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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.10.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941030029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894103002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894103002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-30
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Dadellaritcher und Ziffrrnjetz »ach höherem Tarif. Ertr«»veiia>e« (gesalzt), »ar mit de» M»ra»n-Ausgabe, ohne Postbrsürderna- «0.—, mit Pvstbefsrdrrung 70—, Anaabmeschlnb für Anzeige«: Nbrnd-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn- und Festtags früh "»9 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je eia« halb« Stund« früher. Alteisen sind stet- an die Ertzedttten zu richten. Druck «nd Verlag von E. Polz in Leipzig „v° 55k. Dienstag den 30. Oktober 1894. 88. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Mittwoch, den 31. Oktober, Bormittags nur bis Uhr geöffnet. Lxpeüitloi» äe8 I^elp/lxer ^Lßedlattes. Politische Tagesschau. * Leipzig. 30. Lctober. Aus der herkömmlichen trockenen Form, in welcher der „ReichSanzciger" das Suse »er Regieruugokrifi» meldet, geht hervor, daß ein kaiserliche- Handschreiben an den scheidenden zweiten Kanzler nicht ergangen ist. Doch ist ihm die höchste Ordensauszeichnung zu Theil ge worden. Daß ihm nicht, wie dem Grasen Euleuburg, der Titel und Rang eine- Staatsmini ft er- belasse» wurde, bängt wobt mit der Eigenschaft deS Grasen Eaprivi als General zusammen. Sein Nachfolger bat niemals einen milita-irischen Rang bekleidet, und so wird Berlin zum ersten Male »ine« Reichskanzlers m bürgerlicher Kleidung ansichtig werden. Die mit der An erkennung de- Opfers, welches der betagte Herr bringt, »er bundene Genugthuung über die Ueberuahme der obersten Posten durch den Fürsten Hohenlohe ist eine nahezu allge meine. Klerikale Blatter, bei deren Fertigstellung die Er nennung Thatsache gewesen, liegen freilich noch nicht vor. Abgesehen von der Wiedervereinigung der Acmter, begrüßt man die Uebcrtragung der obersten Leitung der Reich-Politik vom Dilettantismus auf die Fachkenntniß. Fürst Hohenlohe bat in der inneren Politik als Botschafter zweier Bundes staaten und als stellvertretender Leiter des Auswärtige» Amtes die reichsten Erfahrungen gesammelt; er ist in schwie riger Zeit verantwortlicher Minister gewesen und wird, mag er sich vielleicht auch nur als Platzhalter eine- Jüngeren betrachten, als Reichskanzler und Ministerpräsident eine politische Persönlichkeit und. nicht blos ei» Voll zugsorgan vorstellen. Die positiven Parteien dürfen hoffen, in ihm einen Mann klarer Ziele zu finden, und die neuzn demagogischen Richtungen werden es kaum für zweckentsprechend erachten, den gegen den abgetretenen improvisirten Staats mann beliebten Ton seinem autoritativen Nachfolger gegen über anzuscblagen. Ties bedeutet jedenfalls einen großen Gewinn. Der inneren Zerfahrenheit wird der neue Kanzler jedenfalls nicht allsogleick Herr werden, aber eine Regierung, die schreitet statt zu schwanken, hat di» Aussicht, früher oder später feste und ausreichend starke Stützen im Parlament zu finden. Und was das Werthvollste ist: dem Pessimismus, der sich auf den Anschein oder die Erkenntniß gründete, daß die deutsche Regierung selbst die nationalen Errungenschaften der großen Vergangen heit völlig zu schätzen aufgehört habe, diesem demoralistrenden Verdachte bleibt unter einem Vorkämpfer, Mitschöpfcr und Pfleger der deutschen Einheit und Größe, wie Fürst Hohenlohe, die Nahrung entzogen. Ist eine größere Einheitlichkeit der Regierung schon durch die Vereinigung der maßgebenden Aemter an sich gewährleistet, so bietet die Berufung reS Herrn v. Kölle r zum Minister des Innern die Sicherheit, daß politische Organe der Preußischen Regierung nicht fortfahren, der Politik des obersten Rathgebers der Krone Schwierigkeiten zu bereite». Da Fürst Hohenlohe dea größten Werth auf die zukünftige Mitarbeiterschaft seine« bisherigen Untergebenen legte, so muß er in diesem Punct« übbr Herrn v. Köllrr völlig be ruhigt sein. Die freisinnige Presse, die dem neuen Reichs kanzler vorläufig nicht »an den Wagen- zu kommen wagt, hält sich einstweilen an dem Minister de« Innern schadlos, indem sie auf seine schneidige parlamentarische Vertretung der conservativen Partei in den achtziger Jahren, sowie aus seine Theilnahme an den Anfängen der Berliner christlich-socialen Bewegung dieProphezeiunaeinrr „junkerlichen" Verwaltung de» neuen Ministers gründet. Nun, Leute, die selbst nickt- gelernt und nichts vergessen haben, besitzen ein gewisse- Recht, dir gleiche geistige Verfassung bei Anderen vorauSzuseyen. Wir glauben mit Kennern drr Persönlichkeit, daß die sieben Jahre Süddeutschland, die Herr v. Köllrr hinter sich hat, vom besten Einfluß auf seine politische Entwickelung gewesen sind. — lieber weitere Veränderungen im obersten Reich-dienst gehen mancherlei Gerücht» um. Sir beruhen auf Eombinationen, eins aus einer sehr nahe liegenden. Fürst .Hohenlohe als genauer Kenner der aus wärtigen Geschäfte wird auf deren denkbar beste Erledigung halten und ist andererseits an Jahren zu sehr vorgerückt, um sich eine größere Arbeitslast aufladen zu können, als sein Vorgänger gcthan. Au« diesen beiden Thatsachea schließt man aiis die Unabwendbarkeit einer Prrsonalveränderung. Was die Wiederbesetzung de- Statthalterposten» in Elsaß-Lotbringen betrifft, so wird, wie der Telegraph bereit« gemeldet Kat, der „Nat.-Zlg." der zurückgetretene Ministerpräsident Gras Vath» »«« Knient»>rs als Nachfolger de- Fürsten Hohenlohe genannt. Auch der »Voss. Ztg." geht diese Dkelvung zu, während dem .Hamb. Corr.- aus Berlin berichtet wird, für den Statthalterpouen .komme auf dringende» Zureden Hohenlohe s Graf Eulenburg nicht mehr in Frage". Tie Entscheidung wird wohl nicht lange aus sich warten taffen; jedenfalls aber muß e« auffallcn, daß die .Post", dir von jetzt ab häufiger zu »sfirivsen Kundgebungen benutzt werden dürfte, eine zweifellos inspirirte Mittheilung bringt, die den Zweck verfolgt, den Grafen Eulenburg von den Vor würfe» zu entlaste», die wegen drr Rolle, dir er angeblich in der Krisis gespielt, von den Freunden und Bewunderern des zweiten Reichskanzler» gegen ihn erhoben worden sind. Diese lchon vom Telegraphen fkizzirte Richtigstellung lautet wörtlich: „Freisinnige Blätter vom Sonntag bringen einen Artikel „Zur Geschichte der Entlassung Loprlvi'S", zu dessen Richtig- stcklung Wir Nachstehendes beizulragen ln der Lage sind. lftGraf Eulenburg »ar in der Gtaats-Ministerialsipung am Freitag, dem 19. d. Mt»., keine»»««- isolirt, vielmehr mit den übrigen Ministern bemüht, eine Einigung heebeizusühren, welch« auch gelang. S) Di» ostpreutzische Deputation hatte sich zu Anfang der Woche an das Hosmarjchallamt mit der Bitte um Bermittelung einer Audienz gewandt n»d daraus, bevor der Ministtrrath am 19. d. Mts. stattgcjnndea hatte, den Bescheid erhalten, daß die Audienz bewilligt und aus den 20. festgesetzt sei. 3) Graf Luleabnrg war z»r Jagd in Llebenberg nickt ein geladen. Lr begab sich dorthin erst Mittwoch früh ans tele graphischen Befehl des Kaisers. 4) Gros Eulenburg hat sich bei dem Kaiser über die Haliung der „Cqprivi-Ofsrciosrn" picht beschwert, insbesondere nicht über den bekannten Artikel der „Köln. Ztg." Der letztere ist erst nach der Rückkehr von Liebenbrrg, Donnerstag spät Abends, zu seiner Kenntniß gelangt." Aus dieser Berichtigung dürft» hervorgehen, daß die folgende Darstellung eines Berliner Blatte- von drr Ent wickelung der Katastrophe dir richtige ist: „AlS der Kanzler am Dtrnstag Mittag sein« Entlassung ein reichte, wi«S der Kaiser sie zurück und ersuchte ihn, daS Gesuch al» nicht gestellt «nzusehen. Len unmittetbnren Anlaß zur Entlassung bot daun da» Telegramm der .Kölnischen Zeitung" und der daraus olgende Artikel, der einerseits da» zwischen dem Kaiser »nd seinem kanzler geführte Gespräch dem Inhalt noch wtedergab, anderer- ettS aber auch blrecte Unwahrortten enthielt, deren gegen de» Grase» Euleuburg gerichtete Spitze sich unschwer er kenne» ließ. In Liebenberg wurden dem Kaiser dir betreffenden Nummern der „Kölnischen Zeitung" überreicht; der Kaiser war im ersten Augenblick tief betrafse», sprang entrüstet über dir Preisgabe eines zwischen ihm und seinem Rathgeber allein gepflogene», streng vertraulichen Gespräches auf und erklärte, daß «in sofortiger Personenwechsel »m Rrichskanzlerpalais eintretrn müsse. Bezüglich der NochsolgerichasI faßte der Kaiser safort dea Fürst« von Hohrniohr- Schillinassürst und die Wiedervereinigung des Amtes des Reichskanzler« mit dem des preußischen Minister präsidenten ins Auge. Bei dieser Sachlage war eS natürlich, daß Gras Eulenburg seine Entlassung anbot, um den Posten deS Ministerpräsidenten frei zu machen. Der Kaiser konnte unter diesen Umständen nicht-Anderes thun, als das Gesuch anzunebmen; er »hat es unter unzweifelhafte» Beweisen des Allerhöchsten Vertrauens. Di» Darstellung de« „Berliner Tageblatts", da» auch von einem „Sturz" de« Grnsen zu Euienburg sprach, schlägt dem- »ach der Wahrheit dtreet in« Gesicht. Ebenso falsch ist die weitere Darstellung der Eaprioipreffe, der Kaiser habe am Freitag Mittag dan Reichskanzler ins Schloß besohlen, um «inen Ausgleich zwischen den beiden leitenden Staatsmännern herbeiznsühren, und »ie Annahme der Demission Laprivi's sei erst erfolgt, nachdem die AussShuung an dem festen Willen des Letzteren gescheitert sei. ES steht »ieimehr fest, Laß der Kaiser den Reichskanzler nur zu dem Zwecke in das Schloß beichtet», um ihm seine Entlassung »nd die Gründe derselben in der bestimmtesten Form nittzntheileii." E» könnte, wenn dieser Bericht den Tbatsachen vollkommen entspricht, nicht überraschen, wenn Gras Eulenburg al« Nach folger des Fürsten Hohenlohe wenigsten» in Aussicht genommen gewesen wäre. Wie in Deutschland, so siebt jetzt auch in Leftrrreich di» endgillige Regelung der Soun- und Feiertagsruhe bevor; sie bildet den Gegenstand einer dieser Tage im Ab- geordneteohause eingebrachten Regierungsvorlage. DaS Prinrip der Sonntagsruhe ist in Oesterreich in der Gewerbeordnungs- Novelle von 1885 ausgesprochen, die eine Bestimmung enthalt, wonach an Sonntage» alle gewerbliche Arbeit zu ruhen hat. Zn dieser gesetzlichen Bestimmung wurden eine Durchführung- Verordnung und zahlreiche erläuternde Nvrmalerlaffe heran- gegeben, welche zahlreiche Äu-nahmen feststellten un» Überdies die Sonntagsruhe aus Handwerk und Industrie beschränkten, dagegen das Handelsgewerbe unberührt ließen. So kam eS, daß lahrelang in Oesterreich am Sonntag dir HandwerkS- und Jadustriearbeit von Gesetze- wegen zum größeren Theile ruhen mußte, während die Kaufläden geöffnet bleiora konnten, also gerade umgekehrt al- in Deutschland. Da» dem Ab- geordneteiihause jetzt zugegangene Gesetz führt di« SonntagS ruke für alle Arten von Gewerben einschließlich de» Handels ein; ausgenommen werden Gast- und Kaffeedäuser, öffentliche VergnugungSanstallcn, Apotheken, ferner solche gewerbliche Betriebe bleiben, die ihrer ganzen Natur nach eine Unterbrechung oder in bestimmten Fälle» einen Aufschub der Arbeit nicht gestatten. Die Dauer der Sonntagsruhe ist mit 24 Stunden bemessen; in jenen Betrieben, in denen dir Einhaltung der ArbeitSrnhe am Sonntag unmöglich ist, ist die Gewährung eines Ersatzruhetage« vorgesehen. Im Hantels- gewerbe soll die SonntagSarbeit aus köchsien« 6 Stunden bemessen werden, und außer dieser Zeit auch der Unter nehmer, drr keine Angestellten beschäftigt, den Geschäftsbetrieb auSsctzen. Während de» Vormitlagsgottc-diensies ist drr Verkauf zu unterbrechen. Für Babnböse und Au-slug-orte sind Ausnahmen vorgesehen, ebenso für die Weihnachtszeit. E:nc eigentliche Feiertagsruhe wird nicht ringesührt, nur soll an den Feiertage» den Arbeitern und Angestellten die nölhigc Heit zum Kirchenbesuch freigegcbcn werden. Die Einführung einer strengen SonntagSfcier etwa nach englischem Muster liegt nicht in der Absicht de- Gesetzentwurf-, dessen praktischer Werth zum guten Theile von der Art seiner Durchführung durch die Verwaltungsbehörden abhäagen wird. Bor vier Jahren beschloß da- Schweizer Volk die Ein führung der Unfall- und Krankenversicherung. Der damals in die Verfassung aufgenommene Artikel lautet: »Der Bund wird aus dem Wege der Gesetzgebung die Kranken- und Unfallversicherung einrichteu, unter Berücksichtigung der bestehenden Krankenkassen. Er kann den Beitritt allgemein oder für einzelne Bevölkerungsrlasien obligatorisch er klären." Der BundeSratb beauftragte den Wintertburer Rechtsanwalt Nationalrath Forrer mit der Ausarbeitung eine- Gesetzentwurfs, der dann der Bundesversammlung vorgelegt würde. AIS die Arbeit bekannt wurde, stieß sie aus den heftigsten Widerstand bei den Sorialisten, denen dieser thatkrästige StaatSsocialisinus ungelegen kam und die, wie erinnerlich, mittel- der Initiative ihr auck von der jungen katholischen Schule unterstützte» Gegcnprojrct, die unentgelt liche Krankenpflege, in« Volk warfen. Diese Bewegung mißlang, und die eidgenössischen Räthe werten sich bald mit dein VersicherungSgesetz beschäftigen können, das unterdessen von einer größer», Eomisfion von Sachver ständigen und vom Verfasser einige wesentliche Abänderungen erfahren hat. Der neue Entwurf, wie er jetzt vorliegl, bringt Erweiterungen de« ursprünglichen Planes, der dadurch den Bund schwerer belastet, aber dafür manchen früheren Gegner zum Freund gewinnt und daS Gelingen deS Werkes sichern dürste. Die Aeiidcrlingen bezicbcn sich vornebmlich auf die Betbeiliaung der Eidgenossenschaft an deck Kosten unv auf die Stellung der freien Gassen. Für die Unfallver sicherung würde die eidgcnössischeStaatScasse alle Verwaltung« kosten und ein Viertel der Prämien übernehmen. Ein zweites Viertel soll von den Arbeitern und die zwei letzten Viertel sollen von den Arbeitgebern getragen werden. Bei der Krankenversicherung beiheiligt sich die Eidgenossenschaft in der Weise, daß sie sür jeden Versicherten einen Rappen (— ^s) ans den Versicherungstag bezahlen würde. Der Rest der Prämien würde zur Hälfte rurch die Arbeitgeber und zur Hälfte durch die Arbeiter gedeckt werden. Die freien Kranken- casseii würden auf den nämlichen Boden gestellt wie die staatlichen. Die Gesammtieistiing deS Bundes erreicht nahezu siebe» Millionen Franken jährlich, so daß schon heule aus die Erschließung neuer Einnahmequellen Bedacht genommen wer den muß. Und da kocknie» Leute und verlangen V Millionen Taschengeld für die kantonalen Finanzdirectoren! Die chauvinistische Rede des srauzüstschett Krieg«» minister« in Pan kann nur in solchen Kreisen Verwunderung oder gar Befremden errege», welche naiv genug sind, zu glaube», daß die nationale Eitelkeit der Franzosen vergessen unv verschmerzen würde, was >br der Feldzug 1870 an Ent täuschung niid Temülbigunz gebracht. Wird doch selbst dem englischen Premierminister Lord Roscbcry von sonst sehr »laßvollen Pariser Preßorgaiien eben jetzt in recht leiden schaftlichen Ausdrücken der Test gelesen, weil er die Kühn heit besessen, in Shessieid das Andenken an die Schlackt bei Azincourt al« den glorreichsten Sieg in den Jahrbüchern der englisch:» Kriegsgeschichte zu preisen. Und zwischen dem Tage von Arincvurt unv der Gegenwart liegt ein halbe« Jahrhundert! Wie kann man da erstaunen, wenn dem KriegSmiiiister General Mercirr Anspielungen auf eine ruhmreiche Zukunft entschlüpfen, welche als zwar nicht direct ausgesprochenen, aber logisch sich von selbst er gebenden AusgaugSpunct de» Revanchrkrieg gegen Deutsch- Feisillrtoi». Monsieur Faser. Line altmodische Liebesgeschichte 3s von Moritz v. Reicheubach. ««chdnick »nbetnl. (Fortsetzung.) „Dieser Mensch benimmt sich wie ein Gast, nicht wie ein Untergebener", dachte sic, „er vergißt seine Stellung vollständig." Sic fühlte sich erregt und da sie sich den Grund dieser Erre gung nicht eingestehcn wollte, glaubte sie, irgend eine Ursache zu haben, dem Stallmeister zu zürnen. < „Ich habe nie gedacht, daß Pferde sich so gut mit Musik vertrügen", sagte sie spöttisch. Er blickte sie einen Augenblick erstaunt an, dann sagte er langsam: „Ich habe eS früher auch nicht gedacht, gnädigste Gräfin — aber man lernt mit der Zeit Viele», wenn man muß." Elisabeth crrölbete und blickte aus ihren Teller. Sciffe Stimme klang fast traurig» als er da« sagte, und in Elisabeth stieg plötzlich der Gcdairlc aus: wie wenn er durch seine Ge Kurt und Erziehung einer andern Sphäre angehörte und durch eine traurige Notbweiidigkeit gezwungen, worden wäre, in fremde Dienstbarkeit zu treten ? Wie hrrzlo« mußt« sie ihm dann erscheinen! "„WaS haben Sie denn eigentlich früher getrieben?" fragte jetzt der Graf. Laver blickte vor sich nieder, eS schien einen Augenblick, al- kämpfe er mit sich selbst und sei unschlüssig, ob er diese Frage beantworten sollte. Dann warf er den Kops zurück, ein» seine Rothe übcrrog seine Stirn, und er sagte: „Ich habe einige Schulen besucht und bin gereist." „Da- kostet aber Geld, mein Lieber!" warf der Graf dazwischen. „Ja, meine Eltern waren vermögend. Nack ihrem Tod« zeigte sich aber, daß sie ihr Gelb verbraucht hatten und sür mich nicht« übrig war." „Ah —" machte der Graf. „Ich mache Jbne» keinen Vorwurf daran»", sagt« -kaver schnell, — „im Grunde hat jeder nur Anrecht aus Da», war ar selbst erworben hat." »Hm, da» möchte ich doch nicht behaupten — aber, mein Lieber, e- ist mir angenehm, daß Sie au» guter Familie sind, ich liebe eS, einigermaßen gebildete Menfchrn um mich zu haben." Der Forstmeister und der Hofmeister traten sich unter dem Tisch auf die Füße und warfen sich wüthrntc Blicke zu. Solche Redensarten batte Seine gräfliche Gnaden ihnen noch niemals gemacht und sie fühlten sich doch auch al» „einigermaßen ge bildete Menschen". laver blieb schweigsam bi» zum Ende der Tafel. Elisabeth wagte kaum anfznblickcn. Sie schämte sich und dachte: „Wenn ich nur wußte, warum ich so gereizt gegen ihn war?" Jndeß hielt drr Gras einen Vortrag über Erbschaft-rechte, dem nur der Hof- und Forstmeister zuhörtea und von dem nur er selbst erbaut war. Endlich wurde die Tafel aufgehoben. Mit einer stumme» Verbeugung verabschiedete steh Laser. Der Gras hielt seinen Mittagsschlaf, und Elisabeth versuchte e» an diesem Tage vergeben», den „Emile" mit gehöriger Aufmerksamkeit zu lesen. Da« Buch schien ihr langweilig und die Lust ihre« Zimmer« schwül vnd drückend. Von innerer Unruhe getrieben, eilte sie endlich hinan» ans die Terrasse und stieg dir Stufen hinab, die in de» Garten führten. Aber so schnell sie auch ging, s» »st sie auch stehen blieb vor den üppigen Balsaminen- und Lev- kojenbeeten und dieselben aufmerksam zu betrachten schien, sic dachte nur an Eine«, unaufhörlich klangen Lader« Worle ,» ihrer Seele wider: „Man lernt init der Zeit Vxle», wenn man muß." Wir traurig er da» gesagt hatte! E« klang, al» habe er eine schwere Schul« de» Lernen» durch« gemacht. Unv sie hatte ein spöttische« Wort an ihn gerichletl Da« hatte er ihr gethan, daß sie ihn beleidigen mußte? Rastlos ging sie in den breiten, gewölbten Bucheogäugen ans und nieder. Plötzlich blieb sie sieben. An« dem Garten bau« klangen die Töne einer Geige, dazwischen hörte sie zwei Stimmen sprechen. Di« eine war die de« alten Martin und di« ander«, o, sie kannte auch diese, und ihr Herz pychtr schneller, al- sie sie jetzt so unerwartet hörte. Sie dacht« an Martin « Violin-Unlerricht. von dem bei Tisch die Red« gewesen war, und sie dachte, daß Laver nach beendigter Stunde durch den Garten zurückgehrn würde — oder, vielleicht dachte sie in diesem Augenblick auch gar nicht nach, sondern fühlte nur. daß sie warten würde, warten, bi» er an ihr vor überginge. Sie setzte sich auf eine Steinbank am Ende de» Lanbengange», dnrck den Laver kommen mußte. Jnbrß nahm die Geigenstunde «inen sür Martin nicht sehr ersreulichcn Verlaus, denn fein Schüler war sehr zer streut. Nachdem er sich eine Weile, ganz wiver Willen» wie r» schien, mit seinem Instrument beschäftigt batte, legte er dasselbe endlich ganz beiseite und srug seinen Lehrmeister: „Die Gräfin ist eine stolze Fra», hochmüthig, kalt, berzlo» — nicht wahr, Martin?" Der Alte blickte ihn einen Augenblick fpracklo» vor Staunen an. Endlich sagte er: „Stolz, ja, da« ist sie» aber kalt und berzlo» — nein, da» soll mir Niemand sagen, Herr Stallmeister, da» weiß ich besser. Ein Herz bat sie und rin gutes Herz." .Wober mißt Ihr da«?" „Wober ich da« weiß? Na, junger Herr, ich dächte, ich könnt' eS wissen", sagte der Gärtner fast ärgerlich. „Wenn man eine Frau gehabt hat, die krank zu Bett lag, eine Tochter, die einen über Nacht mit einem unerwünschten Enkel überrascht — unv zu all' dem Unglück auch noch einen Nicht-nutz von Sohn, drr sich gerade in derselben Zeit da« Bein brechen muß — wenn man so ein geplagter Mann ist -und dann kommt einem eine vornehme Frau in» Hau« und sorgt für Essen und Salben und alten Wein «nd Kinderzeug — na, da denkt man doch gleich, daß ein Engel vom Himmel heradqesticgen ist, und wenn dann einer kommt und sagt, daß die Frau kein Herz hat — „Nün, nun, Alter, ereifert Euch nickt, ich will nicht« mehr gegen Eure Gräfin sagen", fiel ibi» Laver in« Wort, „und mit deni Engel vom Himmel mögt Ihr nicht so Unrecht haben, denn wahrhaftig, ich glaube, ich dachte etwa» Aehulicht«, al- ich sie da« erste Mal sab", er unterbrach sich lachend. „Ei, wa» schwatze ich da! Sie trug ein graue« Damastklciv und Rosen im Haar, und die Tracht wird wohl bei den Engeln nick« Mode sein. Ich Hab' auch nachher bald erfahren, daß e« mit dem „Engel" doch nicht ganz seine Richtigkeit hatte. Nun wollen wir aber weiter geigen " „Nein, erst sollten Sie mir sagen, warum e« mit den, „Engel" nicht richtig war." Laver warf seine Geig« ärgerlich aus den Tisch. „Sir bat mich verspottet, wenn Ihr'« wissen müßt " „Da« hätte sie? Nein, junger Herr, da« glaube ich kalt nicht. Ich kenne sie, seit sie so rin kleine« Ding war. »nd habe sie auf den Armen herumgetragen, denn ick war schon Gärtner beim alten Herrn von Hochkirch. Aber Spott habe ich mein Lebtag nicht von ihr gehört." Laver hörte kaum mehr die letzten Worte. Er hatte die Geige ergriffen und führt« mit solcher Energie den Bogen, daß die Spatzen, die vor dem Fenster de» Gartenbause» im wilden Wein zwitscherten, erschrocken auSeinanderfiogen, und der alte Gärtner nur neck vor sich bin murmelte: „Ein hitzige- Volk, diese Polen, ick bab's immer gesagt, aber gegen meine Gräfin soll mir drr da nichlö reden." Tic Stunde war zu Ende. Der Gärtner ging zu seinen Beeten, »nd Laver schritt den Laubengang entlang, an dessen Ente Elisabeth ihn erwartete. Jetzt bog er uni eine vor- springcnke Lanbgruppe, die sic ihm verborgen batte. Er blieb kur; vor ibr siebe» »nd verneigte sich tief und ceremoniell. Sir stand ans und trat ihm entgegen. „ES ist mir lieb, daß ich Sie hier treffe", sagte sie schnell, fast athciiilo» vor Erregung, „ich habe Ihnen heut webe getban, und ick wollte Ihnen sagen, daß mir die« leid tdut — sebr leid — ich — ich —" Sir war sebr verwirrt, denn sie fühlte, wie seine Augen fest und leuchtend auf ihr ruhten. „Frau Gräfin! Sie sagen mir daS — o wie dankbar bin ich Ihnen dafür —" sagte er leise» innig, und drückte seine beißen Lippen aus ihre Hand, die sie ibm einen Augen blick willenlos überließ. Wieder trafen fick ibre Augen — nur einen kurzen, flüchtigen Moment — aber Elisabrth'S Hand zitterte leise in der seinen. Fast heftig riß sie sich lo». „Sie baden keine Ursache, mir dankbar deshalb zu sein — ich erfülle einfach eine Pflicht, die ich mir selbst mekr schuldete als Ihnen." Ihre Stimme klang raub, fast hart, während sie da« sagte. Sit grüßte mit einer kaum merkbaren Neigung des Haupte» und bog in den nächsten Gang ein. Laver stand einen Augenblick rrgunz-lc- — dann strich er mit der Hand über seine Stirn, wie Jemand, der sich vergewissern will, daß er nicht träumt, und ging langsam» sebr langsam dem Schlosse zu. Plötzlich hörte er die Stimme de» Grasen über sich: -Ab, mein Lieber, Sie haben wohl schon Stunde bei Martin gebabt — da« ist recht, da» freut mich." Laver blickte aus. Er stand unmittelbar vor der Schloß- terrasse, aus welcher rer Graf eben promenirte. „Ja, ich komme von Martin", antwortete er mit einem Anfluge von Verstimmung, denn diese Begegnung war ihm jetzt sehr unerwünscht. Jndeß fuhr der Graf aufgeräumt fort: „Dir Kaden beut Abend Eoncert, finken Sie sich pünktlich eia, mein Lieber, wir beginnen um sieben Ubr." „Ich werke gewiß nicht seblen, Herr Graf", und drr Stall»
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