soll an einen Unternehmer verdungen werden. Die Bedingungen und Unterlagen sür diese Arbeit liegen in unserer Tiesdau-Verwaliung, Rathhaus, 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 23 aus und können dort eingejehen oder gegen Entrichtung von 9,50 », die auch in Briefmarken eingesendet werden können, ent nominen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Maradamifirnng der Hardrnbrrg-Strafzr' versehen in dem oben bezeichne«»» Geschäftszimmer dt- zum 28. dss- Mts., 5 Uhr Nachmittag» einzureichen. Der Rath behält sich da» Recht vor, sämmtliche Angebote ab zulehnen. Leipzig, den 15. October 189». le. »958. Tr« «ath» der Stadt Leipzig Stratzenbandcputatio». Äusschreibung, de« Nenba« des Grasfi-Mnseums in Leipzig Petr. Loo« II der Maler- und Lacklrer-Ardeiten soll vergeben werden. Die Bedingungen und Arbeit-Verzeichnisse können bei unserer Hochbauverwaltung, Ralhhau», H. Obergeschoß, Zimmer Nr. 5 gegen vorio- und bestellgeldsreie EinienLung von 1 .»i 50 die auch in Briefmarken erlegt werden können, bezogen bez. daselbst eingesehen werden. Nähere Au-kuust über Ausführung ,c. wird im Baubureau des Grassi-Museutns an der Kramerstraße ertheilt. Die Angebot« sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Brasst Museum LooS II der Maler- und Lack>rer-Arbeiten" bi» zum 25. d. M.. vormittag« 10 Uhr im Rathhause, II. Lbergejchoß, Zimmer Nr. 5 portofrei einzureichen Ter Rath behält sich die Auswahl unter deu Bewerbern, die Theilung der Arbeit, sowie die Ablehnung sämmtlicher Angebote vor. Leipzig, den 16. October 1894. Der «ath her Stahl Leipzig. I». »647. vr. Georgi. Lindner. Gesucht wird der am 19. Juli 1853 in Rehbach geborene Fabrikarbeiter E»uard Traugott Schmidt, welcher zur Fürsorge für seine Familie anzuhallen ist. Leipzig, den 15. Oktober 189». Ter Aath der Stadt Leipzig, Armenamt, Adth. II. >. «. H. I. 5203. Henlschel. K-nih Gesucht wird der am 21. September 186» in Utlodziny geboren« Hand arbeiter Stani»l««s P«ie»»kt, welcher zur Fürsorge für seine Familie anzuhalten ist. Leipzig, den 13. October 189». Ter «ath »er Sta»t LeGzi,. Armrn-Awt. Adth. II. X. L VI. «bth. II. 182». hent«ch.el. Meh.r -Fondsbörse zu Leipzig. Die von den Mitgliedern der -»»»«Hirse vorzunebmende Wahl P«n 8 Mitglieder« de« behiis« Umlegung der Aahre«- »ettrige für 1891 zu bestellenden Schhtzung»-An«ichufic» wird hiermit auf ^ . Mit»»»«, de« 17. Letoder d. L. unmittelbar »ach «Srienichluß im großen Börstnsaal« anberaumt. Ta» Nähere »rgiebt der Bvrienau»hang. Leipzig, den 9 Oktober 189». Die Ad,»ordnete« der I. Adttzeti««, de« V-rs,«»orstandk« Kro» SodUost. Vikar »exer. Dir Na» Natd. Bärjeisecreiair. Bismarck und das preußische Abgeordneten haus in der polnischen -Frage von 1863.*) L. Die Gefährlichkeit der national-polnischen Be- trebungen für Preußen und da- Reick ist vom Fürsten BiSmarck schon vor einem halben Jahrhundert erkannt und nicht weniger enlschieten als jüngst in den Reden an di« ioseucr und Wcslprcuße» bekämpft worden. Wir erinnern nur an das im „Leipz. Tagebl" vor einiger Zeit abgekrucktr chreiben, das er der „Magdob. Zig." im Jahre l8l8 sandte, unv an seine Rede über die Polensrage im Bereinigten Land tage, deren wichtigsten Tbcil wir gleichfalls a» dieser Stelle abgedruckt haben. Preußischer Ministerpräsident geworden, erhielt er schon 1863 durch den Ausbruch der polnischen Revolution in Rußland Gelegenheit, seiner Aufsassung von den national-polniichen Bestrebungen durch Tbaten Aus druck zu gebe». Und wenn er damals im Gegensätze zu allen Gtvßmächlen nicht nur, sondern auch im Gezensape zu der Mehrheit ker preußischen BolkSvertretung seiner Ueber- zeiignirg nnerschüiterlich Ire» blieb, so beweist dies, daß seine Bemerkung zu dem englischen Gesandten Buchanan: „Für uns ist die Unterdrückung des AnsstanveS eine Frage über Leben und Tod" — schlechterdings keine Phrase, sondern voller Ernst war. Aus die erste Nachricht vom Ausdrucke der Revolution wurde am l. Februar General von AlvenSlebcn nach Peters burg gesandt, um zu ertläre», baß Preußen gegenüber der polnischen Empörung dem Zarenreiche sich „als einen Bundesgenossen zur Seile stelle, der von einem gemein samen Feinte bedroht werde". Der Zar schlug in die dargebotene Hand sofort ein. Am 8. Februar wurde von ÄlvenSleben und Gortschakvff der Vertrag unterzeichnet, der bestimmte, daß die an der Grenze stehenden preußischen und russischen Truppensübrer gegenseitig sich unterstützen und nöthigen Fsllg zur Verfolgung der Rebellen die Grenze nberscht-eiien sollten; auch alle polnischen Umtriebe, die »i Preußen gegen Rußland und in Rußland gegen Preußen gesponnen würden, sollten dem anderen Staate mitgctbcilt werde». Ganz anders verhielten sich die übrigen Groß mächte. Oesterreich ließ mit Behagen Tausende von Frei willigen nach Polen strömen, England wünschte dem Auf stand den besten Erfolg und Napoleon Hl. war entschlossen, „sür Polen elwaS zu thun", weil Neuwahlen bevorstante» unv die össciitliche Meinung in Frankreich Dank der Wirksam keit polnischer unv klerikaler Agitatoren nngestüm die Partei nähme sür Polen verlangte. Der neue französische Minister de- Aeußcrn, der nllramontane Heißsporn Drouqn de l'Huy-, führte von Tag zu Tag eine drohendere Sprache. Nur B ism ar ck'S Entlassung könne noch ein gutes Verhäliniß Herstellen, sagte er schließlich dem preußischen Gesandten Grafen Goltz Und am 2l. Februar forderte er die Eabinete von London und Wien auf, in einer gemeinsamen Note Preußen das Bedauern der Mächte über den Vertrag mit Rußland und dre Hvssnung auszusprechen, Preußen werde die Aushebung dcS Abkommens in seinem eigenen Interesse beschließen Einer solchen Note mochten aber weder England noch Oester- reich beiireien, und so endete der diplomatische Feldzug Frankreichs nut einer schweren Niederlage. Wie der französische Minister, so hoffte auch die Oppo sition des preußische» Abgeordnetenhauses, Herrn v. Bismarck bei dieser Gelegenheit zu stürzen. Die preußische Regierung hatte am l. Februar an die Bevölkeruug des GroßberzoglbumS Posen eine» Erlaß gerichtet, der die Be wohner der Provinz dringeub warnte, den polnischen Auf rührern Beistand zu leisten, da sonst die Strafen des Hoch vrrrath- einireten würden. Der Führer der polniicheu Lanttag-fraclion, Abgeordneter Kantack, machte diesen Erlaß am lt>. Februar zum Gegenstand einer Interpellation im Abgeortnetcnbause, die Bismarck namens des gesammle» SlaalSministrriumS mit der Erklärung beantwortete, daß Preußen jedem Versuche, auf Herstellung eines unabhängigen polnischen Reiche» mit allen Mitteln seiner Macht einzegeii- irelen werde. Dabei bekam der Interpellant die unangenehme Thatsache zu hören: „E» liegen un» über die Bestrebungen auch auf preußischem Gebiete den Ausstand so weil vor- zubertiten, daß er im günstigen Augenblicke inS Lebe» gerufen werden könnte, amtliche Anzeigen vor." Eine Verhandlung schloß sich an diese Interpellation nicht. Anders am l8. Februar An diesem Tage fühlten sich nämlich die Ab geordneten Schulze-Delitzsch und v. Earlowitz g« drungen, der allgemeinen Entrüstung über die vom Hören sagen bekannte Convention Preußen» mit Rußland in einer Interpellation Ausdruck zu geben, welche lautete: „Ob ein Vertrag mit Rußland zur Unterdrückung deS polnische» Aus stände- abgeschlossen worden, eventuell, was der Inhalt des selben sei?" Bismarck erklärte darauf kurz: „Die königliche StaatSregierung lehnt eS ab, die gestellte Interpellation zu beantworten." Gleichwohl beschloß da- Hau», sofort in eine Besprechung der Interpellation einzulreten. Ter erste Redner war v. Unruh. Er meinte, wenn man die halbe preußische Armee mobil gemacht bade, nur um sür Ruhe und Sicherheit im eigenen Lande zu sorgen, „so würde da» ungefähr so viel heißen, als ein Dorf ansteckcn, um einen Brief dabei zu lesen". Die russische Politik sei der preußischen an Weitsichtigkeit von jeder überlegen gewesen: sie habe Preußen immer al» bequeme Schutzmaner betrachtet, werde aber nie «in Preußen dulden, da- selbstständige Politik triebe *) Unser Artikel beruht auf der Darstellung Ve Han» Blum' ln dem soeben erschienenen zweiten Bande je» ei Werke» „Fürsi Bismarck und seine Zeit" ^München, L. H. Veck'sche Verl<ig»buch Handlung). ES empfehle sich für Preußen nur eine Politik der Nicht einmischung: denn England habe seine WarnungSstimmc schon hören lassen, Frankreich schweige zwar noch, werde aber Ein- pruch erbeben, wen» Preußen genügend cngagirt sei, um ihm daun ein zweites Llmütz zu bereiten. Wenn die preußische Regierung sich übereile und muibwillig unter de» ungünstigsten Umständen in auswärtige Verwickelungen sich einlasse und eine aggressive Politik betreibe, so werbe da« Hau» diesem Ministerium zu einer solchen Politik auch nicht einen Tbaler bewilligen. Bismarck betonte in seiner Antwort zunächst, daß auch ür Schmähungen gegen die eigene Regierung vor der Oeffentlichkeit und vor dem AuSlande gewisse Grenzen sich mpsäble», und fukr dann fort: „Mobil gemacht haben wir gar »ichlS, kein einziger Truppenlbeil befindet sich aus mobil.»! Fuße. Ich möchte wohl, wir hätten versuchen können, den entgegengesetzten Weg cinzuschlage», daß wir nämlich gar nichlS gelhan hätten, und ich hätte dann die Declamaliouen höre» mögen gegen die Kurzsichtigkeit der Regierung, gegen den Mangel an Vorsicht im Schutz preußischer Uulcrlhaiie». Wir glauben besser zu Ihu», wenn wir einige hunderttausend Tbaler i» dieser Richtung auSgeben, als wen» wir eS daraus ankommen lasse», daß einige hundert oder lausend preußische Einwohner in dieselbe Lage — ob auch »ur vorüber- gebend — geralben, in welcher heutzutage ei» großer Tbeil der russischen Unierlbane» sich befindet. In dieser ganzen Sache kommt eS unS nicht auf russische Politik und auch nicht aus unser Verbällniß zu Rußland an, sondern lediglich aus das Verhäliniß Preußens gegen die polnische Insurreclivn und aus den Sckuy preußischer Untertbane» gegen die Nach- tbeile, die a»S dieser Insurrection für dieselben hervorgehen löniien. Daß Rußland keine preußische Politik treibt, weiß ich, weiß Jeder. E» bat auch keinen Beruf dazu; im Gegen- tbeil hat e« die Verpflichtung, russische Politik zu treiben. Ob ein unabhängiges Polen, welche» sich an der Stelle vo» Rußland in Warschau etabliren möchte, preußische Politik treiben würde, ob eS ein leidenschaftlicher Bundesgenosse Preußens gegen auswärtige Mächte sein würde, ob es sich bemühen würde, Posen und Danzig in preußischen Hände» zu bewahren, ineine Herren, da» überlasse ich Ihrer eigenen Erwägung zu ermessen. Der Herr Vorredner Kat angedeuiet, als ob von irgend einer auswärtigen Macht Drohungen oder Rathschläge über unser Verhalten gegen die polnische Insurreclivn u»S zugegangen wären. Wir haben deren weder erhallen noch erwarten wir sie." Ter Abgeordnete Waldeck erhob sich varauf zu heftigem Angriff. Er hielt daS Bestehen einer Convention mit Rußland für zweisclloS, da der Ministerpräsident sonst „die große Verpflichtung dem Lande und Europa gegenüber gehabt haben würde, ein einfaches und rubigcS Nein zu sagen, ein Nein, welche» der Ebre Preußens angemessen sein würde". Der Gcndannendienst, den Preußen an Rußland leiste, „müsse edem Preußen die Schamrötbe in« Gesicht treiben". Die Rede war im fiebrigen ein Seilenstück zu dem Spruch des Abgeordnete» Jäckel im Sächsischen „Unverstandsiandtage" von l8l9: „Ich kenne die Absichten der Regierung nicht, aber ich mißbillige sie." Der Abgeordnete Walkcck kannte den Inhalt de» Vertrages mit Rußland nicht im Geringsten, aber zleichwobl trug er kein Bedenken, ihn mit der Ehre Preußens ür unvereinbar zu erklären. BiSmarck mabnte zunächst den Präsidenten Grabow — freilich ganz vergeblich — an seine Pflicht. Er sagte: „Wenn ich recht gehört bade, hat der Herr Vorredner sich tabin ausgesprochen, er batte auf die Inter pellation von mir dasjenige Nein erwartet, welche» allein der Ebr« Preußens entsprochen hätte. Der Herr Präsident hat diese Aeußerung nickt monirt, ich nehme daher au, daß ich sie mißverstände» habe." — Ein lauieS „Nein!" scholl vo» der Linke» her zur Antwort. Obwohl hiernach seslstand, daß Waldcck'S GesinnungSgcnvffen diese» ebenso verstanden batte» wie der Minister, und daß Walteck diesen also beschuldigte, eine mit der Ehre Preußen« unverträgliche Antwort gegeben u haben, schritt Herr Grabow doch nicht ei». Da schützte ich Bi«marck selbst durch die Worte: „Ich glaube, sür die Ckre Preußens mindestens so viel Sinn zu haben, wie der Herr Abgeordnete Waldcck, und glaube dies durch mein Ver halten in der Gegenwart, durch mein Verhalte» i» der Ver gangenheit in reichem Maße betbätigl zu haben. (Sehr gut! Bravo rcchtS.) Mir fiel bei dieser Aeußerung ei» Vorgang im englischen Parlament ei», meine Herren, aus bas Sie sich so gern berufen. Es handelte sich ui» die Abschaffung von Moiiopolicn, und einer der englischen Staatsmänner bemerkte dabei nicht mit Unrecht, las gehässigste aller Monopole s«i dasjenige der politischen Einsicht und Tugend, welche« einzelne Parteien und Parteiführer sich beilegten." (Bravo! rechts. Lachen links.) Der Abgeordnete Virchow entwickelte die Meinung, daß die Convention mit Rußland nach Art. 48 der Ver- saffung der Genehmigung der Kammern bedürfe, da sie dein Staat Lasten und einzelnen Staatsbürger» Ver pflichtungen auferlege. Tie Einberufung der Reserven außerhalb de- Kriegsfalles sei ohne Zweifel eine den Staat» bürgern aufrrlegt« Last. Preußen möge doch, statt seine »iilikairische Operation in Petersburg freiwillig und unauf gefordert anzubieten, dort lieber dazu ralhen, daß man endlich dem Königreich Polen Institutionen gebe, die geeignet seien, aus di« Dauer ähnlichen Ausbrüche» vorzubeugen. BiSmarck antwortete dem gelehrten Anthropologen: „Ich glaube, die Berechtigung der Regierung zur Einziehung der Reserven beruht aus jenem Artikel der Verfassung, d«r Sr. Majestät dem Könige den Oberbefehl über die Armee beileg», und die Reserven gehören zur Armee. (Heiterkeit.) Am Schluß seiner Rede bedauert der Herr Vorredner, Lay wir anstatt einer militairischen Intervention, zu der er mi die Absicht zuschreibt, nicht eine diplomatische hätten tin- treten lassen, um die rnssische Regierung zu einer anderen RegiernngSweise i» Polen zu bewegen, al» sie eingeschlagcn bat- Ich muß daraus aufmerksam machen, daß dergleichen Rath'chläge an fremde Regierungen, wie sie >n> Inner» zu regieren haben, immer etwa« Mißliche» habe», weil sie sehr leicht zur Reciprocität führen." (Große anhaltende Heiterkeit.) Um riesen willkommenen Stoff noch weiter auSznntitzen, brachten am nämlichen Tage die Abgeordneten v Hcoerbeck und v. Carlowitz noch den förmlichen Antrag «in: ,TaS HauS der Abgeordneten wolle beschließen, zu erklären: Taö Interesse Preußens erfordert, daß die königliche Staats regierung gegenüber dem im Königreich Polen auSgebrochcnen Aufstande weder der russischen Regierung noch dem Aufstande irgend eine Unterstützung oder Begünstigung zuwende, den, gemäß also auch keinem der kämpfenden Theile gestatte, da» preußische Gebiet ohne vorherige Entwaffnung zu betreten." Ii» Ausschuß, an welchen die>cr Antrag verwiesen wurde, blieb derselbe obne jede Abänderung und wurde in der Sitzung deS Abgeordnetenhauses vom 26. Februar durch de» Berichterstatter Abgeordneten v. Sybel zur Annahme empfohlen. Seine Rede war ein entrüsteter Protest gegen die gesammle Politik Bismarck s, „welche uns aus sreie» Stücken mit der Mitschuld an einer kolossalen, von ganz Europa mit sittlicher Empörung betrachteten Menschcniagd belastet, welche selbst unseren Staat in alle Gefahren Ruß lands bineindräugt, welche eine in den polnischen Wäldern glimmende Iilsurrcclio» ohne Noth zur europäische» Frage »mschafft, ohne die versammelte LandcSvertrciuiig einer An frage, ja »ur einer Anzeige zu würdigen, welche damit wieder fick da- Zcugniß auSstellt, baß die Essenz ihre- Wesens die Nichtachtung des Rechtes ist, baß sie weder im Innern noch »ach außen Handel», weder ruhen noch wirke», ja ich möchte sagen, weder leben »och sterben kann, ohne die Gesetze dieses LanteS zu verletzen". So sprachen damals die maßvollsten Männer, der gefeierte Meister deutscher Geschichtswissenschaft; gleich darauf setzte der berübmte Ledrer dcS deutschen Per fassungSrcckteS, v. Rönne, hinzu: kiese Politik gefährde sogar die Existenz der Dynastie ans« Acußcrste. BiSmarck betrat den Sitzungssaal erst, als noch eine Reihe anderer Redner gesprochen hatte. Tann ging er aber sosort zum Angriff über. Daß die polnische Fraction die erste Interpellation eingcbracht habe, wundere ihn nicht. „Bcsremdlichcr war es, daß diese Interpellation von ^ deutschen Abgeordneten mit uitterzcichnet war. Die Neigung, sich für fremde Nationalitäten und National- bcstrebunge» zu begeistern, auch dann, wenn die selben nur auf Kosten deS eigenen Vaterlandes verwirklicht werden können, ist eine politische KrankbeitSsor ni, deren geographische Verbreitung sich aus Deutschland leider beschränkt. (Hciterkcii. Sehr gut rechlS.) Die Regierung fand eS durch die SlaatS- interesscn vorgeschriebe», die Beantwortung dieser Inter pellation abzulebnen. In jedem anderen mir bclannten Parlamente würde auch die strengste Opposition, die inizu- fricdciistc mit der bestehenden Regierung, von der Verfolgung der Interpellation von dem Augenblick an Abstand ge nomine» habe», und ich knüpfe daran den Wunsch: Geben Sie un- ei» englisches Unterhaus und dann fordern Sie englische Iiistilulionen! (Bewegung. Ruf: Oberbaus!) DaS Oberhaus ist weniger wichtig. (Große Heiterkeit.) Ein Unterbau- wie das englische würde unser Oberhaus entbehr lich machen. Da« Parleiiiitcrcsse ist mit bei» SlaalSintcrcssc nicht zusaiiiineugcfalleii; cs forteric die Disrussivii. In dieser Discussioii traten »u» die deutsche» Redner schon unvcr- hülller mit ihrer Sympathie sür die polnische Sache hervor." DaS wird an Waldcck'S und v. Unrnh'S Rede dargclegt. Unruh habe unter dem lebhaften Beifall deS Hauses erklärt : „wenn a»S den Vorkehrungen, welche die Regierung zur Ächerung unserer Grenzen und unsercr Interessen genossen Kat, auswärtige Verwickelungen enisteben sollten, würde das HauS die Mittel zur LandeSvertbcitigung dein Könige ver weigern. Heißt das nicht, dem AuSlande zurnsen: „Kommt der, der Augenblick ist günstig, Preußen .. . lUnlerbrechung und Widerspruch). Nun, eS sreul mich, daß Sic noch cm Gefühl der Enlrüstuiig äußern . . ." (Unterbrechung. Ruf: Zur Ordnung^ Die Lcene wurde nun immer erregter. Viccpiäsident Bchrcnd kouitte die Unruhe kaum bewältigen. Als dies einigermaßen gelungen war, erklärte er: „Einen Ordnungsruf über diese Aeusjerung Halle ich nicht sür gerechtfertigt. Ter Herr Minislcrpräiitriil hat das Wort." Dieser aber sagte: „Ich will hier die Frage, inwieneit ein Ordnungsruf sür das SlaalSiiiinisteriui» überhaupt zu rechtfertigen ist, nicht er örtern. — Diese Drohung, Preuße» wehrlos zu machen, sprach derselbe Abgeordnete ». Unruh aus, dessen Namen mit der Steueiverweigeluug von >8l8 . . (Uittcrbrechuiig.) Vicepräsitenl Bchreub erklärte nun, die letzte Bcmerluiig BiSinarck s siehe „mit der gegenwärtigen Frage nicht i»i lockerste» Zusammenhang." Daraus BiSmarck: „Ich kann dem Herrn Präsidenten da« Recht zur tiscipliiiarischen Unier- brechung meiner Aeußerungen nicht einräumen; ich unterliege nichl dem diSciplinarischen Einfluß der Kammer. Tie T>s cipliiiargcwall de» Herrn Präsidenten hat an diesen Schranken ihre Glcnzcn. Ich habe zum Vorgesetzten nur Sc. Majestät Le» König, und ich wüßte nicht, welche Gesetzes- oder Vcr sassungsbeslimmung mich der Disciplin des Herrn Präsidenten dieses Hause» unlerstellle. (Umerbrechung.) Sie haben »ichk Las Recht, mich zu unterbrechen . . . — Vicepräsircut Behrend erklärte daraus: „Ich muß den Herrn Minister Präsident trotz dieser letzten Aeußerung dennoch unterbreche». Der Präsitent dieses Hauses übt in diesem Saale seine Dis civlinargewall au-, soweit diese vier Wäuke reichen: sie endet nicht am Ministerttsche." (Lebhafte-, auballcukes Bravo!» — „Ich muß diese Ansicht al- eine irrthümliche bezeichnen", versetzte BiSmarck, „welche von der königliche» Slaaioregierung nicht gelheili wird. Allo, ich sagte: Derselbe Abgeordnete v. Unruh, welcher im Jahre l8>8 seinen N'amen unauslösch sich mit der Steueroerweigerung verknüpft hat." (Stürmische Bewegung in der Bersaminlung: „Das ist unwürdig — Ver lagen!" Andauernder Ruf der Glocke de« Präsidenien.) — Vicepräsiteut Behrend droht darauf, die Sitzung zu Verlagen, falls die Unruhe sorldaucre oder ker Miiiisterrräsideiil »och einmal Aeußerungen wiederhole, welche der Präsidcitt al« zur TiScujsioii uickl gehörig bezeichnet bade. — „Ick> kann den Herr» Präsidenten nicht an der Beringung hindern", eui gegneie BiSmarck. „Ich habe kein Betürsnip. meine Herren, eine zweimalige Aeußerung zu wiederholen, und glaube, Sie haben mich verstanden." (Große Bewegung. Ruj nach Ver tagung und Widerspruch dagegen.) Trotz dieser großen Erregung der Versammlung »ud der vielen scharfen und bitteren Worte, tie Bi-niarck noch Weiler an die Gegner richlele, verlies die Verhandlung von da ab Loch elwaS ruhiger. BiSmarck führte ans, „daß die Tendenzen, tie Worte, tie Name» von l8l8 wieder >„> Vordergrund der
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