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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941108028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894110802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894110802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-11
- Tag1894-11-08
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VezrrgO.Pre1O t» H» H«»»tqvedtt1o, «d« de» t» Stadt- tqirl »»> de» Vorort»» «richte» Aus- »«chtrll«» »bgetzolt: vierteliLbrlich ^14.50. « »»»twalig« tLgllcher Zaftell»», w« Haus^lL^L Durch di« Post bezog«» für D«»tschla»d »»d Oesterreich. viertel,«hriich S.—. Dirrrt» täglich« Krruzbondieudung i»s Aalland: «omttlich 7wO. Dir Morge»->»»gab« erscheint täglich'/,? Uhr, dt« Udeud-An-godr Wochentag« d Uhr. Ned«rtton »«d LrperMoa: Aatzanuesgafie 8. Dtelärpeditiou tftW»ch«»lag« »»»»terbroche» getffaet von früh 8 di« Ab,ad« 7 Uhr. /Male»: vtt» Ae»«'« Tortt». (Alfred Hahu), UaiversitätSstrah, 1, L«»t« Lösche. Rathart»e»str. 1«, »art. und Köuiqsplatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ fSr Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. LlnzetgenPreis die «gespaltem Petitzeile 80 Ps». Verla««» «Urr de«vedarttoasftrich (4ae» lpaUe») bO^, vor de» Komilieauachrichte» (Sgeiv-lte,) 40^. SrSherr Schriften laut unsere» Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Ziffenrjatz nach Häher«« Tarif. 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Kann von einer solchen Dauer der nächsten Session schon keine Rebe sein, so ist eS natürlich, daß die Verlegung der Eröffnung deS Reichs tage« von der Mitte des Novembers aus den Anfang de- DecemberS auch auf die Zabl der dem Reichstage vor zulegenden Gesetzentwürfe einen Einfluß auSübt. Allerdings Wird sich der Reichstag der Beralhung derjenigen Vorlagen, deren Erledigung dringend nothwcndig ist, in der nächsten Tagung nicht entziehen können. Nur kann man berubigt darüber sein, daß nicht alle die Entwürfe welche man jeyl aufzählt, dem Reichstage vorzclegt werben. DaS ist schon deshalb nicht möglich, weil auch Vorlagen ausgefüört Werden, welche reine BerwaltungSmaßnabinen sind, die vom BundeSrathe allein erledigt werden. DaS ist beispielsweise mit dem neuen Waarenverzeichniß zum Zolltarif der Fall, dessen Entwurf nun schon längere Zeit im BundeSrathe beralhen wird. Es werten aber auch GeseycS- änderuogen erwähnt, an deren Einführung dir verbündeten Regierungen überhaupt nicht gedacht haben. DaS ist der Fall mit der Äenderung deS Zolltarifs behufs Einführung eines QuebrachozolleS. Die Regierungen sind der Ansicht, daß sich eine solche Tarifänverung schon durch die in Geltung befindlichen Handelsverträge verbietet. Auch davon, daß von den verbündeten Regierungen ein Heimstättengesetz in Aussicht genommen sei, hat bisher nichts verlautet. Kurz, jener Ueberblick kann durchaus nicht den Anspruch darauf machen, den für die nächste Tagung wahrscheinlich in Aussicht stehenden Vor- lagcnkrei« annähernd abgegrenzt zu baden. ES ist dies eben gegenwärtig überhaupt noch nicht möglich, da, ganz abgesehen davon, dag Beschlüsse in dieser Richtung vom Bundesratb noch nicht gefaßt sind, auch die Vorarbeiten für verschiedene Vorlagen, auf deren baldige Erledigung W«r»h g-lcg, wttv, noch gar nicht soweit gcvieheo sind, daß mit Bestimmtheit chrc Eindringung schon in der nächsten Session sich er warten läßt. Während süddeutsche Ultramantane die heftigsten Angriffe gegen den Reichskanzler Fürsten Hohenlohe richten — be sonders thut sich darin vr. Ratzioger in der „Deutschen Reichsztg." hervor —, beobachtet die norddeutsche klerikale Presse gegenüber dem neuen Kanzler größere Zurückhaltung. Eine CentrumSeorrespondenz, die auch von der „Germania" und dem „Wests. Merk." abgedruckt wird, gicbt die Be dingungen kund, unter welchen daS Centrum für die Maß nahmen zur Bekämpfung deS Umsturzes zu haben sem würde. Die Correspondcnz lautet: » Wenn wir mitthuu sollen bei der Verstärkung der äußeren Machtmittel deS Staates unter dem Titel der Umsturzbekämpsung, so müssen wir darüber beruhigt sein, daß l) ein vernünsiige« Maß der StechtSverichärsungea und Freiheit« - Beschränkungen gewahr, wird, 2) der Mißbrauch dieser Mittel zur Bekämpfung der staatS- treue» Opposition nicht beabsichtigt wird, 3) die Ausbeutung der Umsturzgesahr zu Eonflicteu, Angstwahlen, WahlrechtS-Aenberung oder gar StaotSstreild ausgeschlossen ist, und endlich baß 4) die Heilung deS liebelt vo» innen heraus durch Pflege von Religion »nd Srtte, sowie durch Socialresorm nicht hintangesetzt wird. » Mit anderen Worten, daS Centrum will eine Bürg schaft dafür haben, daß die Verstärkung der Machtmittel des Staates nicht auch gelegentlich gegen daS Centrum und seine Partei zur Anwendung kommen könne. Soviel bis jetzt über den Inhalt der zu erwartenden Vorlage verlautet, dürfte für das Centrum wohl kein Grund vorhanden sein, seine Mitwirkung zu versagen. Die Regierung deS neuen Statthalter« in Elsafz- Lothringrn beginnt unter einem sehr günstigen Zeichen. Die Wahlen zum Landesausschuß haben mit einer entschiedenen Niederlage der Klerikalen geendet, viel leicht der größten Schlappe, die sie hier je erlitten bade». Im Landkreis Straßburg ist der ReichStagSabzcordncte vr. weck. Besteller (Hospitant der nat.-lib. Partei) und nicht der klerikale Gutsbesitzer Quirin, in MolSbeim der ReickiSgras Zeppelin-Aschbause» und nickt der Bruder deS Abb6 vr.Müller- LiinoniS, und in Hagenau ist KreiStirector vr. Clemm gewählt worben, der bisherige Abg. Rciubold dagegen durckgefallen. Dieser WablauSfall ist von großer Bedeutung, wenn man beteukt, mit welcher Rührigkeit die klerikale Partei die Propa ganda für ihre Candidaten, namentlich im Kreise MolSbeim betrieben hatte, wenn man ferner erwägt, daß eS im Elsaß fast nie vorkomm», daß rin sick wieder bewerbender Abge ordneter nickt wieder gewählt wird. Es zeigt sick in dem Er- gedniß der Wahlen, daß der gesunde Sinn der elsässisckcn Be völkerung nichts wissen will von der confessionellen Verhetzung, und baß man immer mehr zu der Einsicht koinmt, politische Mandate nicht nach dem GlaubenSbekenntniß sondern nach der persönlichen Befähigung der Bewerber zu vergebe». Die Klerikalen werden e» natürlich nickt gelten lassen wollen, daß hier wie so manches andere Mal die Stimme deS Volkes gegen sie gezeugt bat, sondern werden versuchen, ihren Miß- erfolg mit ver Bebauplung zu bemänteln, daß die Wabl- männer durch die Beamteneigenschast der Gewählten beein flußt worden seien. Dem widerspricht aber, daß den Ge wählten die Candidatur angetragen worden ist aus den Reihe» der Wahlmäniier heraus, ohne daß sie dieselbe gesucht baben. Und im Landkreise Straßburg bat die klerikale Partei koch dieselbe Schlappe erlitten, unv da stand kein Beamter im Felde. Sogar im Kreise Weißcnburg hat nicht viel gefehlt, und der Bürgermeister Deutsch wäre dnrchgekomnien. Im klebrigen sind allenthalben die jrühcren Abgeordneten wieder- gewählt worden. Das Gesammtergebniß der helgischen Provinzial- wählen ist folgendes: Die Provinzialräthe der vier vlämischen Provinzen Antwerpen, Ostflankcrn, Wcstflandcrii unv Lim burg, wie die Provinzialräthe der beide» wallonische» Pro vinze» Namur und Luxemburg behalten ihre bisherige streng klerikale Mehrheit. Die Klerikale» haben — was seil dem Bestehen Belgiens noch nickt vorgekounnen ist — den Pro- vinzialratb der gemischten Provinz Brabant erobert. Fortab besteh! dieser Provinzialratb aus 48 Klerikalen, 4l Liberalen und 2 Socialisten, während früher 29 klerikalen 52 liberale Ab- geordnetegegenüberstanvcn. In bei,Provinzen Lüttich und Henne gau haben die Socialisten die Doktrinär-Liberalen verdrängt und große Erfolge erstritten. Sie haben mit 7000 Stimmen Mehrheit die 2l Sitze in Lüttich, mit 500 Stimmen Mehr heit die vier Sitze in VervicrS, die 2 Sitze in Dison, mit 4000 Stimmen Mehrheit die 7 Sitze in Charleroi und mit >000 Stimmen Mehrheit die 5 Sitze in MonS erobert. Hiernach besteht fortab der Provinzialralb deS Hennegaus auS 43 Liberalen, 22 Sociajisten und 2 t Klerikalen, der Provinzialralb der Provinz Lüllick besteht aus 37 Socialisten, 31 Liberalen und 15 Klerikalen. Die Socialisten baben somit in diesen beiten Provinzialrälben einen entscheidenden Ein stuß. Da dir Klerikalen in sieden, die Liberalen und Socialisten in zwei Provinzialräthen die Mehrheit besitzen, so werben 19 Klerikale und je 7 Liberale und Socialisten zu Senatoren gewählt werden. Nimmt man hinzu, daß die letzten Kammer- Wahlen 33 Socialdemokraten neben l04 Conservalioen und 17 Liberalen zum Einzug in die Volksvertretung verbalst», so zeigt sich, daß Belgien procenlual die stärkste focialistische Vertretung bat. Nack einer kürzlich aus gestellten Berechnung ergeben sich für die verschiedenen Parla mente folgende Zissern mit Bezug aus die in denselben sitzenden Socialisten: Belgien 20 Procent, Deutschland l >,5 Procent. Frankreich 6 Procenl, Italien 4 Proccnt, Ver einigte Staaten von Amerika 3 Procenl. Dänemark 2 Procent, Großbritannien 1,3 Proccnt und die Schweiz 0,5 Procent. Bekanntlich versucht in Palästina die türkische Regierung die Privatlänbereien der in Syrien lebenden deutschen Colon lsre» vurch Gewaltmaßreaeln in StaatSland um- zuwanvel». WaS diese deutschen Colonien anbetrifft, so gicbt eS vier größere und zwar bei Paffa, aus der Ebene Sarvm, in Kaisa und vor den Thoren von Jerusalem. Kleinere deutsche Ansicblungen bcsinten sich außerdem noch in Ramlcd, Betblehcm, ArtaS, TiberiaS :c. Die deutschen Colonisten in Syrien sind säst ausnahmslos Mitglieder der religiösen Gciioffenichast deS Tempels, einer von der evangelischen Lantcsstrche abgesallenen Seele, welche sich in den fünfziger Iabren unter Fübrung deS Stuttgarter Predigers vr. Hoff man» in Württemberg bildete. Da die Secte haupt sächlich chiliastischen Ideen huldigt, so begründete sie Ende der sechziger und Anfang der siebziger Iabre zu nächst die vier größeren genannten Colonien in Syrien. Die Colonisten beschäftigen sich hauptsächlich mit Acker- und Wein bau, Obst- und Bienenzucht und haben auch einige kleinere Fabriken begründet. Die Colonisten sind deutsche Reichs- angehörige geblieben und so genügen auck die jungen Colo nisten ihrer Militairpsticht in deutschen Garnisonplätzcn, während auf der anderen Seite daS deutsche Reich den deutschen Schulen der Colonisten jährliche regelrechte Zuschüsse gewährt. Natürlich müssen die Land- und Hausbesitzer unler den Colonisten Grund-, Gebäude- und andere Steuern a» die türkische Regierung entrichten. In Kaisa, am Fuße de- Karmel, haben die teulschen Colonisten auch ein« deutsche Ackerbau- schule in- Leben gerufen. Die Zahl der Colonisten in Syrien beirlljzi intgesaminl etwa -Otttt. iik»en»i»z«nd Wiletteiuvrtgci, vereinzelr auch Preußen, Sachsen, Hessen u. s. w. Näheres darüber ist in Tdeob. Herrn. Langes instruktivem Werk: „Die deutschen Colonien in Syrien", Prag, Verlag de« deutschen Vereins, zu finden. Die Ruhe in Mittelasien ist durch den Angriff de« WaziristammeS aus die mit der Regelung der indisch- afghanischen Grenze betraute Commission, welche unter der Leitung deS Obersten Turner arbeitet, recht unliebsam ge stört worben. Es fehlte wenig, so wäre eS den Engländern schlimm ergangen, und nur die rege Wachsamkeit veS Com- mandeurS, verbunden mit dem tapferen Widerstände der auS Gurka-Kriegern zusammengesetzte» Begleitmannschaft, ver- eilelle den seindlichcn Anschlag. Oberst Turner Halle Wind erhallen, daß die WaziriS sich mil hinlerhaltigen Absichren trügen, und war stets aus seiner Hut. Als der Uebersall bei TageSgranen in- Werk gesetzt wurde, fanden die Angreifer da« kleine britische ExpetitionScorpS zum Empsange bereit, und nach einem etwa viertelstündige» harten Kampfe, Mann gegen Mann, der auch in die Reihen der anglo - indischen Truppe eine klaffende Lücke riß, wurden die WaziriS zuriick- geworsen. Von den indischen Lancirreitern hart bedrängt, artete der Rückzug der WaziriS bald in wilde Flucht auS. Nachdem dieser unbotmäßigste unter den Stämmen Afghani stans einmal den Weg der Gewalt beschritten hatte, war e« nickt nur militairisck, sondern auch politisch von Wichtigkeit, daß die demselben ertbeilte Lrclion möglichst nachhaltig au«- siel, und dieser Erwägung bat Oberst Turner auch gehorcht, als er die Verfolgung deS Feinde« bi« zur völligen Deroute desselben anordnete. ES ist dessenungeachtet noch keinesweg- sichcr, ob die GrenzregulirungScommission nunmehr ihre Arbeit ebne weitere Behelligung wird zu Ende führen können Die Waziris sind ein wesentlich von Raub- und Beutezügen in benachbarte Gebiete lebender Nomadenstamm, die abnen. daß mit der Festlegung einer bestimmten Grenz linie zwischen dem indischen und dem afghanischen Territorium eine neue Zeit anheden wird, wo für ihre zügellosen gewalt- tbätizen Iiistincte immer weniger Spielraum bleibt, und des halb sind sie abgesagte Gegner der Turchlegung deS Grenz- »ugcS durch ihre eigenen Jagt- und Weibegründe. BrS jetzt konnten sie ihre Slreiszüge rn« Werk setzen, ohne sich einer formellen Verletzung anglo-indischen Gebiete- schuldig zu machen, weil eS eben noch keine fest bestimmte Grenz« gab. Die Herstellung einer solchen Grenze zwischen Indien und Afghanistan soll aber der bisherigen Unsicherheit, die ein steter Quell von Wirren und Reibungen war u»d den Frieden in jenem Tbeilc Mittelasiens permanent bedrohte, ein definitive« Ziel setzen. Wenn der Gesundt-eitSzustand das EmirS Abdurrabnian eS gestattet, so dürfte auch dieser Herrscher sich kaum der Pflicht entziehen wollen, die räube rischen Waziris zur Raison zu bringen. Es gekört mit zu den Bestrebungen der afghanischen Politik Englands, dem Emir die Vortheile der Grcnzregulirung so einleuchtend zu machen, daß er auch nach Norden, wo russisches und afgha nisches Gebiet angrenzcn, zu einem ähnlichen Regulirungs- werk den Entschluß fasse. Offenbar ist der chtnesisch japanische Krieg an einer ent scheidenden Wendung angclaugt. DaS unanfbaltsame Vor dringen der Japaner »nd da« schimpfliche Zurückweichen der chinesischen Truppen, die Korea fast ohne Schwertstreich Preis gaben, dal den Beherrscher der 340 Millionen zu der Ueber- zcugung gebracht, daß sein Reich auf nur allzu morschen Füßen siebt und daß e», sobald die japanischen Geschütze vor Peking erdröhnen werden, rettungslos in sich zusammen- drechen muß. Der Kaiser berief Hauptmann v. Hanneken nach ver Ha»p:flavl. Eiur u««e Arme« nach deutschem Muster sollte aus dem Boden grstampfr werden. Dazu aber gekört Zeit und Geld, und vor allen Dingen, Cbina Kälte früher seinen Hochmuth ausgebcn, eS hätte weniger Verachtung gegen die fremden Einrichtungen hegen müssen. Gegenwärtig ist eine Neuorganisation der Armee und Marine unmöglich, weil dazu auch erst die Einführung einer Cenlralisatwn in der Verwaltung deS Reiches erforderlich ist. Dieser Ansicht wird Hauptmann v. Hanneken Au-druck verlieben haben, denn nach seiner Audienz beim Kaiser wandte sich Cbina an die auswärtigen Mächte um FriedenSvermittetung, e« traf nur noch dir letzten VcrttveiflungSinaßregeln, um die Hauptstadt vor der drobenten Einnabnic zu schlitzen. Prinz Kung, der Vater deS Kaisers, wurde zuni Dictator und militairischen Obercontroleur ernannt, Prinz Tscbung wurde Unlerconiroleur. Der einzige Mann von Einsicht und Verstand, Vicckönig Li Hung-Tschang wurde seines Postens entboben, General Wai wegen der Niederlage bei PingZjang unv Ver untreuung keS Solde« der Truppe» degradirt, dem Acmiral Ting wegen lügnerischer Berichte über die Seeschlacht an der /jaluiiiüntung die ertbeilren Ehrenbezeigungen wieder entzogen. Aber wie gesagt, einen Erfolg verspricht man sich von diesen letzten lrampjbaften Anstrengungen nick«, räumte doch Prinz Kung am Sonnabend de» Vertretern der Mächte ein, China sei nickt länger im Stande, dem japanischen An- grijs Widerstand zu leistenund beschwor die Mächte, sich Ferrillrtsn. Der Tag der Vergeltung. H Bon A. K. Green. . Erste« Buck. Leben oder Tod. Erste- Capitel. Nachdruck verbal<». Im Abend des 13. Juli 1863 verließen zwei Männer, ver eine in Wasbingtvn, der andere in Buffalo, ihren Wohnort, und zwar unter merkwürdig ähnlichen Umständen. Jedem von ihnen hatte die Moraenpost einen Brief ge bracht, den sie sogleich vernichteten. Beide befanden sich den ganzen Tag über in einer stet- wechselnden Unruhe; ja, al« sie von den Ihrigen Abschied nahmen, erreichte ihre innere Erregung einen solchen Grad, baß die bloße Thatsache ihrer raschen Berufung nach New-Hork in geschäftlichen Angelegen heiten dafür keine genügende Erklärung bot. Auch daß dort tzerad« ein gefährlicher Ausstand tobte, Leben und Sicherheit fedes friedlichen Bürger« bedrohend, konnte unmöglich der Grund ihrer heftigen Gemüthsbewegung sein. Der Mann au» Washington, Samuel White, ein früherer Makler, war jetzt angehender Staatsmann. Er galt für sehr wohlhabend, trieb aber nickt den geringsten Luxus, sondern lebte ganz still und zurückgezogen, wa- seiner offenbar ehr- geizigen und prunkliedenden Natur keinenfall« Zusagen konnte. Freilich war e« in der damals sehr unruhigen Zeit de- Bürgerkrieg« überhaupt nicht rathsam, seinen Rrichthum aus- fällig zur Schau zu tragen, allein die Einfachheit von White« Lebensweise war so groß, daß die bedrängte Lag« de« Vater- laude« kaum die einzige Ursache der Beschränkung sein koante, die er sich auferlegte; die Leute meinten, eS müsse wohl noch rin geheimer und zwingender Grund dahinter stecken. Seine Frau war viel leidend, aber sie liebte dir Gesellig keit; enge, dürftig auSgcstattetr Wobnräumr waren durchaus nicht nach ihrem Geschmack. Auch bei der Erziehung und Ausbildung de- einzigen Kindes konnte eine üder.riebene Sparsamkeit nicht erwünscht sein. Wbile war kein Grizbalz und doch häufte er sein Geld auf der Bank an. versagte seinen Angehörigen Bequemlichkeit und Genuß und schloß sich selbst von der segensreichen öffent lich» Wirksamkeit aus, für welche mttürlich« Anlage und Neigung ihn bestimmt zu haben schiene». Weshalb that er das? Die Frage wurde oft erörtert, blieb aber unbeantwortet. Auch seine Gattin stellte sie eine« Tage« und erschrak beftig über den Blick voll Serlenqual, de» er ihr zuwarf. Mil einem liebevollen Kuß machte sie rasch dem peinliche» Augen blick rin Ende, zum Zeichen ihre« vollen, unbedingten Ver trauen». Aber sie vergaß die» Erlebniß nicht, und als sie am 12. Juli wieder jenen Ausdruck in den Mienen ihres ManncS sab, und die innere Pein den ganzen Tag nicht von ihm weichen wollte, ergriff sie daS unheimliche Vorgefühl eines großen drohenden Unglückes. Oft schon halte sie die Möglichkeit in« Auge gefaßt, daß ihr Mann thätigen Antheil am Kriege nehmen, Wohl gar selbst ein Regiment ins Feld führen könne und der Gedanke an Trennung und Todesgefahr machte ibr liebende« Herz erbeben. Aber eine ganz andere Angst erfüllte sie jetzt; ein namenloses Grauen vor etwa« Unbekannten in der Seele ihre« Manne«, die biSbcr wie ein offene« Buck vor ibr gelegen halte. Was sie eigentlich fürchtete, wußte sie nicht, aber eS quälte sie so sehr, daß sie unwillkürlich mit bangem fragenden Herzen die ganze Vergangenheit vor ihrem GeisttSauge vorüberzieben ließ Sie kannte Samuel White von Jugend an. Im selben Landstädtchen ausgewachsen, waren sie Spielgefährten gewesen, lange bevor sie ein Liebespaar wurden. Als er fortzog, um sein Glück im Westen zu suchen, baute sie daheim die herr lichsten Zukunftspläne und träumte von ihrem künftigen seligen Eheglück. Bei seiner Rückkehr — (o wie lebendig brachte ibr der Gedanke daran die alte Zeit wieder in« Gedäckniß!) fragte sie nicht erst danach, ob er Geld und Gut erworben; sie bewillkommnete den Wanderer mit ftrablenkem Blick und warmem LiebeSgruß. Auch er batte ihr sein Herz bewahrt, da- fühlte sie wobl, und dach war e» ein seltsame« Wieder sehen; denn er schien die Beweise ihrer treuen Liebe nur mit Widerstreben binzunebmen. Die« schüchterne Wesen, wie sie es in ihrer Unersabrenheit nannte, war ihr damals aufge- falle», aun sie aber mit gerrifterem Urtbeil daran zurückdachte erkannte sie wobl, daß er eine förmliche Scheu empfunden batte, sich zum Eintritt in den Ebestand feierlich zu verpflichten. Trotzdem batte er sie geheiratbet und war ihr rin treuer, liebevoller Gatte gewesen. Kein eifersüchtiger Gedanke war je in ihr ausaestiegen, obgleich seine äußere Erscheinung ganz danach beschaffen war, dir Frauenwelt unwivrrstedlich anzu ziehen und zu fesseln. Nur eine schwere Enttäuschung batte» ,hr di« Jahre gebracht: di« Hoffnung, daß ihr Ma»u sich « der Oeffentlichkeit bervortbun und nach einer für seine Gaben angemessenen Stellung streben würde, hatte sich nickt erfüllt Wie stolz würde sie aus seine Erfolge gewesen sein! Es hätte ibr Trost und Zerstreuung gekrackt in ihrem bei zunehmender Kränklichkeit bänsig leidenden Zustand, ibn im StaatSleben zu Ehre und Anseben emporfleigen zu sehen. Daß er würdig gewesen wäre, einen hoben Platz unter den Fübrern deS Volks einzunebmen, galt ibr für ausgemacht. Er besaß einen weiten Gesichtskreis, die Arbeit war seine Lust, er schien zum Herrschen geboren. Und doch blieb er in seiner Dunkelbeit und wirkte nur im Geheimen, gerade als schäme er sich seines TbunS — ein Verfahren, da» zu seinem ganzen Cbaiakter in völligem Widerspruch stand. Alle« diese- erwog die Gattin in ihrem Sinn an jenem Tage voll innerer Kämpfe, aber sic fand keinen Ausschluß über da« Geheimniß, da« auf seiner Seele lastete und auch ibren Frieden zu zerstören drohte. Von den elf Jahren ibrer Ehe hatten sic süns in New-Avrk zugebracht, wo White da« Maklergeschäft betrieb, dann waren sie nach Wasbingtvn übergesicdelt und er hatte seine politische Laufbahn begonnen, aber ganz im Verborgenen nnd nur wie verstohlen, so daß sein Einfluß sich zwar bemerkbar machte, sein Name aber selten genannt wurde und seine Person nie in der Oeffentlichkeit erschien. Seit einiger Zeit war er noch seltener auSgegangcn als sonst und dann und wann sprach eine geheime Anast au« seinem Blick, die bei der Ankunft de» Briese« am 13. Uuli ihren Höbepunct zu erreichen schien. Sie bätte blo« die Hand auSstrecken dürfen nach jenem Zettel, um Aufklärung über alle dunklen Ratbsel zu erlangen, die sie nicht lösen konnte. Einen Augenblick zögerte sie, aber schon war eS zu spät: er riß den Brief in kleine Stücke und starrte wie bilslos in« Leere. AIS sein glanzlose« Auge ihrem fragen den Blick begegnete, streckte er die Hand au«, als wolle er sie anfleben zu schweigen, und schwankte au« dem Zimmer. Etwa eine Stunde später kebrte er gefaßter zurück und tdeiltr ibr mit, er bade einen Brief erdalten, der ibn nölhize, unverzüg lich nach New-Iork abzureisen; zuvor wünsche er jedoch seinen Sohn Slandope zu sehen, sie möge daher rasch nach ihm schicken. Diese Bitte erhöhte noch ihre Bestürzung, denn Stanbope war aus der Schule in dem mehrere Me«Iea eat» fernten Georgetown. Hielt ibr Mann vielleicht die Reise nach New-Aork, wo der Pöbrlausstand tobte, für gefährlich und wollte Abschied von dem Knaben nedmen? Ein« derartige Furckt war koch bei der scastigeu Entschlossenheit und Kraft seine« Charakter- kaum drukdar. 2« Laus« de« Lage« sah sie ih, nur wenig, da er «eist am Schreibtisch beschäftigt war; wie sehr er sich aber auch zwang, in ihrer Gegenwart unbefangen zu erscheinen, so war doch eine angstvolle Spannung, ein tiefer Kummer in seine» Miene» unverkennbar. Endlich ertrug sie e» nicht länger. „Samuel", rief sie in schmerzlichem Flehe» und schlang die Arme um seinen Hals, „was quält Dich so? WaS be reutet diese plötzliche Reise ? Sind eS StaatSgeschäfle, die Dich fortrusen, ober ist e« eine persöhnliche Angelegenheit, die Dn mir nickt verschweigen solltest?" Er zögerte einen Augenblick mit der Antwort, dann sagte er in einem Tone, der ibr jede weitere Frage abschnitt: „Mick rust ein Privatgeschäft nach New-Aork. Wäre es gut für Dich, zu wissen, welcher Art es ist, so würde rch Dir mein Vertrauen nicht vorentballen." Die Worte klangen kränkend, doch schloß er sie dabei mit leidenschaftlicher Innigkeit in die Arme. „Vergiß nicht", fügte er eindringlich hinzu, „daß ich Dich siel« lieb gehabt habe!" Ehe sie sich noch von ihrer Ueberraschung erholen konnte, hatte er daS Zimmer verlassen. „Ich will warten bi« Slanhope kommt", dachte sie bei sich, „er wird schon ausfindig machen, wa« seinen Vater quält und warum er gerade letzt die Reise nach New-Aork unternimmt." Aber Ttanhope'S Ankunft machte die Sache nur noch rätbsel- hafter. Statt den Knaben zu sich kommen zu lassen und ibn zu begrüßen, schien Herr White sich förmlich zu fürchten, sein Kind zu seben. Erst al« e« fast Zeit zum Zuge war, kam er auS seiner Studirstude, setzte sich und nahm ken Knaben auf sein Knie. Er versuchte zu reden, aber die Stimme versagte ihm; einen Augenblick beugte er sich über da« Daupt er« Kinde«, dann schob er da« Kind bei Seite, sprang aus und griff nach seinem Hu«. „WaS ich zu tbun babe, wird morgen Abend geschehe» sein", sagte er zu der Mutter, welche die Hand nach ihm au«» streckte, al- wolle sie ibn zurückbalten. Seine Stimme batte einen unnatürlichen fremdartigen Klang. „Uebermorgen sollst Du von mir dören und den Tag darauf werde ich wahr scheinlich wieder daheim sein." Da« war er auch, aber nicht aus dir Weise, wie er «» offenbar erwartete. * * * Lemnel Philipp« au« Buffalo, der an dem nämlichen Tage durch einen Brief nack New-Aork berufen wurdc, war eia Maan ganz anderer Art al« Herr Wbile aus Washington, vo» Gestalt schla»k and wage, mit sei, geschaitt«»«» Gesichts.
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