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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.12.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-12-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941207027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894120702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894120702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-12
- Tag1894-12-07
- Monat1894-12
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vezU-S^re» W tz« tzanpteipedttio» oder de» i« Stadt« teetrk «ch de» Vororte» errichtete» Au«, «bestell«, abgeholt: vierteljährlich X4^0. »ei i»«i»altarr tigltcher Zustellung io« Ha»S » bchü. L»rch die Post bezogen für Le»tschla»d »»d Oesterreich: vierteljtdrlich S.—. Direct« tägliche Kreuzbaodirndung t»s A»«la»d: moaotlich ^4 7.S0. Dt« Morgeu-AnSg^e erscheint täglich'/,7 Uh^ di« Adend-Ausgab« vocheatog« b Uhr. LÄ«ti«a «u» LrveMo»; JvtzanneSgaffr 8. Die Arpeditio» ist Wochentag« »»»»terbroche» «röffnet vo» früh 8 bl« Abend« 7 Uhr. Filiale»: vtt» Me»»'« Sorti». («lfrr» -«Haid UniverfitätSstrohe 1, Louis Lösch«. toiharinenftr. 14, pari, und KöalgSvlatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgefchichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. SluzeigeU'Pret- bie 6 gespaltene Petitzeile 80 Pfg. Neclame» unter dem Redactio»«ftrich («ga» spalte») 50-g, vor den Familien aachricht«» (6 gespalten) 4Ü^. «tröstere Schriften laut imserem Preis- verzeichnih. Tabellarischer und Ztffrrufatz »ach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuug 60.—, mit Postbesörderuug 70.—. Änuahmeschluk für Anzeigen: >b«ad-Au«gabe: vormittag« 10 Uhr. Marge n-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Eon», und Festtag« früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und «niiahmestellen je rin« halbe Stund« früher. u«zeigt« sind stet« an dt« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig ^« 625. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. December. Der „Vorwärts" bat dieser Tage Andeutungen darüber gemacht, in welcher Weise die Tocialdemokratle, wenn sic einmal zum Siege gelangt, des RetchstagStzauf S sich be dienen werde. In der ersten Sitzung im neue > Gebäude sind die Herren insofern zu einer Probe übergeg ingen, als sie durch ein höchst unwürdiges Betragen die Aufmerksamkeit de« Hauses und der Außenwelt in Anspruch nahmen. Wir bezweifeln nicht, daß Scenen, wie sie gestern von den Liebknecht und Genossen hervorgerufen wurden, als typisch für die Ver handlungen in zukunststaatlichen Versammlungen angesehen werde» dürfen; noch aber ist es nicht so weit, und darum erscheint eS fraglich, ob der Reichstag Recht gethan, als er den Antrag, das Gebühren der Socialdemokratcn wenigstens mit der Verzögerung der Einstellung eines gegen einen der Zhrigen schwebenden Strafverfahrens zu beantworten, ab» lehnte. Mit dem Festhalten an der „constanten Präzis" des Parlaments ist es gewiß eine schöne Sache, aber cS setzt im Ver alten der Parteien wie der Einzelnen untereinander Gegenseitig st» voraus. Die Socialdemokraten hatten ihre bisherige Praxis, sich vor dem H ochrufr auf denKaiser aus dem Saale zu ent fernen, verlassen und statt dessen eine in dieser Form auch bei ihnen unerhörte Verletzung der Gefühle der großen Mehrheit des HauseS und der Nation beliebt. Auf dieses novum würde sich ein novum als Erwiderung um so besser geschickt baden, als Herr Singer nur durch den Ausbruch einer in unserer deut schen Volksvertretung höchst seltenen Empörung an dem Ver such gehindert wurde, eine begonnene Majestätsbeleidigung — um eine solche handelte es sich auch in dem zur Beschluß fassung Anlaß gebenden Verfahren — zu vollenden. Uns will bedünken, das, worüber der Reichstag gestern entschied, war mehr eine Frage der geordneten und anständigen Führung der Verhandlungen in der Zukunft, als eine solche der noth- wendigen oder wünschenswerthen Immunität der ReichSlags- abgeordneten. Der gestrige Borgaiig wird wahrscheinlich Nachfolger erhallen, nachdem der Reichstag aus die ihm dargebolcne erziehliche Maßnahme verzichtet hat. Wenn es übrigens, was wir nicht wissen, richtig sein sollte, baß auch an der mehr als befremdende» Unterdrückung des Namens Bismarck in der vorgestrigen AbschiedSrede im alten Hause Rücksicht auf die Socialdemokraten nicht un- betheiligt gewesen sei, so hätte man prompt die Lehre erhalten, daß die Versöhnung-Politik selbst in Fragen des Anstandes der Socialdemokratie gegenüber eine verfehlte ist. Jedenfalls zeigt der Mißbrauch des ersten Aufenthalts in edel-schönen Raumen, wie die Besonderheit der Herren Singer, Liebknecht und Gleichgebildctcr der Erfahrung, daß die Kunst erhebt, spottet. Von allen anderen Seiten des HauseS ist der Kunst gestern ihr Recht geworden, die Dankesworte, die der Präsident dem Schöpfer des herrlichen Baues und seinen Mitarbeitern widmete, wurden wiederholt von Rusen freudigen Beifalls unterbrochen. Am Dienstag (nicht heute, wie irrthümlich im ParlamentSberichte des heutigen Morgenblattes berichtet wurde) beginnt die eigentliche Arbeit mit der Berathung des Etats. Die Interpellation Paasche-Friedberg wegen der Zuckerprämieu dürste zwar von der Tagesordnung abgesetzl, dadurch aber höchstens um einige Tage verzögert werden. Das rasche Vorgehen der Nationalliberaleu in dieser Angelegenheit muß bei uns be sondere Genuglhuung Hervorrufen, da wir wiederholt die all- xmcine Herabsetzung der geringen, noch verbliebenen Zucker- siämie im nächsten Sommer und ihre völlige Aufhebung »ich Verlauf zweier weiterer Jahre als unverträglich mit großen landwirthschaftlichen und industriellen Interessen be zeichnet haben.— Der Inhalt der „Umsturzvorlage", die Faieillatsir. Llärchen's Mitgifi. sj Erzählung von Paul Blumenreich. Nachdruck »erdotea (Fortsetzung.) Bei Lorenz Bauer'S ablehnenden Worten hatte sich Herr von Schönbolz erhoben. Und jetzt versuchte auch Bauer auf- zustrhen, aber er sank bleiern in den Sessel zurück. Er athmete schwer, wie unter furchtbarem Drucke, jeder Bluts tropfen schien au- seinem Gesichte gewichen. Endlich stieß er keuchend hervor: „Mein Schwiegersohn, den ich übrigens kaum kenne, hat geprahlt! Ich besitze kein Vermögen!" „Ist da- Ihr letzte-Wort, Herr Bauer?" fragte der ab gekühlte Werber in fast geschäftsmäßigem Tone. „Leider ja", versetzte Bauer dumpf. Und der Herr Lieutenant empfahl sich mit kalter Höflichkeit. Er glaubte nickt, was er da hatte hören müssen. Erwartungsvoll kamen Klara und Rudolfine herein. Und mit Bestürzung sahen sie, daß der junge Mann gegangen war. Lorenz Bauer lehnte in seinem Stuhle wie eine Leiche. „Um Himmel« willen, Lorenz, wa» ist Dir? Was hast Du. Papa?" fragten die angsterfüllten Frauen. „Der Mann muß Geld haben, um feine Schulden zu de- zahlen", stöhnte Bauer, „und ich Unseliger, ich habe kein- — oh, ich Verfluchter, Elender, — ich habe keine Mitgift für Dich, mein Klärchen!" „Aber lieber, liebster Vater, beruhige Dich Loch! Es ist ja nicht Deine Schuld!" Klara sank vor ihm nieder, um klammerte seine Knie: „Sei doch ruhig, mein guter Vater — Tu kannst ja nicht dafür!" Er lachte mit verzerrten Zügen. „Nicht meine Schuld?" „Oh, r» wird sich ein Au-weg finden, Vater! Wir wollen hoffen'" Denn wirklich, in ihrem kindlichen Grmüth begriff sie noch nicht, daß diese 10 OVO Mark ein unübersteig- lichrS Hioderniß bleiben würden. Wie ein Irrsinniger lief Lorenz im Zimmer herum. „Ich werde Dir sie verschaffen, diese Mitgift! Und w«»u ich stehlen, morden sollte!" Bestürzt betrachtete» sie den sinnlos verzweifelte« Maua, llllrckeu vergaß darüber ihre« Schmerz «ad Schrecke« weg» Freitag den 7. December 1894. gestern dem Reichstag zugegangen ist, war von der „Frank furter Zeitung" unvollständig mitgetbeilt worden. In die Novelle ist auch der 8. 13l de- Strafgesetzbuches einbezogen, welcher gegenwärtig Denjenigen mit Strafe bedroht, der er dichtete oder entstellte „Thatsachen", wissend, baß sie erdichtet oder entstellt sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen. Die Vorlage will die Verbreitung auch bestraft wissen, wenn der Verbreiter den Umständen nach anncbmen mußte, daß die Thatsachen erdichtet oder entstellt sind. Diese Erweiterung des Paragraphen würde die frivolen und hetzerischen Entstellungen, in denen die socialdcmokratischen Zeitungen und Redner excelliren, zweifellos mindern. Es bleibt jedoch zu prüfen, ob sie nickt die legitime und noth- wendige Aufdeckung öffentlicher Mißstände beeinträchtigt. Ueber bemerkenswerthe Aeußerungen, die der „ikentrumS- führer" vr. Lieber am Montag in Hochbeim am Main in einer Versammlung des katholischen Volksvereins gethan hat, wird der „Voss. Ztg." au« Mainz geschrieben: „Herr Lieber betonte zunächst, daß eine Bekämpfung der Socialdemokratie aus gesetzgeberischem Boden nicht möglich sei, und kam dann aus den Streit Bebel-Bollmar zu sprechen, den man nicht überschätzen solle. Was die Ultraniontanen betreffe, so seien diese jederzeit bereit, die Verfassung zu beschützen. Ueber die augenblickliche politisch« Lage äußerte sich Ur. Lieber: Was den Personenwechsel angeht, so bedauern wir den Abgang de« Reichs- kanzlers Cavrivi, nicht aber de» Abgang Eulenburg's. Dem neuen Regiment stehen wir kübl gegenüber und müssen erst Thaten verlangen, «he sich da« Centrum mit ihm politisch vergesellschaftet. Biele Blätter betrachten die Um sturzvorlage nur als Mittel zum Zweck, nämlich um neue Reichssteuern, zu denen der jetzige Reichstag nicht zu haben sei, zu erhalten. Steuerverweigerunge» sind aber für die Regierung kein geeigneter Grund, um den Reichstag auszulöse». Kommt eS indessen doch zur Auslösung, nun, so wird das Ceutrum bei den Neuwahlen kein schlechte- Geschäft machen. Die neuen Steuern betreffend, bemerkte der Redner: Eins ist gewiß, nämlich, daß di« Versprechungen, die bei der Berathung der letzten Militair- Vorlage gemacht worden sind, eingesordert werden, mag der maßgebende Beamte nun Coprivi, Hohenlohe oder anders heißen. Di« starken Schultern sollen die neuen Lasten tragen, di» schwachen muffen davon verschont bleiben. Die- ist auch der Grund, warum da« Lentrum für di« Weinsteuer nicht zu haben war." Hiernach scheint Herr Lieber über die Tabakfabriksteuer mit sich reden lassen zu wollen. Ander- dagegen die „Ger mania", die in einer Besprechung der Thronrede erklärt: „Natürlich wird die BrodloSmachung von Tausenden von Tabakarbeitern wieder nicht erwähnt, denn von dieser Aussicht scheut doch auch di« Bourgeoisprefse etwas zurück. Ist aber nach christlicher Lehre die Borenthaltung des Lohnes dem Arbeiter gegenüber eine himmelschreiende Sünde, waS ist erst di« vollständige BrodloSmachung und zwar ohne jeden zwingenden Grund? Und sie verträgt sich durchaus auch nicht mit der Stelle der Thronrede, wo es Hecht: „Getreu den Uederlieserungen der Vorfahren, betrachten meine hohen Bei- kündeten und ich eS al- die vornehmste Ausgabe des Staate-, die schwächeren Elasten der Gesellschaft zu schützen und ihnen zu einer höheren wirthschastlichen und sittlichen Entwickelung zu verhelfen. Die Pflicht, dieses Ziel mit ollen Kräften anzustreben, wird um so zwingender, je ernster und schwieriger der Kamps um das Dasein für einzelne Gruppen der Nation sich gestaltet hat."" Wenn auch im Reichstage bei der Berathung de« Tabak- steuercnlwurfs die ultraniontanen Gegner der Vorlage den Andersdenkenden „himmelschreiende Sunde" zum Borwurfe machen, so wird der „feste Thurm" de- EentrumS zu den alten »och einigt neue Riffe bekommen. Seit der Wahlniederlage, welche die e«»lischen Liberalen am IS. November in Forfarshire, auf schottischem Boden, Schönholz. Und immerfort versicherte sie in ihrer noch ganz kindlichen Weise: „Ich brauche gar keine Mitgift, liebster Vater, ich brauche keine, — es wird auch so gehen! Mache Dir darüber keine Sorge!" Aber ganz so einfach war die Sache denn doch nicht, wenn man keine Mitgift hatte. Herr von Sckönholz ließ sich nickt mehr blicken, ließ nicht- mehr von sich hören. Es gab gar keinen Zweifel mehr: Er bestand auf die 10 000 Mark. Auch schien er gar nicht mehr um zwei Uhr aus dem Bureau zu kommen, denn Klärchen begegnete ihm nicht mehr. Und zu Hause war nicht weiter die Rede von ihm. Dennoch war er unsichtbar anwesend. Klärchen weinte heimlich seinetwegen, ganz heimlich, denn Papa durste e« nicht merken. Aber er sah e- doch! Mit unheimlicher Leiden schaft drückte er da» Kind an sich und flüsterte immer ver loren vor sich hin: „Du wirst. Du sollst Deine Mitgift haben!" „Aber Papa —" „Still, still, mein Kind, Du wirst sie haben!" „Lieber Papa, er hat mich doch nicht eigentlich lieb ge habt, sonst wäre eS schon möglich gewesen. Ich bedauere seinen Verlust auch gar nicht", versicherte sie. Da« war nicht wahr, aber sie »hat so. Bauer arbeitete Tag und Nacht — übermenschlich. Die Mitgift, er mußte sie ausbringen! Und nun war er r«, der jeden Sonnabend eine Spar einlage für Klärchen machte. Doch besorgte jetzt ein Lehrling den Weg zur Caffe. Eine« Tage« ging der Familie eine Vermählungsanzeige zu. Herr von Schonholz hatte eine wohlhabend« Wittwe grheirathrt, dir freilich viel älter war al- er. E« war eine ganz platte Geldheirath. Er hatte seine stattliche, elegante Erscheinung und sei« „von" theuer verkauft. „Nun, siebst Du, Papa, daß ich nicht« a« ihm ver loren habe", versicherte Klärchen «ad verschluckte tapfer ihre Thrünru. Aber da« half dem unglücklichen Vater nicht«, der diese Schuld auf sich lasten fühlte, die Schuld, dem armen Kind« den ersten schwere« Schmerz, die erste bittere Enitäuschung bereitet zu habeo. Entschädigen mußte er sie und gälte e«, sich da« Herz an« der Brust zu schneiden! Da« Seid Wäld er wieder «HstriugeN» Ke würde chrc 10 000 Mark erhalte«! erlitten haben, gilt eS in allen politischen Kreisen England« als gewiß, daß dem gegnerischen Parlament keine lange Lebensdauer mehr besckieden ist. Die kommende Tagung, die vermuthlich gegen Mitte Januar beginnen wirb, dürfte die letzte der Volksvertretung von 1892 sein, ihre Dauer wird davon abhängen, welchen Grad von Gehässigkeit die liberal-radical-irische Regierungsmehrheit an den Tag lege» wird. Der wichtigste der Gesetzentwürfe, deren Erledigung von dem Parlament verlangt werden wird, betrifft die Entstaatlichung der Walliser Kirche. Bei der allgemeinen Berathung im Unterhause rechnen die Liberalen auf geringen Widerstand, aber um so größere Schwierig keiten befürchten sie bei der Einzelberatdung, da unter de» Walliser Abgeordneten selbst tiesgcbende Meinungs verschiedenheiten über die Einzelheiten dieser Reform be stehen. Im Oberhause wird sie dem zähen Widerstande der Bischöfe begegnen und voraussichtlich erliegen; selbst Herr Asguith giebt sich in dieser Hinsicht keinen Illusionen hin und hat neulich ganz offen erklärt, cS wäre für die Volksvertreter ebenso lohnend, den Sand der Wüste umzuwühlen, wie ihre Tage und Nächte einem Gesetzentwurf zu widmen, der nicht die geringste Aussicht habe, in Kraft gesetzt zu werden. An die Äirchenverstaatlichung in Schottland oder gar in England ist unter solchen Verhältnissen schon gar nicht zu denken. Dieser Punct de- Newcastler Pro gramms wird eine eitle Verheißung bleiben. Kaum viel besser wird cS mit dem neuen Gesetzentwurf über die Wiedereinsetzung der vertriebenen irischen Pächter ergehen; seine Aussichten sind im Hinblick auf die mannigfachen Havarien der gcsammten irischen Gesetzgebung de- liberalen Cabinet» so üble, daß die Regienlng vielleicht gänzlich daraus verzichten wird, sich einem neuen Unfall auszusetzen. Alle« in Allem hat man nicht bloS in den Kreisen der unionistischen Opposition die Empfindung, daß die Agonie der bisherigen Regierungsmehrheit im Unter baust bereits nicht unbeträchtlich vorgeschritten ist und auch mit dem größten Aufgebote künstlicher Mittel nicht mehr- lange hingezögert werden kann. Das endgiltige Ergebniß der «orwestfchen Wahlen: 59 Radicale gegen 55 Conservative und Gemäßigte, durch welche- die rabrcale Mehrheit im Storthina von 14 aus 4 zusammcngrschmolzen ist, nöthigt dis radikale Partei zu großer DiSciplin, wenn sie etwa« durchsetzen will. Daß die Llrömung in. Ganzen wieder gegen den Radikalismus gebt, ergiebt sich daraus, daß die radikale Partei ihre Herrschaft au, eine Mehrheit von ganzen 100 Urwählern stützt (82 200 radikale gegen 82 lOO konservative und gemäßigte Stimmen), ein Umstand, der ihnen keine moralische Stärke verleihen kann. Bei der vorigen Wahl betrug das Uebergewicht noch 1650, und hätten jetzt die Socialdemokraten die von der Partei leitung auSgegebeoe Parole, für eigene Eaodidateu zu stimmen, befolgt, so wären die Radikalen unterlegen. Ihren Sieg verdanken sie der Mithilfe der Socialdemokrate«, so klein diese Partei auch in Norwegen ist. Da die Radikalen aber schon für deu Kall der Mehrheit von einer Stimme die Durchführung de« kommunalen Stimmrecht« versprochen batten, stimmte ein großer Theil der Socialdemokraten für die radikalen Canbidaten. Eine der ersten Handlungen der Radikalen nach dem Zusammentritt des Storthing« Anfang Februar wird die Einführung des kommunalen Wahlrecht« sein, obgleich ein großer Theil der radikalen Wählerschaft Gegner de- allgemeinen kommunalen, wie auch de- allgemeinen politischen Wahlrechts ist. Den Anzeichen nach zu urtheilen, werden in der neuen radikalen SlorthinaS-Mehrheit zwei Strömungen um die Herrschaft kämpfen: eine, deren Haupt vertreter die Ultraradicalen Ullmauo und Liudboe sind, und eine, die den intelligentere« Theil mit dem vorigen Minister- Aber wie sie schadlos halte« für den zerstörten erste» Liebe«- träum? Frau Rudolfine, mit de« LuSnähe» eine« altdeutschen Tisch tuches beschäftigt, half de» mmmrhrigen Quintaner Erwin bei seinen Schularbeiten. Der Klei«« schwitzte über einem Aufsatz, dem da« Thema: „E« ist «icht« so fei« gesponnen, es kommt doch an« Licht der S»««en!" zu Grunde lag. Schwer genug, ihm klar zu machen, wa« der allzu anspruchs volle Lehrer da verlangte. Aber wa« wäre der glücklichen Frau ernstlick schwer geworden? „Du hast doch schon ein Spinngewebe gesehen, nicht, Erwin? Nun, und w«»u Du eine« an meinen Roseustöckeu gewahr wurdest, wa« thatest Du da?" „Ich riß e« herab, Mama!" „Siehst Du. mein Junge, für Dich hat die Spinne sicher nicht gesponnen, fie hätte sonst weniger feine Fäden machen müssen. Im Geßeatheil: Ihr Netz sollte de» kleinen Würmchen unsichtbar bleiben, auf welche die häßliche Spinne lauert. Aber die Sonne schien auf da« dünne Gewebe, sie brachte e« für Dich zu Tage, da griffst Du zu und konntest die armen kleinen Opfer der Spinne retten!" Erwin horchte freudig auf. So, wie die Mama, so ver stand e« doch Niemand, ihm etwa- klar zu machen, nicht ein mal Klärchen, die sich ja auch viel mit ihm beschäftigte. Ja, die Geschichte von der Spinne würde er schreiben und dann gewiß eine gute Unterschrift bekommen. „Klärchen", wandte sich jetzt die Mutter an da« junge Mädchen» „Du könntest mir Wohl die kleinen Weinsrrvietten zu diesem Tafeltuchr holen. Ich bin hier fertig und wir wollen nun an die Servietten gehen. Du findest da« Päckchen obenauf in meine« Wäscheschrank." „Gleich, Mama", antwortete Klara davon springend. In ihrem reizenden Geflchtchen blitzte der Schelm auf. Nun brachte sie da« sorgsam in ein Mulltuch gehüllte Bündel. Al« aber Frau Rudolfine den Einschlag öffnete, fielen ihr die fertige», blau und roth gestickten Servietten in dir Hand Ein kleiner AnSrnf der Freude, dann zog sie di« schlanke Gestalt an sich: „Warte nur. Klärchen, wenn Du wieder Heimlichkeiten vor mir haben wirst!" Und si« küßte da« junge Mädchen mit mütterlicher Zärtlichkeit. „Wie reizend! Wie hübsch und sauber! Wann hast Du da« nur gemacht? Loch nicht etwa spät Abends bei der Lampe?" 88. Jahrgang. chcf Steen an der Spitze umfaßt. Die letztere Strömung dürste die Ueberhauv gewinnen. Wie ernste Folgen für die Pforte au« dm Vorkommnissen in Armenien noch erwachsen können, geht au« der Meldung hervor, daß die russtscke Armee im Kaukasus um 20 000 Mann verstärkt wird, WaS man in russischen Militairkreisen allgemein als Folge der gegenwärtigen ungeregelten Zustände in Türkisch-Armenicu ansieht. Wie England, so beobachtet auch Rußland die dortigen Verhältnisse mit großer Auf merksamkeit und e« ist gar nicht unwahrscheinlich, daß einer der beiden Nachbarn sich eine« Tage» gedrungen sühlt, „im Interesse der Menschlichkeit und zur Wahrung der Bestimmungen de- Berliner Vertrag«" Ordnung im Lande zu schaffen. Io England ist die Erregung über die armenischen Greuelthaten noch im Wachsen, und von dort dürste demnächst die Einsetzung einer europäischen Uuter- suchungscommission angeregt werden. Kommt eS dahin, so hat e« dicPforte lediglich ihren ungeschicktenAbleugnungen zuzuschreiben. Die Absendung einer UntersuckungScommissiou nach BitliS und Sassun wäre ausreichend gewesen.weon dieser ein Mitglied einer europäischen Botschaft beigegeben worden wäre. Ehe aber „och die Ergebnisse der Untersuchung Vorlagen, wurde der Militaircommandant Zckki Pascha, dem die Metzeleien zuge- schrieben werden, mit einem Orden in Brillanten ausgezeichnet. Das war eine Handlung, pfi sofort erkennen ließ, eS sei mit der Absenkung der Uiitcriuckuiigsconimission nur eioeTänschnog deabsichiigt. Inzwischen sind d>e Metzeleien von deu verschie densten Seilen bestätigt worden, und das „Bur. Reuter" erfährt, daß die Abfindung der türkischen Eomuiissiou von den euro päischen Regierungen wahrscheinlich al« nicht genügend erachtet werden wird. Jedenfalls wird die Angelegenheit noch viel von sich reden machen. Einstweilen hat sie in Deutschland zu einer Preßschde zwischen der „Nordd. Allg. Ztg." und der „Köln. Zig." Anlaß gegeben. Die „Nordd. Allg. Ztg." veröffentlichte dieser Tage folgende ihr von der türkiichen Botschaft zugcsiellte Note: „Auch die „»ölnischc Zeitung" hat in ihrer Soontagsnummec einer Zuschrift Raum gegeben, welche die Lage der Christel» in der Türkei ii» Allgemeine» und der Armenier im Bejondern mil düster» Farben schildert. Di» türkische Botschaft zu Berlin erklärt die in dem betreffcuden Artikel erhobene» Beschuldigungen für durchaus erfunden. Es ist bedauerlich, daß ei» Prehorga» von der Bedeutung der genannten Zeitung derartigen böswilligen Angriffen gewissen- lojcr Leute Ausnahme ia ihr« Spalte» gewährt." Darauf erwidert die „Köln. Ztg.": „Wir müssen uns eine derartige Sprach« der türkischen Botschaft ernstlichst verbitten. Tie türkische Botschaft in Berlin kennt nicht die Zustände in Armenien; sie hat kein eigenes Unheil über dieselben; wenn sie eine Schilderung, die ausdrücklich mit de» Worten eingesührt wird, daß ihr Bersaffer mit Land und Leute» wohl vertraut ist, für durchaus erfunden erklärt, so hat dem gegenüber ihre abjprechende Erklärung nicht de» geringsten Werth. Die „Kölnische Zeitung" ist seit vielen Jahren «ine der türiensreandlichften aller deutschen Zeitung»», sie hat viele hervor- ragend« Mitarbeiter gehabt uad hat sie noch heule, die unbedingt ia Anspruch nehme,» können, daß sie di« Zustände in einzelnen Gegenden de- otmauischeu Reich« besser kennen, als die im Aus land» lebenden jeweilige» türkischen Diplomaten. Jedenfalls aber muß sie es al« eine Ueberhebuug zurückweisen, wenn wahrheits getreue Schilderung«» al« »in „vö«williger Angriff gewissenloser Leute" bezeichuet werde». Ein solches Borgegea kann der türkischen Sacht nur zam Schaden gereichen." Die seit fünf oder sechs Jahren auf der Tagesordnung der australische« Politik stehende Föderationsfrage soll zu Anfang de« nächsten Jahre« abermals den Gegenstand osficirller Berathung auf einer von sämmtlichen Eoloaial- regierungen zu beschickenden Eonferenz bilden. Am 29. Ianu«r werd«« sich die leitenden Minister der „Nein, Mama, ganz früh, wenn Du und per Vater noch schliefen!" „Ich will dem Vater sagen, daß Du Dir nun da- neue Pianino ehrlich verdient hast, um da- Du schon so lange gebeten." „Nicht doch, Mama, wenigsten- nicht jetzt, wo der arme Papa mir gar nicht gefällt. Ich glaubt, cr überarbeitet sich. Und jetzt hatte er da« doch nicht mebr oöthig." „Wenn ich « nur ändern könnte, ihn nur abzuhalten im Stande wäre." Frau Rudolsine brach ab, denn eben öffnete Lorenz die Thür und rief nach seiner Frau. „Sieh noch ein bi-chen nach Erwin'« Arbeit, Klärchen, sagte sie sich erhebend, und sie eilte zu ihrem Manne. Behaglicher Luxus erfüllte den Raum, in welchem Klara und Erwin rurückblirben. Und sie selbst schienen förmlich aus- aeblüht zu sein unter der milden Sonne, die ihnen nun schon seit Jahr und Tag leucktcte. Sie athmeten eine andere, reinere Lust, seit ihr Vater sich zum zweiten Male verhcirathet hatte. AIS nun gar die Lage Bauer'« sich sichtlich besserte, als sein Unternehmen wuchs und gedieh — überraschend schnell selbst für ihn, der doch mit stolzesten Hoffnungen in diese neue Phase seine« Leben« ringetreten war —, da debnte sich bald auch die enge Häuslichkeit. Die Erweiterung de- Betriebs machte eS notbwendig, daß in der Person eine« gewissen Schilcher ein kaufmännisch geschulter SociuS in die Firma cintrat — Lorenz war auf dem Wege, ein reicher Mann zu werden. Und wenn Rudolfine r« verstanden batte» die Armuth vergessen zu machen, so gelang eS ihr noch mehr, dem Wohl stand tausend Reize adzugewinnen, dir nicht an seiner Ober fläche schwimme». Ganz allmählich wurde Klara von ihrem Gram geheilt, schon begann sie wieder heiter zu werden — die Jugend hatte gesiegt Und auch der Vater wurde ruhiger, als er die Sparkasseneinlage so ziemlich auf 10 000 Mark gekrackt hatte. Es war sonderbar, wie er daran festhing. E« beherrschte ihn wie eine fixe Idee. Aber er sah sich dicht am Ziele. Nur einen dunklen Punct gab es in diesem Haust eine wunde Stelle» die Niemand berühren durfte: Lydia'« Schicksal. Lydia Bauer balle damals gedeirathet, den „schönen" Max, der, wie später Herr von Schöudotz, so vorsichtig war, aus einer Mitgift zu bestehen Ihr Vater, um seine Ein willigung angegangen, hatte diese eatschieden verweigert, weil
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