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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.10.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941024024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894102402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894102402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-24
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Ferner schreibt die „Kreuzzeitung": „Ueber die Beschlüsse des Staatsministeriums bezüglich des gegen deu Umsturz vorzuschlagenden Vorgehens bringen die Zeitungen neuerdings vielfach sich widersprechende Bcrsioncn. Nach unseren Informationen scheint es dem Grasen Caprivi in der Thal gelungen zu sei», für eine aus seine Veranlassung aus gearbeitete Vorlage sowohl die Zustimmung des SlaatS- rninisteriums wie die Allerhöchste Billigung zu erlangen." Hierzu bemerkt die „Nal. Zlg ": „Wir haben gute Gründe, diese Mittheilunq für unrichtig zu halte». Nach unseren Nachrichten hat die Entscheidung, welche in dem Ergebniß der letzten Berathungc» des Staatsininislerinms erblickt wurde, erst gestern ihre Spitze erhalle», und zivar eine solche, welche die jüngsten Tarslellungen der Sachlage sehr zweiset hast erscheinen läßt." Die „Nordd. Allgem. Zlg." dagegen erklärt, die Informationen der „Krcuzzeilung" scheinen diesmal verläß lich gewesen zu sein. Ist das richtig, so wird wohl da« zutreffcn, waS raS „Kanzlerblatt" in seiner vorhergegangcncn Nummer über das allein mögliche und durchführbare AclionS- programm des Reichskanzlers bezeichnet hal: „Aus couservativer Seite legt man das Hauptgewicht auf eine Gesetzgebung, die sich die wirthschasttiche Stärtnng der Stände und Schichten der Bevölkerung zum Ziel setzt, die ihrer ganzen Denkweise und Existenzform nach einen natürlichen Tamm, und zwar den sichersten Damm, gegen die jocialrevolutionaire Propaganda bilde»: »»d wir dürfen es für ausgemacht halten, daß auch die M i t t e l p a r tei e » vollkommen bereit sind, a» einer positive» Gesetzgebung dieser Art initzuarbeiten. Darüber hinaus herrscht — als Minimum der Forderungen »ach dieser Seile — U eberein st immung hinsichtlich der Nothwendigkeil. die giftigsten und bedenklichsten Wucherrauken der soeialdemokralijchen Agitation mittelst einer besoimepen und sorglich überlegten Revision einiger Gesetzesparagraphen zu beschneiden. Diese Ziele aber liegen alle in einer Bahn, von der kaum anzunehme» ist, daß sie an eine Auslösung des Reichstags heranjühren wird." D. h. mit anderen Worten: Der Reichskanzler will, ab gesehen von Maßregeln zur Stärkung und Kräftigung des Mittelstandes unk besonders der Landwirtbschaft und ab gesehen von einer Verschärfung preußischer Gesetze, nur solche Abänderungen des Strafgesetzbuches, „die nicht von vorn herein die Mehrheit des Reichstags gegen sich haben". Hat Gras Caprivi wirklich für dieses ÄctioiiSprogranim die Zustimmung seiner preußischen Ministercollcge» und des Kaisers gefunden, so hat im Grunde nicht er „gesiegt", sondern die jetzige Reichstagsmajorität, noch bevor sie gefragt worden ist. Ganz so vollständig, wie die „Köln. VolkSztg.", „Kreuzzeilung" und „Norddeutsche Allgemeine" versichern, kann aber der „Sieg" des Herrn Reichskanzlers oder der jetzigen ReichstagSmehrheil doch noch nicht sein, denn der „Köln. Zeitung" wird aus Berlin vom 23. d. ge meldet: „Auf Anregung des Reichskanzlers Grafen Caprivi treffen vor- ausjlchtlich schon inorgcn die stimmsührenden Minister der verbündeten Staaten hier ein, um gemeinsame Besprechungen über die Maßregeln zu halten, welche zur schärferen Be- kämpfung der Umsturzparteien von Reichs wegen zu treffen und." Hiernach ist Gras Caprivi noch im Zweifel, ob er bei den stimmsührenden Ministern der übrigen Cinzelstaaten ebenso dnrchdringt und ebensoviel Rücksicht auf die noch gar nicht befragte Mehrheit des Reichstags findet, wie bei seinen preußischen Ministercollegen. Wir stehen also allem Anscheine nach vor einer wichtigen Entscheidung, die vielleicht schon heule fällt. Der Ausgang der aus dem sörialveniokratischr» Partei tage in Frankfurt a. M. geführten Debatte über die Anträge, die Gehälter der Parleibeamteu und Rcdacteure herabzusehen, gicbt der „Nortt. Allgem. Zig." Veran- lassung zu einer Betrachtung, die den „Genossen" sehr un bequem sein wird, aber doch — ausnahmsweise — den Nagel aus den Kopf trifft. Anfang und Schluß dieser Be trachtung lauten: „Ein Grundirrtbuin der von der Soeial- deiiiokraiic so hoch gepriesenen materialistischen Welt- ausfassung, welche Marx für das Parteidogma formulirt bat, steckt in der absoluten Gleichbc- werlbuutz geistiger und körperlicher Arbeit. Selbstverständlich ist, daß alle Geistesarbeit nichts zum Wohle der Menschheit zu erreiche» vermöchte, falls ihr das aussührende Organ der körperlichen Arbeit fehlen würde. Aber schon die Einräumung, die in der Oualificirung der letzteren als Ausführungsorgan der Geistesarbeit liegt, wirst die absolute Gleichheit über den Hausen, welche Marx verkündet bat und mit welcher die gläubige Socialdemokratie steht und fällt. Es darf als eine nicht üble Ironie bezeichnet werden, daß schon der erste Tag des diesmal mit so großen Borvcrkündigungen eingeleitetcn Parteitages den Satz von der Gleickbarecktigung körperlicher und geistiger Arbeit all Lbsurllu»» sührlc. . . . Wurden auch schließlich alle die Gehaltssrage betreffenden Anträge ver worfen, so wurde doch beschlossen, keine neuen Parteigeschäsle mehr zu begründen, d. b. die Zahl der hoch dolirten Parteiämter nicht weiter zu vermchren. Da aber Herr Bebel so schön geschildert bat, weshalb ,die besten Kräfte" der socialdemokraiischen Partei zu dieser sich hindrängen, so mag vielleicht Herr Ti»»» Recht behalte», daß mit Einhalt der weiteren LteUrnvermchrunz die Stellenjagd sich vermindern wird. Vielleicht, sagen wir, denn wahrscheinlich wird sie schärfer den» je werde», da die Concurrenz um die einzelne Stelle wächst. Macht aber die Socialdcmvkratie der bürgerlichen Gesellschaft, in der sie, nach Bebel, mitten drin steht, die Concessio», für ihre Parteizwecke die Geistesarbeit höher zu bewcrlhcn als die körperliche, wie will sie der „verlebten" Bourgeoisie ver übeln, wenn diese gerade in dem hier erörterten Piinetc von der absoluten Gleichbeit nichts wissen will und geistige Arbeit auch für ihre wirthschaftlichen Zwecke höher belohnt als körperliche?" Die italienische Regierung hat aui Dienstag einen Schlag ^ 'cn den Socialismus geführt, der an Gründlichkeit und Kühnheit in der socialen Bewegung der Neuzeit nicht seinesgleichen bat. Durch Bcrsügnng der Negierung sind sämmtliche sorialistischcn Vereine — von denen Mailand allein 55 auszuweisen hatte — aufgehoben und ausgelöst worden. Die Maßregel war so gut gcbeimgehallen worden und wurde so püncllich ausgesllhrt, daß nirgends auch nur der Versuch gemacht wurde, Widerstand zu leisten, denn die Meldungen von Tumulten in Jmola haben sich als unbegründet erwiesen. Es ist nicht Zweifelbast, daß die italienische Regierung schwerwiegende Gründe dafür hatte, von den weitgehenden Vollmachten, welche die Gesetzgebung ihr in diesem Sommer in die Hände gelegt hat, eine» solch u»i- sassendcn Gebrauch zu machen, und daß sie die Gewißbeit hat, daß die Volksvertretung sic bei diesem Schritte stützen wird. DaS ist um so eher anzuuebmcn von einer Verwaltung, an deren Spitze CriSpi stebr, dessen politische Vergangenheit den Verdacht einer planlosen Rcaction im Voran« abwcist, und der noch vor einigen Jahren der Ansicht war, daß man de» SocialiSmuS mit den Waffen des Geistes belämpsen müffe und könne. Ein Mann wie er wird nicht odnc zwuigenden Anlaß feint Meinung geändert haben. In Italien bat sich von jeder die sociale Bewegung in allerlei Gebeinibünden und Bruderschasten offenbart, die, von anarchistischen An schauungen durchtränkt, von Zeit zu Zeit geradezu in Landplagen ausarlete». Die Maffia und die Camorra im Süden, die schwarzen Tolchbrüber in Livorno und die jüngste Organi sation der Fasci in Sicilien sind Beweise dafür. Wie weil die Verzweigung dieser Gebeimbüntc gebt, zeigte sich noch im Mär; bei der Wahl in Livorno, wo 320» Wäbler für den anarchistische» Mörder Mcrgu stimmten. In Italien ist auch deutlicher als anderwärts die Tbatsache zu Tage getreten, daß der Socialismus die eigentliche Nährmutter des Anarchismus ist. und es heißt, daß die Socialistc» ihren Genossen vom Dotch und von der Sprengbombe bereitwillig Unterschlupf gewährten, nachdem letzteren die neuen Polizcigeseye das Handwerk verdorben hatten. Socialisten »ach deutschem Muster giebt eS eigentlich nur in der Lombardei, und diese haben jetzt mit ihre» anarchistisch angebauchtcn Namensvettern büßen müssen. Wir wollen mit ber „K. Ztg." das Vorgehen Italiens nicht als Vorbild für Deutschland empseblen, wo der Männerstolz vor Königs throne» schon in Helle Entrüstung umschlägt, wenn eS sich darum bandelt, gesetzliche Bestimmungen gegen den Umsturz zu treffen, mit denen alle anderen Nationen bereits voraus gegangen sind; aber der Gegensatz zwischen hier und dort, zwischen Len deutsche» „Polizcistaaten", die nachgerade ein Eldorado der Socialisten und Umstürzler geworden sind, und dem freien, parlamentarisch regierten Italien, das kurzer Hand den Hehler mit dem Dieb aushebt, giebt doch zu denken. Die UnternebmungSIust der Socialdemokraten in Belgien ist durch ibrc Erfolge bei een Kammerwablen be greiflicherweise sehr gesteigert worden, und sic entwickeln nun auch für die ain kommenden Sonntag stattfindenden Pro- vinzialrat HSwahlen eine lebhafte Agitation. Die neun Provinzialrätbc Belgiens baben 2«, Senatoren zu ernennen, ibre Zusammensetzung ist deshalb von nicht geringem politischen Be lang. Die Liberalen batte» bisher in drei Provinzialrätke», und zwar in Brabant, Lüttich und dem Hennegau, die Mehrheit; der von Brabant und der des Hcnnegau wählen je vier, der von Lüttich drei Senatoren. In den übrigen Provinzial- rälbc» verfügte» bislang die Klerikalen über die Majorität; davon haben Antwerpen, Ost- und Westflandern je drei, Limburg, Luxemburg und Namur je zwei Senatoren zu Wahlen. DaS Wahlrecht für die Promnzialrätbe ist das selbe wie sür den Senat, es steht l 140 730 Bürgern zu. Gelänge eS den vielerorts mit den Radikalen verbündeten Socialisten, in einem oder dem anderen Provinzialrath die Mehrheit zu erlangen, dann würden auch socialistische Ver treter in den Senat rinzichen können, da die Provinzial- räthc bei der Auswahl der von ihnen zu ernennenden Senatoren an keinen CensuS gebunden sind. Bei den allgemeinen SenalSwahlcn batten die Socialdemokraten auf die Ausstellung eigener Candidate» verzichten müssen, weil es ihnen an geeigneten Persönlichkeiten, die den für das passive Wahlrecht bestehenden Bestimmungen entsprochen hätten, gebrach. Der Senat wird künftig 102 Mit glieder zähle», darunter 70 vom Volke und 20 vo» den Provinzialräthen gewählte; die Mehrheit ist den Klerikalen bereits durch die allgemeinen Wahlen so gut wie gesichert, bei denen 50 ihrer Candidaten gewählt wurden. Tic Kammer setzt sich nach genauer Zäbluna aus 104 Klerikale», lO Liberalen und 32 Socialisten und Radikalen zusammen Bei de» Deputirtcnwablen kam den Klerikalen das Plural Votum und die Nichteinfübrung der die Minoritäten berück sichtigendcn Proportionalvcrlretung sehr zu statten. Die gestern erfolgte Eröffnung der Herbsttagung der französischen Kammern findet Land und Volk in einer von kritischen Momenten nicht ganz freien Verfassung vo> Das Ministerium Dupuy und der Präsident der Republit haben fick, gegen eine oppositionelle Strömung zu schützen, welche alles aujbictcl, um ein radikales Ministerium mil Cavaignac an der Spitze an die Regierung zu bringen. Es liegt in der Absicht der Opposition, die Bcrathungen des Budgets, daS bisNenjabr erledigt sein muß, wenn man nicht zu den verpönten Zwölftel - Bewilligungen seine Zuflucht »ebmeu will, nach bewährtem Rccepl in obstructiver Weise zu verschleppen, das Ministerium durch verfängliche Interpellationen in Berlegenheit zu setzen und gegebene» Falls durch eine jene Uebcrrumpelungen, wie sie in de» Annalen de« französische» Parlamentarismus uichl eben selten sind, auS dem Sattel zu beben. Demgegenüber erscheint den Mehrheit-Parteien ihre VerbaltungSlinie klar vorgezeichnel. Sic babcu einig und geschlossen das Bestreben der Opposition, den Gang der Kannncrderaihungen von den Bahnen strenger Sachlichkeit abzulenken, zu vereiteln, indem sie ehrlich die Politik der Regierung »iilmachcn und so dafür sorgen, daß das Budget rechtzeitig seine Erledigung findet. Ter Ans fall der belgischen Kammerwahlcn, die auch auS anderen Länder» sig»alis»le» Spinplemc eines stärkeren Anwachsens der socialrevolutwiiäreu Propaganda ziehen Frantreick be sonder« in Mitleidenschaft, weil bicr die subversiven Ideen einen seit buiitcrt Iadrcn sorglichst gepflegten Nährboden siiiven. DaS Wort des allen Thiers kommt heute wieder zu Eb>eu: In le>>ul,Iigue dein euuserrntive cm eile ne nein pnd. Auch die Gestattung der auswärtigen Dinge legi der Kammcrmcbrbeik nabe, mit der Negierung in enger Füll lunz zu verbleibe», und kcinessalls den Feinden des Cabinets uiigebiiidertk» Spielraum z» lasten. Madagaskar und Ost asicn, das Mittelmeer uud das übrige Afrika erfordern Stetigkeit und Conlinuirlichkelt der auswärtigen Politik, und der bevor stehende Thronwechsel in Rußland könnte sür die Republik große Gefahren mit sich bringen, wenn ihren Lenker» die Zügel von einer Partei entwunden würden, mit welcher das monarchische Rußland unmöglich weiter pacliren konnte. Nach dem Verlauf des ersten VcrhanblungStageS zu schließe», scheiiii cS, daß die MehrhcilSparleicn gewillt sind, sich gegen die von links kommenden TcrrorisirungSversuche cuerzischcr alv bisher zur Wehr zu setze», und cs ist anzunehmcli, daß die soeben eröffnete Herbsttagung bezüglich der inneren Lage zu einer reinliche» Scheidung zwischen den staatSerhaltcnden und den staatSzcrslörciidcii Kräften führen werde. In hohem Grade bemerkcnSwcrth sind die näheren Be weggründe, welche de» liberalen bukgartschrn Handels minister Tonlschew zum Rücktritt bewogen habe» In seinem mehrmals wiederholten, dringenden Abschieds- gesuch a» den Fürsten giebt er eine Darstellung der Lage des Landes, wie sie durch Stoilow'S kurze Regierung ge schaffen Worten sei. Er zeigt, wie die systematische Bevor zugung vo» Personen und Parteien zweifelhafter Vergangen beit gegen die bei Bildung des Cabinets vereinbarten Grund sätze verstoßen habe, wie namentlich unter Verdrängung der liberalen Beamten in Südbulgarien nur entschiedenste Partei- Fsirilletsn. Ser goldene Mittelweg. 3äs Roman vo» Erich Rott. Nachdruck Verbote». (Fortsetzung.) Da ist ein Wechsel nach dem anderen in« Gehöft geflattert gekommen, hat die Unterschrift von Eurem Sobne getragen und ich hab'S cinlöscn müssen, obschon mir'S schwer genug geworden ist, habe den Kops so schon voller Sorgen gehabt. Aber bätt' nickt- geschadet, wenn er die Eva glücklich gemacht hätte. Jung Blut muß auSteben, habe ick, bei mir gedacht, aber Prosit die Mahlzeit! Man hat mir gestern den Staar gestochen Ich habe da« arme, junge Weib angetrosscn, wie eS zum Erbarmen gebeult hat! Längst schon habe ich mich befragt hinter dem Rücken der Eva» die aus den Nichtsnutz von Eurem Herrn Sohn noch beut' nichts kommen läßt; da ist eS denn berauSgekommen, daß der mit Euch immer in die Residenz durchbrennt. Auch in der Residenz habe ich mich befragt, ich weiß ganz genau, waS dort sür Lumpenstreiche getrieben werden, über was sür ein Gesindel Euer Felix so bald schon sein liebes, junge«, braves Weib vernachlässigt und demselben wüsten Lumpen- ckore anbängt, dem Ihr Euch am liebsten zugrsellt; da» ist Euer Werk . . . und damit habt Ihr - bei mir verschüttet und nichts mehr von mir z» erwarten, so wahr ich glaube, ein ehrlicher Kerl zu sein! So, nun macht, was Ihr wollt. Eurem Buben werde ich den Brotkorb schon höher hängen, dem will ich - zeigen, daß der mein Feind ist, welcher mein Hcrzen-kind auch nur eine Thräne weinen läßt! Jetzt wär' mir'S lieb, wenn Ihr die Thürr von außen zumachcn thätct!" Thumar war gar bteick im Gesicht geworden. „DaS kann doch aber Euer Ernst nickt sein, lieber Freund", begann er jetzt in bittendem, sein demütbig klingendem Tone. „Nehmt nur Vernunft an. Ihr könnt mich nickt fallen lasse». Bedenkt, ich habe Schulden . . . man muß schließlich doch leben!" „Lebt oder sterbt!" schrie Winkler immer noch mehr erbost, „da« gilt mir gleich, denn Ihr habt Euer Leben lang Wind gesäet, wenn e» einen Herrgott giebt, dann muß er Euch Sturm ernten lassen!" Thumar sank nicht gleich eine Anlwort; er öffnete zu wiederholten Malen deu Mund, dann plötzlich stieg die Röthe der Entrüstung i» seine Waagen. «So", krähte er, «da» soll vielleicht daS Ende sein? . . . Aber damit bin ich nicht einverstanden! Nehmt Euch in Acht, mein guter Mann, ich könnte Euch zu guter Letzt doch noch einen unerwünschten Strich durch Eure Speculation machen!" „Nickis könnt Ihr, gar nichts", hobnlachte Winkler, sich breitspurig vor ihm ausstcllend, „denn Ihr habt nichts!" „Doch, ich habe meinen Namen . . ." „Der durch meine Vergoldung erst wieder zu Ansehen ge kommen ist", lachte Winkler. „DaS tbnt nichts", zischte Thumar, während cs grünlich auS seinen Äugen schillerte. „Mein Name ist jedenfalls heute wieder klangvoll. . . und Euch liegt viel an diesem Namen, sonst würdet Ihr ihn nicht mil Euerem Gelde erkaust haben! Ha, ha, ich habe ja die langen Jahre gewußt, wo hinaus eS zielt und auch den Vortheil wacker ausgcnutzt. Entzieht Ihr mir nun die Möglichkeit, auch ferner ein Leben des Genusses, wie ick cS einzig meiner für würdig anscben kann, zu sübre», dann mache ich Euch einen dicken Strich durck die Rechnung, dann will ich mit eigener Hand meinen Namen in den Koth ziehen!" „AlS ob Ihr dies nicht schon Euer ganzes Leben gclban hättet!" unterbrach ihn der Alte voll unvcrhülltcr Verachtung, während er die Arme über die Brust kreuzte. „Was ich nach Eurer Meinung frage", krähte Tbumar, „was gilt mir überhaupt das Urtbeil der Welt? Mein Ansehen als Schwiegervater Eurer Enkelin reicht noch eine lange Weile hin, da könnt Ibr selbst nicht« dagegen machen. Man wird mir auch ferner Credit schenken und ich will ibn auSnutzcn. Mit vollen Zügen will ich das Leben »och genießen. Weist man'S mir nachher »ach, daß ich Schulden gemacht habe mit dem Bewußtsein, sie nie tilgen zu können, was liegt mir daran? Ich habe doch genossen, rastlo» mit vollen Zügen . . . und dann mag'- zusammenbrechen, ich mach' es ohnehin nicht lange mehr!" Er lachte cynisch »nd schob zugleich die Achsel» in die Hohe. Winkler stand sprachlos. — „Und Ihr schämt Euch nicht, so was zu sagen, und Ihr nennt Euch Mann? . . Pfui Teufel!" Er spuckte vor dem kalt Lächelnden aus, während eine furchtbare Entrüstung ,bn schüttelte. „Ich habe Euch immer sür einen Lumpen gehalten, nun weiß ich auch, daß Ihr ei» schlechter .Hund seid!" stieß er dann anfgedracht hervor. «Jetzt steigt » in mir auf, al- ob ich vielleicht dem Wittmer unrecht gethan", setzte er, von einer plötzlichen Ahnung ersaßt, hinzu. Der Baron zuckte zusammen. — „Ihr seid wohl aus Eure alten Tage kindisch geworden?" versetzte er, unwillkürlich einen Schritt zurückwcickend. „Nun, das mag Gott mit Euch abmachen", entaegnete Winkler, während er sich zu seiner ganzen Höhe straff auf- richtcte. — „Wir beide sind fertig miteinander, macht, waS Ihr wollt, auü meinem Sckrank fällt für Euch auch keine Mark mehr ab! Ja, eS ist wahr, ich war trotz meiner eingebildeten Geschcidtbeit ein dummer Tropf, ein Gimpel, der sich bat narren lassen. Aber ich bin aufgewacht, ebc eS zu spät ist . . . und WaS Ihr tbnt, daS tbut Ihr für Euch! WaS an mir liegt, da will ich schon dafür sorgen, daß Eva trotz Euch noch glücklich wird. Und nun behüt' Gott mit einander — ", versetzte er, von plötzlicher Wuth ersaßt und nach der Thüre eilend und dieselbe aufreißend. — „Da hinaus mit Euch! Schändet mein ehrliches HauS nicht länger durch Eure Gegenwart. Geht hin, wohin Ihr wollt, de», Hcrrgptt entgeht Ihr nicht!" Thumar war zusammenaezuckt Seine Haltung war plötzlich wieder eine gebrochene. Mit bittender Bewegung streckte er den, wulbflammend ihn Anblickenden die Hände entgegen. — „Alter Freund, nehmt Vernunft an!" . . . „Der Satan soll Euch reiten!" knirschte Winkler, mit dem Fuß aus den Boden stampfend. — „Hinaus, sage ich!" Da ging der Baron, während er vergeblich versuchte, ein spöttisches Lächeln vm seine Lippen sestzuhaltcn. Dann stand er draußen in der Nacht; die war inzwischen herabgesunken, und da und dort flammten aus den Fenstern der einzelnen Gcböste Lichter auf, eine ruhige, milde Helle über die sonst dunkle Straße verbreitend. Langsam, wie von einer plötzlich wieder schwer auf ibn, wuchtenden Last niedergedrückt, schritt Thumar dahin; noch begriff er e- kaum, was in seinem Inneren vorging und WaS immer drangvoller sich zu regen begann. Nur da» Eine war ibn, klar, daß jener ergiebige Quell, au« welchem er sich in den letzten Jahren zu schöpfen gewöhnt batte, für ib» versiegt war. Er kannte Winkler zu genau, um nicht zu wissen, daß dieser nichts mehr mit ibm zu th»n baben wolle. Er hatte den Bogen allzu straff gespannt. Seine ungezügelte Genuß begierde batte ihn zu all' den Ausschweifungen verleitet. Statt vorsichtig das Leben zu genießen, hatte er, der augen blicklichen Erregung folgrad, die Mittel vergeudet, welcke, maßvoll angewandt, ilim noch auf Jahre hinaus ein behagliches Dasein gesichert haben würden. Und nun sollte r» aus einmal wieder mit den ihm so rasck zum neue» Lebensbedürfnisse gewordenen, vornedmen, kostspielige» Passionen vorüber sein? Der lichte Traun, berausckendcr Vergnügungen sollte nun für immer und ewig auSgeträumt sein, und was ihn erwartete, war günstigenfalls ein Leben, abhängig von der Gnade seines SokncS, gefristet von dem Almosen seiner Frau, die er fürchtete, wie da- Strafgericht Gottes . . . und dann auf einmal tauchte uock etwas Anderes in ibm aus, worauf zu vergessen er sich sein ganzes bisheriges Leben erfolglos bemüht hatte. Er war inzwiscken in den bergaufwärts führenden Wald eingclrclc». In diesem war eS schon nächtlich still und dabc, herrschte tiefe Finsterniß. Wohl stand der Vollmond am Himmel, aber unablässig dabinjagendc Wolke» verhüllten ibn immer wieder i» Nackl, so daß er nur während kurzer Augenblicke sein sricbsamcs Licht aus die Erde herniederzusenken vcrmockie. Die tiefe Stille ringsum brachte das feige, verzagte Herz dcS langsam Heimwandelnden zum Ersckauern. So still unv einsam würde eS auch einst im Grabe sein, dachte er bei sich, wädrend ein fast blödes Lächeln seine Lippen verzerrte Und WaS erwartete ihn noch ander- als das Grab? Der Rausck des Genusses war vorüber. Z»>» zweiten Mal batte er seine Existenz um flüchtigen Genusses halber ein gesetzt, und das Spiel batte gegen ibn entschiede» Wenn min aber in diese Grabesstille, die wohl schon aus ibn lauerte und vor der cS chm namenlos graute, di« Posaune de» jüngste» Gerichts hineindrang, wenn cS eine Verantwortung gab? lieber den Glauben an eine solche batte er in, frohen Zecker kreise, daS volle Champagnerglas in der Hand, den lüstern trunkenen Blick aus üppige, verführerische Fraiiciigestaltc» gerichtet, so ausgezeichnet zu witzeln und z» spötteln verstanden — aber wenn nun deck etwas daran war, waS dann? Da ging ein haltlose» Zittern durck die schlaff gewordenen Glieder dcS Barons, er mußte steken bleiben »nd tief Athen, schöpfe». Tann schauerte er wieder zusammen, eS war ihm gewesen, als ob er dicht neben sich ein geisterhaft vorüber, auschenteS Geräusch gehört habe E« war indeß nur der Flug eine« Nacktgefieders, welche« sein Obr sanft berührt batte, gewesen Was für ei» feiges, verzagtes Her; er dock besaß! Wie oft war er denselben Pfad schon auf und »ictergeschritten! Freilich, dann batte regelmäßig die Sonne geschienen und Alles war doch ganz anders, lebensfroher und lebendiger um ihn erschienen. Und dann war r- dem laagsam Boranstrebendrn wieder,
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