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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941113022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894111302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894111302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-11
- Tag1894-11-13
- Monat1894-11
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S»^ S7» 75— 72 »0— »70.-,r E S7M> »71.80 2^.S2 2 r, dervor 2»uk voll 0«r »drir» » »cdv»^k iti! 220 BezugS'PretS W d« Ha»pt«r»ed<tio, od«r d«n t» Stadt, deztrk »nd dr» Vorortru errichteten Lu«, gabesielle» »bgeholt: vierteljährlich^ 1.S0. bei »weimallaer täglicher Zustellung in« Hau« » b.üO. Durch die Post bezogen für Deutschlaud »ad Oesterreich: vterlel,idrlich S.—. Direct« täglich« Kreuzbandienduag i»I Ausland: monatlich 7.Ü0. Di« Morgen-Ausgab« erscheint täglich '/,7 Uhr, di« Udrnd-Au«gade Wochentag« b Uhr. LeLacli«« und Ervedittoa: A»tzauue«,afie 8. Di« Lrvedition ist Wochentag« nnnnterbrochra «rdssnet vo» such 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale«: vtt» Me»»'« S»rt<». (Alkred Haha)» Universiläl«strahe 1, L«ai» Lösche, Kathariarustr. 14. part. und KSaiglvlatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ fSr Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. 2lnzcige«.PreiS die «gespaltene Petitzeile SO Psg. Reklamen unter dem Redaction«ftrich («ga st-alten» bO-4. vor den Aamilirauachrtchte, (Sgrspatten) 40->j. Größere Schriften laut unjerem Prrt«» Vkkjtichuib. Tabellarischer und Zisserujatz uach höherem Taris. Extra-Vrilageu (gesalzt,, nur mit d« Worgen-Autgabe. ohne Posibesürdm,»« 60.—. mit Poslbesarderuug 70.—. Anuatsmeschluß für Anzeigen: «bend.Au«gabe: vormittag« 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittag« «Uhu Sonn- und Festtag« früh '/,9 Uhr. vei de» Filialen und Annahmestellen j« est>» halb« Stund« früher. Anzeigen Pud stet« an die GxPedttt»» zu richte». Druck und Verlag von G. Pol» in Lechzt« 581. Dienstag den 13. November 1894. 88. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig, 13. November. Heber die agrarischen Aufgaben der Gegenwart hat der bekannte landwirtbschastlicbe Schriftsteller Professor Th. von der Goltz, Director der Lehranstalt für Land- wirth« an der Universität Jena, soeben im Verlage von Gustav Fischer in Jena eine Schrisl erscheinen lassen. Er faßt darin seine Ansichten über die gegrnivürtige Lage der deutsche» Landwtrthschaft in folgende Sätze zusammen: 1) Die lankwirthschaftliwe Roh Production ist fort dauernd und zwar bis zur Gegenwart gestiegen. Sie bietet an pflanzlichen und lbicrischen Erzeugnissen mehr als je zuvor dar, kann daber auch die Nahrungsmittel für eine gröbere Zahl von Menschen liefern, als sie dies früher je vermochte. 2) Das WachStbum der Produclion an Nahrungsmitteln aus dem Thierreich hat ungefähr gleichen Schrill gehalten mil dem WachStbum der Bevölkerung; dagegen ist die Stei gerung deS Erzeugnisses an Getreide weit hinter der Vermehrung der einheimischen Bevölkerung zurückgeblieben. Infolgedessen reicht die Gesammtproduction der deutschen Landwirlhschast bei durchschnittlichen Ernten lange nicht au«, um den Bedarf des deutschen Volkes an Nahrungs mitteln zu decken. 3) DaS Sinken der Getreidepreisc und das gleichzeitige Anwachsen der WirlbschaslSkoste» haben bewirkt, daß die landwirtbschastlichen Reinerträge zurückgegange» sind. Der Rückgang ist aber weder so groß noch so allgemein gewesen, daß er an und für sich eine genügende und vollständige Er klärung für die ungünstige Lage abzeben könnte, in der sich gegenwärtig zahlreiche deutsche Landwirthe befinden. 4) Sck-on vor dem Eintritt deS Sinkens der Reinerträge war die Lage vieler deutscher Landwirthe eine bedenkliche, und zwar in Fvlge zu hoher hypothekarischer Ver schuldung. Diese wurde vorzugsweise durch Ueber- sckätzung des BodenwerlheS bei Erbtbeilungen oder Käufen und durch Nichtbeackttung der für die Höbe der zu lässigen Belastung maßgebenden Grundsätze veranlaßt. Durch daö Hinzukommen des Rückganges der Reinerträge ist dann die jetzige landwirthsckaftliche Krisis herbeigesübrl worden. 5) Auch in der nämlichen Gegend ist die wirlhschastliche Lage der einzelnen Bovenbesitzer eine sehr abweichende. Die Verschiedenheit wird bedingt einerseits durch das Maß von Geschick, Sorgfalt und Sparsamkeit, welches jeder in sei««» Wirthschaflswcise und in seiner Lebenshaltung an wendet, andererseits durch die Höhe der Hypotheken schulden, welche jeder zu tragen hat. 6) Die Lage der Großgrundbesitzer ist im Durch schnitt eine ungünstigere, als die der Bauern; sowohl deshalb, weil jene mehr unter den niedrigen Gelreidepreiscn und de» Hobe» WirthsckaslSkosten zu leiden haben, als auch deshalb, weil sie böber verschuldet sind. 7l Zum Tbeil aus den unter 6 genannten Ursachen, zum Tbeil wegen der ungünstigeren geographische» und klimatischen Lage befinden sich die Landwirlbe in de» östlichen und be sonders in den nordöstlichen Gegenden des ocuischen Reiches durchschnittlich in einem gedrückteren Zustande, als die in den mittleren und besonders in Len westlichen. Der konservative Parteiführer Gras Limbura-Tttrum bat vorgestern in BreSlau in einer Versammlung, die von Cvn- servaliven und von Mitgliedern deS Bundes der Lankwirlke besucht war, folgende Bemerkungen von allgemeinem Interesse geniackl: Im Reichstag sei für die consrrvative Sache nicht viel zu erreichen. Die Finanzlage des Reiches wie der Einzelstaaten sei ungünstig, weil der Reichslag die beste» Steuerobjecle, Tabak, Bier und Branntwein, unauSgenützl laste. Die Conservativen würden weiter dafür kämpfen, allerdings ohne die Hoffnung, in diesem Reichstag etwas zu erreichen. Gegen die Umsturzparteien muffe elwaS gcscheben. Wenn man nicht energisch vorgebe in Bezug aus die Presse, das Vereins- und BersammlungSrecht, wenn man nicht die wüste Agitation cinsLränke, gehe man schweren Krisen entgegen. Die Ideen der Socialdemokralie seien natürlich utopisch. Aber solle man mit scbendrn Augen den Versuch solcher Utopie gestatten, der nur dazu führen könne, aus Trümmern und Blut schließlich wieder ungesäkr daS Gleiche aus;us!ibrcn wie unsere heutige Gesellschaft? Menschen, die alle Grundlagen deS Staats, die daS Eigentbum, die Monarchie, die Kirche leugneten, dürsten unmöglich nock länger, mit den Gesetzen dieser Institutionen bewaffnet, alle« Bestehende bekämpfen. Er erklärte daher, jeden Entwurf eines Gesetzes gegen den Umsturz, auch wenn er ihm zu wenig z» bieten scheine» sollte, unterstützen zu wollen, und zwar mit jedem Bundesgenossen, der sich dazu darbiete, weil hier alle Paneiunttrschiekc schwinden müßten. In der letzten Zeit ist viel von dem sraur-sische« Ministerium Dupuy die Rede gewesen, daS weder leben, noch sterben könne, daS aber über kurz oder lang stürzen müsse. Wir baden von diesen Propbezeiungen keine Notiz genommen, weil wir sie für weit übertrieben hielten. Aller dings bat die social-radicale Coalition keine Sitzung vorüber gehen lasten, um im Wege verfänglicher Jnlerpellationeu der Regierung den .Gnadenstoß" zu versehen, allein bis hat jetzt sie alle diese Angriffe, wenn auch nicht immer mit gleichem Geschick, glücklich abgewebrt und bei verschiedenen Abstimmungen ganz anständige Majoritäten erzielt, so daß es eben nur die radical-socialistischcn Blätter copiren heißt, wenn man beharrlich davon spricht, daS Ministerium friste kümmerlich von Tag zu Tag sein Leben. Eine geradezu glänzende Widerlegung fanden diese Behauptungen in der «onnabend-Sitzung der Kammer. Seitens der grundsätz lichen Oppositionsparteien war für diesen Tag die Inter pellation wegen der bekannten CempuiS-Affaire vorbereitet und sie wurde auch unter Borantritt der in der Kammer sitzenden socialdemokraiischen Deputirlcn nach allen Regeln der Kunst ins Werk gesetzt, aber nur, um ihren Urhebern eine so eclatante Niederlage cinzubrinzcn, wie sie zu den Seltenheiten in den Jahrbüchern des französischen Parla mentarismus gehört. Es fand sich zur Vertheidigung deS rrgrrrnngSscitig in der Affaire EcmpuiS cingcschlagenen Verfahrens, insbesondere der Entlassung des comproniittirten WaisenbauSleiterö, eine Mehrheit von 444 Stimmen, auf welche selbst die eifrigsten Freunde des Minister präsidenten Dupuy zu hoffe» nicht gewagt hatten. Der Eck-cc der Interpellation wird auf zwei Hauplursachen zuriick- gcsiidrt werden dürfen. Die erste ist das SolidaritätSgefubl der McbrheilSparteien gegenüber den Anmaßungen der social- rcvolutionairen Kauuncrapostel. Die EempuiS Affaire an sich war ein in der öffentlichen Meinung bereits überwundener Slanvpunct. Ohne auf die näheren Umstände einzugedcn, ist es eine jedem unbefangen prüfenden Volksvertreter zu gängliche Logik, daß eine ErziebungSanstall, welche ihrem Namen entsprechen soll, ibre Zöglinge nicht der systematischen Verwahrlosung preiSgeben darf. Hierin stimmte» denn auch alle il>r Votum für die Regierung abgebenden Depulirtcn, von der äußersten Rechten bis zum geniäßigten Radikalismus, überein. Tie IiuerpellationSanbängcr hingegen bewiesen durch ihre schwächliche Begründung der Anfrage, daß eS ihnen in Wahrheit weniger um ein sachliches Ziel zu tkun war, als um die Veranstaltung eines parlamentarischen ScandalS. Sie hofften entweder aus daS Eintreten eines Zwischenfalls, wie solche schon so manche zu unvermulbeten Con- flicten und daraus folgenden CabinelSkriscn geführt haben, oder doch auf einen Verlauf der Debatte, welcher zur weiteren Verminderung sowodl deS ministerielle» Prestiges, als des inneren Zusammenbanges der Regierungsmehrheit übren sollte. Beides hätte ihrem Endziel, der all mählichen Untergrabung der parlamentarischen Republik, bestens entsprochen. Allein in diesem Falle erwies sich die politische Einsicht der Mehrheit doch größer, al« ihr gewohn heitsmäßiges Mißtrauen gegen einander und ihre Gewissen bedenken hinsichtlich des ministeriellen AclionSprogrammS im Ganzen. In der Regierungsmehrheit von 444 Stimmen steckt ein bedeutender Procentsatz, der von Drputirten berrübrt, die, ohne zu den Freunden deS Herrn Dupuy zu gehören, doch ihn, im Vergleich mit den Führern der socialrevolutionairen Propaganca, für da- kleinere Uebel erkennen und deshalb seine Partei ergriffen. Der zweite Grund, weSbalb die Mehrheit sich für eine Taktik entichie», welche dem Eabinet die Behauptung seiner Position ermög lichte, war die allgemeine politische Erwägung, daß Frank reich jetzt, angesichts der verschiedenen ungelösten Probleme der auswärtigen Politik, sich den LusuS innerer Krisen nicht gestatten dürfe. Einmal wünscht man nicht, den Effect der a»S Anlaß deS TodeS Kaiser Alexander'- lll. inscenirlcn natio nal-französischen Gesammltrauer durch daS Schauspiel inneren Haders adzuschwächen: ferner mabnl dic Silualion in Ostasien, die Verwickelung aus Madagaskar und die Fortsetzung der französischen Unternehmungen im ägualorialcn Eentralasrika daran, alle Kräfte der Nation concenirirt zu halten, und endlich kommt auch die ungemeine Schwierigkeit in Betracht, an die Stelle deS zum Rücktritt gezwungenen ein anderes Eabinet zu setzen, mit welchem das Budget in der Kammer vertbeikigl werten könnte. Letzterer Punct ist von nicht zu unter schätzender Bedeutung. Nach alledem, und wenn man hinzu- nimmt, daß auch, wie uns telegraphisch gemeldet wird, die gestrige Interpellation deS Socialisten DervillerS über den Schutz der Arbeitslosen der Regierung ein Vertrauensvotum von ^80 gegen nur 60 Stimmen einbrachte, scheint doch das Eabinet Dupuy mindestens ebenso fest z» stehen, wie eben eine französische Regierung bei den gegenwärtigen zersgbrenen Parteiverhällniffen stehen kann. Eine weitere Stärkung dürfte dasselbe durch die für den madagassischen Feldzug zu erwartende große Mehrheit erfahren, während die Affaire DreysuS vielleicht sich al« die erste gesäbrliche Klippe erweist. Nach der schrille» Dissonanz, mit der in 2-anien die letzte EorteSsession geendel Halle, galt eS als wenig wahr scheinlich. daß daS Ministerium Sagasla über die parla- menlarische» Ferien binauS sich am Ruder zu erhalten ver möge; Alle- schien darauf hinzudcutcn, daß über kurz oder lang die Eonservativcn unter EanovaS dcl Easlillo, die sich der schutzzöllnerischen Bewegung im Lande zu ihren Parteizwecken in ebenso geschickter wie rücksichts loser Weise bedient ballen, zur Leitung deS StaatSschiffeS ivürden bcrusen werden. Mit der gegenwärtigen VoikS- verlrelung hätten allerdings auch sie nicht zu arbeiten vermocht; dem Obenauskommen eines conservativen Ministe riums würde also die Auslösung der CorteS aus dem Fuße haben folgen müssen. BiSber ist aber in Spanien noch jede neu ins Amt getretene Negierung im Stande gewesen, die Wablen so zu leiten, daß da« Ergebniß ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprach, »nd eS kann daher keinem Zweifel unterliegen, daß auch EanovaS tel Castillv den ossiciellen Wahlapparal mit durchschlagendem Erfolge achandhabt baden würde. Um so größer »st denn auch in den Reihen der Eonser- vativen die Entrüstung über den neuesten Schack,zug Sagasta'S, deS .allen Fuchses", der in dem Augenblicke, in welchem die Herrschaft seinen Händen zu entgleiten drohte, durch die Umgestaltung seines CabinelS — d. h. durch die Bildung eine- allerdings sehr bunt scheckigen , Concentration-ministrrium«'', in dem neben liberalen Doctrinären stark republikanisch angehauchte Radi- cale und neben ausgesprochenen Proteclionisten ent'chiedene Freihändler Sitz und Stimme haben — die au-einander- lrebenken Gruppen der liberalen Majorität noch einmal zu gemciiisamcm Handeln vereinigte und auf diese Weise den Anbruch einer conservativen Acra zu vereiteln wußte. M» einem klaren, conscquenlen Programm kann ein aus so heterogenen Bestandtbeilen zusammengesetztes Eabinet natür lich nicht hervorlrelen, namentlich nicht in den innrrpolittschcn und den zollpolitischen Fragen, und e- ist daber auch kaum anzuncbmen, daß diese neueste Combinalion von langer Dauer ein wird; nach einigen Wochen, günstigstenfalls nach einigen Monate» dürste die jetzt vertagte principielle Entscheidung sich doch nicht umgeben lassen. Mr den Augenblick aber ist i wischen Regierung und Parlament ein mocku, vivsncki ge» cdafsen, und der erste Theil der jetzt beginnenden CorteS- ession dürste daher immerhin einen leidlich glatten Verlauf nehmen. AuS Marokko kommt die Nachricht, daß der deutsche Unterthan Neumann am 6. d. M. in der Nähe von Easadlanca erschossen und beraubt worden ist. Wenn nun auch kein StaatSwcscn den unter seinem Sckuitz ansässigen Fremden unbedingte Sicherheit gewährleisten kann, w-rn mit andern Worten Mörder und Räuber selbst in cultivirten Staaten ibre Opfer finken, so bat die gemeldete Thatsachc für Marokko doch eine ernste politische Bedeutung. Mord und Raub waren zwar von jeher in Marokko an ter Tages ordnung und Menschenleben gellen gering, entsprechend dem balbbarbariscben Zustande deS Landes, aber baS instinclmäßig in alle Volksschichten gedrungene Bewußtsein, daß Europa nur nach einer Gelcgendeik suche, um in den Maghreb-ein- zufallen. sowie die bösen Erfahrungen, die Regierung und Volk gemacht hatte», wenn sich Jemand an einem Evristen vergriffe», batte» allmäblich dahin geführt, daß der Europäer in keinem äbnlick, uncivilisirtcn Lande sich so sicher fühlte wie in Marokko, wenigsten« in den Theilcn de« Lande-, über welche die Sultansmacht fick, erstreckte. Belästigungen oder gar die Ermordung von Europäern mußte nämlich die Re gierung stet« mit politischen Temülhiaungen und hoch be messenen Bußgeldern sühnen, und die Regierung selbst pflegte in solchen Fällen vie ganze Landichast, in der sich die Thal zugelragen, zur Rechenschaft zu ziehen und von ihr daS Zebn lache der gezahlten Summe zu erpressen. So kam cS, daß der Europäer in Marokko als ein Rübrmickmichlan betrachtet wurde, denn Jever sab die Möglichkeit vor sick, am eigenen Leibe und Geldbeutel dafür gestraft zu werden, wenn jenem ein Leid- geschah. Unter der Regierung Mulei Hassan'S waren denn auch die Angriffe aus Europäer seilen; die Mitglieder der deutschen Gcsanklschast, die vor vier Jahre» Fez besuchte, bewegten sich oft ganz allein, ungezwungen und ungcbindert in den großen Städten des Innern. In der kurzen Zeit jedoch, seit Abd-ul-Aziz aus dem Throne sitzt, sind Belästigungen und selbst Beraudungen von Europäern häufiger geworden, und gerade Easablanca war bereits vor einigen Monate» der Schauplatz einer solchen Tbat; damals wurden niedrere Europäer, darunter der eng lische Eonsularbeanilr, vor den Thoren der Stadt angehalten und bi« auf daS Hemd auSgeraubt. Die Uebeltbäter wußte» sebr wohl, an wem sie sich vergriffen, und auch in dem neuesten Fall ist die Vermuthung, die Mörder Kälten ge glaubt, r« mil einem Einheimischen zu thun zu haben, selbst dann unwabrschcinlich, wenn Herr Neumann in arabischer Tracht gereist sein sollte, denn der Ermordete gehörte zu den ältesten Ansiedlern Easadlanca- und war in der Näbc überall bekannt. Die politische und symptomatische Be deutung des BorgangeS liegt nun darin, daß den mauri- ^enületoir. Der Tag der Vergeltung. bj Bon A. K. Green. Nachdruck vtrdotkn. (Fortsetzung.) „Sie sagen, mein Vater sei auch Ihnen heute ver ändert erschienen", fuhr Stanhope mit bewegter, aber nickt unfreundlicher Stimme fort; „war er gestern noch ganz Wir sonst?" „Ja", klang e« leise, fast dcmüthig von den so stolzen Lippen. „Noch beim Frühstück heute Morgen habe ich nickt- Ungewöhnliche- bemerkt", versicherte er. „Aber als wir um kalb zwölf zur Kirche fuhren, war eine Veränderung mit ihm vorgegangen — da« wurde mir erst später klar. Ma laiin sich in dieser Zwischenzeit zugelragen haben? Sandten Sie ihm vielleicht irgend eine Botschaft?" „Nein, was hätte ich ihm sagen lassen sollen? Ich wußte au» Ihrem Munke —" sie hielt inne. Ließ sie ihr eigene- Herz nickt weiter reden, oder war eS die Eise-källe in Slan- hope s Mienen? „Ick wollte ibm eine treue Gattin sein", murmelte sie in gebrochenen Lauten. „Ebe ich mein väterliches Hau« verließ, hatte ick mir gelobt, hinfort kein anderes Bild als seine- in meine» Gedanken, meinen Träumen sehen zu wollen. Mit reinem Herzen trat ich an seine Seile, aber der Bräutigam war kalt wie Stein und so ganz in sich versunken, daß er de- Predigers Frage, ob er mich zum Weibe nehmen wolle, überhörte und keine Anl rort gab. Niemand bemerkte e- und die Feier ward nickt unterbrochen. Aber meinem Gefühl nach bin ick ibm gar nickt angetrant und muß doch seinen Namen tragen." Die letzten Worte flüsterte sie kaum hörbar; hoffte sie auf einen Blick, einen tröstlichen Zuspruch zur Linderung ihrer bitter» HerzenSqual. so war cS vergeben«. Stanhope dachte jetzt nur an seine eigenen Gefühle in der Kirckc, an den Moment, al« da« Brautpaar sick vom Altäre wandte und er dem Blick seines Vater« begegnete, der von der Braut zu ibm. dem Sehne, binübersckweisie. E« lag in diesem Blick eine srlcke Well von Enttäuschung »»d Verzweiflung, daß Stanhope Alle« um sich her vergaß und kaum mehr seiner Sinne mächtig blieb. Die Erinnerung hieran und an den wahrscheinlichen Anlaß war e-, waS ibm da« Herz mit Galle und Wermulh tränkte. Halle sein Vater ihm denn wirklich zugetraut, daß er ein Unrecht gegen ihn begangen babe? Vor dem GeisteSauge der jungen Wittwe zogen unter dessen allerlei Bilder vorbei, die keinen Raum in ihren Gedanken hätten haben sollen an diesem Trauertage. Sic sah nicht die Gestalt ihres tobten Gatten, sondern da» jugendliche Antlitz deS SobneS, wie eS ihr in jener denk würdigen Stunde erschienen war, als sic ihn zum ersten Mal erblickte. Da batte sich die ganze Wett plötzlich für sie verwandelt; die Heiratb, in Vie sie gewilligt batte, war ihr wie eine Sünde vorgekommcn, nun cS zu spät war, zurückzutreten. Verstört blickte sie jetzt auf den jungen Mann vor ihr, der bewußt oder unbewußt den furchtbaren Kamps herausbeschworen. Sie dachte an ibre Scham, ihre Sehnsucht, ihr heimliche- Zaudern, ihren vergeblichen Wider stand gegen da» mächtige Gefühl, da» sie vorwärts drängte. Zuletzt verschwand Alle- in einer Erinnerung, die kaum vicr- unrzwanzig Stunden hinter ibr lag und doch schon seit undenk licher Zen einen Tbeil ihre« Leben- au-zumachen schien. E« war so schnell gekommen — sie standen sich einen Augenblick allein gegenüber, Leidenschaft und Angst überwältigten sie. Man zwang sie zu dieser Heiratb und sie wollte wissen, ob ihr Geschick denn ganz unwiderruflich sei. Sie batte ibm nicht gestanden, daß sie ihn liebe — o nein — nur gefragt batte sie ihn, ob sie da« seinem Vater gegebene Versprechen halten und den Bund eingehcn solle, an dem ihr Herz nicht betdeilig« sei. — Al- er dann vor Ueberraschung kein Wort der Erwiderung fand, batte sie ihn angefledt, ihr zu lagen, was sie ihun solle, da sie selbst keinen Ratb mehr wisse, er möge ibr Geschick entscheiden, sie werde sich seinem Au«spruch unterwerfen. Er hatte e« gethan. hatte gesagt, sie solle ihr Versprechen halten und seinen Vater glücklich macken. Und die« war nun da« Ergebniß ibre- Gehorsam- — ibr Gatte tott uud vor ihr dieser Mann von Stein, der sich mübte, Geduld mit ibr zu haben und ihr keinen Haß zu zeigen Sie sab ihn erbleichend an. ,Z)äre e- möglich, daß Ihr Vater unser Gespräch gekört bat?" Stanhope schrak zusammen, faßte sich aber sogleich wieder. .Nein", sagte er, „wir machten gleich darauf zusammen eine Ausfahrt; da war er frob und heiler, er sprach mit Stolz »nd ZLitlichkeit vo» Ihne» und traute aus srm zulünsuge« Glück." Ein schmerzlicher Zug sioa über ibr Gesicht, doch schnell schöpfte sie neue Hoffnung: „O, dann haben wir u»S viel leicht geirrt, — unsere Angst war übertrieben. Die Pistole bat sich doch zufällig entladen und wir haben nur seinen Ver lust zu beklagen." Sie blickte so gespannt auf ibn, daß er nicht den M»tk> hatte, ihr zu widersprechen. „Glauben Sie da- immerhin", sagte er, „und möge eS Ihnen Trost gewähren." „DaS will ich", ries sie entschlossen, „ich will glauben, daß mich keinerlei Verantwortung trifft bei dem Unglück. Wie könnte ich sonst das Leben ertragen!" Er schwieg und wandte den Blick verlangend nach der Thüre hin. Ihre Lippe bebte, als sie e- sah. „Ich babe Sie schon zu lange mit meinen Klagen be lästigt", murmelte sie. „Meine Mutter wird bald hier sein und Sie wünschen zu gehen. Es warThorheit von mir, um dies« Unterredung zu bitten-, ich hatte kein Recht, Sie in Ihrem Kummer zu stören." „Sagen Sie da- nicht", rief er, sich zusammenraffend, „ich schätze mich glücklich, Ihnen dienen zu können, Ihnen meine Hochachtung beweisen zu können. Wir sind jetzt Glieder einer Familie, und wenn ich auch bald die- Hau- verlaffr, so hoffe ick doch, daß Sie eS stet» als Ihre Heimath betrachten werden." „Ja", verletzte sie in der Bitterkeit ihre« Herzen«, „hier ist meine Heimath; um diese« Glanze« willen habe ich ge- beiralhet, nun muß ich sorgen, daß er mir auch Genuß bereite." „Denken Sie vielmehr, daß diese Stätte Ihnen von dem Gemahl bereitet wurde, der Sie, so lange er lebte, auf- Hingebendste geliebt hat", erwiderte Stanhope mit würdigem Ernst. „Wir groß, wir edel Sie find!" ries sie, in Thranen au»- brrchrnd. „Ich werte tbun, wa- ich kann, um stet- dir Achtung zu verdienen, die der Wittwe Ihre« Vater- gebübrt — verlassen Sie sich darauf." Mit einer ehrerbietigen Ver beugung zog er sich zurück, und al- die Thür sich dinier ibm schloß, füolte sie, daß sich zwischen ihnen eine unüberstrigliche Scheidewand ausgetbürmt hatte. Viertes Eapitel. Jack Hollister wartete ungeduldig aus Stanhope'- Rück kunft; er batte ihm noch etwa- zu lagen. „Ich habe mir Alle- gründlich üderlrgt, während Du fort warst", begann er, sobald sein Freund eingetreten war. „Du mußt meine Beichte bi- zu Ende hören, damit kein Mißverständlich zwischen un- auskommen kann. Als Be werber um Flora - — Frau White'S — Hand bin ich nie ausgetreten, sic hat mir auch keine besondere Gunst erwiesen, aber ick babe sie geliebt, seit ich sie vor zwei Jahren zum ersten Mal aus rem WobltbätigkcitSball sab. Mil Freuden Kälte ich mein lustiges Iunggesellenlebcn, meinen Elub, meine Rennpserde, mein Segelboot ausgegeben, um mir mit ihr ein stilles, bescheidene- Heim zu gründen. Doch, da« war nickt nach ihrem Sinn. Neben Deinem Vater wenigsten« batte ich gar keine Aussichten. Ob je der Gedanke in ihr ausgestiegen ist, baß alle äußeren Bortdeile doch nicht für den Unterschied der Iabre entschädigen können, weiß ich nicht; in letzter Zeit ist eS mir manchmal so erschienen. Ihre Verlobung bat mich damal» schrecklich mitgenommen, und da- tragische Ereigniß de« heutigen Tage- bringt mich ganz außer Faffung. Wenn ein Anderer — und noch dazu r,n Freund — daS Mädchen hrimsührt, da« man liebt und er wird gleich nach der Hochzeit dabingerafft, dann kommt man sich vor wie sein Mörder. Es tout mir jetzt freilich leib und ick schäme mich meiner Tborheit und Eifersucht, aber noch neulich, als wir Alle bei Tische saßen, wünschte ich, ein Blitzstrahl möchte da- Hau- treffen und un- alle unter seinen Trümmern be graben." „Jack!" „Ich muß offen gegen Dich sein, Stanhope, sonst kann ich Dir nie wieder frei in- Gesicht seben. Unaussprechlich sebne ich mich danach, jetzt zu ihr zu eilen, sic zu trösten, ihr Ein »nd Alle- zu sein, und doch würde ich keinen Augenblick zögern, da- Unglück ungeschehen zu macken, wenn r- iu meiner Macht stände, damit wir ihn wieder in unserer Mitte hätten, so stark und hoffnung-reich und voll hin gehender Zärtlichkeit für sie, wie er noch gestern war. — Glaubst Tu da«? —" „Ja, ja", murmelte Stanhope zerstreut; er überdachte di« seltsamen Verwickelungen ihrer Lage, während er mechanisch im Zimmer aus und ab ging. „Du kennst die Liebe noch nicht und die Eifersucht mit allen ibren Oualen", fuhr Jack lebbasl fort. „Wenn Du einmal ein Mädchen liebst, wirst Du begreifen, wie da« einem den Kops verdrehen kann, selbst wenn man gar kein« Ansmunierung erhält; dann wirst Du mich vielleicht rat- schuldigen." „Ich tadle Dich nicht", war Stanhope'« ruhige Antwort
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