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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.11.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-11-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941119025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894111902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894111902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-11
- Tag1894-11-19
- Monat1894-11
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Ten Tugenden deS Mannes hat die Anerkennung nicht gefehlt und die Thalen deS Herrschers sind in überschwänglicher Weise gepriesen worden. Auch in unserem Balerlande hat die Wallung der Gefühle häufig die Schätzung bestimmt und das Urlheil über das Berhalten deS Verstorbenen zu Deutschland beeinflußt. Hat man in Frankreich vieler Orlen die nationale Würde dahingegeben, so ist dies im wirkliche» oder vermeintlichen nationalen Interesse unv aus begründeter Dank barkeit geschehen, während das bei un s gespendete Ucbermaß deS Lobes einem Raub am eigenen Verdienst gleichsam und das Vergessen unvergeßlicher Schmälerung deutschen Volkslhums anzuzeigen schien. Alexander HI. ist ein schonungsloser Be drücker der dculscken Nativnalilät gewesen, er bat mit eiserner Faust unsere Sprache in Schule und Kirche auszurotlcn gclrachlet. Die deutsche Universität Dorpat ist durch ihn zerstört worden, nicht der Name mehr soll a» diese Hochburg deutscher Bildung erinnern. Ein großer politischer Gedanke, der, wenn nicht für das deutsche Herz, so doch für unseren Verstand die Kränkung mildern könnte, lag der Verfolgung des DeutschtbumS mit nickten zu Grunde. Die Treue der Balten ist keinem Zaren, auch Alexander III. nicht zweifelhaft gewesen, wie auch die Bevorzugung der in Rußland Gewerbe treibenden Franzosen vor Len Angehörigen deS deutschen Reichs das Verfahren des verstorbenen Kaisers mehr einem Gefühle als politischen Grundsätzen entsprungen zeigt. Ein Dienst steht der argen Schädigung keineswegs gegenüber. Gedankenlose deutsche Zeitungen haben sich die Bezeichnung „Kriedenskaiscr" für den verstorbenen Herrscher angceignel. Die persönliche Friedensliebe wird Alexander Hl. nicht abgesprochcn. Aber der Vater der Kriegsbesürchtungen der letzten Jahre ist er und nur er gewesen. Frank reich durfte auf Rußland hoffen, das eine bedrohliche Heeres»,acht an der deutschen Grenze zusammenzog, »nd dessen von mystischer Vorstellung der monarchischen Gewalt beherrschter Kaiser dem Kampflied fran zösischer Königsmörder die Reverenz bezeigte. Wenn sich Deutschland 1890 und drei Jahre später, das letzte Mal unter schweren inneren Kämpfen, eine neue drückende Heereslast aufbürken mußte, so weist die Geschichte auf Alexander III. als aus denjenigen bin, der cS dazu gezwungen bat. Nicht um gegen einen als Mensch der Achtung würdigen Tobten Groll zu erwecken, sonrern weit auö falschen Voraussetzungen falsche Schlüsse in der Zukunst gezogen werden könnten, soll ein in weltpolitischer Beziehung nur allzu vertrauendes Volk, Wie daS deutsche, an die Thalsachen erinnert werden. Extrem-conservative Organe hatten in dem neuerdings aufgeuoniiiienen kample gegen Sie Freiheit der Wissenschaft auch den Berliner Nattonalökonome» Professor Meitzen denuncirt. Wir haben in Nummer 586 die Tbatsache, daß dicS geschehen, erwähnt; über das wie wollten wir nicht eher berichten, bis das mit Sicherheit zu erwartend« Dementi vorlag. Prosessor Meitzen hat jetzt in der „Nat.-Ztg." die Sachlage aufgeklärt. Von Meitzen war behauptet worden, er habe in einer Vorlesung die Mitglieder der Generalsynode beschuldigt, daS ihnen völlig gleickgiltige apostolische GlaubcnSbekcniitniß gegen ihre Uederzeugung an genommen zu haben, „nur weil sie eS für daS Volk brauchen." Dieser Angriff, dahin wurde die Anklage erweitert, sei ohne wissenschaftlichen Anlaß vom Zaune gebrochen worden. Dem gegenüber erklärt Prosessor Meitzen in der „Nat.-Ztg": Berlin, 17. November. Sehr geehrter Herr Redakteur! Auf de» Artikel der „Naiional-Zeilung" von heute in Nr. 624 beincrkc ich ergebenst, daß ich mich weder so roh und trivial, wie einige Zeitungen zu meinem Erstaunen mitgetheilt haben, noch unrichtig oder unnothig zu meinen Zuhörern über kirchliche Fragen geäußert habe. Ich hatte das Berhältniß des Staates zu den Ideen des Com- munismus und Socialismus zu erörtern uüd habe eingehend gezeigt, wie sich der materialistische Gedanke, der das Individuum nach einem nur durch den Genuß des Leben« bestimmlen Dasein unter- gehen läßt, und der idealistische gegenüberslehen, der in dem Mensche» ein veranlwortliches Crnirum unvergänglicher sittlicher Kraft, von einer in seiner Sehnsucht vorgebildeieii dauernden Ent- Wickelung sieht. Dabei habe ich gezeigt, wie sich in der Geschichte der Menschheit allmählich die Axiome Unsterblichkeit, Gott, Tugend zu Ueberzeuguugt» durchgerunge», wie es nie eine» Staat gegeben hat und geben kann, der nicht in seinen Forderungen und Gesetze» von der Voraussetzung diese- sittlich verantwortlichen, zu einem jenseitigen Ziele zu erziehenden Individuums ausgeht. Wer aber das Lächeln beobachtet hat, welches bei solchen Aeußerungen die Züge unserer socialislisch angehauchten Jugend überfliegt, wird auch die Nolhwendigkeit der der Wahrheit ent- sprechenden Verwahrung einsehen, daß diese Sätze keineswegs ortho doxen oder pielistischen Aeußerungen entspringen. Um aber kein Mistvrrsiändniß austomme» zu lasten, habe ich ohne jede Anfechtung subjektiver religiöser Meinungen auch die Stellung von Staat unv Kirche berühr! und ausdrücklich das äußerst schwierige Problem bezeichnet, vor dem die Kirche steht, daß ein großer Theil der Geistlichen das Apostolicum, das die Kirche bisher als eine Glaubensvorschrift behandelt hat, nicht glaubt und glauben kann, und daß selbst der Bauer sagt, mit dem Apostolicum ist es doch eine eigene Sache, während er gleichwohl ein« kräftige orthodoxe Predigt fordert. Ich habe heute meinen Zuhörern gezeigt, in welcher unreifen und gedankenlosen Weise meine Vorlesung zu einem böswilligen Zerrbild« verkehrt worden ist. Ich bitte Sie, mit dieser meiner Aeußerung die Sachlage auf- klären zu wollen. vr. August Meitzen. Nach dieser Erklärung ist Meitzen daö Opser einer böswilligen Berichterstattung geworden. Was über den Zusammenhang, den Inhalt und die Form seiner Aeußerungen mugetheilt worden ist, erweist sich als falsch. Der Nationalökonom war in einem staats- philosophischcn Vortrag bei einem Puncte angelangt, wo die Erörterung der Beziehungen der Staalsidee zum Glauben nicht zu umgehen war, und Hai dabei in der Sprache der Wissenschaft eine Lehre vorgelragen, deren Kern das birecle Gcgeniheil von der Auffassung des Verhältnisses zwischen Staat und Religion begreift, die man nach der colportirlen Aeußerung des Hoch schullehrers diesem zuschreiben konnte und wohl auch sollte. Er hat in einer verwerfenden Kritik des Materialismus »gezeigt, wie cs nie einen Staat gegeben hat und geben kann, der nicht in seinen Forderungen und Gesetzen von der Voraussetzung eines sittlich verantwortlichen, zu einem jen seitigen Ziele zu erziehenden Individuums ausgebt". Mil anderen Worten: Ohne Religion und Sittlichkeit als Grund lagen kann ein Staat nickt gedacht werden — eine Lehre, gegen die Herr Stöcker und die „Kreuzztg." nichts cinzu- wendcn haben werden. Wenn Professor Meitzen, wie ans seiner Eitiärung hervorgebt, gerade mit Rück sicht aus den „socialislisch angehauchten", also zweifelnden, aber dem MateraliSinuS noch nicht cndgiltig verfallenen Theil seiner Zuhörer entwickelt, jene Auslassung vom Staate entspringe weder orthodoxen Anschauungen noch müsse sic nolhwendig zu solchen hmjübren, >o erfüllt er seine Lehrerpsticht, indem er einen Jrrlhum beseitigt, der dem Bestreben, die Schüler für die Uederzeugung deS Lehrers zu gewinnen, ein unübersteigliches Hinberniß entgegenstellte. Daß der allgemeine Glaube an da« Aposto licum keine Voraussetzung des religiös-sittlich begrünveten Staates bildet, durste Professor Meitzen auch mit Rücksicht aus die nicht socialislisch und atheistisch angehauchte Jugend nicht verschweigen. Im anderen Falle würde auch dieser Theil ans der Vorlesung die Uederzeugung mitgenommen haben, ein Staat, wie ihn der Lehrer denkt, bestehe nickt. Daß ein großer Theil der Geistlichen nicht aus dem Wortlaut des AprstolicumS steht, ignoriren auch die Gegner de« Professors Meitzen nicht; waS sie ihm aber in den Mund gelegt halten, war die Beschuldigung, da« Apostolicum würde auch von den Geistlichen, die es öffentlich bekennen, innerlich verworfen und zur Bethörung der Laien mißbraucht. So lange die heute gewährte, aber von der extremen Orthodoxie bekämpfte Frei heit herrscht, wird eine solche Verleumdung keinen Ein gang bei der christlichen Bevölkerung finden. Anders aber, wenn die Geistlichen ohne Ausnahme einen Glauben bekennen müßten, den zahllose kirchlich Gesinnte nicht lbeilen, und von dem Letztere wissen, daß er auch vielen Theologen fremd ist. Dann allerdings wäre der Verdächtigung der priestcrlichen Wahrhaftigkeit eine Unterlage gegeben und dem Umsturz jedenfalls kräftiger vorgeardciiet, als durch die Anzweiselung der historischen Persönlichkeit Adraham'S, eine Anzweifelung, in welcher die „Kreuzzeilung" die wissenschaftliche Funda- mentirung der sociatvcmokralischen Lehre zu erdticken zeit gemäß findet. Eine letzter Tage in Palermo abgehaltene Versammlung fictliantfcher Großgrundbesitzer hat letzter Tage de- schlossen, einen „Verein für die wirtbschaftlichen Interessen der Insel Sicilten" zu gründen, der offenbar der Wahrung der sveciellen Interessen der Latifunbienbesitzcr gegenüber den Crispi'sckcn Refoimplänen gilt und dem Parlament eine Petition Zusehen taffen wird, welche die Auf'rechtcrbaltung der bisherigen Agrarverhältnisse aus der Insel verlangt. In der selben wird ausgeführt, die Latifundien seien eine Noth- wendigkeit für die Insel, die man durch kein Gesetz beseitigen könne. Wo man sie zu thcilen versucht habe, seien sie nach wenigen Jahren wieder hergestcllt worden; die Zertheilung des sicilianischen Grund und Boden« in Nein« Baucrgüter sei hauptsächlich darum unmöglich, weil da« Klima zu trocken sei, und vielerorts aus der Insel empfindlicher Wassermagel herrsche. Der Groß grundbesitzer könne die Schwicrigteiten de« Klimas und Boden« überwinden, nicht aber der Kleinbauer. Erfreulicher Weise ist neben der Kundgebung der Lalisundienbcsitzcr auch eine Tbatsacke zu verzeichnen, die zeigt, daß die Gedankensaat CriSpi's denn doch nicht überall auf unsruchl- baren Boden gefallen ist. Au« Calalabiano erhält nämlich da« „B. T." die Nachricht, daß die dortige Eommune soeben im Sinne der übrigens noch gar nicht zur TiScussion gelangten CriSpi'schen Agrarvorlage einen Tbeil ibrer Domänen al« ErbzinSgülcr an die besitz lose Classe verlheill hat, — daß bannt mit einem Schlage 279 Tagelöhner in Kleinbesitzer verwandelt sind. Wenn die« nun auch gegenüber der Maste von ländlichen Proletariern nicht viel heißen will, so ist der ganz freiwillige Vorgang der Gemeinde von Ealatabiano doch au« zwei Gründen von Bedeutung: einmal, weil von den Jntcreiicnten, näm lich von einer sicilianischen Commune, ohne jeden gesetz lichen Zwan; da« Princip der Agrarreform anerkannt und mit der Durchführung derselben praktisch begonnen worden ist, sodann aber auch, weil dies „ksit nccompli" zweifellos au die Entschließungen des Parlaments einen Einfluß auSüben muß. Es ist nämlich ein offenes Gcheimniß, daß weite parla mentarische Kreise, namentlich solche, die in Sicilie» und anderswo Latisundien-Jnlercssen vertreten, der CriSpischcn Vorlage mißmuthiz gegenüberslehen — daß sic diese Vorlage ogar in den VureauS bisher nachdrücklich bckämpsten. — lieber die Crispi'sche Agrarvorlage sür Sicilien sei in Erinnerung gebracht» daß in erster Linie der Staats- und Gemeinde besitz direct und ohne die wucherische Ausbeulung durch den Zwischenhandel und durch die verschiedenen Arten von Ober- und Untcrpächtcrn den Bauern als Erblebnen über lassen werben, daß ein ähnliche- System auch aus die Lati- ündiendesitzer angewenvet und hierdurch also ein selbstständiger, durch Corporativgcnosscnschasten und StaalShilfe finanziell begründeter Kleindauernstand geschaffen werden soll — den die Regierung noch durch Slcuererlässe und dergleichen wohl thätige Maßregeln besonders protegiren wird. Mit der Durchführung vn Miniatur» dieses vortrefflichen ProjecteS hat nun, wie gesagt Ealatabiano begonnen und zwar ohne erst die Abstimmung der Kammer und den gesetzlichen Zwang abzuwartcn. Ein Beispiel, dem boffeiulich recht viele andere ficilianische Communen in Bälde folgen werden. Kaum hat in Belgien die parlamentarische Campagne begonnen, so erhalten auch schon die Klerikalen einen Vorgeschmack davon, was sie von sociali frischer Seite zu erwarten haben. Sie baden tie Liberalen verdrängt uua dasür die Socialisten eingetauschl, Männer entschlossene» Charakters, zündende VolkSretner, welche nicht nur die socialistischen Ziele in der Kammer verfolgen, sondern auä> durch ihre Reben die VolkSmassen im Laute in Bewegung bringen wollen. Sv wurde in der Kamiiiersitzung vom Freitag über die Wahl in Alost verhandelt, bei welcher die von Woeste geführten klerikalen Heißsporne über die von dem Add» Dacns geführten christlichen Dcinolratc» gesiegt hatte«-. Bei dieser Wahl war e« sehr unsauber zugegangen; inan vergaß sogar 2000 Stimmzettel zu zählen — kurz, die Wabl wurde anzesochle». Der Kammerauöschuß erkannte auch die groben Ungchörigkeiten an und beantragte, eine Stichwahl zwischen den beide» Führern der streuenden Parteien anzn ordnen. Damit sind aber die Sociatisle» nickt zufrieden; sie wollen die klerikalen Waklumtricbe vor vem Lance klarstcllcn und forderten energisch die Niedersetzuug eine« pallainen larischen Untersuchungsausschusses. Darüber gcriclh t.c Rechte ganz aus dem Häuschen; der klerikale Aloster Dcp» tirte Sadeelcr bestritt die socialistischen Anklage», sührlc auch die rothe socialistische Fahne in das Gefecht; die Rccklc tobte, aber da« Alles verfing nicht. Der Genlcr Socialist Anscele rief den Klerikalen zu: „Alles, was bisher in dcc Kammer ohne unsere Anwesenheit verhandelt worbe» ist, zählt sür »ns nicht. Alost ist daö clasfische Land der Wabl bctrügcrcicii, und die Aloster Klerikalen sind zu Allem sädia. Ich würbe mich schämen, einer Partei anzugchörcii, welch,: derartige Betrügereien noch beschönigt." Als der Minist.-r vc Bryn dagegen rinfprcchcn wollte, schleuderte ihm Aiiseele die Worte zu: „Sie wage». Alles zu leugnen, selbst die Wahrheit!" Er bestand auf Untersuchung, und der Socialist Vandervelde mahnte die Rechte in ihrem eigene» Interesse, die Untersuchung nicht abzuweisc», schon um sich vor dem Lande zu rechtfertigen. AlS aber der Klerilalc HoyoiS mit der Bebauplung austrat, auch bei der Wabl dcr isocialisten in MonS sei cS nicht recht zugegangcn, da ertönten von socialistischer Seite her nickt nur Ruse „Lügen, Aller unwahr", sondern cS erhob sich (wie gemeldet wurde) cin solcher Scandal, daß der Präsident die Sitzung aufheben mußle. Sollte die Rechte aus einer Berschärsung dcr Ge schäftsordnung bestehen, so wird man noch ganz andere Dingc Feuillrt»«. Der Lag der Vergeltung, 10s Bon A. K. Green. Nachdruck «erdotm (Fortsetzung.) Flora war, während sie dies sprach, in daS Wohnzimmer getreten, wohin ibr Stanhope mechanisch folgte. „Meine Zeit ist jetzt so sehr von anderen Dingen in Anspruch genommen, daß ich einstweilen aus die Freuden der Geselligkeit verrichten muß", sagte er. „Tie dürfen mir das nicht als Unhöflichkeit auSlegen. Fräulein Dalton wird eS gewiß nicht thun; denn in ihrer Stellung kann sic wohl keine besonderen Ansprüche erheben." „In ihrer Stellung? Glauben Sie etwa, ich betrachte die- liebreizende junge Mädchen wie eine bezahlte Gesell schafterin? Sie ist mir eine liebe Freundin und der Um gang mit ihr mein größtes Vergnügen. Wundert Sie daS etwa?" „O nein", entgcgnete Stanbope, — „ick finde das sehr natürlich. Fräulein Dalton ist eine höchst anziehende Er scheinung." Er sprach in einem Ton, der seine niedergeschlagene Stimmung deutlicher verrictb, als er selber wußte. Die junge Wittwe sab ihn betroffen an. Eine Weile schwieg sie und fuhr oann mit völlig verändertem Wesen fort: „Ich habe immer gehofft, Sie würden mir eine Mit- tbeilung macken", — sie stockte — „haben Sie noch keine Spur deS jungen Mädchens gefunden, welches Sie —" der Satz blieb unvollendet, die Worte wollten ihr nicht über die Lippen. „Fragen Sir mich nicht", rief er deftig bewegt. „Ich bin gezwungen, daS Gefühl auS meiner Seele zu reißen, und jede Hindeutung auf DaS, was ich für immer vergessen muß, macht mir den Kampf noch schwerer." Flora schrak unwillkürlich zurück; auf einen solchen Aus bruch war sie nicht vorbereitel. Sie warf einen trostlosen Blick um sich der; wie öde und wertbloS erschien ibr in diesem Moment daS Leben, die Welt, die Pracht und der LuxuS, der sie umgab und »m besten Besitz sie noch vor wenigen Monaten ibr eigenes Selbst verbandelt batte. „Verzeihen Sie", stammelte sie endlich, „daß ick Ihnen Wehe gethan babe. E« soll oir mehr geschehen. Ich sprach m»r au« Freundschaft." „Und ick sprach auS der Tiefe meiner bekümmerten Seele. Vergeben Sie mir meine Ungeduld. Viel lieber will ich selber leiben, als Jemand kränken, der so gütig und edel ist wie Sie." „Ties Lob verdiene ich nicht", rief sie beschämt unv dennoch beglückt, „aber ich will versuchen —" Hier wurden sie von Felix unterbrochen, der eine Botschaft auszurichtkn hatte. Flora benutzte gern die Gelegenheit, um der Unierredung ein Enve zu machen, welche in ihrem Herzen wieder Gesüble wach gerufen hatte, die sic für immer erstickt zu haben glaubte. Sie folgte den, Diener ins Vorzimmer und bald hörte Stanbope sie die Treppe hinausstcigen. Er seufzte lies aus und wollte sich eben entfernen; da sah er in dcr dunkelsten Ecke deS Gemachs eine schlanke Gestalt sich von dem halb verborgenen Divan erbeben und vor ihm stand mit bleichem Gesicht das geliebte Mädchen, welche- fort und fort alle seine Gedanken beherrschte. Ter Anblick überwältigte ihn. „Mary!" rief er in namen loser Ueberraschuiig. „Ich hatte Jbre Worte gehört", sagte sie leise. „ES war nicht meine Schuld; dann aber schämte ich mich aufzustehen und das Zimmer zu verlassen." Er fühlte, daß der entscheidende Augenblick seines Lebens gekommen war. „Wenn Sie Alles gehört haben", entgegnele er. „so wissen Sie auch, daß ich einen tiefen, unheilbaren Gram im Herzen trage. DaS Gefühl, von dem ich sagte, ich müsse eS aus meiner Seele reißen, ist nicht- andere- als meine Liebe zu Ihnen, Mary." Ein Ausruf der Verwunderung entrang sich ihren bebenden Lippen. „Diese Liebe ist mein Deihängniß und meine Seligkeit, sie stürzt mich in Verzweiflung und bringt mir unsagbaren Schmerz", subr er fort, ohne seine Leidenschaft, die er biSbcr mit starkem Willen gezügelt halte, noch länger zurückzuhalten. „Von dem ersten Augenblick an, da ich Sie sah, liebte ich Sie mit aller Gluth meine« Herzen«. Aber ein grausame« Schicksal versagt mir die Freuden de« Ebestande». Sie mein zu nenuen, wäre mein höchste« Glück, dennoch —" „Ich bin nicht wertb, Ihre Gattin zu sein", flüsterte sie in schmerzlicher Bewegung. Sie so gedemüthigt zu sehen, vermochte er nickt zu er tragen. Er ergriff ihre Hand und betbeuerle, daß sie für ihn stet« die herrlichste Blume ibre« Geschlecht« sein würde. „Aber we-halb —", begann sie, und fügte dann wie er schreckt über ihre Kühnheit leise hinzu: „ich weiß — mein Bater, nicht wahr?" Er schwieg einen Augenblick. Ja, Ihr Vater hätte vielleicht im Wege gestanden, wenn sonst kein Hinderniß vorhanden gewesen Ware. Aber jetzt war er nicht der Slein des Anstöße«. „Nicht Ibr Vater — sondern der ineinige", sagte er endlich seufzend. Sie blickte mit trüben Augen verwundert zu ihm empor. „Er ist ja tobt." Wie konnte er eS ihr erklären? Welche Worte sollte er wählen? — Sie kam ihm jedoch zuvor. „Ich verstehe", sagte sic mit edlem Stolz: „Samuel Wbite's Sohn darf keine Tochter von dunkler Herkunft zum Weibe nehmen. — Leben Sie wobl, Herr White!" Er hielt ihre Hand fest. „Nein", sagte er sichend, „ver lassen Sie mich nicht, bi« ich Ihnen erklärt habe, warum ich meinem Herzen nicht folgen darf. Mein Vater hat, ehe er starb, für mich die Wahl getroffen. Er tbat eS obne mein Wissen, aber ick kann in einer so wickligen Angelegen heit nicht seinen Wünschen zuwider handeln. Wenn ich je in die Ehe trete, so müßte ich cin Mädchen beirathen, da« ich bi« heute nie gesehen habe. Ich werde unvermählt bleiben. — Nickt wahr, Sie begreifen jetzt mein Verhallen Ihnen gegen über. liebe Mary?" Statt dcr Antwort schüttelte sie nur da« Haupt, starr und unnahbar stand sie vor ihm, höchsten« konnte er in dem weichen Glanz ihrer Augen eine Spur der Theilnahme an seinem Kummer lesen. Ein bitterer Seuszer entrang sich seiner Brust; er beugte sich tief über ihre kalte Hanv. „Sic wissen nickt, wa« mein Vater mir gewesen ist", sagte er, „sonst würden Sie verstehen, daß ich seinem Wunsche ge horchen muß." „Ich darf hier nicht länger bleiben", war ihre einzige Erwiderung. Seine Erklärung war ihr unverständlich, da« erkannte er wohl. „Nicht meine« Vater» Reichthum bindet mich", stammelte er verwirrt. „Wäre er arm gewesen, ich würde ibm ebenso unbedingten Gehorsam geleistet haben. E« lagen Gründe vor —' Ader von diesen konnte er nicht zu ihr reden. Sie hatte seinen abgerissenen Worten mit gesenktem Haupte zugebört; jetzt entzog sie ihm leise ihre Hand. „E« ist sehr gütig von Ihnen, mir noch weiteren Aufschluß geben zu wollen", murmelte sie, „aber mir genügt die eine Tbatsache, welche Sie zuerst erwähnten. Sie geboren einer Anderen an. O. warum muß ich da« erst jetzt ersabrral" Länger vermochte sie ibr Gefühl nicht zu beherrschen Sir preßte beide Hände aus ihre wogeav« Brust, große Thränr» standen ibr in den Augen und flössen langsam über ibre Wangen. Von Leidenschaft übcrinannl schloß Stanhope sie in die Arme. „Tu liebst mich", rief er, „Du leidest Schmerzen gleich mir. O Mary, Mary!" „Ja, ich liebe Dich und leide wie Du. Dies eine Mal sei eS gestanden. Jetzt aber gehe ich fort — fort von hier —" Er sab sie fragend an. „Wohin?" „Ich weiß cS nicht; ich glaubte hier eine Heimath ge sunden zu baden — eine andere besitze ich nicht." Es klang so bilfloS, so verlassen. WaS hatte er getha»! Wie durfte er diesem armen Kinde den einzigen Schutz und Zufluchtsort rauben! „Ihr Vater", murmelte er. „Ich kenne seinen Aufenthaltsort nickr. In dem Hause, wo Sie mich trafen, wohnt er nicht mehr. Ich siebe ganz allein. Aber das schadet nichts", fügte sie schnell Hinz». „Ich werde mir andere Freunde erwerben, werde eine neue Heimstätte finden. Frau White —" „Nein", unterbrach er sie heftig, „wenn Eins von u»S dies HauS verläßt, so will ich cS sein. Sie dürfen nickt sreundloS und heimatbloS bleiben. Schlagen Sie sich das Fortgehen ganz auS dem Sinn. Versprechen Sic mir, nie wieder daran zu denken." — „Aber, Sw sind ja der Herr de« Hauses. Sie müsse» bleiben." „Nicht doch. Das HauS gehört Frau White." „Wirklich? Und weiß sie —" „Daß ick Sie liebe? Nein, ich habe ihr nie gesagt, daß Sie Mary EvanS sind." „Nicht? — DaS ist gut!" murmelte sie. „Aber ich hört Schritte. Sie ist eS selbst. Lassen Sie mich fort." „Zuerst versprechen Sie mir, die- HauS nicht zu ver lassen." „Versprechen kann ich nichts, doch will ich Sie in diesem Fall zuvor davon benachrichtigen." Al» sie sich umwandte, war schon an kein Entrinnen mehr zu denken. Die Thür hatte sich geöffnet und Flora stand im Zimmer, vor Ueberrasckung keine« Worte« mächtig. Mit rascher Geistesgegenwart trat Stanbope aus sie ,u. „Ich babe mich bei Fräulein Dalton entschuldigen müssen", sagte er in ruhigem Tone. „Leider batte da« Fräulein mit angebört, wa- wir soeben hier gesprochen haben, doch hat sie mir di« scheinbar unehrerbietige Rede »erziebrn, wie Sw sehen." (Fortsetzung folgt.)
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