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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188805101
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880510
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880510
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-05
- Tag1888-05-10
- Monat1888-05
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1888
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Zweite Leilage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger 1Z1. Donnerstag den tv. Mai 1888. 82. Jahrgang. Sbulier 50 iae in l« 83. itter franco kuaä,- f. der ). ter. e seine frisch. /.Psd. . frei ruß,-,,. Preis! -fc. eschäst werde >deter n. jeo. ichicki. Isknii 23. rpacki, >en. SOVi, ,70.«. lflcisch neui >5 hinken l'd. --- kll . der. >abm- rani lS c Be- hier. Vom Kaiser. * Ueber da- B sinken Sr. Majestät de» Kaiser- be richtet die „Nnlional-Zeilnng" vom Dien-lag: In dem Befinden de-Ka>s-r- ist heute, wie unS aus Charlot tenburg gemeldet wird, eine geringe Besserung gegen g,st rn zu verzeichn ». Die Temperatur stieg gestern Abend aus 38,6 Grad sank aber h ute Morgen aus 37,5 Grad. Obwohl die reichliche Ellc.absoadciung noch jvrtdauert, hatte der Kaiser eine ruhigere Rach: und konnte etwas besser ich'afea. In Folge dessen süvlt sich der sieh- Patient e>n wenig «uhler, bat, wiewohl mit geringem Appe:it. seine gewählten Speisen zu sich genommen, wird aber das Bei! nicht verlassen. Um 10*/. Uhr erschien der Oberstallmeister von Rauch im Schlosse, um dem Kaiser Bortrag zu halten. Bold daraus kam der Kronprinz aus de» Schlosidos geritten und ließ sich, olme vom Pfer e zu steigen, von dem Generalmajor von Winicrfeldt über das Befind « deS Kaiser- eingehend berichten. Um 1t Uhr erschien der Ches des Mtlilaircabiacls General v. Albedyll zum Vor!ra> beim Kaiser. Auch mit diesem unterhielt sich der Kionprinz einige Zeit und ritt nach etwa viertelstündigem Ausint- halle ab Pr nzessin Bictoria unternahm um 10 Uhr Bormittags eine Spazierfahrt in einem Bierspanner, den sie selbst kutschirte. Die Kaiserin gedenkt beute Nachmittag nach Berlin zu kommen. Bor einige» Tagen wusste eine Reih« von Zeitungen zu melden, daß d r Geheime Ober-Medieinal-Rath Proiessor Bardeleben umnitteibar nach der ersten Consnllotwn, welcher er beim Kaiser beiwohnie, eine Audienz bei der Kaiserin gehabt und derselben sehr hoffnungsvolle Bei sich runge» üb r de» Zustand des Kaisers gemacht haben soll. Wie sich nun herau-slellt, hat Geheimer Rath Bardeleben die Käfern, gar nicht gesprochen; an der ganzen Millhcilu,g ist kein tvoh es Wort. Die »Post* melket von demselben Tage: Se. Majestät der Kaiser sühtte sich heute Bcuniitog etwas lvohler als in de» letzicu Tagen. Die Eiterentlcerungcr und mit diese» das Fieber haben am gestrigen Abend bedeutend avgenommen, und daher war die Nachtruhe weniger gestört. Besonders gegen Morgen verfiel der Kaiser in erquickenden Schlummer. Da Fieber mittel, wen» sie überhaupt dargereicht werden, nur in geringen Dosen gegeben werden, ist der Appetit wieder reger geworden und der Kaiser hat h ule Vormittag das Frühstück mit besonderem Wohlbehagen verzehrt Die Aerzte halte» es aber zur gänzlichen Beseitigung teS Fiebers für unbedingt nolhwendig. daß Se. Majestät einige Tage völlig in, Belt verbleibt und sich jeglicher Regierung», geschälte enthält. Der graste Arbeitsdrang, den der Kaiser im Hiubl ck ans seine Hcrrscherpstichten jetzt in erhöhtem Maste empfindet, ist cm erschwerender Factor bei beginnender Rcconvalescenz; es duldet de» Kaiser, sowie er sich clwas wohler fühlt, nicht mehr im Bcit, und daun sind Rückschläge miverincidltch. Doch gebe» dieselben zu ernste» Besorgnisse» kaum Veranlass»»-. Das Fieber hielt sich gestern Abend ans 38 4 Grad und siel heute Vormittag aus etwa 37,8 Grad. Gestern in der Mittagsstunde machte Ihre königliche Hoheit die Prinzessin Bicioria in vierspännigem Wagen, von einer Hosdamc begleitet, eine Spazierfahrt. Um 12 Uhr 45 Minuten stattete die Herzogin Wilhelm,von Mcckienburg-Schwcrin im Charlottenburger Schlag Ihrer Maiestät der Kaiserin rine» längere» Besuch ab und fuhr »>» 2 Uhr 25 Minulen nach Berlin zurück Um 1 Uhr 45 Minuten ersehen Seine kaiserl. und köaigl. Hoheit der Kron prinz zn Pserde aus tem Schlostbos und erknudigle sich »ach dem Befinden Sr. Majestät d.S Kaisers; nachdem Höchstderselbr sich kurze Zeit mit dem Flügel-Adjutanten Major von Lippe unter halten, ritt er »ach Berlin zurück. Um 4 Uhr 15 Miauten begaben sich die Prinzessinnen-Töchter zn Fust nach dem dem Schloss gegen- üb »lieg »den Marslall. Dort bestiege» die Prinzessinnen Sophie und Margarethe einen zwciipännigcn Wage», Prinzest Margarathe ergriff die Zügel und sort g-ngS in scharfe», Trabe nach dem Thiergarten zu In einem zweiten Wage» solgte. ebenfalls die Zügel führend, die Prinzessin Bictoria. Um 5 Uhr kehrten die Höchsten Herrschaften vo» der Spazierfahrt zurück. Um t-/, Uhr «richte», ahne zn« Vortrag angemeldet oder besohlen zn sein, Se. Durch!, der Reichs kanzler Fürst Bismarck, um sich nach dem Befinden seines Aller- höchsten Herrn zu erkundigen. Etwa eine halbe Slunde blieb der Fürst der dem Kaiser. Heute früh 8 Uhr »»ternahinen Ihre könig liche» Hoheiten die Prinzessinnen Bictoria. Sophie und Margarethe eine» Lpazierrilt »ach Westens zu, Gräfin Perponcher, scwe der Hosmarschall von Reischach begleiteten die Prinzessinnen. Seine kaiserliche und königliche Hoheit der Kronprinz erkundigte sich heute »i» 11 Uhr im Schlost »ach dem Befinden Seiner Map stä! des Kaisers. Weiter meldet die .Post": Bon anderer Seite erfahren wir, daß Se. Majestät der Kaiser gestern de» ganzen Tag daS Bett nicht verlasse» hat. Die Nacht inhe hat sich ini Vergleich zu den beide» vorversloffeue» Nächten wieder besser gestaltet, der Kaiser konnle wieder mehr und auch an- dauerndrr schlafen als i» der gestrigen und vorgestrigen Nacht. Der Fiebcrznftand ist in dauernder Abnahme begriffen. Die Körper- lcmpcraiur zeigte gestern Abend nur gegen 38,3 Grad. Heute Morgen war der hohe Leidende fieberfrei, die Körperwärme betrug nur 37.5 Grad, Mit der Abnahme des Fiebers hat sich auch der App.ti! Mieder eingestellt, der, wenn auch langsam, so doch stetig reger wird. Das Schwächegesühl, welche» sich insbesondere am Sonntag und zum Theil auch noch gestern bemerkbar machte, ist heute, wen» auch nicht im ganzen Umsange geschwunden, so doch wenigsten» nicht »»erheblich geringer geworden. Trotz der crivähnten günstige» Erscheinungen »» Befinden Sr. Majestät des Kaisers ist e§ kce Wunsch der Aerzte, daß Allcrhöchstderselbe heute das Bett »ich! verlasse. Di- A-rzie wollen eben, so lange Fiebccerscheinuugen und vermehrte Eiterabsonderuug ausirelen, durch andauernde Bett ruhe jeder stärkeren Inanspruchnahme der Körprrkräsle Vorbeugen um letztere möglichst ungeschwächt zu erhalten. Im Abgeordnetenhaus«; verlautete heute über das Befinden Sr. Majestät de» Kaisers, eine acute Gefahr sei nicht vorhanden indessen fühle sich Se. Majestät auch heule noch körperlich ziem lich matt. Angesichts de- etwas gebesserten Befindens des Kaisers sprach man heute in Abgeordnetenkreisen von der bevorstehenden Abreise der Kaiserin nach Dirschau zur Besichtigung der UebecschwcmmungS- gcbietc der unteren Weichsel. Dem lentspcicht eine Ankündigung in > i,!N» Privattclegramm der „Danziger Z ituug", wonach die An knnsl der Kaiserin in Dirschou morgen Vormittag envarlel wird. Bo» anderer Seite wird »nS gemeldet: Ueber die Reise Ihrer Majestät der Kaiserin nach Dirschau war bi» gegen 3 Uhi Be ftiinmtcS nicht bekannt. Die Kämpfe der Expedition Lund im Hinterlande von Katanga. * Die deutsche Forschung, die sich in den Dienst unserer Eolonie in Kamerun gestellt, hat nunmehr ihre Blut« und Fcuertause erhalle» durch die blutigen Kämpfe, welche die von Prcn.ierlieutenant Kund in da- Hinterland de- deutschen Besitz--- geführte Expedition mit den Eingeborene» zu besiehe» balle. Mit banger Sorge Halle die Nachricht von diesen blutigen Zusammenstößen, von der Verwundung deß Führer- der Expedition und des Lieutenant- Tappenbeck alle Geinüther erfüllt. Die Meldungen, die bisher über die Borsälle bekannt wurden, lauteten Wohl beruhigend, aber doch zn unbestimmt. Nunmehr sind die »lJörlitzer Nachrichten und Anzeiger" in der Lage, einen Brief mitzulhejlen. in welchen« Premier- Licnlciiant Kund selbst seiner Schwester in Görlitz Uber den blutigen Abschluß ber Expedition berichtet. Wir erinnern nur kurz daran, daß Premierlicutenant Kund im August v. I. von Hamburg nach Kamerun abgeaangen ivar, »in zunächst a» der Küste von Liberia Leute für die Expedition anzuwerben. An» 1. September solgte ihm Lieutenant Tappenbeck, der Zoologe vr. Weißenborn au- Jena und der Botaniker Braun. Nachdem sich die Expedition-Mitglieder aus dcr Fahrt vereinigt, kamen sie am 3V. September in Kamerun a» und landeten am 5. Oktober in Groß-Batanga Einen Monat später, am 7. November, 'vach bereit» die Expedition von der Mündung de- Kribi in <- gänzlich unbekannte Hinterland auf Ueber die Ergebnisse -ad Schicksale derselben, dit ein neue- Ruhme-blalt d-m reichen Ehrenkranzc nationaler Forschung einfügt, berichtet der oben erwähnte, vom 8. Marz au- Kamerun datirte (und uch von der ossiciösen „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" wiedergegebenes Brief de- Premierlicutenant- Kund mit olgendcm Wortlaut: Die Expedition hat insosern einen sehr günstigen Verlaus gehabt, als wir schnell vorwäriSgekoiumeu sind und in verl Llliiißmäßig kurzer Zeit das Land weit »ach Osten und »ach Süden ersorschen konnten, wobei sich mancheelei Wichtiges ergebe» hat. Dcr Feind- ieligkeit der Eingeborene» wurden wir zunächst in ziemlich glücklicher Weise Herr. Zuerst griffen »n? Mitte D rem er 1887 die Io»,aia»a an, ei» etwa 40 deutsche Meilen von tee Lüste nach Osten lebender Volksstamm. welcher mit Speele» ficht und mit einigen Feuer- gewehrcn — die schon zn ihnen gedtunge» — bewaffnet ist. Sie wollte» n»S nicht über den kleinen Ndjong lassen, einen ihr Land durchfließenden Fluß, und wir geriethe» zuerst dabcl i» eine ziemlich ichliniiue Lage, aus dcr wir nur dadurch uns befreien konnte», daß wie daS jenseitige User, welches sie besetzt hielten, e>stürmten. Ich halte dabei große» Glück. Mein Kanoe, init dem ich voran uderte, bekam einen Schuß, der eS zum Siuken beachte, so daß ich «n der ungünstigen Lage war, schwimmend versuchen zu müffen, daS User zu erreiche», daS vo» dein Buschvoik mit vielem Geschrei veriheidigt tvurde; doch benahmen sich dabei einige unterer Leute sehr gut; statt sich eutmnthigen zu lassen, ruderten sie i» zwei a»deren KanoeS auf das feindliche User zn, holten mich aus dem Wasser und stürmte» aus die schon durch Tappenbeck's Schießen vom anderen User her sehr eingelchüchterleu Ionguaua mit vielem Schreien ein, so daß diese, trotzdem sie in einer unvergleichlichen Ueberzahl waren und u»S ohne große Mühe in- Wassec werfe» konnten, da wir gegen ihre Svcere keine Gegenwehr besaßen und vo» de» Gewehren in den, User- und Wasser-Äebü ch kaum »och Gebrauch machen konnte», in der Tbat davouliescn So wurden wir zu 10 Man» Herren des feindlichen UserS und waren aus einer drückenden Lage befreit, da wir vorher aus einer Insel lesesse» hatte», aus der eS keiiicrlet Lebensmittel gab, Ti- Feind- cligkeiien setzten sich hier »och zwei Tage sort, dann schloffen die Leute mit »ns söemsiche» Frieden und gestanden ihr Unrecht ein. W«r hatte» 1 Todten, I Schwcrveewundeie» und ein paar nicht ucunensiverih Verwundete. Wie bauten A-inoes, besuhren de» Fluß bis au die Grenze» seiner Schiffbarkeit und zogen dann nach dem große» Ndjong. Vo» diesem Fluß mar uns viel vorgesabelt worden, so daß ich glaubte, wir würden in ihm einen Nebenfluß deS Cong» erreich-». Wir durchzogen ei» Land mit einer sehr zahlreichen, friedlichen Bevölkerung, die überall ihrer Freude und ihrem Erstaunen, daß weiße Leute in ihr Land kamen, in der lebhaftesten W ise Ausdruck gaben. Sie begleiteten uns zu Hunderlen aus unserem Wege, die Weiber drängten sich mit den Kinder» heran, alle wollten uns an saffen, um unsere Haut zu befühlen, und eS entstand jedeSmal et» furchtbares Geschrc«, wenn sie eine» Hemdärmel zurückstrrisen konnten und sahen, das, wir wirklich am ganzen Leibe weiß seien und n-cht blos a» den Hände» und im Gesicht; durch ihre Neugier beiäst glen ie uns zwar mannigsnch, da sic unermüdlich den ganzcn Tag uin uns herumtaiizten, schrieen und H ullen, so daß wir kaum noch wußten, wie w«r unS eine ruhige Minute verschaffen ko -ntcn; doch ließ sich das gern ertragen, da sie uns reichlich Lebensrnittel brach ten. Für die ,'chSnste» Schafe und Ziege» bezahlten wir Zeug im Wcrthe von 3 .«l, für ein Huhn Knäpse im Werth von 5 nj. Wir hatten Alles reichlich, was wir brauchten, und glaubten nlle Schwierigkeiten überwunden zu haben, um so inehr, ai- uns die Leute auch ans den Weg »ach dem groß-» Flusse brachten. W r erreichten denselben am 19. Januar. ES ist ein großer, inncrasri- konischer Siron«, der aber nicht »ach Oste» fließt, sondern nach Wesen »nd im Kamcrungebict bc> Malimba mündet. Damit ist endlich entschieden, daß wirklich bei Kamerun ein großer Fluß mündet, daß eS aber keiner von denen ist, in welchen man ihn biS jetzt suchte. Bo» jetzt ab kam eine schwierige Zeit sür u»S. Wir überschritten de» Fluß, »in eine«« Weg »ach Kamerun zu finden, und geriethe» dabei plötzlich unier Sudaiineger, gänzlich ver schiedene Vülkerschasten von allen, die Tappenbeck und ich nicht blos hier, sonder» auch am Congo kennen gelernt haben. Wir hatten damit eine der wichtigste«! Bölkergrenze», welche e« i» Afrika überhaupt giebt, überschritten, und es ist vielleicht mit eines der wesentlichsten Ergebnisse dieser Reise die Feststellung der Thatioche, daß die Sudanncger schon weit nach Süden vorgcdrungen sind und schon im Hinterlands von Kamerun sitz»», nicht weiter ais 30 deutsche Meilen von der Küste enisernt. Man kan» auch erkennen, daß sie die Bortaneger nach Süden zurückorängeii, und eS ist hoffentlich der Zeitpunkt nicht allzu ser». wo sie nach Westen Vordringen und daS ganze Küstengesindel. welches z»ni Theil jetzt im Kamcrungebiet sitzt, ans ihre» Wohnplätzc» vertreiben. Für »i.s kann das nur günstig sei«, den» diese Sudanneger sind eine ganz andere Classe von Menschen als die Bortamger. Die Sudanneger «reibe» ordentliche» Ackerbau und Viehzucht und habe» mehr Sinn sür Arbeit, Ordnung, Gesetz und Recht als die Andere». Leider schiene» diese Lcule über unsere Ankunst so überrascht und erschreckt, daß sie, nachdem sie in den ersten Tagen sich friedlich gegen unS verhalte» hatte», eS aus einmal vorzoge», uns de» Wcttcrmarsch durch ihr Land zu wehren. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß sie fürchtete», wir kämen, um Sklaven zu jage» Sie le«de» in der Beziehung offenbar sehr durch die inohamedauische» Neger, welche ihre Selavcnjagden von Norden bis hierher ausdehne». So griffen Ke uns denn einer Tages ganz unvcrinuthel aus unserem Wege an, doch wurde» wir ihrer schnell Herr; sie verhielten sich zwar tapser und räumten ihr große? verpallisadirtes Dorf, das sie verthcidigte», erst nach hart näckigem Widerstand, doch konnten sie, da sie säst ausschließlich mit Bogen, Pfeile» und Speeren fochten, nichts gegen uns ausrichte,i. Tappenbeck war der erste, der über die Berpallisadicung kletterte und die Gegner mit einige» wenigen Begleitern vor sich hcrtrieb. Er hätte, da sie in großen Haufe» zusanimeugeballt an den ent> gegengesetzte» Seiten des UserS durch die schmalen Ausgänge hinaus- drängten, ihnen schreckliche Verluste beibringen könne», doch that cs uns schon bitter Leid um die Tobten, die im Dorse umherlagen, da sie ihr Leben doch nur in Folge der Absicht verloren hatten, sich gegen Eindringlinge zu wehren, von denen sie in ihrem Unverstand Böses sür ihre Heimath fürchteten. Daß unsere Leute in ihrer Wuih, da sie eine ganze Anzahl Verwundete Hallen und sich dessen bewußt waren, daß man sie ohne jeden Grund angegriffen hatte, das Don anjilndelen, war nicht zu verhindern. W«r hatten auch diesmal großes Glück gehabt. Besonders hatte iib für Tappenbeck gesnechlet, der sich soweit »ach vorne gestürzt hatte; es ist geradezu wunderbar zu nennen, daß ihn weder ein Speerwurs, noch einer von den dutzendweise fliegenden Pfeilen verletzt hatte. Auch ich war sehr gut weggekommen, denn rin Pfeil, der mir ins linke Knie geflogen war, ließ sich leicht herausziehcn; so halte ich nur eine geringe Ent zündung, die während einiger Tage etwas schmerzhaft war. Bon unseren Leuten war Einer lebensgefährlich verletzt, durch einen Speerwurs in den Leib, an dem er nach mchrcren Tagen starb vier andere hotten clwas schwere Pseilwunden, die aber gul heillen Bon einem Wcitermorsch unter den Sudannegcrn, nachdem sie sich u»S feindlich i» de» Weg stellten, konnte nicht gut die Rede sein, da wir unS erste«? nicht mit ihnen verständige» konnten wegen der Sprachverschiedenheit und loeil wir ohne Beihilfe nicht daraus rechnen konnten, in diesem Lande eine» Weg zu finden, den» es war wegen vieler Siimpsr schwer paisirbar. Wir kehrten daher über de» groyen Ndjong zurück und aiurschirle» aus dem linken User westwärts, »m »veiler unterhalb den Fluß noch einmal zu überschreiten und dort eine» Weg nach Kamerun zu suchen. Als wir schon in einer Land- schast waren (mit Name» Dogobclla), die den bei »ns befindlichen Kamerunjungcn bekannt war als eine, nach welcher die Kamerunleutc Handel treiben, als wir schon die ersten Cocospalmen gesehen hatten, was immer ein Zeichen ist, daß man von der Küste nicht mehr weit entfernt ist, und wir die Entfernung von Kamerun nnr aus sieben Tageniärsch« schätzten, wurden wir am S. Februar 1888 ganz unver- miithct von den Bakokos i» einem Terrain überfallen, in dem wir sasl wehrlos waren. Wir befanden uns in einem Gelände, wo ein schilfarligeS Gras von dreifacher MaiineShöhc wächst, durch da- ein einziger schmaler Psad führt, den wir passtrten. Ja diesem Gra e steckten die Feinde, die unaushärlich, während wir den Weg versolglen, unS beschossen. Es war uns ein Hinterhalt gelegt in einer so listigen, durch- dachten Weise, wie ich eS von Afrikanern ooq nicht erlebt habe. Zuer t suchten wir uns dadurch zu Helsen, daß wir, wo irgend sich mal eine elwa- günstigere Stelle sand, waS aber höchstens in den kleinen, au« wenigen Hütten bestehenden Dörfern der Fall war, angriff-weise vorginge», das vertragen Schwarze in der Regel nicht; hier aber nützle eS gar nichiS, denn die Leute verschwanden tm Grase und wir sahen nichts von ihnen. Wir mußten den Entschloß soffen, aus den, kürzeste» Wege Waldlaud, da- wir vor na« wußten, zu er- reichen, dort konnten wir unserer Gegner besser Herr »erdeii. vis dahiu aber war ela langer Weg, und die Eingeborenen wollten ihre» vortheil wohl ouszunützen, überall steckten sie in den zahlreichen I ElephoptenweM, hie unsere Pfade krenzten, und schosse» ihre G«- I »ehr« ao, wenn wir vorbeikamen, ebenso folgten sie uns hinten in I großer Ueberzahl und suchten ans selbst von vorne de» Weg zn ' verstgea. Unsere Leute, von de, sich ei, Theil amfteHtft verhielt, schossen aus das Gerathewohl ihre Gewehre in da- Gra- ob, dahin, wo sie den Ranch eines Schüsse- der Eingeborenen sahen. Daß wir ohnc große Verluste aus diesem Hinterhalt nicht heraus, komme» kounte», war uns von vornherein klar. Die Verwundungen wurden immer zadlreicher, eS traten Marlchstockungen ein. »nd ich begab mich de-halb, während ich sonst die Karawane schloß, um die nachdringenden Eingeborenen abzuwchren, »ach vorne. Ich war gerade angkkonime», als Tappenbeck einen schivere» Schuß gegen das rechte Ohr erhielt, der ihn bewußtlos hinftrcckie. Nachdem ich das Nölhige angeordnet halte, um ihn tragen z» lasten, ging ich weiter vorwärts und suchte unsere Leute zum Weitcrmarschc zu bewege». Diese fingen an, einaeschüchtert zn werden, und trotzdem unsere Rettung lediglich im schnellen Marschiren bestand, verlangsamte sich dcr Marsch, wozu auch die immer zahlrccheren Berwuudungea beitrugen. Ich erhielt zuerst eine» Schuß «ege» die Slirue, der aber keine Bedeutung hatte, da er lediglich eine Haut wunde veranlaßte, schlimmer war ein zweiler Schuß in den linken Arm. in die Gegend des Gelenkes, wo er an zwei Stelle» eingeschlagen war. Er machte mir den Gebrauch deS G Wehres »»möglich. Aus »leinen linke» -lim war es überhaupt wieder einmal abgesehen. Ich erhielt noch einen Schuß in denselben in dcr Gegend dcr Achsel. Es gelang nur indeß. liniere Leute vor wärts z» bringen, leider jedoch verloren wir von der Ausrüstung. Die Zahl der Verwundeten stieg schließlich aus 26; sie konnle» natür lich ihre Lasten niht mehr lragen, doch wurde das meiste »ölt beim Wcgwerse» veruichiet. Das Schießen dauerte bis in die sinkende Nacht. Ich habe niemals von Afrikanern solche Hartnäckigkeit ge- ehe» und auch nur sür möilich gehalten, den» wie sich später herausgestellt hat, verloren sie20TodIe, während wir deren 4 hatten. Unsere Lage am Abend dieses Tages war eine verziveiielte, ei» Drittel unserer Leute war veiwnndel, ich hatte zum Ueberslnß noch einen vierten Schuß in die rechte Ha»d e.halte», war voll- iändig gciechtsunsähig und konnte imch nur langsam vor- wäris bewegen, da ich die Arme nicht beauche» konnte, welche man ans dieien Bnschpfaden zum Bviwärtskommen nüthig hat. Tappenbeck war schwer verwundet, und was das Schlimmste war, wir batte» fast gar keine Palronen mehr (ans den Kops 3). Griffe» uns die Eingeborenen am nächste» Tage energisch an. so mußte» sie bald merken, daß uns das Pulver ausqing, und dann wäre» wir verloren. Im Morgengrauen traten wir am nächste» Tage unseren Weitermarsch a», um eine u»S befreundete Völkerschaft zu erreichen. Die Eingeborene» beschossen uns noch ab und zu, wenn w-r Dörfer paisirteii, doch kounte man merke», daß sie durch ihre Verluste am Tage vorher vorsichtig geworden waren. Sie wagicn sich nicht inehr nahe an uns heran. Wahrscheinlich hatte auch dcr Sew nn, den ie an- unseren weggetvorsene» Sache» erhofft hatten, nicht ganz ihren Erwartungen entsprochen, da unsere Leute alles kinigerniaßen Werthvolle a» sich genommen, das andere, so gut wie eS ging, »er- »ichiet hatten. Ich will nicht weiter erzählen, wie wir unS in den nächste» 14 Tage» durchs Land geschlagen kabcn, wir verloren noch drei unserer Lcule durch Tod. Zuletzt, nachdem wir unter unbeschreib lichen Mühseligkeiten wieder in daS Hinterland vo» Groß-Batanga gelangt waren, standen wir noch sehr nahe vor der Geiahr, dem Hungertodc zu erliege». Wir mußten eine Urwaldregion durchschreite» von sieben Tagemürichen Breite, i» der wir keinerlei Lebensmittel außer einigen erbärmliche» Banmsrüchlen, von denen sich die Affe» ernähren, vorsanden. Wir hatte» Leute vorausgeschickt mit einem Briese, in dem wir nm die Entgegensenduiig von Nahningsinittcln baten, kamen diese nicht an, oder waren irgend welche Hindernisse vorhanden, so wußten wir Alle, daß »nr die Krä'tigsten vielleicht im Stande waren, das Ende der Urwaldregion z» erreichen, die Berwundcte» und die Schwächeren wären vor Erschöpfung am Wege liege» geblieben. Es Ware» die elendesten Tage, die ich durch- gcmacht habe. Wir matschirlc» vom Morgengrauen bis zum Abend, und nur der Gedanke, daß dies die einzige Möglichkeit dcr Rettung war, hirlt mich aufrecht, obgleich ich dem Zniammenbrechcn ost nabe war. Nur wer das durchgemacht hat, wie die Kräste alliuälig aus Mangel an Nahrung immer mehr abuehmen, so daß man de» Zeüpnnct absieht, wo »i n erjchüpst und hilslos am Wege liegen blc beu muß, Hot eine Vorstellung davon, was c- heißt, aus einmal die Rettung vor sich z» sihen. Es war der sechste Tag »nleres Marsches durch dieses trostlose Waldgebirge, als nm die Mittagszeit vorn die drei Schöffe siele», welche die Vordersten als Signal abseuern sollten, wenn die Leute von dcr Küste mit Lebensmitteln einträse». ES war die höchste Zeit! Die Karawane zog sich schon aus eine Länge vo» drei Meile» auseinander, weil die Schwächet«-» unserer Leute nicht mehr vorwärts konnten. Ich habe noch nie Schwarze in solcher Erregung gesehen, den Meisten siürzic» des belle.« Thränen aus den Augen, sie waren gar nicht im Stande, was sie sonst immer thun, vor Freude zu schreien; sie zogen sich still bis zu dem Platze, wo die Lebensmittel verlheill wurden, dort umarmte» sie die ihnen e»I- geaengekommeiien Leute vor Freude. Uns selber kam die Aenderung unserer Lage so wunderbar vor, daß wir uns gar nicht recht darei» fügen kounten, aus einmal Reis und Fleisch, B>squiIS, Schulten, Wurst und Wein, was unS Alles von der Küste entgegengeschickt war, in Gebrauch zu nehme», nachdem wir in de» letzten Woche» froh gewesen, wenn wir nur geröstete Polante» halten. Unser Glück wurde am nächsten Tage noch größer: wir standen nämlich vor der Gefahr, daß die Küstenbevölkerung. mit der wir nicht in guten Beziehungen gelebt hatten, »nS den Weg nach der Küste vcr> sperrte. Am nächste» Mittag erreichte» wir das erste Tors und hatten dort die große Freude, schon ei» Detachement des in Ka merun stalionirten Kanonenbools „Cyklop", mit welchem der Ber treter des Gouverneurs, der LandgerichtSrath Zimmerer, unS ent gegengekomnien war, vorzufinde». Es waren damit die letzten Schwierigkeiten überwunden, und wir gelangten in einem weiteren Tagemarsch an die Küste. Der Gegensatz zwischen der Noih, die wir in den letzten Woche» durchgemacht hatte», und dem Zustande völliger Sicherheit, in den wir plötzlich versetzt waren, war so groß, daß man manchmal zu Iläumen glaubte, denn eS war Keiner von uns und wohl auch von unseren Leuten, dcr sich nicht mit dem Gedanken vertraut gemacht hatte, die Küste nie wieder zu sehe». In der That hing Alles davon ab. daß die Eingeborenen nicht dahinter kamen, daß wir keine Patronen mehr hatten, da sie eS nicht wußte», fürchteten sie uns doch immer noch einigermaßen wegen unserer vielen Gewehre Mehrere Tage während unseres Rückmärsche» verhielten sie sich sehr zweiselhas», nnd man konnte wohl herausmerkcn, daß es unter ihnen zwei Parteien gab, von denen die eine suchie, uns noch einmal an- zugreiscn, doch verhielten sich unsere Leute, als eS in der Thal einmal dazu kam, und man aus uns schoß, sehr veruünstig, sie marschirien ruhig weiter und zeigte» eine sehr gute Haltung, so daß die Ein- geborenen davon abgeschrcckt wurden, uns ernsthast anzugrciscn; batten sie es gethan. so waren wir verloren und wir können also (ehr von Glück sagen, daß die Expedition diesen Verlaus genommen hat. Damit müffen wir »nS trösten über das sonstige Unglück, da» wir gehabt haben. Wir habe» in süns Monaten vo» 100 mit Gewehren bewaffneten Leuten zehn Todte verloren, ein gewiß außer- ordentlich hoher Procentsatz. Der Arzt vom „Eyklop" bekam reichliche Arbeit, al» wir in Balanga ankamcn, duich die vielen Verwundeleii, die wir »»Ibrachten. Tappenbeck ist durch seine Wunde sehr heruntergekommen; der Schuß ist zwar insofern sehr glücklich gegangen, als er die Gehirnschale nicht verletzt Hai, doch eitert die Wunde sehr stark und geht seine Wiederherstellung nur langsam vorwärts. Ich bi» körperlich sehr gut dran, ich habe nur ganz schwaches Wundfieber gehabt und mich dc-halb schnell erholt. NuS dem linke» Arm und der rechten Hand sind die Geschosse entfernt und die Wunden heile» zu, doch werde ich diesmal kaum so aut wegkommcn wie damal- bei den Verwundungen am Congo. Der linke Arm wird seine völlige Brauchbarkeit kaum wieder bc- komme», auch werden zwei Finger der reHten Hand, der vierle und der Zeigefinger, wohl steif bleiben. Ich schreibe die-, weil ich den Grundsatz habe, weder etwa» zu verheimlichen, noch durch die Dar» stellung zu falschen Vorstellungen Anlaß zu geben. Ihr könnt des- halb, nachdem ich daS Unangenehme Euch nicht vorenthalten habe, auch fest davon überzeugt sein, daß das Andere nicht übertrieben ist, daß ich mich, abgesehen von den Unannehmlichkeiten, die eS immer mit sich bringt, wenn man nicht alle seine Glieder srei brauchen kann, völlig wohl befinde; ich tröste mich mit dem Gedanken, daß es vt-I schlimmer Hölle kommen können und daß zu Hause täglich Meischea durch Unglücksfälle aller Art ganz unvorhergesehen in eben solche Lagen kommen. Bon Tappenbeck Hörle ich auch, daß er all- mälig völlig wiederhergestrllt werden wird. Der I)r. Weißen- bora. der mit na« w^> Ist glücklicherweise unverletzt geblieben. Auch die- hat die Eingeboraen einigermaßen in Respcci ge- halten; es war so wenigften- Einer da. der die Expedition leite» und sich um die Verwundeten kümmern konnte. Wie sich die nächste Zukunft gestalten wird, kann ich noch nicht sagen; wir wollen die Station mehr »ach Norden verlegen, da das Batinga- gebiet als genügend ersorscht geu,? kann. Mich hat der „Cyklop" mit hierher nach Kamerun genommen, »gmlt ich hier ärztliche Hilfe Hab«, falls an den Wanden noch etwa- zn sch-.'iden ist. Bei Tappen beck wird die- nicht mehr der Fall sein; er ist teshalb auf seinen Wun-ch in Balanga geblieben unter der Pflege te? I)r. Weißend»,v; dort befinde» sich auch unsere Leute. Ich will, sobald ich kann und Gelegenheit habe, hier einen neuen Stalionsplatz ermitteln; zunächst beschäftige ich mich mit der Fertigstellung vo» Berichten, die ich allerdings nicht selbst schreiben kann, deshalb auch dieser Brief dicmt «st Ich habe hier nur das Wichtigste, waS mir tuittheileuSiv-,t>> schien, herausgreisen können, eS geht deswegen etwas durcheinaude. Ueber die Zeiten bemerke ich »och, daß wir, nachdem wir «m Ociobe, eine» sech-tägigen Vormarsch gemacht hatte», wobei es unS nicht gelang, die Urwaldrcgio» zu durchbreche», ain 7. November zm» zweite» Male vorgingen. Weihnachten lagerten wir an dem klein n Ndjong, am 19. Januar stießen wir aus den große«» Ndjong u >o am 9. Februar hatte» wir das letzte große Gesicht gegen die Ba!->> kos, am 3. März erreichten wir die Küste vo» Groß Balanga. Aus dem preußischen Landtage. * Berlin, 8. Mai. Die Commission des Abgeordnete». Hause- zur Borbcralhnng des Gesetzenttvuris über die Berbesse- rung der Oder »nd Spree hat heute die Borlage cinstimni g und ohne Abänderung angenommen, ebenso den Antrag vo» Schor- lemer Ali!, welcher die Be l rüge der Interessenten zu den Koste» deS Grnnderwerbs bei dem Rhem-Ems-Canal hcrabsetzt. Die Conservaiive» im A bgeordnetenhanse scheine» vor läufig nicht geneigt z» sein, bei der definitive» Abstimmung am 14. Mai das BolkSschuIIastengcsetz i» dcr von der Herren. hauS-Commission beantragten Fassung anzunchmen. De Folge wird voraussichtlich eine abermalige Verlängerung dcr Session sein. Das Abgeordnetenhaus erledigte heute einige Rechnungs vorlagen und Petitionen. Unter den letzteren rief eine P-Iitio» de« Schulvorstande» Ziele» in Wesipreußeii um Besitzung der dortigen Lehrersteve mit einem kalholische» Lehrer eine längere Debatte her vor. Die llnterrichtscommiision wollte die Pelitton der Regierung zur Berücksichtigung überweisen; es wurde aber Uebergang zur Tages» ordnuug beschlösse». Die nächste Sitzung findet Montag, 14. Mai, kalt mit der Tagesordnung: Zweite Abstimmung über das Bolks- schulgesetz und Oder-Spree-Regulirung. Socialpolitisches. lH Leipzig, 7. Mai. Ein hiesiger Gastwirlh, der mehrere neue Leute sür seinen Gewerbebetrieb cngnqirte und dieselben vor Antritt der Stellung fragte, ob sic in einer gesetzlich genehmigten freien Hilsscassi die Mitgliedschaft erworben hätten, wurde von diesen dahin beschiede», daß sic theilweile in der „Neuniann'schen Arankencasse", theiliveise im „Kellnerbund" Aufnahme gesunden Hütten. Er meldete die- auch bei der „Leipziger Ortskra»kencasse" an und erlangte schließlich sür das Personal die übliche» Befreiungsscheine. In den Statute» der oben envädni-n freien Hilsscaffe» stand nun, daß die Einländigung der Mitglieds bücher als Ausnahme i» die Lasse zu gelte» habe. Mitgliedsbücher aber Halle» die neu engigirtcn Zimmermädchen und Kellner von jenen Cassen auch eingehändigt erhallen «nd ihrem Prinzipal über geben. ES schien also alles in schönster Ordnung zu sei» und der betreffende Gastwirlh glaubte, sicher im Besitz seiner BesreiuirgS- scheinc, an keine Gespenster mehr. Dennoch sollte er bald aus seinem guten Glauben herauSgerisse» werde». Den beiden Mädchen, welche in dcr „Neuniann'schen Krankencasie" versichert waren, ries die „Leipziger Ort-kranken- raffe" plötzlich ei» kategorische- „her zu nur" zn. Bon dem bc- »refseuden Änstwirth wurde», ohne daß sich derselbe zunächst erklären konnle. warum, die Krankengelder sür diese Personen auch von dcr „Leipziger OrtSkrankencasse" eingesordert. ES solllc sich indessen bald Herausstellen, waS den Grund dieser Maßnahme bildete. Das Statut der „Neuniann'schen Krankencasse", welche übrigens ols eingeschriebene HilsScasse von der höheren Berwaliungsbchörd: an erkannt und den Bestimmungen des Kraukeup rstchcruiigsgesetzes entsprechend organisirt ist, schreibt nämlich vor. daß über die Ans. »ahme »euer Mitglieder der Vorstand, als ein Collegium von vier Mitglieder», zu entscheiden habe. D«e beiden Mädchen waren aber kurzer Hand durch de» Vorsteher allein ausgenommen »nd mit Mitgliedsbüchern versehen worden. Hieraus solgcrie die „Leipziger OrtSkrankencaffe", daß die betreffende» Mädchen, weil nicht rite ausgenommen, gar nicht Mitglieder der freien Hilsscaffe geworden, und mithin ea ipso »och als Angehörige der O.ts- krankcncasse zu betrachte» seien. Der betreffende Gnstwiilh habe also auch die entfallende» Krankencasscnbeilräge nachmals zu enlrichlc». Der gedachte Gastwirlh wurde nun, nachdem dcr Bescheid des Krankenversicherungsamtes zu seinen Ungunsten ausgefallen war, beim hiesigen königl. Amtsgericht klagbar und beaniragle, daß die Orlskraukcneasse zur Restitution der gezahlten Beiträge ver- urlhcilt werde. Der Anspruch charaklcrisirte sich als eine Rück forderung wegen Mangels jeden Grundes (ff. 1547 des B. G. B.). Er behauptete, daß der Umstand der nickt statutengemäß erfolgte» Ausnahme dcr Mädchen in die Neumann'jche Krankcneasse nicht ihm selbst, sondern nur jener Lasse zur Last gelegt werde» könne. Ihn treffe kein Verschulde» und er könne deshalb auch nicht zur Ver antwortung gezogen werden DaS Gericht wies jedoch die Klage ab. Ta nach ff. 5 der Statute« der Ncumann'schen Krankcncasse nicht der Vor steher allein, sondern dcr Vorstand von vier Mitgliedern über die Ausnahme zu entscheiden hat, hier aber dcr Elftere allein die angebliche Ausnahme bewirkt habe, so sei folgerichtig überhaupt keine Ausnahme erfolgt und die Personen seien als Mitglieder dcr OrtSkrankencaffe zu betrachten. Gemäß ff 33 deS Ortskranken, cassenstatuls habe aber lediglich der Arbeitgeber die Beiträge, und zwar zn einem Drittel auS eigene» Mitteln, zu zwei Drittel» vorschußweise sür die von ihm beschäftigten Lassenmilglicder zu zahlen. Die OrtSkrankencaffe habe sich also lediglich an den Arbeitgeber, mithin den jetzigen Kläger, zn halten gehabt, während eS diesem sreistehe, den Regreßauspruch gegen die Neuniann'sche Krankencassc geltend z» machen. An der Verpflichtung deS Klägers zur Zahlung dcr Krankencassenbeiträge sür die »icheaeuannlen Mädchen könne daher selbst der Umstand nichts ändern, daß er nach Sachlage in dem guten Glauben stehen mußte, daß die Mädchen bereits vor ihrem Dienstantritte bei ihm Mitglieder einer dem ff 75 des Krankenversich-rungsgesetzeS entsprechenden Hilsscaffe geworden seien, und in dieser ihrer Eigenschaft zum Beitritte zur be- klaglen Orlskraukencasse »ich! verpflichlcl erachtet werde» könnten. Dieser gute Glaube würde dem Kläger cv-nluell nur dann etwa zu Gunsten gereiche», wen» eS sich um An wendung deS 8. 9 deS OrlSkrankencaffeiistatuies, wegen »»ter- lassener oder nicht rechtzeitig erfolgter Anmeldung versicherungspslichtiger Personen handelle, nicht aber her, wo es sich nur um die Zahlung von Beilrägen handelt zur OrtS- krankencasse, nicht aber um O bnungsstrascii rc. handelt. Diese Entscheidung ist sür alle Arbeitgeber vou Wichtig keit, denn sie lehrt dieselben, daß esgeboten erscheint, wenn sie ihre Arbeitnehmer in eine freie Hilscasse eintretcn lassen, auch »u prüfen, daß dieselben ein« ordnungsgemäße Ausnahme, wie sie da- Stalnt vor- schreibt, gesunden haben. Ist dal nicht der Fall, so gilt die Ausnahme nichts, und dcr Arbeitg-ber hat bloS hinterher die Un- annkhmlichkeiten und Wegerungen, wen» ihm auch zunächst die be treffende freie Hilsscaffe regreßpflichtig sein wird. Vortrag des Herrn G. de Liagre aus Leipzig über Wohllungsnolh. ui. Die Schluß-AuSsUhrungen de-Redner- lautete» wie folgt: Einer der wichtigsten Punkte meine- ganzen Unternehmens ist die wöchentliche Zahlung der Miethe, die dem Armen obgesordert werden muß. Die- geschieht durch Damen ov< den höheren Ständen, welche sich dieser Arbeit selbstverständlich unentgeltlich unterziehen. Um die volle Wichtigkeit dieser Einrichtung zu verstehen, muß man sich in Wesen und Nalur des Armen hnieinversetzen. Er ist und bleibt auch meist Zeit seine- Leben- ein große- geistige- K«nd, besten Handlungen nicht, wie daS beim Gebildeten dcr Fall ist — oder doch der Fall sein sollte — (eS hapert ja da anch wohl hin und wieder), nach feststehenden Principien geschehen, sondern der Arme handelt in der Regel nach den Impulsen de- Augenblickes, vo» dem er ganz abhängig ist. Ja die Znkunst denkt er wenig; man verspreche ihm sür Entbehrungen de- Augenblicke- die größten Bortheile in der Zukunft, ec wird nicht die sittliche Spannkraft haben, daraus einjiiaehcu, und ginge er daraus ein. io wird s.' ne Energie nicht au-reichen, den gesoßten Entschluß durchjusührea. Was mehr als um einige Monate hinaus in der Zukunft
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