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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.10.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941026017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894102601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894102601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-26
- Monat1894-10
- Jahr1894
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Vez«g»-PrrtD R »« «de, de» <» Gteid»' b«irk «d d«a Vororten errichteten A>5- e^eftelle« »d,«tz»lt: «eN»ljLdrUch^l4L0i bei »»«imuliaer tizlicher Zustellung in« Haut >4 b^ü. Durch die Post bezogen kür Leutfchteud uud Oesterreich: viertel,ödrlich -I T.—. Direkte tägliche Kreuzbaudienduug HG Luslund: monatlich ^ 7.50. Dlevkorgen-Lusgab« »Acheint täglich'/,7 Uy^ dt» LdeudMutgud« Wochentag« 5 Uhr. Ledactlon «nd (tr-e-itioA: L»ha»ne«>affr 8. Dt«Expedition Ist Wochentag« anunterbroche» >«dff»ei von früh 8 bi« Abend» 7 Uhr. Filialen: vtt» Me««'» Eortim. (Rlsretz Hntznid UniversitLt-stniße l, Leni« Lösche. Duttzurinenstr. i«, pan »nd Könia-platz 7. Morgen-Ausgabe. UchMerIa-Mak Anzeiger. Legan för Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. «nzeigeu-dreir dir «gespaltene Petttzeile 70 Mg. Reklamen unter dem Redaction-strich («DA» spalte») 50^, »or den Familienaachrichk» (üqrfpallea) 40 ^ Gröbere Schriften laut unserem Prris- »er»eich»iß. Tabellarischer and Ziffer» stitz »ach höherem Larrs. Ertr«-Beii«>eu (gefalzt), »ur mV de« Morgeu-Lutaab«, ohne Postbesördenmg SO-, m»t Postbesörderuug 70.—. Avuatfmeschluk siir A»zn-ea: Abend-Bnlgabe: Vormittag- 10 Uhr. Margeu-Au-gabe: Nachmittag« - Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und «nnadmestellen je ein« balde Stund« früher. Tttieige» sind stet- -n dt« Grdedttt,«» zu richten. Druck and Verlag von <k. Pol» in Leipzig ^-548. Freitag den 26. October 1894. 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Lekanntmachung. Die Entschädig»», für die in Leipzig-Thonber» in der Carslinen-, Airch-, Marien-, Menen-, Reitzeuhainer-, Riede«-, Schul- und LtüNerttzer Stratzr, in Leipzig-Menreudnitz in der Albert-, Tor-thren-, Mühl-, Rritzrnhainer- und Ltötteritzer Llratze, ,n Leipzig-Reudnitz in dcr Albert-, Earsla-, Josephink«-, Mühl-, Oberen Münster-, Riebe«-. StötteriLrr-, Victoria-, Wilhelm- und Zweinaundorfer Straße vom IN. zum 2«. Sep tember 1894 einquartiert gewesenen Truppen vom Königi. 8. Infanterie-Regiment „Prinz Johann Georg" Rr. 1o7 kann in den nächsten 8 Tagen bei unserem Quarlier»Amte, Nasch- markt Nr. 2 im Erdgeschoß link-, Zimmer Nr. 30, erhoben werden. Der da« Quartierdillet Borweisende gilt alt zur Empfangnahme berechtigt. Leipzig, am 24. Oktober 1894. Der Rath der Stadt Leipzig. uck r tl. 15347. vr. Seorgt. Lomprecht. Lekanutmachung. Wegen Reinigung der Räume bleibt die Geschäftsstelle der Wasserwerks-verwalt»»» in Leipzig-Reudnitz. Margarethen- Ltratze Nr. 8, Dienstag den 3V. diese» Monats sur den Berkehr mit dem Publicum geschloffen. Leipzig, den 22. Oktober 1894. Io. 5005. Der Rath der Stadt Leipzig. Ür. Georgi. Eichoriu- Lekamltmachung. verloren gegangen sind die Arbeitsbücher der Arbeitsburschen Roben Arno Bosse, geb. 1./2. 79 in Windorf (Brciunsdorf 1893) und Friedrich Wilhelm Hugo Pohling, geb. 2b. 6 77 in BolkmorS- dorf (Leipzig 10236 1 8921; des Mechanikergchilsen Franz Alfred Schuster, geb. S5./6. 7b in Halle n S. (Leipzig 17083/1892); des Malergebilsen Paul Oskar Heuschkel, geb. 14./L. 77 in Plagwitz lLeipzig IM16/I892); de« Marklhelser« Franz Robert Stöhr, geb. 19./11. 74 in Thonberg (Leipzig 12285/18921; des Tischlerlehrlings Ernst Karl Weber, geb. 20,8. 78 in Reudnitz (Leipzig 5127/1893); de- Buchbindergehilsen Tbeodvr Arthur B-irtmuß, ged. 6. 8 74 in Neuschöneseld (Leipzig 8261,1892); des Schneiderlehrlinqs Iieinhold Alfred Andur Schmidt ge». Richter, geb. 18./I2. 76 in Leipzig (Los. 3747/1891); de« Schriftsetzer« Franz Albert Lublow, geb. 3./10. 74 ln Könitz (das. 18t»2i: des Hausburlchen Iiiliu« Franz Schmöller, geb. II./L. 76 in Nempitz (Altrnns'Sdt 1892) und des Tapezirergebilfen Paul Wilhelm Hcnnig, geb. 19./7. 77 in Delitzsch (Leipzig 7063/1892). Wir bitten, diese Arbeitsbücher im Auffindungsfalle Nasch markt 2, Erdgeschoß, abzuliefern. Leipzig, am 22. October 1894. ' Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgs. Petzoldt. Gesucht wird die am 1. Mai 1870 in Tbonberg bei Leipzig geborene Kellnerin Marie Magdalrne Slusruiann, welche zur Fürsorge für ihre Kinder onzuhaiten ist. Leipzig, den 24. Oktober 1694. Der Rath der Stadt Leipzig, Armen-Amt, Abth. I?». 24.8. IV», Nr. 1505ä/94. Hentfchel. Hr, Die städtische Sparkasse beleiht Werthpapiere unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 10. Januar 1894. Die Lpareassen-Deputation. Der Kirchgemeinde zum heiligen Kreuz wird hiermit bekannt gegeben, daß daS für dieselbe auf dem Markt platze zu Leipzig-Neustadt neu crbaulr Gotteshaus Mittwoch, de» 3l. Oktober 1804, feierlich eingrwriht werden soll. Frstordnnng: Früh 7 und 8 Ubr: Einläuten deS Kirchweihfeste-. BormittagS 8 Uhr: Ausstellung des Festzug« im Hose der 17. Bezirksschulc (Neuschöneseld). Bormittag- ',»9 Uhr: Uebergabe des Schlüssel- vor dem West- portal. BormittagS 9 Ukr: Weihegottesdienst. Stachmittags 3 Uhr: Fest-Kindergotte-dlenst. — Die Kinder ver sammeln sich um 2 Uhr im Hose der 17. Bezirks- schule und ziehe» von da nach der Kirche. — Di« Plätze im Schiss der Kirche werden von den Kindern eingenommen. Die Emporen bleiben für die Ge meinde frei. Abend- S Uhr: Predigtgottesdienst. Rach der Predigt: Beichte und Communion. Während zu dem Kinder- und Abendgotte-dienst« der Zutritt Jedermann frei steht, kann die Tbeilnahme am WethegotteSdtenft nur gegrn Karte gewährt werden. Tie Geineindeglirder werden gebeten, diese Karten, soweit dieselbe» au-reichen, von Montag, »en 20. Letoder, vor«. '/,» Uhr ab in hiesiger Sirchenezpedition, L.-Neuschöneseld, Llorostr. 16, Pt., in Empfang zu nehmen. Die Inhaber der Karten wollen sich soviel als irgend möglich auch am Jestznge belheiligen. Endlich richten wir an die Bewohner von Leipzig-Reustadl-Neu» schöneseld noch die herzliche Bitte, der Freud« über da- nene Gotte«, dau- am Doge seiner Weibe auch durch Schmücken und Beflagge« der Häuser äußerlich Au-druck zu geben. Leipzig-Neustadt, am 22. Oktober 1894 Der Kirchenoorftanh »am heilige» Krrnz. «. P-che, Pf. Steckbrief. Gegen den Strumpfwirker Earl Albrecht Rrndaner - geb. am 2. Februar >859 in Tdum und zuletzt daselbst aufhältlich —, welcher sich verborgen hält, ist di« Untrrsuchnogthoft wegen Wider stande-, Beleidigung,c. »erbang». E« wird ersucht. Rrndaner zu verhaften «nd in da- nächst« Gericht-geiäugaiß «dzuliesern. S>.-A. IV. 31. Ehe»,,». lun 23. Oktober 1894. Der ktnial. GtaakSanwal». vr. Hubert Die Criminalität -er Jugend und die Zwangserziehung. Mit der viclbcrusenrn Reform der Gesetzgebung gegen da» jugendliche Verbreckerlbum scheint e- nach den unlängst von un- gebrachten und auch von anderer Seite bestätigten Mittdeilnngen nunincbr doch Ernst werden zu wollen. Tie Eriininalstatistik für da- deutsche Reich, au- welcher sich vom Jahre l89l zum Jabre 1892 eine abermalige Zunahme der Verbrechen unk Vergehen von 39l 064 auf 422 326, d. b. um nahezu 8 Proc., erzieht, redet in ihren trockenen Zahlen eine zu erschreckende Sprache, als daß der Gesetzgeber weiter achtlos an dieser Frage vorübcrgeben könnte. Man bal mil einer gewissen Berechtigung die Eriminalsocivlvgie im Strafrecht mit der pathologischen Physiologie in der Medicin verglichen. Wie die Mekicin die Organe und Functionen de« menschlichen Körper-, so muß eine rationelle Criminalpolitik den Bau und^die Functionen de« gesellschaft lichen Körper erforschen, die Talen dcr Statistik ausiucrksai» beachten und so die Strafe al« Kanipsmittel gegen das Verbrechen in seinen biologischen Wurzeln, in den Triebfedern zum Verbreche», behandeln. Während die Gesetzgebung Belgiens, der Schweiz, Italiens, eingedenk dieses socialen und ErziehungSmomcntS im Strafrecht, die lebensvollen Probleme der heuligen Eriminal- sociologie mehr und mehr in die Praxis übersnbren, hat sich daS deutsche Reich bisher allen diesen Anregungen gegenüber kübl und zurückbaltend gezeigt und, anstatt Lei» Richter die Mittel zu geben, um sich in lebendigem Denken eine neue sociale Bcgr>ffswelt zu erschließen, ihn genötbigt, in orthodoxer Starrheit an den veralteten Dogmen festzuhalten. Auf keinem Gebiete bat sich diese Zurückhaltung schlimmer gerächt, als bei der Behandlung der verwahrlosten und verbrecherischen Jugend. Ein Blick in die RcichS- criminalstatistik der letzten Jahre lehrt die erschreckende That- sache, daß die Zahl der jugendlichen Verbrecher seit dem Jabre 1882 bis zum Jahre 1890 sich um rund 20 Procent erhöbt hat. DieZahl ist im Jabre 189t ui» weitere 10 Procent gestiegen, und das Jahr l892 ergiebt eine noch höhere Zunahme von 42 240 aus 46 488, also ein nochmalige» WachSthum von über lO Proc. Nimmt man Hinz», daß von dieser Vermehrung vorzugsweise die allerjüngste Elasst, Kinder im Alter von 12—15 Jabreu. betroffen ist, so offenbart sich un< hier rin traurige- Bilk sittlicher Verkommenheit. Wenn jetzt, gebeugt unter der Wucht dieser Zahlen, durch welche unsere gesammten socialen Zustände naturgemäß in arge Mitleidenschaft gezogen werden, die Reichöregierung daran gebt, die Resultate zu crsorscven, welche die Zwangs erziehung i» England bisher zu verzeichnen hat, so ist dies ein beredtes Zeichen dafür, daß man auch an zuständiger Stelle die Machtlosigkeit dcr geltenden Strafmittel erkannt hat, und so mag die- immerhin als da» erste Zeichen eines erfreuliche» Umschwunges in den Annalen dcr deutschen Strafrechtsreform verzeichnet weiden können. Es besteht kein Zweifel, baß die staatliche Zwangserziehung eines der hervorragendsten Mittel ist, um die jugentlichen Delinquenten wider für das bürgerliche Gemeinwesen zu reiten. Mag auch ein gut Theil der anzustrebcnvcn Rcsorm- arbcik privater Tbätigkeit zufallcn, mag insbesondere von einer Wiederbelebung deS in der nervöse» Hast unseres Zeit- alierS mehr und mekr schwindenden Sinn» für Familien leben und -Zusammengehörigkeit eine sittliche Besserung zu erhoffen sein, so ist es doch mit diesen, moralischen Bemühen allein nicht abgethan. ES muß eine der ersten und vor nehmsten Ausgaben deS Staate- sein, die elterliche Erziehung in gewissenhafter Weise zu überwachen unk, wo cS noch- wendig erscheint, an Stelle der Eltern die erziehliche Aus bildung dcr Jugend zu übernehmen. Ein rechtzeitige- staat liche» Eingreifen, wo die Umstände cS erheischen, wird eS verhindern, daß Kinder, dcr elterlichen Obhut ledig, in einem unreifen Alter nur auf sich selbst angewiesen, in den Schlamm sittlicher Verkommenheit gcrathen. Sind aber hierzu die be stehenden Gesetze ausreichend? Gestatten sie ein staatliches Eingreifen in all' den Fällen, in denen da« Interesse für die jugendlichen Delinquenten und vor Allem da- öffentliche Interesse, da- Interesse für die übrige menschliche Gesellschaft e- erheischt? Wir müssen diese Frage angesichts der heutigen Gcsetzcs- lage auf daS Entschiedenste verneinen. Unser deutsches RcichSrecht bietet keine Handhabe zu einem Einschreiten gegen jugendliche Personen, die sittlich verwahrlost sind, ohne daß sie geradezu die Strafgesetze verletzt haben. Aber die einzelnen Lande-gesetze wenden zum größten Tbeii ihre Fürsorge mir dem verbrecherisch gewordenen, dem criminellen Kinde zu. Eine erfreuliche Au-nahine macht fast allem daS Königreich Sachsen. Nach der sächsische» Schulgesetzgcbung sollen sittlich verwahrloste ober der Verwahrlosung auSgcsctzte Kinder, sofern die Mittel der Schulzucht ohne Ersolg bleiben, oder au- polizeilichen Gründen, zun, Beispiel wegen Gemeingesäbrlichkrit, auf Antrag der Schulbehörde von der Obrigkeit den Erziehung-pflichtigen entzogen und anderer geeigneten Pflege übergeben ober auch in eine EorrectionSanstalt untergebracht werden. So wobllkätige Wirkungen diese Art der Zwangserziehung auch in Sachsen gezeitigt bat, so sind doch auch bei diesem Wortlaut de- GesetzeS Mißstänve nicht zu umgehen gewesen. Nicht nur über die Voraussetzung, sondern auch über die Art der Zwangserziehung haben sich Schwierigkeiten ergeben. Die Lande-gesetze der übrigen Staaten lassen daS nur moralisch verkommene Kind, da- erst vor der Thür de- Verbrechertbum» steht, unbekümmert am Rande de» Sumpfe- dahinwandeln. »Liegt e- nicht nabe", so ist des halb geklagt worden, .die Vorsehung anzuslrhen, sie möge da- sittlich verwahrloste Kind recht srüh au- der Bahn de» Laster- auf dir de» Verbrechen- hinübersübren und ihm so den einzigen Weg eröffnen, auf dem e« gerettet wrrden kann?" So bestimmt in»besonderr da- preußische Gesetz vom l3. März 1878, daß Kinder, welche in> Aller von 8 bi- >2 Jabre» eine strafbare Handlung begangen haben, durch Beschluß de- Vormundschast-gerickt- in einer Erziehung-- »der Befferung-anstalt untergebracht werden können, wenn di« Unterbringung mit Rücksicht aus die Beschaffenheit der strafbaren Handlung, »i, Persönlichkeit der Eltern oder sonstigen Erzieher de- Kinde-, »nd auf dessen übrige Lebens- Verhältnisse zur Verhütung weiterer sittlicker Verwahrlosung erforderlich ist. AIS erste Voraussetzung wird also auch hier, neben anteren gewicktigen Bedingungen, verlangt, daß eine gesetzlich strafbare Handlung von dem Kinde bereit» begangen und also die Scheidewand bereit- durcbbrockcn ist, welckie der Staat erst erricknen und fesllegen soll. Sacke de- Staates soll cS doch sein, der aufkeiiiicnden Verbrecherneizung cntgegen- ruarbeiten. Wie verträgt e- sich damit, wenn für ei» Ein- schreiien bereits da- Vorliegen eine» Verbrechen» verlangt wird? Hier koinmt die staatliche Oberaufsicht zu spät. Tbat- sache ist eS denn auch — jeder VormunkschaslSrichtcr wird cS bestätigen — daß eine große Anzahl von Anträgen auf ZwaiigSerxiehnng in Familien oder Anstalten von den VormundschastSgerichlen in Preußen lediglich deshalb zurück- geiviescn werden muffen, weil der Nachweis einer bereiiS begangenen .strafbaren Handlung" nicht erbracht werde» kann. Tie ReichSgesetzgcbung kan» sich nickt länger der Frage einer Reform au) diesem Gebiete rnlzieden. Der Grunr- geranke einer solchen Reform liegt in dein Satze enthalten, daß da» staatliche Eingreifen in die elterliche» ErzicbungS- rechlc überall da cintrelen muß, wo sittliche Verwabrlosiing vorliegt, gleichgiltig. cd den Eltern an der Verwahrlosung eine Schuld beiznnicssen ist, gleichgiltig, ob dieselbe bereits zu einer strafbaren Handlung de» Kinde- geführt bat. Hier wird sich unser Blick aus England- Einrichtungen lenken müssen. In England ist in den Jahren l87l —>891 trotz einer Vermehrung der Bevölkernngszabl von rund sieben Millionen die Zahl der mil Gefängnis; Bestraften in diesem Zeitraum um 32 Proc., die Zahl der mit Zuchthaus Be straften um 54 Proc. gesunken. Auch die Zahl der jugend lichen Verbrecher bat sich in dieser Zeit fortgesetzt ver ringert. In England unterscheidet man zwei Arten von ZwangSerziebuiigSansiallen: die rokormnturv «ckool« (Besse rungsanstalten) und inckustrial «cliool« (Erziehungsanstalten). Während bloS verwahrloste Kinder den letzteren zugcwiesen wer den. kann bei verbrecherischen Kindern eine der beiden Anstalten in Betracht kommen, worüber immer ein Richter zu befinden bat. Dcr Unterschied ist der, daß bei Zöglingen, dte der rotuii»ittor> scluiol überwiesen werden, eine Abschreckung für nolbwcndig erachtet und Gesängnißstrase verhängt wurde, während bei den anderen von der Strafe abgesehen und kurzweg die Erziehung in einer iuckustrial sokool ange- ordne» wird. Wir hoffen, daß die günstigen Erfolge, die diese ZwangS- erziebungSliictbode in England z» verzeichnen hat, für Deutschland ein energischer Ansporn sein werde, um diese dringende Frage endlich zur Erledigung zu bringen. Dem stetigen Zuzug zu bei» großen Vcrbrechrrhccr kann nur dann wirksam kntgegengetrcten werden, wenn dir Arbeit bei der Jugend begonnen wird. Deutsches Reich. * Lcipzig, 25. October. Wie schon erwähnt, soll der neueste Banb der.Deutschen Geschickte de- l9. Jahrhunderts" von Heinrich von Treitschke wegen dcr Eharaklrristik Friedrich Wilhelm'- IV. an allerhöchster Stelle Unwillen er regt haben. Man soll sogar mil dem Gedanken umgehen, dem Verfasser, der als königSIreuer Preuße dock bekannt, da- Staatsarchiv zu verbieten und ihm den Hoshistoriograpben- tiiel abzuerkennen. Dieser Melkung gegenüber ist nachstehende Augsburger Eorresponbcnz des .Wiesbadener Tagebl." von Interesse: Wilhelm II. hat eine ganz ähnliche Berurtdeilung seine» Groß onkels seiner Zeil als Student in Bonn seiiens seines Lehrers, des bekannten, l»zwijchen verstorbenen Historikers Maurenbrecher anhören müssen, nnd zwar »och dazu im offenen Hörsaal. Schreiber Liese-, der als !>tu<>. hist, in der unmittelbaren Nähe de» Prinzen saß, erinnert sich der hochinteressanten Scene noch sehr wohl. Da mals hat Wilhelm ll nicht mit der Wimper gezuckt. Maurenbrecher, ein leidenschasllich überzeugter Bi-marckianer, blickt« mit fester Hoff nung auf den lunaeii, bochbegabten und pflichtbewußten Prinzen. Der Professor sah sich damals auch, wie wir auS feinem eigenen Munde wissen, in seiner Zuversichl, daß der Prin§ die Sache richtig, das heißt aiS historische Wahrheit und Lehre aussassen werde, nicht getäuscht. Die Richtigkeit dessen, was hier über Professor Maurenbrecher gesagt ist, wirb »nS von zuständiger Seite bestätigt. L Berlin, 25. October. Wenn eine Reform deS VereinSreckS vorgenommen wirb, so möchten wir auf eine Bestimmung des preußischen Gesetze» Hinweisen, deren Ab änderung ivobl den Wünsche» aller Parteien entsprechen würde, da sic mit der Abwehr der Uinsturzbcstrebungcn nichts zu thun bat. Wir meinen die Bestimmung, daß politische Vereine nickt mit andern Vereinen gleicher Art zu grintinsamen Zwecken in Verbindung treten dürfen. Diese Bestimmung des überhaupt sehr ver alteten und den heutigen Bedürfnissen nicht mehr ent sprechenden preußischen Verrin-gesetzc« ist bei der neueren Entwickelung des Verein-Wesen- vollkommen unhaltbar und undurchführbar. Sie wirb in zahllosen Fällen umgangen oder einfach ignorirt und eS würde zu de» größten Ver kehrtheiten führen, wenn man versuche» wellte, sie ernstlich und streng zu handhaben. Bei wörtlicher Auslegung be- höckst allgemeinen nnd dehnbaren Begriffs „zu gemeimamen Zwecken in Verbindung treten" wäre >a jede gegenseitige Znlcndnng von Briefen und Drucksachen, icke ge,„einsame Besprechung zwischen gleiche Ziele vc>solgc»ten politischen Vereinen untcriagt. An der Anfrechterbaltung dieser ganz nndurchsübrbaren und wirkungslosen Bestimmung kann Niemand ein Jntereflc haben, auch die Obrigkeit nicht, man kann aber daraus unter Umständen die Handhabe z» allerlei absichtlichen Belästigungen und Ehicanen entnehmen, Hermann Schulze sagt hierüber in seinem Preußischen StaatSrecht: .Diese« französische Prineip der kocalisirung der Vereine ist schädlich und unpraktisch, weil e- leicht umgangen werde» kann, und wo e- streng gebandhabt wird, zu gefährlichen geheimen Verbindungen führ». Für die Sicherheit de» Staat- liegt die größte Garantie in der unbedingten Oeffcnllichkeit alle« VerrinSlebenS; geheime d. b. absichtlich verheimlichte Vereine jeder Art sind eine» freien staatlichen Leben- unwürdig " Berlin, 25. October. Der socialdemokratische Parteitag bringt, wie gewöhnlich, eine Reihe von Er scheinungen zu Tage, welche bei anderen Parteien al« An zeichen beginnender Zersetzung anzuseben sein würden. Dcr Kamps gegen die Ausnutzung der Groschen der Arbeiter zur reichen Dolirung de- Generalstabes der Partei, deren Verein barkeit mit den Grundregeln des socialdemokratiscken Pro gramm- selbst die gewiegte Sophistik Herrn Bebcl'S nicht zn verdecken vermochte, die dabei auch in den äußeren Formen bervorgctretencn Dictaturgelüstc der Parteileitung, die zahl reichen, gegen den Widerspruch dcr Vertretung der Reicks- tagssraction angenomniencn Anträge auf gesetzgeberische Initiative im Reichstage taffen erkennen, daß nicht nur be rechtigter Grund zur Unzufriedenheit mit der Parteileitung und der parlamentarischen Vertretung der Partei vorhancen ist, sondern daß in weiten Kreisen wirklich Unzufriedenheit herrscht. Aber eS wäre ganz verkehrt, auS solchen Zeichen der Unzufriedenheit aus eine bereit- in Aussicht stehende innere Schwächung der Partei oder dcr Autorität der Parteileitung schließen zu wollen. Die Ver- gänge aus dein Parteitage führen vielmehr zu dem entgegen gesetzten Schluffe. Die auch bei dem Berliner Brauerci- boycolt wahrnehmbare AliSbeiltung der Massen im pccuniären Interesse einer einfliißreicken Minderheit müßte, an und für sich betrachtet, die Massen zur Besinnung bringen und sie den wirkliche» Ekarakier dcr socialtemokralischen Bewegung erkennen taffen. Was an Idealismus in der Bewegung vor handen ist, müßte gegen die materielle Fruclisicirung desselben, waS an FreibeitSgesübl sich vorsintct, gegen die drakonischen Anordnungen der Parteileitung sich gewallsam auslehncn. Aber derPaileilag lehnte unigetedrt denAntraz, auch nur die äußerste, persönlich verletzende Spitze diese- drakonischen Verfahren- zu rügen, einsach ab, nnd sanctionirlc die Verwendung der Arbeitergroschen ^u reichlicher Dotirung de« Partciaencral- stabeS mit fünf sechstel Mehrheit. Es wiederholt sich eben immer die Erfahrung, daß, wie scharfe Gegensätze in der Partei auch vorhanden sind, das weitaus überwiegende Gro ber Partei fest unter sich und mit dcrParkeilcitung zusammcnhäll und dadurch dieser wieder die alte Herrschaft auch über die unzufriedenen Elemente sichert. Bisher bat sich stets ba» Gcgentbeil der erwartetet«» inneren Zersetzung dcr Social demokratie als Folge dcr Parteitage ergeben. Das wird auch dieses Mal sicher dcr Fall sein, und eS wäre verlebet, aus den Erscheinungen aus dem Parteitage aus die Ent- bebrlickkcit einer planmäßigen Bekäiuxsung dcr Umsturz bcstrebungcn schließen zu wollen. * Berlin, 25. October. Zu der Meldung der „Nordv. AUgcm. Ztg.", daß der zwischen der „ReichSregicrung" und den stiinmsührenden Ministern der verbündeten deutschen Staaten zn vereinbarende Entwurf einer Vor lage zur schärferen Bekämpfung der Umsturz- bewcgung als „Präsidial-Vorlagc" »nd nicht als preußischer Antrag beim BundeSrathe werde eingebrackt werden, bemerken die „B. N. N." mit vollem Rechte: „WaS ist im denlscken Reiche „präsidial"? Die Reichsversassung giebt die Antwort i» Ariikel ll: .Das P r ä s i d i u m de- Bundes stckt dem Könige von Preußen z», welcher den Namen Deutscher Kaiser führt", nnd Artikel >6 besagt: „Tic erforderlichen Vorlagen werden nach Maßgabe rer Be schlüsse des BnnkcSratkS im Namen de» Kaiser- an den NeichSlag gebracht." ES giebt also verfaßungSmäßig keine .Präsid iat" -Vorlagen, die nach Artikel ll doch nur Vorlagen deS König- von Preußen an den Bundes- rath fein könnten; an den Reichstag gelangen sie über haupt .nach Maßgabe der Beschlüsse de« BundeSrathS". Die ossieiöse LeSart entspringt lediglich der unglücklichen Aemtertrenuung »nd dem absoluicn Mißvcrbältniß, daß der preußische Ministerpräsident nicht Miiglied de» BundcS- ratbs ist, also schlechter gestellt ist al- die leitenden Minister aller anderen Bundesstaaten. Auf diesem Wege bat sich die versaffunzSwikrigc Einrichtung einer über de» Bundesstaaten stehenden .Reichsregierung" herausgebildet, während Ihat- sächlich die .Reichsregierung" doch nur die Executivbehörde der verbündeten Regierungen ist. Gerade in einem der kritischsten Momente lür unsere gesamnite innere Entwickelung kann auf dieses Mißverhältniß nicht dringend genug hin- gcwiesen werden." * Berlin, 25. October. Der viel erörterte Spruch dcr DiScipIinarkammer gegen den früheren Kanzler von Kamerun, Herrn Leist, weckt die Erinnerung an die Entscheidung desselben GericktSboseS wider den vormaligen Gesandten Preußen« am Weiinariscken Hose, Grasen Lim burg-Stiru m. Erhalle als Führer der Eonscrvaliven seiner Uebcrzcuguug von der Gesahr der neuen HandelsverlragSpolilik für alle-kreise der prodncliven Stände nicht nur im Parlament, sondern auch in dcr Presse Aus druck gegeben. Deshalb machte man ihm den Proceß „wegen scharfer publicistischer Angriffe auf die Regierung", und am 6. Februar 1892 sprach die Potsdamer DiSciplinar kammer über ihn das Urtheil, da« aus Dienstentlassung ebne Pension lautete. Herrn Leist, dessen Anitssnbruiig von dem Vertreter der Anklagebebörde, einem Mitglied« de- Auswärtigen Amtes, in schärfster Weise aekenn- reichnet wurde und der sich nach dem allgemeinen Recht-- bewußtscin sogar gegen gewisse äußerst peinliche Be stimmungen de« bürgerlichen Strafrecht« schwer vergangen bal, diclirte derselbe Gerichtshof eine Sühne, die ihm 9600 Mark de- jährlichen GekaliS und Rang unv Titel unange lastet läßt. Am ll. April 1892 bestäiigke der Kaiser daS Uribeil gegen den Grasen Limb»rg-Slirui„, wenngleich die gegen den früheren Gesandten festgesetzte Strafe der Dienst entlassung im Gnadenwege ausgrbobcn wurde. — Es liegt nahe zw>iä>en diesen beiden Entscheidungen derselben Kammer einen Vergleich zu ziehen. V. Berlin. 25.October. (Telegramm.) Morgen Nach mittag 2 Ubr finket in der Eaprll« der russischen Botschaft ei» Bittgottesdienst für die Genesung de« A«iser« »«« Rnszlan» statt. (Wirdrrh.) V. Berlin. 25. Lclober. (Telegramm.) Dcr „Köln. Volk«zlg." zusolgc ließ dcr A«tser au« dem DiSposilion- sond« 30000 F für die katholische Piu-kirche in Berlin überweisen. (Wiederh.) U. Berlin. 25. Oclober. (Privattelrgramm) Zur heutigen Sitzung der stimmsübrenden Mitglieder de- Bnntze«- rntd- ersäkrt da- .Bert. Tagebl ", daß der Standxunct de« Grafen Eaprivi aller Wahrscheinlichkeit nach in derselben >! I
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