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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.12.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-12-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941212021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894121202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894121202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-12
- Tag1894-12-12
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Direct» tägliche idreuzbandiendung ftis Ausland: monatlich -Uli 7,5V, Dl»Morgen-AuSgabe erschein! täglich '/,? Uhr, dir Abend-Lusgabe Wochentag« 5 Uhr. Redaktion und Erpedition: Aohannesgafie 8. Di« Erpedition ist Wochentag« ununterbrvche» gevffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: VN» Me«m'S Sartim. <«lsres Hahn), Universilatsstraüe 1, Louis Lösche. Katharincnstr. 14, part, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Legan für Politik, Localgeschichte, Handels- und GeschäftSderkehr. »«zeigenHKM dir S gespaltene Petitzeile SO Pfß.' Brclamen unter dem Aedactrou-skrich (4-m svalten) 50-4, vor den gamiliennachnchnr» lSgespalten! 4Ü-< «rvtzere Schriften laut unterem Prei-»- »rrzftchntß. labellarischer und giffrrnssp »ach höherem Loris, Extra-v»Ua,r» «gesalzt!, nur mit der Worae» - Ausgabe, ohne Postbesdrdernng ^s öl) mit Postbrsörderung ^l 70.—. ^nnalsNklchluk für Anzeige»-. Abeud-Au-gabr: Bormtttag« 10 Ubr, Morgen- Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh ",9 Uhr Bei den Filialen und Annadmesrellen ,e ei« halbe Stunde srüher. Diitkiaen find stets an die Expediti«» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Sechzig «Zf. Mittwoch den 12. December 1894. 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Aus die sür Las Jahr 1894 seslzujeyendc Dividende der Reichs- bank-Antheile wird vom 15. d, Mts. ab eine zweite halbjährliche Abschlagszahlung von ein und dreiviertel Procent oder .',2 Mink 50 Psrilliig sur den Tividendcnschein Nr. il bei der Reichsbank.Hauptcasse in Berlin, bei den Reichsbankhauplstelle», den Rcichobankstelle», der l-ommandite in Insterburg, sowie bei sämmllichen Reichsbani- Nebenstellen mit Casseneinrichtmig erfolgen Berlin, den 9. December 1894. Der Reichskanzler. In Bertrclung: v, Boetticher. politische Lagesschau. * Leipzig, 12. December. Die gestrige Sitzung tcS Reichstages hat ergeben, daß daS „Wolfs sche Tel,-Bureau" nicht recht unterrichtet war, als es meldete, der Erste Staatsanwalt des Landgerichts Berlin l. suche die Genehmigung des Reichstags zur strasrechtlichrn Verfolgung derjenigen socialdemokralischcn Mitglieder nach, die in der Sitzung vom 0, d, M. bei dem aus den Kaiser anSgebrachtcn Hoch sitzen blieben. Das Ansuchen de- Staat- anwalls richtet sich zunächst nur aus die Genehmigung zur strafrechtlichen Verfolgung des Abg, Liebknecht, Sb der Antrag auch auf andere, nock zu benennende Abgeordnete der socialdcmokratischen Partei, besonders auf den Abg. Singer, der nicht nur sitzen geblieben ist, sondern Dinge gesagt bat, die schlimmer waren, als das Sitzenbleiben, wird wvbl davon abbängen, wie der Reichstag zu dem jetzt vorliegenden staatsanwaltschastlichcii Anträge stellt. Um so vorsichtiger hat der Reichstag diesen Antrag zu prüfen. Da er nicht gegen Singer, der gesprochen, sondern nur gegen Liebknecht, der geschwiegen bat, gerichtet ist und außerdem die Genehmigung de« Reichstags zur straf rechtlichen Verfolgung n a ch s ucht, so kann er aus den Artikel 90 der Reichsversassung sich nicht gründen, der dem Reichstage das Recht zur Genehmigung der strafrechtlichen Verfolgung von Aeußerungen gar nicht erlheilt, sondern diese Verfolgung — während und nach der Rcichölagssession — schlechthin verbietet, indem er bekanntlich lautet: „Kein Mitglied des Reichtslages darf zu irgend einerZeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung jeines Berufes gethancn Ae»ber»ngen gerichtlich oder disciplinarisch verfolgt oder sonst ausserhalb der Versammlung zur BerantworMng gezogen werden." Lr gründet sich vielmehr aus Art, 3l, der felgenden Wort laut bat: „Ohne «üenehmiguiig de-Z Reichstages kann kein Mitglied desselben während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Hundlung zur Untersuchung gezogen und verhaftet werden, ausser wenn es bei Ausübung der Dbat oder im Lause des nächstfolgenden Tages ergriffen wird, Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden erforderlich. Auf Verlange» des Reichstags wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied desselben und jede Unter- suchungs- oder Civilhaft für die Dauer der Litzungs- periode ausgehoben," Unsres Wissens ist dieser Artikel bisher nur i» solchen Fällen angezogen worden, wenn cS sich um Handlungen von ReichstagSmilgliedcrn handelte, die außerhalb des Sitzungs saales begangen worden waren. Aber da der Artikel ganz allgemein von „einer mit Strafe bedrohten Handlung" spricht, so kann der Reichstag ohne Zweifel genehmigen, daß Lieb knecht schon im Laufe der Sitzungsperiode strafrechtlich verfolgt wird. Daß diese Verfolgung nach Schluß der Sitzungsperiode erfolgt, kann der Reichstag nicht verhüten, er müßte denn das Sitzenbleiben Liebknecht s zu den i» 'Art. 3V erwähnten „in Aus übung seines Berufs gelhanen Aeußerungen" zählen, deren gerichtliche oder disciplinarische Verfolgung nach diesem Artikel chlechthin zu jeder Zeit ausgeschlossen ist. Genehmigt nun der lkeichStag die sofortige strafrechtliche Verfolgung Liebknecht's und wird dieser rerurtbeilt, so wird die Staatsanwaltschaft die Verfolgung auch auf Singer ausdebnen, indem sie sagt: „Wenn Liebknecht wegen seines schweigenden Sitzenbleibens mit Genehmigung des Reichstage- sofort verfolgt und be traft werden kann, so ist e» geradezu ungeheuerlich, wenn der viel schuldigere Redner Singer überhaupt nicht versetzt und bestraft werden kann. Und bar der Reichstag von de» nach Art, 30 unter allen Umständen straffreien, i» Ausübung des Beruf« gelhanen Aeußerungen das Sitzenbleiben ausge nommen, so muß er auch viel straffälligere Worte ausnchmen," Die Statuirung solcher Ausnahmen würde aber in den so überaus wichtigen Art 30 der Verfassung ein Loch schlagen. daS der parlamentarischen Redefreiheit ein Ende mit Schrecken machen würde. Wir glauben daher um so weniger, daß der Reichstag die Genehmigung zur sofortigen Verfolgung Liebknecht s erthcilen werde, je weniger cS verschlägt, ob dieser Herr sofort oder erst nach Ablaus der Session wegen MajestätSbeleidigung verfolgt wird. Freilich müßte, wenn der Reichstag es bei einer einfachen Ablehnung der von der Staatsanwaltschaft beantragten Genehmigung bewenden lassen wollte, diese Ablehnung sehr üble Folgen haben. Zweifel los bleibt, wenn diese Genehmigung versagt wird, beim nächsten Hoch aus den Kaiser die ganze socialdemorkatische Fraction sitzen, oder ergebt sich in Beleidigungen des Reichsober- Hauptes, sofern der Reichstag nicht selbst in die Lage sich setzt, empörende Handlungen undAeuße- rungen gebührend zu bestrafen, I» der französi schen Kammer können Abgeordnete durch Geldstrafen ^Ent ziehung der Diäten) und zeitweilige Ausschließung empfindlich getroffen werden, daS englische Unterhaus verfügt sogar über die Strafe der Einschließung in den ParlamentS- tburm. Unser RcickiStag hat nur den Ordnungsruf und die Entziehung de- Wortes AIS früher — irren wir nicbt, im Jahre 1879 — die Regierung eine straffere Disciplin im Reichstag anstrebte, wurde das sogen. „Maultorogesctz" abgelebnt. Wenn jetzt aber der Reichstag auS eigenem Willen die Machtbefugnisse von Präsident und Senioren- convent verstärkt, so finket er nur die feste Form der Thal sür seine Empörung, die er bei dem Ablwardk-Jall und bei dem socialdemokratische» Skandal in Ucbereinstimmung mit der großen Mebrbcit des deutschen Volkes gränhrrt bat. Je eher der Reichstag diesen Weg betritt, desto besser! Er kann mit gutem Gewissen den Antrag der Staatsanwaltschaft aus Genehmigung zur sofortigen Verfolgung Liebknecht's ablehnen und einem »och heikleren Anträge aus Genehmigung zur strafrechtlichen Verfolgung Singers Vorbeugen, Tie parla mentarische Redefreiheit bleibt »nangetastcr und den social- demokratisihen Demonstranten wird eine empfindlichere Ttrasc anfrrlegt werden können, als die ist, welche das Gericht über sie zu verhängen vermag. In der „Rordd, Altgem. Ztg." bat sich, wie gestern mitgetheilt wurde, ein „juristischer" Mitarbeiter unter Be rnsung auf „einen der anerkanntesten LtaatSrechtseammen- tatarr»" dahin ausgesprochen, es folge aus dem Art. 30 der Reichsversassung keineswegs, daß alle Aeußerungen, welche die Mitglieder des Reichstags in ihrer Eigenschaft als Ab geordnete tbun, auch straflos seien, wenn sie die gesetzlichen Schranken überschreiten und den Thalbestand eines durch da- Wort zu begebenden Verbrechens (Hochverrat!,, MajestälS beleidiaung, Verleumdung, Injurie) enthalten. Der „juristische" Beiratb de- officiösen Blattes hat Wohl daran getban, diesen Staatsrechtslehre,: nicht zu nennen, denn er bat die Ausführungen desselben gröblich ent stellt. Es handelt sich, wie die „Voss, Ztg." »ackweist, um keinen andern als den verstorbenen Heidelberger Professor und preußischen KronsyndicuS Hermann Schulze, aus dessen AllsfUhrunge» über die Redefreiheit, in seinem „Lehr buch de- deutschen StaatsrecbtS", Leipzig >881, Bd, l,, S. 48t die „Nordd. Allg. Ztg," einige von ihr nicht verstandene Stellen willkürlich berauSreißt. Dort, wo die „Nordd. Allg Ztg " aufhört, fährt aber Schulze wörtlich fort: „Allein La der Volksvertreter in seinem Berufe möglichst unab hängig gestellt iverLen muß, da rücksichltlojc Aufdeckung der Wahrheit und strenge Kritik der Behörden sür ihn eine unabweis bare Pflicht ist, wobei in gerechtem Eiser leicht die Grenzen des gesetzlich Erlaubten überschritten werden könne», so haben die neueren Verfassungen, kraft positiver Bestimmungen ein Ausnahmerecht geschaffen, wodurch die Volksvertreter um ihres Berufs willen in Beiress der Redefreiheit günstiger gestellt werden als aewöhnüche Privatpersonen " Deshalb erklärt Schulze, daß die Bestimmung der preu ßischen Verfassung die Möglichkeit einer einschränkenden, „restriktiven Auslegung", wie sie dem Bcsihlnß tcS Ober- tribunals vom 29. Januar 1800 zu Grunde lag, unbedingt ausschließt, und daß die jetzige Unverletzlichkeit der Abgeord neten Alles einschließe, waS ein Volksvertreter in der Kammer mündlich oder schriftlich verbringe. Und er sagt weiter: „Die i» dieser unbeschränkten varlainentariichen Redefreiheit unzweifelhaft liegenden Gefahren können nur dadurch beseitigt werden, Laß den parlamentarischen Körperschaften selvst kräftigere Reactionsmittel gegen alle durch den Mißbrauch der Redefreiheit begangenen Rechtsverletzungen in die Hand gegeben werden, daß jedem Hause eine genügende Strasgeivatt über seine Mitglieder eingeräumt wird. Alle Borichläge. welche daraus gerichtet sind, die Crlbstgerichtsbarkeit der Kammern zu verstärken, sind einer ernsten Erwägung werlh. Verwerflich ist dagegen alles, was einer außerhalb de« Hauses stehenden Behörde eine Einmischung in die inne ren Angelegenheiten der parlamentarischen Körper schaften einräumen will. Der geringste Einbruch in das mühsam errungene Princiv der parlamentarische» Redefreiheit könnte das ganze Gebäude untergraben". Das ist Hermann Schulze, aus den der „snristischc" Mit arbeiter der „Nordd. Allgeni. Ztg." sich berust! Die große Finanzrede de- italienische» Schatz- Ministers Sonnino bildet südlich der Alpen das Ereigniß de- Tages. DaS Problem der Herstellung drS Gleichgewichts in, italienischen Staatshaushalte ist zwar durch die Vor schläge Sonnino'S noch nicht endgiltig gelöst, wohl aber zeigen die Darlegungen des erfahrenen FinanzpolitikerS den Weg, aus welchem Italien, wen» eS der Direktive Sonnino » consegucnt folgt und keine höhere Gewalt bindernd dazwischen kommt, binnen relativ kurzer Zeit daS so sehnlich gewünschte Ziel erreichen kann. DaS Programm des Herr» Sonnino, für welches er die Genehmigung des Königs und daS soli darische Eintreten seiner Miniftercollegen besitzt, zerfällt in einen mechanischen, wie man es nennen mochte, und in einen organisatorischen Tbeil, Der erster« besteht in der Einsetzung von Ersparnissen bezw. von Slcnercrhöhnngen in das Budget, mittelst welcher Maßregel die rechnungsmäßige Balancirung zwischen Einnahmen und Ausgaben erzielt wird; der letztere ttmsaßt alle Maßregel», welche der Hebung der materiellen Leistungsfähigkeit des Landes durch Entwickelung der inneren Hilfsquelle» gewidmet sind, ^Es entspricht der Natur der Lache, wenn die Rede Sonnino'S sich vorzugsweise auf reckncrischenl Gebiete bewegt, denn gegen positive Ziffern vermag auch die leidenschaftlichste Opposition wenig oder gar nichts auSzurichien. Sie- hat eben nur die Wahl, sie in Bausch unk Bozen zu bestreiten — und dazu batte sic im gegebenen Falle dock nicht den Mulh — oder einstweilen z» acceptiren, unter Vorbehalt späterer kritischer Beanstandung WaS die ausländischen Beurtbeilcr des Sonnino'schen Programms anlangt, so sollte fick ihre Ttellungnabme vernünftiger Weise nur von rein sachlichen Erwägungen leite» lassen. Für Deutschland darf nian daS auch als selbstverständlich amichmen, da eine unsympathische Bcurtheilung der italienische» Dinge im Allgemeine» und der finanzielle» Fragen im Besonderen schon durch den Umstand ausgeschlossen erscheint, daß Italien der Freund und Bundesgenosse Deutschlands ist, andererseits aber bedarf e- gar keiner optimistischen Zustutzung der Tbatsachen, um da« gute Zutrauen zn erhalten, welches Deutschland in den Willen und in die Fädigkeit Italiens setzt, aus seinen finanziellen Schwierigkeiten heraus und »ach und nach zu gesunden budgetairen Zuständen zu gelangen, Italien wird daS Ziel um so sicherer erreichen, je fester und rückbal! loser e- nach wie vor zu den leitende» Grundsätzen der Die: bundpolitik sich bekennt, denn nach wie vor bittet daS Zu sammensteben der mitteleuropäischen Mächte die sicherste Bürg schast für Erkaltung dcS VölkerfrietenS, kiese aber ist wieder die stillschweigende Voraussetzung sür die erfolgreiche Durchführung der Sonnino'schen Reiorme», Die italienische Regierung Kat, um die 'Versprechungen ihrer Finanzpolitik cinlöscn zu können, mancherlei nicht ganz unbedenkliche Abstriche an den Einzel etats vornehmen müssen In die daraus rcsultirende Situation wird das Land sich allmählich einzutcbcn baden, und ebenso bedarf die stärkere Inanspruchnahme der Steuer zahter, wenn sie das gewünschte Ergebniß zeitigen soll, eine längere Periode ungetrübten Friedens nach außen sowohl wie im Innern. Unter diesem GesicbtSpuncte ausgcfaßt, bezeichnet daher Sonnino s Finanzwerk nicht nur die EittwickelungSlinie der Finanz- und WirlbschaftSpolitik Italien-, sondern sür geraume Frist auch der Gesammlpolitik de- Königreichs, Die riisllschr Regierung hat zwar neuerdings versichert, baß die Zustände in Irland seit der Beseitigung der conservativc» Zwangsmaßnahmen sich merklich gebessert batten; je mehr man de» Iren Vertrauen zeige, desto freudiger würden sie dieses Vertraue» rechtfertigen 'Aber diesen schönen Versicherungen entsprechen die leidigen Tbatsacben keineswegs. So vollzieht sich z, B die Entvölkerung Irlands, die seil 50 Jahren andauert — von 8 300 000 Röpsen ist die Bewohnerschaft Irlands in diesem Zeitraum aus 4 000 00" zurückgczaiigeii —, auch jetzt noch unaufhaltsam, Ter Wohl stand Irlands hat sich zwar geboten, nicht erst seit dem Sturz de- letzten SaliSbury'schci, EabinclS, sondern seit einer sehr viel srübercn Periode, aber da daS Land fast gar keine Industrie- besitzt, so treibt fast jede schleckte Ernte eine große Zahl von Iren, die in der Heiinatb ihre Eristcnz nickt zn snsten ver mögen, über de» Oecan. — Auch die Angabe bomernle freundlicher Blätter, daß in Irland die schweren Ver brechen, namentlich die Agrarverbrechen, seit Jahren in stetem Rückgang sich befänden, wirb durch die statistische» Ermittelungen nickt bestätigt In den Grafschaften Sligo, RoScommon und Mau» hat sich die Zahl derartiger Gesetzes Verletzungen gegen LaS Vorjahr sogar gesteigert; in Galwan ist die Zahl dieselbe geblieben nnd nur in Leitrim ist eine Abnahme zu constauren. Unlängst verlautete, daß die se uischcn Bestrebungen, von denen man längere Zeit nichts mehr gehört hatte, sich wieder geltend zu machen schienen. Tie Londoner Geheimpolizei scheint die betreffenden Angaben sür keineswegs unbegründet zu ballen^ sie soll von der Errichtung neuer Fenier-Logen unterrichtet sein und befürchtet, daß dieselben sehr bald durch bluligc Thatc» von sich reden machen werden. Ter Staatssecretau de- Innern, Sir H, H, ASgnilb, Kat bekanntlich vor einigen Wochen einen senischc» Drohbrief erhalten, und seit dieser Zeit wird sein Hans streng von der Polizei bewacht. Auch der Schaykanzler, Sir William Harcourt, nnd der irische Obcrsecrelair. John Morley — die aussallenderweise allesamt»: dem linken Flügel des EabinclS angehören und als gute Freunde der Iren gellen — werden stets von Geheimpolizisten begleitet. In Liverpool, daS sonst der Mittelpunct der senischen Agitation in England war, soll eine vermehrte Rührigkeit der senischen Unholde noch nicht constatirt worden sein, doch werden alle dort eintreffenden amerikanischen Dampfer von der Abtbrilung der irischen Eonstablerschast, welche eigens wegen der Fenier in Liverpool stationirl ist, genau revidirt und streng überwacht. Im dänische» VoltSthing verschiebt sich der Schwer punct neuerdings immer weiter nach links, Tic Mehrheit für den Versassungsausgleich vom 1. April d, I. zeigt eine immer stärkere Zerfahrenheit; am 3. d. MtS, wurren zu Präsirrnle» sür den Rest der Session wieder drei Deputirte von jenem linken Flügel der „Moderaten" gewählt, der sich am l. April bei der Minorität gegen den Verfassung- Leuillrtsn. Hlärcheil's Mitgift. Ss Erzählung von Paul Blumenreich. Nachdruck vnLdOn (Schluß ) Wieder blieb Lvdia sieben, diesmal in unbeschreiblicher Erregung. Sic batte seinen Arm losgelassen nnd stand ibm gegenüber. Der Tag graute bereits, der Himmel begann sich auszuklären, lind jetzt ergriff sie in lcidenschastlicker Bewegung seine beiden Hände: „Ist den» daS wirtlich wahr'? Kann man einen Menschen so lieb baben, um das sür ibn zu tbun'? Und wie — um GottcS willen — wie niuß ei» Mädchen sein, ui» solcher Opfer wertb zu sein'?" „Nur gut — nichts mehr als gut! DaS schien mir immer als die reichste, schönste, herrlichste Mitgift!" Er batte eS schlicht und halb sür sich selbst gesagt. Seine Gedanken waren nickt hier, auf der im Morgendämmer liegenden Straße, — sie flogen zu ihr, die ihm hell und sonnig erschien wie der Tag, Noch immer preßte Lydia seine Hände in den ihren, die wie im Fieber glübien, und sog die leisen Worte von seinem Munde Dann raffte sie sich auf. De», jungen Manne war eS, als wüchse die schmalschiillrige, bleiche Lcrau in diesem Augenblick über sich selbst hinan-, „Ich werke Ihnen Helsen", sagte sie in ibrer kurzen, be-, stimmten Weise — „ick, helfe Ihnen — so gewiß ich meine Kinder lieb habe! Seien Sic morgen — oder »ein — beute Mittag gegen t2 Uhr bei meinem Vater, R,S dahin: Gute Nackt!" Ehe er eS bindern konnte, war sie in eine HauSthür ge schlüpft, aus der eben ein Arbeiter schritt, seinem srüben Tage werk entgegen, Wirklich, wie geschlossene Liker lagen die Herabgelasseilen Rollläden über den Augen, de» Fenstern der Fabrik, AuS- zestorben schien dc>S stattliche Gebäude. Nur ein kleiner Ncben- eingang in dem schmiedeeisernen Gitter war geöffnet; er sübrie unter einem Oucrbau hindurch zu dem villenartigcn Häuschen, das sich Bauer aus dem in dieser Gegend noch bezahlbaren Hinterlande seines Grundstückes errichtet hatte. Eine be scheidene, aber gut gepflegte Garlenanlagc umgab die- freund liche Heim, von dem seine Bewohner nun bald Abschied nehmen sollten für immer. Lorenz Bauer saß in seinem Arbeitszimmer und schrieb. Er hatte sich in sein Geschick gesunken. Gemeinsam mit de» Seinen wollte er eS tragen. Für die Zukunft gab e« zwei Möglichkeiten. Entweder führten die eben schwebenden Ver Handlungen der Gläubiger dabin. daß e>n Eonsortium die Fabrik übernaüni, um durch sparsamen Betrieb und ver doppelte Anstrengungen die verschobene Bilanz wieder lxr- znstellen Und in diesem Falle würde man — dessen war Lorenz gewiß — Niemandem anders die technische Leitung übertragen als ihm. Aber daraus war dock kaum zu hoffe», Ten» unter den Geschädigten fanden sich auch kleinere Leute, die ihr Geld nicht so lange entbehren konnte»; diese aber würden daS Zustandekommen eine- solche» Arrangement- verhindern. Blieb nur noch die zweite Aussicht: daß die Fabrik ausgelöst, da- Grundstück verkauft, die Masse auS- geschüttet wurde. Dann ging Lorenz Bauer als ein armer Mann von hier — ärmer eigentlich, als er je gewesen, denn nun war wobl nicht daran z» denken, daß man diese Existenz zum dritten Male ausbauen könnte Aber gerade sür diese», den wahrscheinlichen AuSgang, wollte der schwergeprüfte Mann vorbereitet sei» To wandte er sich brieflich an einige größere Unternehmungen seiner Branche, um sich, wenn - anging. einen Arbeitsplatz zu sickern Jetzt wurde ihm ein Herr genieldet, der seinen Namen nickt nennen wollte, Bauer ließ ihn ohne Weiteres eintrcten. Eine stattliche Erscheinung, offenbar Lssioier gewesen, ver bindlich in Ton und Haltung, zugleich aber von einer be- merkenswertben Schärte und Entschiedenheit „Eriminalcominissar von Heiden", stellte sich der Fremde vor »nd griff in die Tasche, um seine Marke zu präsentircn, Lorenz Bauer glaubte ibm auch ohne Legitimation. Nickt eine» Augenblick war er erschreckt — er wußte sich frei und rein von Vorwurf — soweit es sich »m den Zusammenbruch seines Geschäfts bandelte Und in jene ankere Angelegenheit batte kein Eriminalcommissar der Welt sich einrumischen. so lange nickt Klärchen eine Anzeige erstattete. DaS erschien natürlich ausgeschlossen. DaS Mädchen wußte ja noch gar nicht, WaS ihr der Vater einst gelbaii. Aber schon bei den nächsten Morten de- Beamten krampfle sich Bauer s Herz zusammen. Er mußte alle Kraft aufbieten, um äußerlich ruhig zu bleibe». Herr von Heiden begann nämlich: „Ich komme auf An regung einer Ihnen nahestehenden Person . . . Sic hören mir doch ansmerksani zu, Herr Bauer'?" „Natürlich", ächzte Lorenz hervor, ^ „Es bat sich heute bei der Staatsanwaltschaft Ihre Tochter zu Protokoll nehmen lasse» . , Aber ick selie ja — Ihne» ist offenbar nickt wohl, Herr Bauer! Wünschen Sic, daß ick wiederkomme?" „Nickt dock — gewiß nickt! Ich bitte Cie dringend — achten Sie nickt aus mich! Sie tonnen ja leicht begreifen . ." „Vollkommen! Wenn ein Mann wie Sie in solche Lage kommt... Nur z» leicht — natürlich! Aber ich bringe, wie ich glaube, gute Nachrichten," Es verschlug Lorenz den Atliem. Wollte dieser Man» sein Spiel mit ihm treiben? Oder war cs etwa ein crimi- nalistischer Kniff, da- Opfer vorher völlig zu lähmen, bevor man cS z» einem Geständniß trieb? Inzwischen sukr der Beamte fort: „Frau Lvdia Franke, geborene Bauer — da» ist doch Ihre Tochter? Ach — ick verstehe: Sie sind außer Verkehr mit ihr! Auch da« beearf ja keiner Erklärung Nur meine ick. daß in unserem Falle auch «in an sich berechtigter Groll ui» Schweigen kommen soll, weil ja Ihre Frau Tochter ediglich Ihr Interesse ergriffen Kat," Bauer war nabe daran, den Rest von Fassung zn ver lieren Dieser Eriminalmen'ck marterte >bn, peinigte ibn — brachte ihn um den Verstand. Und dennoch — „komme, was da wolle", sagte sich Lorenz — „ich nehme mein Kreuz aus mich." „Mir scheint, Sie nehmen viel zn viel Rücksicht ans meinen, allerdings ein wenig angegriffenen Zustand. Aber daS ist wirklich nicht nöthig," „Nun ist cs ja auch schon überwunden", lächelte Herr von Heiden, „da ich Cie so viel milder finde, als zu fürckten stand." Milder — er — Bauer? Unfaßbar! Wo sollte das hinaus? Endlich gewann der Beamte den freien, gewohnten To» der einfachen Berichterstattung. „Frau Franke bat zu Ente de» Monats April, also vor etwa sechs Wecken, Gelegenheit gehabt, einige Stunden lang mit Ihrem betrügerischen Socius, mit dem flüchtigen Scbelckcr, zusammen zn sein. Es scheint, als habe er dabei reckt viel getrunken; denn er hat bei diesem t'-te-ü-töti- gar mancherlei geschwatzt, WaS ihn nun hoffentlich ans Messer lieierl, AIS nämlich das Gespräch sich aus einen gerade damals an» Berlin verschwundenen Defraudanten lenkte, dessen man in New Vsork habhaft gewrrden, als er eben da- Sckiff verlassen wollte, nannte Schclcker den attrapirten Spitzbuben einen Esel, dem ganz Recht geschehe, wenn man ik» nun in- Zuchthaus stecke. Er, Scheicker. er würde solch ein Narr niemals sein, sich aus eine dieser Polizeisallen, zu denen die Amerilaschiffe nachgerade geworden, zu begeben, Gott bewahre! Ihn sollte man nicht fassen, wenn er jemals in eine ähnliche Lage käme, — Unk. einmal in Zug geratben, entwickelte der gute Mann seiner Tischparlnerin einen ganzen, nicht übel angelegten Plan, der ibn eventuell vor alle? Ver solgnng sicher» würde „Vor Allem", so sagte er. „must man so etwa- nicht im Winter machen, wo der Reiseverkehr ein gefroren ist. Nein, wcnn'S überall von Touristen wiimnell! Und dann nicht etwa nach Hamburg — lächerlich! Nack einigen Kreuz und Ouersabrlen, die von der Spur ablenken, in den Harz! Im Brockenbause übernachten! Und ohne Gepäck reise». Nur einen Tornister und einen ordentlichen Knotenftock Und nickt viel Geld ausgeben! Von da aus
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