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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.12.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-12-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941210029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894121002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894121002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-12
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Die Regierungen sollen nämlich aufacfordert werden, einen Gesetzentwurf vorzulcgen, um den Arbeitern „eine geordnete Vertretung zum freien und friedlichen Ausdrucke ihrer Wünsche und Be schwerden zu ermöglichen und auch de,, Staatsbehörden Gelegenheit zu geben, sich über die Verhältnisse der Arbeiter fortlaufend zu unterrichten und mit den letzteren Fühlung zu behalten." Diese Resolution zielt also auf die Errichtung oon Arbeiterkammern und zwar — trotz der ver schwommenen Fassung — von Arbcilerkammern mit öffent lich-rechtlichen Befugnissen. Denn die Fähigkeit, „Wünsche und Beschwerden" autoritativ vorzubringen, setzt mindesten« da« Recht voraus, den Beitritt aller Beruss- arbeiter und die Entrichtung von Beiträgen zu erzwingen. Run ist diese Forderung für den Zweck, in der großen Arbeiterbevölkerung eine ihren Urhebern günstige Stimmung zu erzeugen, nicht gerade untauglich; die Socialbemokratie bat schon in den Jahren 1884 und 1885 die Errichtung von Arbeiterkammern beantragt, nachdem 1881 ein fortschritt licher Vorschlag, die Gewcrbekammern zu gleichen Thcilen auS Unternehmern und Arbeitern zusammenzuscye», vorangegangen war. Aber das Centrum wird sich doch nicht von der Auf fassung au-schließen, daß die wirthschastliche Entwickelung die Berücksichtigung der kleinen Arbeitgeber» insbesondere der Handwerker, zur nächsten Pflicht macht. Sein An trag aber bedeutet den Versuch, in die Kreise der Handwerksgehilfen eine Bewegung zu tragen, die das Verhältniß zwischen Meistern und Gesellen noch unerquick licher, als eS vielfach ist, gestalten und überdies der vom Eenlrum angestrebten Wiedercinsührung ver Zwangsinnungen sich entgegensetzen würde. Man kann beute die Arbeiter der Handwerks allein organisiren und die Berlepsch'scken Grnnd- züge haben dies bekanntlich auch vorgesehen. Man kann aber neben einer Organisation aller nicht in Handwerksbetrieben beschäftigten Arbeiter unmöglich eine gesonderte Organi sation der HandwerkSgebilfen begründen oder aufrecht erhalten. Mögen die Arbeiterkanimern für Territorien, mögen sie für Bcrufszweige gebildet werden, die große Organisation wird eine unwiderstebliche, durch Gesetz nicht aufzuhebcnde Anziehungskraft auf die kleine auSübcn. Schon deshalb» weil der handwerksmäßig ausgebildete Arbeiter bald im Handwerks-, bald im Fabrikbetrieb steht. Die „Wünsche und Beschwerden" der Arbeiterkammcrn, die wohl nicht, wie es in der Resolution heißt, „friedlichen Aus druck" fänden, würden sich aber in Bezug auf Arbeitszeit, Unterkunft» wo diese in der BetriebSstätle geboten ist, ganz sicher nicht in der Richtung bewegen, in der das Interesse des Handwerkes liegt. Schon jetzt ist der Handwerksgehilfe vielfach „schwieriger", als sein im Großbetrieb arbeitender GewerbSgenosse; schon jetzt bildet die überwiegend von Fabrik- arbeiteln ausgebende „Aufklärung" der Gesellen über ihre „Rechte" und die „Pflichten der Meister" eine Quelle der Verlegenheit für die Letzteren — diese Instruction noch staatlich organisiren und ungemefscncn Forderungen durch die Billigung einer staatlich geordneten Vertretung Nachdruck geben zu wollen, da« heißt die künstliche Verschlimmerung der Lage deS Handwerks, dessen geborener Wortführer zu sein man im Centrum beansprucht, anstreben. Nur unter diesem, eigent lich psychologischen Gesichtspunkte sollte der Antrag be leuchtet werden. Ueber die Arbeiter-Kammern selbst, über die anderen Hindernisse und Bedenken, die sich ihrer Errichtung entgegenstellen, ist eine Erörterung unnöthig. da ja wohl das Eentrum selbst nicht befürchtet, die Regierung könnte seinen Wunsch so bald in Erfüllung geben lassen. Kein Land bat diese Kammern, und nur in einem einzigen, in Oesterreich, ist man dem Gedanken, sic einzusübren, ernst haft nabe getreten. In Oesterreich bandelte es sich aber nicht so sehr um eine sociale, als um eine politische Einrichtung. Da in Oesterreich der Arbeiter kein Wahlrecht besitzt, den Handels- und Gewerbckammern wie dem Großgrundbesitz aber ein solches zusteht, so lag cS nabe, gemäß dem halb ständische» Ebarakter des Parlamentes, dem Arbeitcrstandc zu einer Vertretung im RcicbSratbe zu verhelfen, indem man Kammern vorschlug, die eine Anzahl Abgeordnete zu wäblen berechtigt sein sollten. Derartiges kommt in Deutschland nickl in Frage. Eine im Jahre l889 über das österreichische Projekt in Wien unter Zuziehung von Arbeiter-Sachver ständigen veranstaltete Enquete hat übrigens ein befriedigende- Ergebniß nicht gehabt. Die Veränderungen im preuhischrn Ministerium scheinen noch immer nicht abgeschlossen zu sei». Wie dem „Hannov. Eour." auS Berlin geschrieben wird, gilt die Stellung des HandelsministcrS Frbrn. von Berlepsch als ernstlich erschüttert. Nach den Informationen des genannten Blattes wäre diese Meldung diesmal mebr als ein Nackklang der langen Reihe von Gerüchten, die sich an die letzte Krisis knüpften. Der nur geringe Erfolg, den Frhr. von Berlepsch mit feinen jüngsten Gesetzentwürfen gehabt hat, sei jedenfalls für ihn mitbestimiiiend gewesen, wenn er, wie cS scheine, that- sächlich daran denke, seine Demission zu geben, lieber seinen Nachfolger sind Bcrmuthungcn noch nicht laut geworden. Ueber die Lage in Ungarn wechseln die Nachrichten stündlich. Bald ist der Rücktritt des Ministeriums Wekerle unvermeidlich, bald heißt eS wieder, die Erhaltung deS Cabinets sei wahrscheinlich, ja sicher. Nach den Er klärungen, die Wekerle wiederholt abgegeben bat, sollte man das letztere glauben, denn der Ministerpräsident ist fest über zeugt, daß der König die kirchcnpolitischen Gesetze sanctionirrn werde und zwar der gegenwärtigen Regierung; diese sehe daber keinen Anlaß zum Rücktritt, ja sic balle es für ibre Pflicht, auszuharren, bis die Durchführung der liberalen Principien gesichert sei. Sollte eS nöthig werden, die Vertrauensfrage zu stellen, so werde die Regierung schon den geeigneten Zeitpunkt zu sinken wissen. Wir fassen nach diesen Aeußerungen die Lage so auf: Formell w rd Franz Joseph dem Eabinet Wekerle die Sank tion der von beiden Häusern des Reichstags beschlossenen Gesetze gewiß nicht verweigern, aber cS scheint darauf ab gesehen, dieselbe so lauge zu verzögern, bis dem Ministerium die Geduld reißt, und eS einem anderen, der Krone geneh mere», Platz macht. Die Abneigung des Monarchen gegen die Personen deS Ministers des Inneren, Hieronymi, und der Justiz, Szilagyi, in welchen derselbe nicht eben besonder- eifrige Hüter deS monarchischen PrincipS erblicken zu können glaubt, ist ja längst bekannt, aber auch gegen I)r. Wekerle scheint Verstimmung obzuwallen, weil er, wie man in der Hofburg zu Wien die Sache ansieht, die privaten Empfindungen de« Königs gelegentlich der wiederholten Kossuth-Lva- tionen ungestraft bat verletzen lassen. Daß die reac- tionair-klcrikale Eamarilla am Wiener Hofe Alles aufbietet, um die Verstimmung deS Monarchen zu nähren, daß sie ihn — ob Gras Kalnvky die Seele dieser Machinationen ist, mag dahingestellt bleiben — für die Ver weigerung der Saoctwn und für einen Systemwechscl in Ungarn, d. h. für ein Ministerium von ihrer Farbe zu ge winnen bestrebt ist, unterliegt ebenfalls keinem Zweifel. Allein wir sind der Ueberzeugung, daß Franz Joseph viel zu klug ist als daß er sich in ein so außerordentlich gefährliche- Fahr wasser begeben sollte. Er weiß sebr gut, daß ein conservativcS Ministerium in Ungarn nur einen Bestand von wenige» Wochen haben, daß cs dann von der DolkSstimmung hinweggescgt sein würde. Die Freiheit seiner Verfassung — und dazu gehört die Ernennung eines Ministeriums aus der Mehrheit der Volksvertretung — läßt sich der Magyare nicht verkümmern. Ein noch so kurzlebiges conservaliveS Eabincl würde nur der äußersten Linken, der UnabhänaigkeilSpartei, Anhänger zusübre». Dazu kommt noch, daß Franz Joseph seit dem Ausgleich von l867 sich als das Muster eine- konstitutionellen Herrschers bewährt hat, so daß man auch jetzt nicht zu befürchten braucht, daß er der liberalen Mehrheit des Landes ein conservativ klerikales Ministerium aufzunölbigen gesonnen sei. Uns scheint, wie gesagt, die Krisis nur eineu perfönlichen Ebarakter zu haben. Am heutigen Montag, an welchem im ungarischen Reichstag das provisorische Budget zur Berathung kommt, wird eine gründliche Aussprache der Parteien mit dem Ministerium erwartet, die jedenfalls eine Klärung der Lage bringen wird. Der Mißerfolg der Bewerbung Zola'S, des be kannten französischen Romanciers, um die Würde eines Aka demikers, ist be^eiwnend für die Art und Weise, wie in Frank reich selbst bei rein schöngeistigen Angelegenheiten verfahren wird, so bald das Nationalgefüdl verletzt ist oder auch nur sich verletzt glaubt. Emile Zola bat das Mißfallen seiner Lands leute dadurch erregt, daß er in einem Augenblicke, wo man in Frankreich aus Italien wegen der Processirung des unter rem Verdacht der Spionage festgenonimenen Hauptmanns Romani schlechter als sonst zu sprechen war, dem König Humberl seine Aufwartung machte. Wenn auch das, was betreffs der Unterredung de« Monarchen mit seinem Besucher verlautete, nicht den leisesten Sckaltcn des Argwohns aus die Echtheit der gut französisch- patriotischen Denkweise Zola'S werfen kan», so hatte man in Paris doch a» der bloßen Tbalsachc über und über genug, und die Voulevardpresie ermangelte nicht, durch Ncben- c»,znderstellu»g der Tbatsachen, daß Zoia beim König um eine Audienz nachgesucht hatte, und daß dieser selbe König in seiner Thronrede bei Erössnung der italienischen Kammersession die Gelegenheit unbenutzt ließ, den Franzosen wegen der Ermordung des Präsidenten Earnot einige höfliche Worte des Beileids zu sagen, in lentenziöser Weise gegen Zola Stimmung zu machen. Es kann sein und ist sogar wahrscheinlich, daß Zola, auch wenn er den Besuch beim König Hunibert nickt aus seinem Kcrbbolze gehabt hätte, an der Schwelle der Akademie gestrauchelt sei» würbe, denn sowohl seine Persönlichkeit als auch seine Muse bat in Frankreich eifrige Gegner, die von dem Moment, wo er mit seiner Bewerbung um einen akademischen Fauteuil bervorlrat, mit offenem Visir wie auch au« dem Hinterhalt leidenschaftlich gegen ihn agitirten und intriguirten — aber daß er auch nicht eine einzige Stimme aus seinen, in der literarischen Welt Frankreichs doch immerhin unter den Berühmtheiten figurirenden Namen zu erlangen vcriuochlc, eigt unwivcrlcglich, wie groß die Abneigung, um nickt zu agcn die Furcht der geistig führenden Kreise Frankreichs ist, den Regungen der Volksseele, mögen sie noch so einseitiger Vor eingenonimcnbeit und Beschränktheit entspringen, die Stirn zu bieten. Man wird sich »och entsinnen, wie viel Mühe eS vor einigen Monaten dem bekannte» Bühnenkünstler und Mil glicd des 'IliöLtie tisntzLi«, Eoquelin dein Aellere», kostete, sein Pariser Publicum darüber zu beruhigen, daß er mit seiner Truppe einen Vorstellung«-EykluS in München gab. Zum Glück konnte er sich damit herauSrcden, daß er ja nickt »> Berlin, Frankfurt, ober sonst einer auf dem verfaßte» Boden Preußens bclegcnen Stadt, sondern in der kunstsinnigen, wegen ibrcu engen Beziehungen zu dem sranzösischen Genius rükmlichst bekannte» Hauptstadt Bayerns austrele, sonst wäre er der nationale» Acchtung schwerlich entgangen. Wenn eö Zola nickt gelingt, durch ein Hinterlbürchen sich wieder in die Gunst seiner chauvinistischen Landsleute einzuschleichc», mag er sich den Appetit nach der akademischen „Unsterblich keit" nur vergehen lassen. Wie schon kurz gemeldet wurde, hat der italienische Justiz mini st er den Bericht veröffentlicht, den die i» Sachen des Banca-Romana ProcesseS bestellte Untcr- suchiingsconimission erstattet hat. Im Wesentlichen sagt der Bericht: „Die unmittelbar vor Erlassung des Hastbesehls wider Tan- longo und Genossen im Ministerin»! de» Inner» zwischen Giolitti. dem Siaalsanwalt und deui Untersuchungsrichter siatlgehable Zu sammenkunft wird getadelt und die Ueberzeugung ausgesprochen, daß die Polizei das ihr vom Untersuchungsrichter behuss Beschlag nahme der Papiere Tanlongo's gegebene Mandat überschritten hat und daß die Richter ihre Pflicht nicht so, wie sie es ge- wünscht hätte», ersnllen konnten, weit sie gegen Mächte ankämpfen mußten, deren Gewaltthätigkeit und Kühnheit außer altem Verhältnisse zu ihrer eigene» Widerstandskraft sta » d. Gleichwohl habe» Richter, die i» ihrer Eharaklersestigkeil nicht einen unerschütterlichen Rückhalt besitzen, keinen Anspruch ans bas öffentliche Vertrauen und zwar selbst dann nicht, wen» ihre pcriönliche Ehrenhaftigkeit und ihr Mbieclivcr Eiser außer Zweifel sichen, lieber die in Frage kommen den Richter »nd Siaalsaiiwnlte cisicr Instanz (Untersuchungsrichter und Staatsanwalt) möge der Inslizniinislcr befinden, über den Lber- Landesgerichisrath bi Lorenz» hingegen, welcher vor der Anklage- kaniiner als Berichlerffalier snngirle (und Tanlongo und Lazzaroni zuu. freizuipreche» beantragte), müssen seine eigenen Anitsgcnosscn ein Unheil fälle», und möge er daher an den Eassalivnshos gewiesen werde». Die Ehre der Richterlvgn erforderte, die volle Wahrheit zu sagen. Der italieiiüche Richlersland habe edle, reine Traditionen, und er könne seinem Anne nicht nnlreii werde», wosern nur die ihm gesetzlich gewabrieislcle Freiheit geachtet werde." Aus Givlilti's Verwaltung wirst dieser Bericht ein sehr uugüustigeS Licht. Daß die unterschlagene» Tocumentc im Miulsteriliiu deö Innern verschwunden seien, wird von ihn: indirekt zugcslaiidcn. Den Er-Ouästor Fclzani, den Haupt angeschuldigtcn in der UulcrschlaznngSgcschichlc, bat Giolitti zu der Erklärung ermächtigt: „cs sei vollkommen richtig, daß an das Ministerium deS Inner» Dokumente gelangt seien, die ein wenig schönes Licht aus manchen politischen Man» werfe» könnten, aber diese Schriftstücke kamen von einer ganz anderen Seile, als von den Functionairen der Polizei, und sie kamen lange Zeit nach der Vornahme der Hausdurchsuchung; cs waren überdies Schriften, welche aus den Proceß der Banen Romana nicht den geringsten Einfluß auSüben konnte»." Tie letzte Behauptung erscheint doch an gesichtS der erfolgten Freisprechung Tanlongo's gewagt. Ob Giolitti in der Depulirtenkaiilmer diese Erklärung wiederhole» und die „politischen Männer" nennen wird, die durch die bei Seile geschassten Decumenle compromittirt werten, bleibt ab zuwarteii. Inzwischen hat er zu seiner Ehrenrettung ei» neues Mittel versucht. Er bat eine Jury, zusammengesetzt au- Parlamentariern aller Parteien, gebeten, die in seinem Besitz befindlichen Papiere zu prüfen, um bestätigen zu könne», daß dieselben völlig außcr Beziehung zu dein Bankscandalc stehen. Wie heule gemeldet wird, hat die Jury, Einsicht in die Papiere zu »chmeii, abgelehnt, und Giolitti den Rath gc gebe», dieselbe» zu veröffentliche». Auch daS ist kein gutes Zeichen für Giolitli'S Integrität. Feuilleton. Llarchen's Mitgift. 7j Erzählung von Paul Blumenreich. Nachdruck »erboten (Fortsetzung.) Bauer mußte sich mit der Hand über die Augen fahren, so sehr ergriff ihn die schlichte Größe dieses Mannes. Und dennoch — Dupont ging offenbar von einer irrigen Voraus setzung auS. Nicht, wie er meinte, Liebe zu Klärchen war die Triebfeder seines Handelns, sondern in allererster Reihe Mitleid! Er, Dupont, mußte ja glauben, daß mit dem Zu sammenbruch der Firma auch Klara bettelarm geworden. Und dem Himmel sei Dank, das war nicht der Fall! O nein! Bon den ersten hundert Mark, die Bauer al« wirklichen Ge winn auS dem Geschäft ziehen konnte, war eine Dopprlkrone auf jene« Sparkassenbuch eingetragen worden, womit Rudolfine ihre Stieftochter beschenkt hatte. Und keine Woche war ver gangen» ohne daß Bauer seiner Schuldnerin, seiner Tochter, sich in dieser Weise erinnert hätte. Klara also war nicht arm, war nicht so bcmitleidenSwerth, daß sie deshalb einem Manne ibre Hand reichen mußte, zu dem sie das Herz nicht zog. Niemals in all den Jahren hatte ihm die- Bewußtsein so viel Erleichterung gewährt, wie eben jetzt. Wenn er beute vor Klara hinträle und sie früqe: „willst Du diesen woblhabendcn Mann hcirathen, der bereit ist, mir wieder auszuhelfen?" wie könnte sie anders, al« sich aufopfrrn für ihren Vater? Denn — lieben konnte sie doch einen Dupont kaum — sie, deren Herz einmal für den hübschen »nd eleganten Herrn von Schönbolz entflammt gewesen! Nein, solch ein Opfer brauchte er seinem Kinde nicht auszulegen. Genug, daß er einmal seine Eristenz, so zu sagen, auf ibre Kosten neu ausgerichtet hatte. Zum zweiten Male sollte da« nicht geschehen. Genug, daß sie Einmal um ihre Ääbchen- träume betrogen worden! Gewiß, eS war eine verlockende Aussicht, auch diesen furchtbaren Sturz zu überkommen. Und er, Bauer, fühlte sich wieder jung und stark de, dem Gedanken, vielleicht doch noch einzubolen, was da in- Bodenlose versunken war. O. ja — wenn Klara sich freiwillig, auS innerem Triebe, für diesen Bewerber erklären könnte — wenn sie ihn liebte — dann «ohlk Aber sie vor diese Frage stellen — nimmermehr > Er durfte nicht, durste um keinen Preis. „Hören Sie mich an, mein junger Freund", begann er nach einer Pause, und in seiner Stimme zitterte noch der Kampf nach, durch den er sich eben zum Besseren empor gerungen. „Hören Sie mich ruhig an und glauben Sie mir, daß da«, was ick Ihnen nun sage — sagen muß —, in keiner Weise im Zusammenhang steht mit Ihrer Person. Sie legen Ihrem körperlichen Mangel überhaupt viel zu viel Gewicht bei, mein Freund. Gewiß, es wäre besser für Sic, nicht bei jedem Schritt, den Sie thun, etwas wie einen Stachel fühlen zu müssen. Aber Ihren Werth wird das für keinen Vernünf tigen herabsetzen — für mich am allerwenigsten. Also nickt daS ist e«, weshalb ich Sie bitten muß, Ihren Antrag zurück- zuziehen. Sowohl den einen, wie den andern! Es ist aber auch nicht meine augenblickliche Lage, die mir verbietet, Sie als Theilbaber der Fabrik, als meinen Sohn willkommen zu heißen. Und auch ein letzter, von Ihnen vielleicht angenom mener Grund entfällt: Ick habe in glücklichen Tagen dasür sorgen können, daß meiner Tochter ein kleines, ererbtes Vermögen erhalten blieb. Also auch für Ihre großherzige Regung, soweit diese meine Tochter betrifft, fehlt der tbat- sächliche Grund. Nur mir käme zu Gute, wa« Sie thun wollen. Ich aber, ich darf auS dieser Lage keinen Gewinn ziehen. — Sehen Sie mich nicht so verzweifelt an. — Sie wissen gar nicht, wo eigentlich das Unglück sitzt! Mein Gott — ein schwerfälliger Fuß ist kein Unglück und auch eine Finanz- calamität muß nicht immer al» ein solche- genon'men werben. Wobt aber giebt eS seelische Gebrechen, die un» am freien AuSschreiten verhindern — Katastrophen, die kein EoncurSricktcr auSgleichen, die keine Nachsicht der Gläubiger, kein Sichaus- opfern de« Schuldner- ungeschehen machen kann. Und unter solch einer Entartung meine- inneren Menschen habe ich Jahr und Tag gelitten — leide in diesem Augenblick schwerer, als ich Ihnen sagen kann. Mir ist die Freiheil de« Handeln« und der Entschließung benommen — ich bin rin Sklave dessen, wa« ich einst getban habe. — Sie werden mich nicht weiter fragen. — Sie müssen e« fühlen, wie weh mir'« thut, Sie nicht an mein Herz drücken zu dürfen." Er streckte dem jungen Manne seine leise zitternde Hand entgegen und schloß: „Aber — danken darf ich Ihnen! Von Herzensgründe danken! Und nun, seien Sie stark! Ich bitte Sie darum! Hängen Sie nickt Ihr junge« reiche« Leben an eine schöne Regung. Noch weiß, wie ich annebmen darf, meine Tochter nicht« von Ihren Empfindungen. Stellen Sie sie nicht vor den Eonflikl zwischen KindeSpflicht und — Ent- sa-NNgl vielleicht auch ,rrrn S»e sich über dir Liefe Ihrer Neigung. In Ihrem Weichen Gemüth verschmilzt sich Wohl der Wunsch, mir zu helfe», mit einer gewissen — sagen wir: Wcrthschätzung meiner Klara. Ich darf eS nicht dulde», daß Sie dem nachgeben. Ich darf eS aber auch um meinetwegen nicht thun! — Sagen Sie den Leuten der Fabrik, daß eS mich den schweren Schlag, der mich betroffen bat, unendlich viel milder empfinden laßt, was Sic mir in ihrem Auftrag an trugen. Aber ich muß, ich will stark sein — ich will tragen, was ich über mich herausbeschworcn —: Der Betrieb bleibt ruhe». Mögen die Gerichte da« Weitere veranlassen!" Mit schweren, bleiernen Schritten verließ Dupont daS Zimmer seines Ehcfs. Aber auch Bauer empfand erst jetzt, daß da gewissermaßen seine Zukunft ihn verließ. Mit seiner Zukunft bezahlte er die alte Schuld. Aber er wollte cS tragen, damit sein Kind dies mal frei wählen dürfe. „Lorenz, Tu bast eine tapfere Tochter"? schlug eine halbe Stunde später Rudolfinens Stimme an sein Ohr. Bauer fuhr empor. War Dupont etwa geraden Wege- zu Klara gegangen und batte diese eingewilligt? Wie schwach ist doch der Mensch! Bauer hörte im Geiste schon wieder die Drehbänke rasseln, die Feilen knirschen, die Räder surren; er sah e« noch einmal ausersteben, was er schon für immer eingesargt hatte; frobeö ersprießliche- Schaffen, ein stolzes Eichbehaupten aus der errungenen Position. „Ja, Du darfst stolz auf sie sein", sagte Rudolsinc, daS Aufleuchten in seinen Zügen falsch deutend. „WaS Klara soeben gethan, ist einer Heldin würdig." „Dupont ist bei ihr gewesen?" fragte Bauer beklommen. „Dupont? Nein! Wie kommst Du aut ihn?" Loren; athmetc erleichtert auf. DaS also war es nicht — Klara war nicht da« Opfer. Gott sei Dank! Und mir fragendem Blick schaute er auf zu seiner Frau. Diese aber berichtete, strablend vor Freude: „Heute früh fragte mich Klara nach ihrem Sparkassen- buche ... ich kann nur annehmen, daß sie, wie Du ihr ja gestattet bast, einen kleinen Betrag abbeben wollte, vielleicht, um für Deinen Geburtstag, gerade unter den obwaltenden Umständen, etwa« Besonderes zu tbun Wie immer, so empfand ich auch diesmal innigste Befriedigung beim An blick de« Buche- — sie war wenigstens sicher gestellt! — Und nun kommt da« Mädchen eben mit leuchtenden Augen, bock- roth vor stolzer Erregung nach Hause und sagt mir, sie bade da« Buch dem Verwalter de« Eoncursr« auSgehändigt. Sie wollte nicht ..." Frau Rudolsiue konnte den Satz nicht vollenden: ihr Gatte, der sie entgeistert angestarrl hatte, war wie leblos aus den Teppich nicbcrgesuiikcn . . . » -I- ch Ein dluistersülltes, schlcchterleuchtetcS Kellcrlocal. Zwar an den mit breiten Goldrabinspiegelii belegten Wänden sind GaSarme iin Uebcrfluß angebracht, aber ikr Lickt kann die dicke Lust kaum durchdringcn. Ein wüster Lärm erfüllt den langgestreckten Raum ; das Stam»ipul'lie»»i des Easö Parisicn begnügt sich nicht, den Refrain der tumiiieii, zotigen Lieder »iitzugröblen, die von dein niedrigen Podium der erklingen — sie schreien und lärme» auch in die Production selbst hinein. De»» nicht uni die Vorlräge zu genieße», kommen sie hierher, sondern »m „Ulk" zu mache», sich in rolicu Späßen zu über- bictcu. „Hallob, Liddie! Liddic koch!" brüllt ein junger, elegant gekleideter Man», dessen Gesicht von breiten Schmarren durch quert ist. Und „Liddie bock!" dröbnle cS im EhoruS nach. Eine schlanke, noch »nlcr der dick ausgctragenen Schminke beinahe hübsche junge Dame mit dunklem Haar und matten Auge» ist eS, der diese Begrüßung gilt. Sie verzieht kaum die Miene zum Dank. Mechanisch plärrte sic ihr Lied her unter, mechanisch kommt sic wieder, da man mit Hände- klalschen und Trampel» seinen Beifall zu erlcnncn giebt. und ei» zweiter Ebanson folgt. Der Bcifallslärm wiederholt sich, fall »och gesteigert. Mit ersichtlichem Widerwillen besteigt „der Stern" des Eafv Parisicn zum dritte» Male das Podium »nd diesmal singt Fräulein Liddn ei» senlimentaleS Lied; sic weiß genau, daß sie ihre Zuhörer nicht mehr ärgern, sic nickt besser ernüchtern kann. Kaum einige Hände regen sich, als sie daS Lied vom „lbeuren VaterbauS" beendet Kat Und dock klang es fast, als wäre sic gerate an dieser Rumnicr lebhafter belbeiligl gewesen. Ihre Stimme klang wärmer, ihr Vortrag inniger. Der Kellerwirth warf ikr einen mißbilligenden Blick zu. Gleickmütbig griff Lidty nach den beiten Zellern, die auf dem Clavicr stanken, und begann einzusammcln. Immer, wenn Jemand eine allzu kleine Münze gespendet batte, schüttelte da« Mädchen sic aus den »ntcrei, Deller. Zwanzig- Psennigslücke oder gar die verhältnißniäßig seltenen Fünfziger blieben oben liegen — zur Tarnachachlung. (Fortsetzung solgt.)
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