02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.10.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941019024
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- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894101902
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- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-19
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Während die Mitglieder des preußischen Staat S- ministeriums, das heute seine Berathungen iiber die legislativen Maßnahmen zur Bekämpfung der Umsturzbewegung sortsetzt, den Schleier deS tiefsten Geheimnisses über die bereit» auSgearbcitetcn Entwürfe breiten, erhebt sich in der Presse ein höchst unnützer Streit darüber, ob cS sich empfehlen würde, einer angeblich im Reichs amte des Innern ausgcarbeileten Vorlage, durch welche die Altersgrenze für das Wahlrecht zum Reichstage bis zum 3l). Lebensjahre binaufgerückt werte, zuzustimmen oder nicht. Zunächst glauben wir daran, daß eine solche Vorlage in Vorbereitung oder gar schon ausgearbcitct worden sei, schon deshalb nicht, weil Aenrerungen am Wahlrecht im gegenwärtigen Reichstage keine Aussicht haben, durchzudriiigcn. Wenn aber wirklich ter Reichstag mit einer solche» Vorlage befaßt werden sollte, so wird man am besten thun, ihren Wortlaut und ihre Begründung abzuwarten, bevor man mit allgemeinen Gründen Stimmung für oder wider sie zu macken sucht. Jedenfalls ist eS ei» Unfug, wenn klerikale, volkSparlei- liche und socialdemokratische Blätter jeden Zweifel daran, daß da» gegenwärtige Reichswahlrecht unübcrtresslich sei, als größte« Verbrechen gegen die VolkSreckte, ja fast als einen Vcrsassnngs- bruck hinstellcn, auch wenn nur von vollkommen gesetzmäßigen Abänderungen die Rede ist. Natürlich sind die Herren vom Centrum und von der äußersten Linke» nur dann über ei» Rütteln an der Verfassung und dem Wahlrecht ent rüstet, wenn derartige Anregungen von Gegner» ausgchcn. Sie selbst aber rütteln fortwährend an diesen Einrichtungen und fordern unausgesetzt Abänderungen an denselben. Wie wühlt das Centrum gegen das neue preußische Wahlgesetz! Im Reichslag kehrt immer von Neuem der volksparteilich- socialdemokratische Antrag wieder, das Reichswahlrecht auch auf sämmtliche Bundesstaaten zu übertragen; ja die Socialdcmokraten forderten sogar in einem förmlichen Antrag Herabsetzung der WahlfähigkeitSgrenze aus zwanzig Jahre und Erlheilung deS activen und passiven Wahlrecht« an die Frauen. DaS Rütteln am Wahlrecht ist also ein Ver brechen, wenn die Zweckmäßigkeit einiger Einschränkungen erörtert wird, gestattet und löblich ist es, wenn dieses bereits übermäßig demokratische Wahlrecht nock bis zum Zerrbild und zur Posse erweitert werden soll. In allen anderen Ländern werden häufig Aeukerungc» am Wahlrecht, bald in dieser, bald in jener Richtung vor genommen, und eS fällt keinem vernünftigen Menschen ein, dieser Einrichtung eine höhere Unantastbarkeit bciznlegen, als anderen Gesetzen. Jedenfalls aber muß man sich verbitten, daß nur radicale Parteien daS Recht baden sollen, in ibrem Partciinteresse an Grundeinrichtungen des Staate» zu rütteln, staatSerhallenben Parteien aber ein schwerer Vorwurf daraus gemacht wird, wenn sic auch ihrerseits Zweifel an der Zweckmäßigkeit dieser oder jener Bestimmung des Wahlrechts erheben. Ihren Wiederbolten Versuchen, die verbündeten Regierungen zu einem Kampfe nicht nur gegen die Umsturzdcwcguiig, sondern auch gegen den Liberalismus zu drangen unv sich di: Waffen in diesem Kampfe von der Gefolgschaft der ,.Kreuz,ritung" schmieden zu lassen, bat dieses Blatt in den letzten Tagen einen besonders dringlichen und besonders — unvorsichtigen binzugesügt. E« führte au», bei dem jetzigen Partciwirrwarr werke dem Grafen Eaprivi nickt» Andere« übrig bleiben, als in dem Kampfe zwischen Cbristentbum und Atheismus —das ist bekanntlich dieAiititbese, welche derRcichS- kanzler seiner Zeit bei der Berathung de» Volksschulgesetze» im Abgeordnetenhaus« ausgestellt hatte — fick entweder aus die Seite der „Kreuzztg." und ihrer Freunde, oder aus die jenige des Atheismus zu stellen. Tbue er das Elftere, d. b. entfalte er — oder sein Nachfolger! — „furchtlos das Banner einer mit einem Tropfen antisemitischen OeleS getränkte» christlich conscrvativen unv wirtkschastlich-socialrn Politik", so werde ikm früber oder später eine Mehrheit im Reichstage nickt fehlen Tbue er das Letztere, so werde hoffentlich ein Einspruch der „maßgebenden Stelle" erfolgen. „So steht die Regierung am Scheidewege: der eine Pfad sükrt zum Heil und zur Größe Deutschlands, der andere zu seinem Untergänge." Graf Eaprivi ist bekanntlich nicht die Reichsregierung und bat auch auf die Factore», welche die Richtung der iuneren Politik im Reiche destinknic», nickt den ausschlag gebenden Eiiisluß, den sein großer Vorgänger hatte. Ader er weiß jetzt vb»e Zweifel ganz genau, welche Richtung an ausschlaggebender stelle für die zweckmäßigste gehalten wird »nd welchen Eindruck daher au dieser Stelle die PrcssionS- versuche der „Kreuzztg." und ihrer Hintermänner gemacht haben. Es ist daher interessant unv lehrreich, waS der „Hamb. Eorr.", der im ReichSkanzlerpalais bekanntlich Obren hat, über die letzte Leistung des Herrn von Hammer- stein gesagt wird: „öS ist schwer, dergleichen Auslassungen, die lediglich der AuS- flnß einer tiefgehenden Unzufriedenheit zu iein scheine», ernsthaft zu erörtern. Dost Gras Eaprivi sich zu drin nicht mit einem Tropfen, sondern in!t einein gaiizen Eimer antisemitischen Leies getränkten christlich > conscrvativen Programm der „Kreuzztg.", welche die aus allen antisemiliiche» Gruppen geditdele deutsch, sociale Aesormparlci mit AHIwardt »IS Hospitant für bündnist- fähig erklärt hat, bekenne» sollte, glaubt osfenbar das Blatt selbst nicht. Die Anspielung aus Le» Nachsolger ist also die Hauptsache, wenn auch gleichzeitig versichert wird, eS liege de» Eonjcrvative» sein, „Sr. Majestät einen anderen Kanzler auizudrangen". Las die „Kreuzzeilunq" sagt, klingt wie die Bestätigung einer Mittheiiung der „Köln. Votkszlg.", wonach die osipreubijchcn Herren beim Kaiser »ine» ganz besonderen Trumps ausgcspiclt zu haben glaubirn. Auch die „Tisch. Tages zeitung", da« bekannte Lrgan des Bunde« der Landwirthr, äußert sich in diesem Sinne. Trümpse zwar, meint sie, HLitc» die vst- preußische» Herren nicht auSzuspielen gehabt: „Sie haben höchstens dem Kaiser i» »brsurchlsvotler Weise ihre Bedenken gegen — di» jetzige Wirthschailspoliiik uorgcirage». Daß sie da»,» de» ge wünschten Eindruck gemacht baden, wolle» wir hofsen" Las Hoffen kann man Niemandem einschränken: aber wenn inan die Beunruhigung darüber wahrniuunt, daß der Kaiser kürzlich Len Herrn von HeUdorss.Bedra empsang«» hat, so kommt man Loch auf ganz eigene Gedanken. Tie Aeußerunaen, mit Venen das Tlöcker'jche „Volk" dies« Nachricht begrüßt, sind zn charakteristisch sur di» Stiininniig im Lager der Tivoli-Eonservativeii, ai« loß man sie übergehen dürfte: sie lauten: „Herr von HeUVors-Bcdia taucht wieder am politüchen Horizont aus. Sollte ihm für die de- vorstehend» »uttclparteilichc Neun» eine Nolle zugcdacht sein? Ein Monn, der es Io vortrefflich versteht, Verwirrung zu stiften und Parteien in Mißkredit z» bringen, wäre allerdings die geeignet« Persönlichkeit, ui» den inittelparteilichen „RrItu»gs".Zug sammt der Slaatsinaschine, sür die freie Bahn gemacht werden soll, zur Ent- gteisung zu bringen"." So der „Hamb. Corr", dessen Auslassung beinahe wie ein« ofsiciöse Uebersetzung dessen lautet, was die „Nat.-Ztg." der „Kreuzzeitung" u. A. antwortet: „Wir Hallen die „Kreuzzeitung" für nicht so schlecht unter richtet über die intimen Künigsberger Vorgänge, daß sie nicht wissen sollte, wie die Absicht der kaiscr- lichen Rede auf ein erneute« Zusammenwirken der gemäßigt Liberalen, Freiconservativen und llo»- jervativen, selbstverständlich ohne Ausschluß irgend Jemandes, gerichtet war, der außerbalb dieser Parteien guten Wittens ist. Wir müßte» sehr irrthümlich insorimrt sein, wenn es nicht nahe daran gewesen wäre, daß dieser Sinn der Siebe sogar bestimmten Ausdruck gesunden hätte." In dem Befinden der todtkranke» Zaren war bis gestern Abend keine Veränderung eingctreten, d. b. eS war das gestern Nachmittag von der Nordischen Tclegrapben- Agentur verbreitete Bulletin noch gittig, wonach der Zustand de» Kaisers sich abermals merklich verschlechtert und die allgemeine, sowie die Herzschwäche zugeiionimen bat. Es ist kein Zweifel mehr, der Kaiser gebt seiner baldigen Auflösung entgegen, und eS ist ferner kein Zweifel, daß die Krankbeit, welcher derselbe zum Opfer fallen wird, schon seit längerer Zeit einen weit schwereren Charakter gehabt bat, als öffentlich zugegeben wurde und als selbst in sonst gut unterrichteten Kreisen bekannt war, denn daS jetzige Stadium muß bei ter Natur der Krankheit als da» Resultat einer Monate langen, sich fortgesetzt zum Schlimmeren wendenden Entwickelung augeseden werden. So kann man sich evcnt. auf eine scbr baldige Toteslundc gefaßt machen. Das ist offenbar auch die Ucberzeuzung der nächsten Angehörige» deS Zaren; denn sämmltiche Mitglieder der kaiserlichen Familie sind bereits nach Livaria unter wegs. Die Königin vo» Griechenland mit der Großfürstin Konstantin reisten am Mittwoch dorthin ab und nahmen de» Pater Johann von Kronstadt mit. Ibn komme» zu lasse», rietb PobedonoSzew dem Zaren, »m sür seine Genesung zu bete», und der Zar ivilllgte schließlich ein. Auch Großfürst Alerei, von dem behauptet wird, er hätte seit einiger Zeit scheu ei» ähnliches Leiden wie sein kaiserlicher Bruder, soll vom Auslaute nach Livadia unterwegs sei». Gestern Abend reiste von Petersburg Großfürst Sergci nebst Gemablin ab, um die Prinzessi» Alix von Warschau nach Livadia adzubolcn. Dort wird ter Uebertritt der Prinzessin zur orthodoxen Kirckc und, wie man der „K. Zig" zufolge in Petersburg erzählt, unmittelbar daraus di« stille Vermählung der Prinzessin mit dem Thronfolger statl- sinten, so daß damit noch ei» heißer Wunsch des Kaisers und auch der Kaiserin erfüllt wird. Die Vermählung muß jeden falls vor dem 20. November crsolgen, da dann die große» Fasten beginne» Unter vollster Zurückhaltung verzeichne» wir »och das in Petersburg bestimmt austretende Gerückt, daß Pobctonoszcw vor acht Tagen a»S unbekannten Gründen seine Entlassung erbat, aber nickt erhielt. Bei einem etwaige» Tbrvnwechscl dürste dieses Gesuch allerdings wobl „sofort" genrbniigt werden. Der UkaS, der dem Tkronsolger dir Leitung ter Rcgicrungsgcschästc überträgt und ihm zugleich einen ans einigen Ministern bestehenden Beirath zur Seite stellt, wird stündlich erwartet. Während König Alexander von Lertien in Berlin der Gegenstand gastlicher Ehrenbezeigungen ist, bereitet sich daheim in seiner Hauptstadt eine Regierungskrise — die wievielte wobl ? — vor. Die anscheinend vom Minister- Präsidenten Nikolajewilsch inspirirle Darstellung der politi scheu Situation in de» „Male Novine" läßt kaum mehr dem Zweifel Raum, daß die Krise beginnt acnt z» werten Die zwar bei jeder Geiegenbeit tcmentirtc und vertuschte, nichts destoweniger aber schon seit Langem, ja seit der Geburt deS jetzige» Ministeriums zu Tage getretene Uneinigkeit unter den Ministern, wobei ganz deutlich zwei Strömungen, eine zu den Fortschrittlern unv eine zu den Liberalen hiuncigende, zum Vorschein getreten sind, mag die Veranlassung zu der Krise sein. Daß das Gespräch, welche» Nikolajemitsch mit dem Redacteur eines TcmeSvarer Blattes batte, und in welchem er unverboblen seine Sym pathien für die Fortschrittspartei auSsprack, die liberale Partei in Serbien in Harnisch brachte »uv sie veranlaß«», alle Hebel in Bewegung zu setzen, um dem Minister-Präsi denten Schwierigkeiten zu bereiten, ist selbstverständlich. D«e Aufforderung, welche die Parteileitung der Liberalen unlängst an die liberalenMinisterAndonowitsch und JovanowLisch erließ, infolge der Erklärungen de« Minister-Präsidenten auS dem Ministerium alisznlreten, bat sicherlich zu Reibungen im Cabinetc Veranlassung gegeben, welchen der ebenso energische als offene Eabinets Ekef' nunmehr durch die Stellung der CabinetSfrage ein Ende zu machen sich veranlaßt findet. Wie die Sachen augenblicklich stehen, kann man noch nichts Sickere- Vorhersage», da die endgillige Entscheidung von dem auf der Reise begriffenen König abbängt, der kaum io leichten Herzen» Nikolajewilsch ziehen lassen wird. Sollte aber die Entscheidung trotzdem gegen Nikolajewilsch auS- sallen, so dürste der König, nachdem rin mock»>i vivemii mit den gemäßigt Radikalen anscheinend nickt zu Stande gekommen, wobl nicht zu einem Partei- Ministerium greifen, sondern abermals irgend eine Per sönlichkeit berufen, die gewillt sein würde, die Neutralitäts- Politik, wie sie König Alexander, der offenbar zuodcr Uebcr- reugung gelangt ist, er könne mit keiner der v rhandenen Parteien regieren, fortzusetzcn wünscht. Ob nun der Mann mit der eiserne» Faust, der alte, dem König unbedingt er gebene Nicola Ehristitsch ober eine jüngere Kraft dazu be rufen wird, ist unter den gegebenen Umständen nebensächlich, die Hauplsallc ist und bleibt, daß König Alexander ei» aus schließliches Parlei-Ministerium pcrborrescirt, und daß somit eine principiellc Acnkeruiia in der inneren Politik Serbiens Nickt zu envartcii ist. WaS endlich die äußere Politik an- bclangt, so ist deren Leitung schon seit Langem in den Händen des Königs selbst, und deren Richtung — bestes Einver- nebnien mit allen Großmächten — schon längst und erst jüngst in Pest und Berlin wieder genügend markirl. Mit der vo» Leo XlH. geplanten Wiedervereinigung der verschiedenen christlichen Kirche», namentlich der Orientalischen baxert eS ganz bedeutend. Bekanntlich bat der Papst Einladungen zu einer Patriarckencouserenz erlasse», die in Rom über den wcitauSschaurnven Plan de ratbeii soll. Nun hat aber die Hauptperson bei der ganzen Sache, der armenisch-katbolische Patriarch Azarian erklärt, daß er sich außer Stande sehe, der päpttlickcn Aufforderung Folge zu leisten. Der Sultan bat ibm dir Erlaubniß zur Reise nach Rom verweigert, und zwar mit der ossiciellen Begründung, daß seine Abwesenheit von Kvnstantinopel zur Zeit unthunlich erscheine. Darüber, daß diese Motivirung nur dazu bestimmt ist, i» höflicher» für den Vatikan möglichst schonender Form das principielle Widerstreben des Groß- berrn gegen den Plan der Kirchenvereinigung zu verbUUcn. kann rin Zweifel natürlich nicht obwalten. Bis zum Iabre l87tt »iochlc man die Idee einer formalen Wiedervereinigung der seit Jahrhunderten getrennten orientalischen und vccidentalcn Kirche, fall- letztere zu einer Reihe von Zugeständnissen an die Orientalen sich bereit erklärte, immcrbi» sür durchsührbar batten; denn eine gewisse Vvr Machtstellung batten die Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe des Osten- dem Bischof von Rom bis zum Schisma Jahr hunderte bindurch bereits zugestanken ; seit der Proclamirung de» UliscbldarkkitSdogma» aber ist die Kluft zwischen den Griechen »nd den Lateinern uuüderbrückbar geworden. Rom kann aus nahclikgenten Grünten den aus dem letzten vatikanische» Concil gelkanen Schritt nicht zurücklbun, ui Koustaittinvpel aber — von Moskau und St. Petersburg ganz z» schweigen — wird man die Infallidililät nun und me mit i» de» Kauf ncbme». Ter Sultan bat innerhalb seine'- nominellen Macktsphäre wobl oder übel schon so vielen fremden Einflüsse» freie Bahn gewähren müsse», daß man es idi» kaum verübeln darf, wenn er sich dagegen sträubt, nun auch der vaticanischen Autorität, von der cs vvrauSsichtlich Fririllrtsn. Der goldene Mittelweg. 31 j Nomau von Erich Rott. N-chrruS vnkoien. (Fortsetzung.) Saß Winkler dann hinter seinen Büchern, zäblle schwer fällig zusammen und berechnete die Ausgaben und Einnahmen, dann zog er freilich die Stirn gar Irans und dachte seufzend bei sich, daß er um gar viele schöne Banknote» im Verlause weniger Monate ärmer geworden war und daß bei den sich immer steigernden Ansprüchen de» Baron» sein Vermögen nach und nach zusammenschmelzen müsse. DaS war nun freilich nickt nach Winkler'« Sinn; im Gegentheil, er hatte die neue Arbeitslast noch auf die Schulter trotz seine» vorgerückten Alter» genommen, um immer mehr Geld ru- sammenzuraffen und einmal, wenn eS schließlich doch bei ihm zum A'igenschließen kam, sich sagen zu können, daß er seinem Herzblatt ein geradezu fürstliche« Vermögen zu hinicrlassen in der Lage wäre. Ieyt aber, wo fast kein Tag verging, an dem diese oder jene Zahlung an ihn herantrat, batte er Mühe und Notb, um nur daS Stammvermögcn selbst nicht angreisen zu müssen. Da rang sich seiner Seele ein folgenschwerer Entschluß ab Er wollte und mußte mit einem Schlage wieder all die ver ausgabten Summen und noch mehr dazu gewinnen. DaS war aber nur möglich, wenn er ein ganz in» Große gehende» Geschäft zu Wege brachte. Da brachte eS nun der Zufall mit sich, daß eine nach Hund,Mausenden sich beziffernde Lieferung au Bau- und Schiffbolz von der holländischen Regierung aus geschrieben wurde. Ohne mit einem Änderen ein Wort darüber zu spreche», sandte auch Winkler seine Offerte eia ... und eines Tage» erschienen Unterhändler im Torfe, sprachen aus dem Sägewerk vor, nahmen Alle- in Augen schein, und da- Ente davon war, daß Winkler dir ungeheuere Lieferung zugesprochen bekam. Vorlansiz hielt der übcrschlaue Alte da- freilich noch geheim; aber er raffte all sein Baargeld zusammen und begann weil im Gebirge hcrumzureisen. überall Walk »um Abholzen ankaufend. Tann. a!S ibm trotz seiner Vrrechnungen da» Baargeld dennoch auSgmg, uniernabm er zum erstenmal in seinem Leben, Schulden aus seine liegenden Gründe zu mache». Innerlich freilich triumpbirtc Winkler schon im Voran»; dir Spcculalion war schon so gut wie geglückt. E» war ihm gelungen, wabrcS Prachtholz zu einem Spottpreise einrukaufen. Tausende fleißiger Arme regten sich »nn überall für ihn im Gebirge; da« war ein einzige- Gedröhnt und Aextegellirr, da« nun von früh bis spät in den unermeßlichen GebirgS- sorsten erscholl. Tausende und Abertausende berrlicher Stämme brachen unter den Arlstreichen arbeitSbarter Männer zusammen, wurden aus Wagen verladen und dann in oft mals weite» Fahrten über die holperigen, steilen Bergrücken allesammt nack dem Sägewerk geschafft; dort thürmlen sie sich nun von allen Seite» kau-hoch. Die Leute im Dorfe fielen a»S einem Erstaunen in» andere; sie vermochten gar nicht zu begreifen, warum Minllcr aus einmal solche Unsummen m die Baumstämme steckte. Man frug nack, forschte, und als dann Winkler, der seinen Gewinn bereits so sicher wie in der Tasche hatte, Farbe be kannte und schmunzelnd mittheilte, daß er mit ungeheuren Lieferungen betraut worden sei, da gab e« freilich ein gewaltige» Hallob. Viele ballten die Fauste in den Taschen und nannten de» allen Bürgermeister wobl auch am offenen WirthshauStiscke einen durchtriebenen Spitzbuben; der babe sic schön übervortbeilt, schmähten sie, für ei» Lumpengelv habe er ihnen ihre» Walv abgekaust. Hätten sie eS gewußt, baß er ibn so nöthig gebraucht, dann würben sie ibm freilich Daumen schrauben angesetzt baden. Daß er die» vereitelt batte, machte eben die innerliche Freude Winkler'» an», und e» konnte ibm gar nicht« Liebere- in kiesen Wochen begegnen, als wen» Einer mit drohend erhobenem Zeigefinger aus ihn lo-kam und zwischen Scherz und Aerger meinte, er sei rin binter- listiger Kerl unt bade eS verstanden, sich die Batzen für seinen eigenen Sack zu sichern. Bi» der Gewinn a»S der Speculativn beimkam, mochte eS freilich Winter »vkrden; vorläufig mußte Winkler immer noch mehr Geld in» Geschäft stecken, denn die Holzmasscn mußte» erst geschnitten und bebauen werden. Tann aber mußien sie auch gehörig austrrcknen; erst wenn ter Spät herbst in» Land kam und die Sonne ibr Trockenwerk glücklich vollbracht hatte, dann sollten sie, zu riesigen Lasten a»s- aetbllrint, auf stählernem Cchicncustrangc durch- deutsche Vaterland rollen, dem fernen Ziele zu. DaS war aber nickt dir einzige aufreibende Tbätigkcit, welche die Arbeitskraft deS nimmer müden Manne» in Anspruch nabm — obwohl er vom frühen Morgen bis zur späten Nacht sich überall auf den Schneidewerkcn blicken ließ, bald dort eingreifend, bald da polternd und verweisend, so fand er doch nock immer Zeit übrig, um sich nack dem, in einen zierlichen Waldpark »mgcwandelte», mit der einen Seite unmittelbar an die Terrain» der Sägemüble stoßenden Bau- Platze zu begeben, aus dem sich, mit der Rückfront hart an den Hvlzstapelplay sich lehnend, aber von diesem durch zwei Reiben bober LebenSbäume »»kurchdringlich geschieden, von einem schmiedeeisernen Gitter umschlossen, eine ebenso reizend wie stattlich auSgcbaute Villa erhob. Der schmucke Ban hatte Winkler des blanken Gelbe» gerade genug geloste«; Einer der ersten Baumeister deS Landes Halle den Plan entworfen, »uv auch dir in vorspringeutenTaxuSbecken kalb verborgen liegenden, mit zierliche» Tburmckcn slankirlen Slallgcbäudc cntworsen, in welchen eine stattliche Anzabl prächtiger Wagen unter- gebracht war und vier auserlesene Rosse an marmornen Krippen standen und seurig mit de» Husen scharrten. Tie innere Ausstattung der Villa war einfach großartig. Die ersten Dekorateure der Residenz waren mit ibrcn Ge hilfen in da» Dorf gekommen und batten wochenlang in den stolzen Räumen gewirkt und geschasst. Ta war nun freilich Baron von Tbumar al- sachver ständiger Mittelsmann in Action getreten; er hatte im Auf träge Winkler'S die erste» Möbelmaaazinc der Residenz wieder holt besucht und in diesen »nler Ausbielnng der ibn so gut kleidenden hcchvoniekmen Allüren die kostbarsten und lheuerslc» Einrichtung-gegenstände ausgewäbtt. Wie Wohl ibm daS gc- than, »ach so vielen Jahren demülhige» Entbehren» wieder mit hocherbobencm Haupt svlch em reichauSgestatteteS Magazin nach bewirktem Einkäufe verlassen zu dürfe», bi- aus die Straße hinaus von den sich katzbuckelnd verneigenden An gestellten begleitet, taS konnte ihm so leicht Niemand nach- süblen. Tbumar schwamm einfach in Seligkeit, und seine Stimmung vcrmochle höchstens hinter dem schäumenden ScctglaS, angesichiS hellgrauen, mildgesalzenen, grobkörnige» AstrachancaviarS und auserlesener Austern eine noch rosigere z» Werken. Wenn Winkler kann freilich die Rechnungen der k>eseranlen zu Gesicht bekam und sich, Ziffer an Ziffer reibend, sagen mußte, daß die Kosten sür die Üinrichtungsgegenslänke der ackk Zimmer in ter Villa den Kaufpreis eine» mittelgroßen BaurrngukeS überstiegen, dann legte er wobl sein Gefickt in grimmige Falten und ging in seiner Schreibstube gleich einem gereizten Löwen aus und nieder Aber wenn er daun wieder daran dachte, daß all daS köstlich Prunkende und Kostbare, welches in so reichem Maße in der tbcuern Villa aus- gespeichert stand, seinem Liebling angeboren solle, daß diese als liebreizeno» Hausfrau in diesen, einer Fürstin würdigen Räume» swaltcn und wallen und er da»» tagtäglich auck in ihnen erscheinen sollte, da» Hochgefühl in der Brust, all diese märchcnhaflc Pracht seinem Herzblatt geschaffen »nd ausgestellt und dadurch der gaffende» Menge den Beweis er bracht zu liabcu, daß er, Lebrecht Winkler sich zu leisten ver möchte, waS gar mancher bochangcsebcne Mann i» Amt und Würde» fein bleiben lassen mußte, dann erschienen die sonst sein Bedenke» wachrufenden, überbohcn Ziffern geringfügig und von ganz »ebensächlicher Bedentnng. Aber um so Iveiiiger konnte Winkler die Stunde der Heimkehr seine» Liebling» erwarte». Spätesten« im Mai Hallen sie zurückkebren solle», und nun war eS schon August geworden und sie säumten noch immer. Dafür aber wurde» die Brieschen, welche Evchcn schrieb, immer bäusiger und umfangreicher. Sie hatte jetzt aus einmal mehr Zeit znm Schreiben übrig. Winkler wußte auck, woran da» lag. Evche» war in Nizza leicht erkrankt, durchaus nicht gefakrtrobend, wie sic selbst geschrieben, aber die ungewohnten Abwechselungen, welche die durch Monate ausgetelmtc Hochzeitsreise ibr in solch' lebendiger Fülle geboten, batten ibr eine NervcnUberspaniiiing zuge- zogen, so daß sie nun dringend der Rübe bedurfte, die ,br da» paradiesische Klima Nizza- freilich im vollsten Maße zu bieten vermochte. Ter lebenslustige Gatte genoß nun oft ohne Evcken die Freuten der Riviera; »ach den immer nvch steigende» Gelk- ansprüchc», welche da- junge Paar an Ämkler stellte, zn schließen, durchkostete er sie sogar diS zur BeckerSneiae; wie leise Welimulb stand eS zuweilen zwischen den Zeilen Evckens geschrieben; sie beklagte sich nicht über den Gallen, wohl aber schien cs ihr Schmerz zu bereiten, daß dieser sic sogar häufig verließ, sic allem ibrcn Gedanke» überlassend, die sich dann wohl gar zu Thränen krystallisirlen. XXV. Endlich kam der große Augenblick: Evchen kcbrte mit ihren« Galten in die Heimatd zurück. Swen tagSzuror, al ter Bries ringelaufc» war. welcher die Zeit ibrcr Ankunft festgesetzt batte, war Winkler »ach der prächtigen Villa geeilt unk batte mächtige Tannen-Guirlanrc» über den Eingang derselben befestigen und zwischen ihnen das längst schon bereit
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