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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.11.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941101028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894110102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894110102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-11
- Tag1894-11-01
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7 V»-«gs^pr«t- », tz» Ha»»t>tzpid«tlon «d« d» «» «t«»». »«kr »ntz tz« Akrork» «atchtetr» Au«. 2chM» .»,«»,lt: vtaklj«rlich^I«.d0. kt Mednaliaer täglicher Zuftelluu, t»S Hau» LüO. Durch die Post bezogen für Deutschland »»d Oesterreich: virrtel,ädrlich >1 6 — Direkte täglich« Krrurbandiendang , .iu-laud: mouatlich 7.50. DteWorgrn-Ausgabeerfcheiut täglich '/,7 Uhr, dt« Lbrnd-Suegäbe Wocheutag» 5 Uhr. LeLitto« Ervettttou : z-tzemnrägäff« 8. Die Erpeditio» ist Wochentag« »nnnlerbrochru geäffuet vo» früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Filiale«: DU« Me»»'« Tartl«. (Alfred Hatz«)» Uulversitättstrahe I, 8««»« Lösche. Mrtharineastr. 11, Part, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. riWMr.Tllgtblalt Anzeiger. Organ för Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Dnzeigen.Preiß die S gespaltene Peützeile »0 Reclame» unter dem RedactionSsteich (laa» spalten) 50^. vor den Famitieuuachrbhk» ch gespalten) 40^. 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Heyden, vielfach auch StaatS- secretair v. Boetticher werden als „im Rücktritt begriffen" bezeichnet. Diese Angaben entzieben sich zur Zeit jeder Eontrole. DaS Ausscheiden sämmtlicher genannter Herren ist schon vor der letzten Krisis wiederholt in Aussicht gestellt worden; während Herrn v. Schelling sein vorgerücktes Alter den Wunsch zum Gehen nahegelegt haben sollte, wurden für den Rücktritt der Herren v. Heyden und v. Bötticher politische Gründe angeführt. Möglich, daß solche wiederum vorhanden sind. Wahrscheinlich aber ist eS zum mindesten nicht, daß der neue Reichskanzler eine werthvolle technische Kraft, wie Herr v. Bötticher ist, allsozlcich werde missen wollen. Das Gerückt von dem Rück tritt de- Frhrn. v. Marschall als StaatSsecretairS des Aus wärtigen wird von verschiedenen Seiten als durch seine Ernennung zum preußischen Sprechministrr gründlich widerlegt bezeichnet. Mag sein. Ausgeschlossen ist aber auch nicht, daß der gewandte Redner und in Zweigen des inneren Dienste- wohlbewanderte Beamte all- mäbltch einem Wirkungskreise zugesührt werden soll, in dem er sich seiner ganzen Entwickelung nach wohler fühlen muß, ak« beim auswärtigen Reffort, in dem er sich nicht viel Freunde erworben hat. Blätter, die seine Ernennung zum preußischen Staat-minister als eine Belohnung seiner Ver dienst« als StaatSsecrelair de- Auswärtigen aufsaffen, sind von dieser Ernennung keineswegs befriedigt. So schreibt die Münchner „Allgem. Ztg": „Freudigen Herzens wird man die auf Freiherrn v. Mar- schall gefallene Wahl de« Kaisers oder des neuen Kanzler« in den,enigeu Kreisen nicht begrüßen, welch« »o» der krisi« der letzten Tage auch eine gewiss« Aenderuug de« Turfes erhofft haben. Di« Laprivi'jche Politik hat bekanntlich dr« Ligenthümllchkeit gehabt, zu verletze», wo sie gewinnen wollte, nud zu enttäuschen, wo sie degeistern sollte. Da« ist vor Allem bei der Durchsüdrung der Haudel«p»lttit de- »eue« Eursr« und daun bei der Haltung der Regteruug in colonialen Angelegenheiten zu Tag« ge- trete»; aus beiden Gebieten aber ist Herr vou Marschall nicht nur vollständig Hand in Hand mit seinem Ehes gegangen, sondern hat ihn in der Schärfe der Polemik und in der Schroffheit des Auftreten- weit hinter sich gelassen. Man kann geradezu sagen, daß an der unerhörten Verbitterung der Stimmung auf conferva- tiver Seite anläßlich der Behandlung der Partei in den Handcls- vertragskämpfen Herr vou Marichaü die eigentliche Schuld getragen hat und daß daher in weiten Kressen die Nachricht von seiner Bei behaltung, ja von fetuer Beförderung einen sehr »„günstigen Eindruck Hervorrufen wird. ES wäre jedenfalls im Interesse unserer iunerpoli- tischeu Entwicklung tief zu beklagen, wenn die versöhnende Wirkung d«S Sturzes d«S Grase» Eaprivi durch ein stärkeres Hervortreten der jenigen Persönlichkeit neutralisirt werden sollte, an welche sich für die konservative Partei die peinlichsten Erinnerungen knüpfen und weiche auch i, deu Frage» der Colonialpolitit wie in sonstigen nationalen Angelegenheiten der auswärtigen Politik den Ton gründ- lich verseblt hat, der allein aus eia Echo in patriotischen Herzen rechnen darf. Endlich hat man allen Grund zu der Annahme, daß Herr v. Marfchall gerade an der Preßt hätig teil, welche den unmittelbaren Anlaß zum Sturz des Grasen Eaprivi gegeben hat, keinen geringeren Antheil hatte, als Gras Cavrwi selbst. Es ist nun allerdings nicht uur wünschenswert!,, sondern wohl auch mit Sicherheit zu erwarten, daß Fürst Hohenlohe s Persönlichkeit die Wiederkehr ähnlicher Zustände, wie sie das Eharakteristilum bes bis herige» Lurses der Reich-Politik gebildet haben, verhindern werde—selbst wen» der Auszeichnung des Herrn v. Marfchall — was sehr wohl möglich ist — die ausgesprochene Absicht zu Grunde liegen sollte, etwaige Illusionen bezüglich einer Aenderuug deS Curses zu zer- stören und vor Allem de» Eindruck nicht auikoimnen zu lassen, als bedeute die Entlassung des Grasen Eaprivi eine Annäherung a» die Bismorck'jche Politik. Man müßte in diesem Falle freilich annedmen, das; die Erfahrungen der letzten Jahre für die maßgebende Stelle »och nicht deutlich genug gesprochen hätten, und das wäre ties zu bedauern, weil es für das deutsche Reich die Wiederholung schwerer, für die innere Festigung des Reiches wie für seine äußere Macht stellung gleich unheilvoller Zeiten bedeuten würde." Aebnlicken Urtheilen begegnen wir in anderen Blättern; schon der Wirksamkeit deS Herrn v. Marschall halber wäre daher zu wünschen, daß seine Ernennung nur einen Uebcr- gang in einen anderen Wirkungskreis einleiten sollte. Bei Erörterung der Frage, wie die Lituattan im Reichs tage sich gestalten nachdem da« neue Moment der Reorganisation der Regierungcingetreten ist, kommt die „Nat.-Lib. Eorr." zu folgendem Schluffe: „Wir fürchten, die Schwierigkeiten, mit diesem Reichstag zu einer Ver ständigung über die wichtigsten Angelegenheiten zu gelangen, sind nicht geringer geworden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Freisinnigen und insbesondere da- Eentrum eher geneigt waren, den Grafen Eaprivi mög lichst zu unterstützen, uni ihn in seiner Stellung zu befestigen. Aus die Freisinnigen kommt es nun freilich wenig an; sie sind zu schwach, um erheblich in« Gewicht zu fallen, und haben schließlich trotz aller gegenseitigen Svmpathievcrsichcrungen auch den Grasen Eaprivi bei den wichtigsten Abstimmungen im Stich gelassen. Auf da« Eentrum oder einen Theil desselben muß za aber leider immer gerechnet werden, wenn im Reichstag etwas Positives zu Stande kommen soll. Dem Grafen Eaprivi möglichst entgegenzukommen, war das Eentrum stets bestrebt, weil diese Partei »inner befürchten mußte, er könnte einem ihr energischer entgegenlretenden Nachfolger weichen müssen. Ein Staatsmann, der denZeblitz'schcnVolksschulgesetzentwurs warm unterstützt hatte, konnte immer beim Centrum auf einige Schonung und Rücksicht rechnen, so unzuverlässig sich auch freilich diese Stütze bei den wichtigsten Entscheidungen erwies. Fürst Hohenlobc ist wegen seiner ganzen historischrnVergangenheit und seiner staatStreuen Gesinnung auch in kirchlichen Fragen beim Eentrum nicht beliebt. In mißtrauischer Zurückhaltung siebt die Partei ihm gegenüber Diese parlamentarischen Aussichten sind nicht erfreulich. Indessen, wir stehen noch vor so vielen ungelösten Fragen und möglichen Wendungen daß das parlamentarische Bild bei der praktischen Arbeit doch vielleicht noch etwa« freundlichere Züge annehmen könnte." Wir unsrerseits sehen einer erfreulichen Wendung der parla mcntarischcn Lage mit größerer Zuversicht entgegen. Vom „Freisinn" erwarten wir freilich nicht niedr, als daS nationallibcrale Parteiorgan. Aber was daS Ce nt rum betrifft, so hat cö gute Gründe, eine Auflösung de« Reichs tagS nicht zu provociren. Tenn von den Conservativen würde es bei der neuen Lage der Dinge schwerlich Unter stützung zu erwarten haben. Und den Fürsten Hohenlohe durch Opposition gegen nothwendige Resormvorlagea zu Concessionen auf kirchenpolitischem Gebiete drängen zu können, glaubt das Centrum sicherlich nicht. Dem Grasen Eaprivi gegenüber konnten die Führer dieser Partei eine solche Taktik für erfolgreich halten, und gerade dcsbalb brachten sie dieselbe in Anwendung. Es wäre nur klug, wenn sic jetzt zu dem Versuche übergingen, sich durch positive Mitarbeit au den wichtigsten Reformen die Gunst der Regierung zu erwerben und sich als Partei zu betragen, der man obne Besorgniß enb gegenkommen kann. Und ibren Bortheil baden die ultramon tanen Herren immer verstanden. Nunmehr ist die längst erwartete spanische Minister krisi« eingetretcn. Der Keim zum Zerfall lag schon längst in der Unvereinbarkeit der im Sckwoß deS Cabinet» bestehenden schutzzöllnerischcn und freibändlerischen Ansichten, und der Handelsvertrag mit Deutschland war der Keil, der eS schließlich spaltete. Die Beratbung dieses Ver trages zeigte, daß die liberale Partei-Organisation zu schwach war, um dem durch das Land gebenden starken Strom der chutzzöllnerischen Bewegung Stand zu halten, und daß die Re gierung selbst nicht die Einsicht undKrafl batte, der ObftructionS- poliiit ohne gleichen, womit der Senatsausschuß die Beratbung hemmte, entgezenzutreten. Es ist inDeutschland zurGenüge an erkannt worden, daß Moret und auch Sagasta in rednerischen Leistungen, die demParlament keineBitterkeit ersparten,denVer- trag, den sie durch ibrc Unterschrift gebunden batten, zu halten suchten, aber e- rächt sich jetzt, daß sic nicht schon damals da« Opfer ibrer Personen anbote», denn in Wirklichkeit ist die jetzige Krisis wesentlich ^das Ergcbniß der durch den Zollkrieg mit Deutschland geschaffenen Lage. Angesicht- der Haltung de« spanischen Parlament« konnte sich Deutschland nicht dazu verstehen, daS am 5. Mai ablausende HandelS- provisorium, daS bereit« zebn Mal verlängert worden war, nochmals binauSzuschieben. Der beste Beweis, daß die Krisi« im Zollkriege mit Deutschland ihren AuSgangsxunct hat, ist die Tbatsache. daß gerade Morct eS ist, der sich weigert, dem schutzzöllnerischcn Flügel der Partei zu Liebe seine Grundsätze einer auf Verträge sich gründenden Handels politik prei-zugcben, denn dieselben Fragen, die bei dem deutschen Vertrage den AuSscklag gaben, werden demnächst wieder bei Beratbung der Verträge mit Italien, Belgien, Oesterreich-Ungarn, Rußland, England und bei der Ver längcrung de- Abkommen« mit Frankreich zur Erörterung kommen. Neben dieser Hauptfrage, die da« Ausland unmittelbar berührt, harren noch mehrere Schwierigkeiten der inner» Politik der Lösung. Der Streit über die Verwaltungsorganisation aus Cuba bleibt noch un geregelt, die Steuereintreibung in Navarra, die Münz aestaltung aus Puerto Rico, die Auseinandersetzung m,t Marokko wegen der Kriegsentschädigung und der Räumung der neutralen Zone um Mclilla sind Steine de« Anstöße«, die ein neue« Eabinet auf seinem Wege vorfindet. Sie werden bei der Wahl der neuen Minister vielleicht mehr in- (Hewicht fallen, als die Rücksichten der Handelspolitik, denn ve» der gegenwärtigen Lage der Dinge dürfte Sagasta sich nur hatten können, wenn er sich parlamentarischen Zuwachs im schutzschöllnerischen Lager sucht. DaS Ausland sieht deshalb auch der Entwicklung der Krisis mit der kühlen Ruhe zu, welche die Haltung Spanien« ihm aufzezwungen hat. Nach den letzten Aeußcrungen deS englischen Premier ministers, Lord Roseberh, bat die Regierung den Plan einer Umwandlung deS Oberhauses in eine ganz oder tbeilweise vom Volke gewählte Körperschaft völlig aufgegcben und gebt aus eine Verkürzung des Vetorechte- de- Hauses aus, sei eS in der Zahl der Verwerfungen, die den Lord« zusteden sollen, sei eS in dem Wesen der Bills, bei denen sie überhaupt noch eintreten dürsten. In beiden Fällen bedeutete die» so viel wie Suprematie de« zur Zeit bestehenden Unterhauses, und eS ist nicht leicht erficht lich, warum eine obere Kammer überhaupt weiter existiren soll wenn daS Unterhaus ihr etwaiges Veto durch sofortige aber malige Annahme der betreffenden Bill in Bausch und Bogen aus dem Wege schaffen könnte. Und dabei erklärte Lord Roseberh sich von Neuem für einen überzeugten Verfechter de« Zwcikammersnstem« und gegen eine einzige, uncontrolirte gesetzgebende Körperschaft! Wo soll aber solche Aussicht ber- kommcn, wenn der anderen Kammer kaum mehr als eine berathende Befubniß bleiben soll, die unter solche» Umständen wohl nur wenige ihrer Mitglieder auSzuüben der Mühe Werth erachtcu dürsten? Al- scharfsichtiger Beobachter des gegenwärtigen Zuge- io der Politik bemerkt Roseberh eben die Gefahren eine« allmächtigen Unterhauses gar Wohl, als kremier am Gängelbande der Radikalen aber muß er sic übersehen. Daß bei einer, selbst von conser- oativer Seite als nolbwenkig anerkannten Reform der In- iitution der Lortkammer eine weitere, in sscwiffeu Grenzen sich haltende, Modifikation deS Vetorecht- mit in Betracht zu ziehe» wäre, darf zugegeben werden, zumal auf einem Gebiete, dem der finanziellen Angelegenheiten, da« Oberhau« und zwar mit seiner eigenen Einwilligung, schon jetzt nicht« mehr mitzuredcn hat. Allein mit einer mäßigen Beschränkung der Vorrechte der Pears ist es den Radikalen eben nicht getban, und etwas weiteres ihnen zuzugcstchen, davon wird dem Premier minister sein ibm angeborncr gesunder Menschenverstand sicher abhalten und ebenso wenig durste er eS mit dem angcdrohten Appell an die Wählerschaft eilig haben. Lange freilich werden die Radikalen sich mit derartigen „Halbbeitcn" oicht ablveisen lasten, sic wollen ganze Arbeit, und wenn sie zu der Ueber- zeugung gelangt sind, daß Lord Roseberh diese ihnen nicht liefern will und kann, werden sie ihn fallen lassen, und dann ist er am längsten Premierminister gewesen. DaS von dem neuen srrdischen Ministerpräsidenten Nikola Ebristitsch an sämmtlickie Präfecten de« Landes versandte, schon kurz erwähnte Eircnlar hat folgenden Inhalt: Der Ministerpräsident erklärt, daß für ihn da» Hauptziel der innern Verwaltung stets gewesen sei, die vollkommene Ordnung im Lande ausrecht zu erhallen Er verlange zu diesem Zwecke die strengst« Gesetzlichkeit und Unparteilichkeit in der Aus führung aller behördlichen Ausgaden. unbediugteu Gehorsam und vollkommene Tiseiplin in der Beamtenschaft, sowie unerschütterliche Treue und absolute Er gebenheit ge ge» ül>er der erhabenen Person deS Königs, in dessen Raine» und unter dessen oberster Aus sicht, gemäß dein An. 6 r>r Vcrsassung, alle Landesangelegen- heiten erledigt werden. Im weiteren Verlause de« Circulars empfiehlt der Ministerpräsident alle» Beamten, die öffentliche Ruhe, sowie die Sicherheit der Person und des Eigen- thunis aus dos Sorgiäliigsle zu schützen, die Amtsgeschäste rasch zu eriedigen, der Bevölkerung gegenüber Entgegenkommen zu beobachten und gemäß bc» gesetzlichen Vorschriften eine ver- läßliche Stütze der Regierung zu sein. Die Gemeinde behörden. sollen sortau >u ihrer autonome» Thätigkrit nicht beunruhigt werden, und die seldstgewählten Organe der Gemeinde dürfen aus einem anderen als dem gesetzlich vor- aeschriebenen Wege nicht von ihrem Amte enthoben werden. Schließlich macht Nikola Ebristitsch die Präfecten daraus aus- merksain, daß er sich von Zeit zu Zeit durch besondere Eommissaire über die Thätigkeit der Behörden genauen Bericht erstatten lasse» werdk, und er werde sich freuen, wenn er in der Lage sein werde. Sr. Majestät dein Könige befriedigende Berichte über die exact« und erfolgreiche Wirksamkeit aller Beamten vorzulegen. Man siebt schon aus diesem ersten, eckt Ebristitsch'schcn. Erlaß, welcher Wind jetzt von Belgrad ans i» das Land wehe» wird, aber man kann auch daraus schließen, welche beinahe anarchischen Zustände noch unter Nikolajewitsch in Serbien geherrscht baden müsse», obwohl dem abgetretenen Premier minister schon eine „starke Hand" nachgeriibmt wurde. Die Reorganisation de« Ministeriums findet bei den Fortschrittlern insofern Zustimmung, als eS zwei liberale Minister sind, die derselbe» zum Opfer fiele», allein auch die Fortschrittspartei verhehlt sich, ebenso wie die liberale, keinen Augenblick, daß eS mit einem Parteiregime vorläufig vorüber ist, und daß erst einmal dem Volk und dem Veamlcnlbum der Sinn für Recht und Gesetz ancrzogen werden soll. An diesem hat es bisher »och jeder Partei in Serbien gemangelt; ob es aber gelingen wiro, denselben dort, wo er seit Iabrbunderlcn gefehlt hat und als ein: auf orientalischem Boden überbanpt nickt gedeihende Pflanze be trachtet worden ist, mil Gewalt heimisch zu machen, ist eine Feuilleton. Monsieur Xaver. Ein« altmodische Liebesgeschichte 4s vou Moritz v. Reicheubach. Nachtruck »ertöte». (Fortsetzung.) .IWarum ließen Sie die Leute nicht aufgreifen und zurückbringeu?" „Zurückbringen? WaS sollte ich mit den Halunke» machen? Ich hätte sie ja halb todt prügeln lassen müssen, um mein Ansehen zu wahren, und dann wäre eS doch jehr schwierig gewesen, sic zurückzubringen." ,,E« fragt sich, wohin die Colonisten gegangen find, und ob sie überhaupt zu ermitteln waren." „O, ermittelt habe ich sie schon. Sie find drüben in Polen auf der Besitzung eine» Grafen Koczielskh." Die Sache schien plötzlich sür Xaver Interesse zu gewinnen. „Dissen Sie den Namen der Besitzung?" fragte er lebhafter als bisher. „Ich denke, Parzimiöchi heißt da- Nest, jawohl." Xaver schwieg emige Augenblicke. Seine Augen blitzten muthwillig; daun wurde er plötzlich wieder ernst und seufzte leise. Er wußte jetzt, daß sein Herz einen tieferen Eindruck empfangen hatte, al« er anfangs glauben wollte. „Ich muß etwa« Vorhaben, da- meine Thatkraft und meine Gedanken einigermaßen in Anspruch nimmt", sagte er sich, „da« tägliche Zusammensein mit Elisabeth, die ich leiden sehe und zu der ich doch nicht sprechen darf, wir ich möchte, ist unerträglich, und dann — diese Fahrt nach Parzimilchi könnte einen eigenen Reiz für mich haben." Er faßte einen schnellen Entschluß. „Sie sollen Ihre Colonisten wieder haben, Herr Gras", sagte er, „nnd ich selbst will sie holen " Der Graf blickte ihn ungläubig an. „Aber, mein Lieber —" „Gewiß, Herr Graf, ich werde sie holen, e« sind Deserteure, denen ihr Recht geschieht, »venu man sie zurückbringt, und ich wüßte auch gar nicht, wa- mich daran bindern sollte." „Die Leute werden aber nicht gehen wollen, sie haben sich ü^wffche» verheirathet «nd sollen hübsch« Wirthschaste» „DaS soll meine Sorge sein, nur eio« mache ich zur Bedingung: Sie müssen e» mir überlaffeu, die Leute hier wieder eiuzurichten und ihnen Strafen auszuerlegen, wenn die« nöthig werden sollte, waS ich keineswegs glaube." „Hm, da« Recht will ich Ibnen schon einräumen — aber ich glaube wirklich nicht, daß Sie mir die Leute schaffen können", meinte der Graf. Xaver lächelte. Sic ritten einige Minuten schweigend neben einander dahin. Plötzlich kam dem Grafen der Ge danke, daß eS doch unangenehm wäre, wenn seinem Stall meister bei dieser Gelcgenbeit ein Unglück passirte, wenn er z. B. von den Bauern maffacrirt würde, oder sein hübsche« Gesicht durch ein ausgcstocheneS Auge oder eine zer- bauene Nase entstellt werden sollte. Es gab ja au dem Mensche» obnehin allerlei auSzusetzen; wenn er auch noch seine größte Tugend, seine Schönheit, verlöre, WaS sollte man dann mit ibm machen? Der Gras gericth dermaßen in das ibm so schädliche Nach denken, daß er einen ordentlichen Hustcnanfall bekam, und als er sich von diesem erbolt hatte, sagte er ganz athcmloS: „Hören Sie, mein Lieber, da« geht doch nicht, daß ich Sie so nach Parzimiöchi reite» laste. Der Gras Koczielskh wird sich seine Leute nicht gutwillig nehmen lassen, ich —" ,.O", fiel ihm Xaver iu» Wort, „der Gras residirt nicht in Parzimischi; ehe er auf seinem fünf Meilen davon ent fernten Schloß von meinem Ucbrrsall erfährt, sind wir schon längst wieder in Sicherbeit." „Aber wenn er die Leute zurückverlangt?" „Wir geben sie nicht, c« ist unser gute« Recht, sie hier zu behalten — eS sind ja Ihre eigenen Robotleute." „Nun, wenn Sic denn durchaus wollen, so nehmen Sie wenigsten« ein paar Ulanen au« R . . . . berg mil; ander« kann ich Ihren Ritt nicht erlauben." „Gut, Herr Graf, wenn ich auch die Waffen der Leute kaum brauchen werde, die Uniformen werden der Sache eio Ansehen geben und sie erleichtern. Aber ich habe Ihr Wort, daß hier für die Leute gut gesorgt werde» wird und daß ihnen nicht« geschieht, wa- ich nicht bestimme!" Mun, meinetwegen." Die beiden Herren ritten zurück nach Walditz. Xaver'» ernste Miene hatte jsich ausgcbeitert. Der Ritt nach Polen schien eine» besonderen Reiz sür ibn zu haben, und seine Phantasie war jetzt nicht, wie am Morgen, ausschließlich mit dem Bilde Elisabeth « beschäftigt. Roch a» selben lag« verständigte er sich »it de« Major de« in der Nabe garnisonirenden UlanenregimcnlS, der ihm einige Mannschaften bewilligte, um die Exunterthane» deS Grasen Eichberg zurückzuholen. „Geben Sie mir nur drei Leute, meinetwegen ohne Waffen", sagte Xaver, „wirklich brauchen werde ich sie nicht, eS ist nur zur Beruhigung deS Grafen." Und mit diesen drei Leuten und einer Liste der Betreffenden iu der Tasche begab er sich auf daS Abenteuer. Polen war damals durch Partcikämpse so zerrissen, daß von einer öffentlichen Sicherheit keine Rede war. Xaver glaubte daher auch, daß Niemand zum Schutze der Deserteure die Hand erheben würde und daß diese leicht cinzuschüchtern sein würden. Und — er batte sich nicht getäuscht. Schreiend und alle Heiligen um Hilfe anrusend, ver sammelten sich die Bewohner deS von den vier Reitern über- sallencn Dorfes, aber — keine Hand erhob sich zu ernstlichem Widerstande. Schon nach wenigen Stunden war daS Un glaubliche geschehen: die zehn auSgewanderten Wirthe saßen mit Frauen und Kindern, mit Möbeln, Bellen und Hand werkszeug auf einigen hochgepackten Wagen, blökendes Vieh folgte der kleinen Karawane, welche die vier Reiter lustig vor sich hertricben, und nach einem nicht zu angestrengten Marsche brachten sie Menschen und Thiere glücklich und ungefährdet nach Walvitz. Da« klingt unglaublich; und doch bat diese seltsame Bauern eutfübrung wirklich statt gesunden, wie ich sie da erzähle, und ein durchau« glaubhafter Augenzeuge hat sie damal« aus gezeichnet. Gras Eichberg'S Bauernwüstungen Ware» also wieder be völkert, und dieser wollte seinen Augen kaum trauen, al« er seinen Stallmeister wirklich mit all" seinen auSgewandrrten Zugvögel» zurückkehren sah. In seiner Freude darüber hatte er aber vollständig sein Xaver gegebene« Versprechen vergessen, und die erste Auordanng, die er zum Empfang der Neu angekommenen traf, war, daß er sie sämmtlich in den Stock setzen ließ, weil er befürchtete, daß fit sonst gleich wieder echappiren würden. Aber diesmal hatte der Graf ohne seinen Stallmeister gerechnet. Empört über diesen Eingriff in seine au-bedungenen Rechte, stürmte Xaver in da« Zimmer de« Grafen. „Sie müssen diesen Befehl zurücknehmen l" rief er ihm aufgeregt zu. „Sie haben mir Ihr Wort gegeben, daß nur ich die Leute einzurichtea »nd im Nothsall zu bestrafen habeii würde I" Der Gras blickt« ibn erstaunt a». „Ja freilich", sagte er, „deSkalb lasse ich sie ja auch nicht prügeln. Wenn ich sic in den Stock setze, so >st das keine Strafe, sondern nur eine Vorsichtsmaßregel." „Ich babc den Leuten aber versprochen, daß man sie weder an ibrer Person, noch an ihrem Eigentbum schädigen würde, daß sic im Gegentbeil begünstigt werden sollten —" „Aber, mein Lieber, baS ist doch eine alte Geschichte, mit Speck sängt man Mäuse, und der gefangenen Mau« giebt man darum doch keine Speckseite zu fressen", meinte der Graf, den die freudige Erregung über seine zurückgekehrtca Colonisten förmlich witzig machte. Xaver war aber in diesem Augenblick nicht aufgelegt, Witze zu würdigen, er sagte nur sehr entschieden: „WaS ich verspreche, bin ich gewöbnt zu kalten, und wenn die Leute nickt freigelasscn werden, verlasse ich beute noch diese« Hau« und schaffe die ganze Gesellschaft ebenso sicher wieder nach Parzimiöchi zurück, wie ich sie hierher gebracht habe." „Hm, mein Lieber, daS würde doch etwa- schwerer halten", meinte der Gras. „Wenn «ch will, frage ich nicht darnach, ob etwa-schwer hält oder nicht." Er sah verzweifelt entschlossen au», al« er da« sagte, und der Graf, der >b» etwas scheu von der Seite betrachtete, fand eS daher besser, nachzugeben. „Hm, übrigens, wenn Sie dafür sieben wollen, daß mir keiner von den Halunken durchgebt, so bade ich nickt- da gegen, daß man sie frei »mhcrlausen läßt", meinte er endlich. „Wenn einer durchgebt, so können Sie die übrigen alle in den Stock setzen »nd mick dazu!" rief Xaver und verließ daS Zimmer, um seine Sckützlinge zu befreien. Er war von diesem Tage an medr aus der Eolonie al- im Sckloß zu finden und war unermüdlich thätig in der Sorge sür „seine" Leute, wie er sie nannte Auch Elisabeth iuteressirte sich für die »eue Eolonie, und als sie erfuhr, daß Xaver einen goldenen Rma und ein paar echte Spitzrnjabot« verkauft hatte, um Geld für sie zu erlangen, da wanderten auch ihre Spartbaler durch Xave?« Hände nach der Eolonie, und ihre Gedanken wanderten den Thaler» nach. So viel wie in der daraiissolgenden Nackt batte Elisabeth noch nie von dem ritterliche» Stallmeister geträumt. Als sie am anderen Morgen erwachte, holte sie den.Ennle" bervor, und ihre Augen hingen wieder wre sestgebannt an der Stelle: „bUtos « qui est dien — ckit«, c« qui vnu." Si« drückte di« Stirn in ihre gefaltete» Hände u»d saß la»g»
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