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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.05.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188805117
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880511
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880511
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-05
- Tag1888-05-11
- Monat1888-05
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.05.1888
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Erste Leilage M Leipziger Tageblatt and Anzeiger. Ao 132. Freitag den 11. Mai 1888. 82. Jahrgang. Verstoßen. im Schloßhose zwischen den Historische Erzählung von Ludwig Habicht. Nachdruck »erboten. VII. (Schluß.) Die Burggräsin stammelte sastung-loS: „Der Streifen schwarze» Flor» zwischen seinen erkalteten Fingern" — „War von meinem Scbleitr gerissen, an dem er mich zu batte» versuchte", ergänzte Eva. „Die Worte, die sein erkaltender Mund stammelte" — „Waren Versuche, sein ungerechtes Testament umzustoßen", fiel die Unversöhnliche mit kalter Grausamkeit wiederum ei». „Ich batte meine Zeit gut gewählt, cS war zu spat. — Mit der schweren Last aus der Seele, unfähig, sie von sich zu walze», mußte er sterben." „Ich aber lebe noch!" ries die Burggräsi» auffahrend, „und so wahr mir Gott helfe in meiner letzten Stunde, will ich gut mache», waS ich verschuldet." „Schwöret nicht, hohe Frau", versetzte die Andere mit eisigem Hohn, „füget keinen neuen Meineid zu denen, die Ihr bereit» geleistet." „WaS ich gelobe, daS halte ich", versetzte Frau Barbara m i Würde. „Wen» Ihr cS könntet. Meinet Ihr, ich hätte Euch mein Geheimuiß enthüllt, wenn ich nicht sicher wäre, daß Ihr eS wahren müsset? Euer Mund ist ebenso kraslloS, eS zu verrathe», Eure Hand ebenso ohnmächtig, daS Geschehene abzuwcuke», wie e» die dcS Burggrafen waren; aber während ihn der Tod erlöste, mußt Ihr lebend daS Unheil schauen, daS Ihr bcrausbcschworcn." „Wer will mir wehren —?" „DaS Perhäugniß". war die dnnipje Antwort. „Ihr könnt nicht hcraustreten auf sie Gaste und verkünden, daß Ihr und Euer Gemahl gelogen und gesrevclt, und wenn Ihr eS konntet, wer würde Euch glauben? Meinet Ihr, Euer zweite: Sohn, den Euer Trug zum Burggrafen gemacht, werde die Wahrh it anerkennen und dem Verstoßenen daS Feld räume»? Meinet Ihr, der, den Ihr wieder in seine Rechte cinsetzet, werde Euch'S danken? Aerger denn je würde der Bruderzwist entbrenne», fluchen würden Euch Eure beiden Söhne. Ihr könnet nicht rede», Eure Zunge ist gefesselt." „Und dock werde ich reden!" ries die Burgaräfin. „Treffe mich Schmack und Tod, ich gebe der Wahrheit die Ehre. M u.en Erstgeborenen will ich aussuchen seine Knie will ich uml.ammern, ihm will ich mein Bckenntniß oblegen, er soll mein Richter sein. Genug des Unheils ist anS der Liigcnsaat ausgesprcste»; geschehe mir, waS da will, ich zerstöre sie." Frau Barbara'S Gesicht war, indem sie diese Worte sprach, wie von überirdischem Glanze erfüllt; ohne ihre Feindin noch eines Blicke» zu würdigen, eilte sie au- dem Gemach, und so hoheitSvoll war ihre Miene und Haltung, daß Eva verstümmle und in sich zusamuiensank. „Sollte ich dock zuletzt noch das Spiel gegen sie verlieren?" murmelt« sie. „Unmöglich! DaS Verhängniß läßt sich nicht incbr anshaltcn, eS kann nur noch Den zermalmen, der in die Speichen de- rcllcndcn Rade- zu greisen sich unterfängt." Wie von Furien gejagt eilte die Burggräsin die Treppe binnnler und befahl ihren sie erwartenden Leuten, sofort die Rosse wieder zu schirren. Während bicS geschah, ging sie unruhig im aus nud ab. ES wäre ihr unmöglich gewesen, z Mauern der Burg zu weilen, selbst im Schloßhos war eS ihr, als miißken die ringsum dräuenden Felsen herabstvrzen und sic begraben. Im Begriffe, zu Pferde zu steigen, sah sie a»S einer Seiten- tbiir.der Burg ein Weib hervorslürzen. Händeringend und mit aufgclöslem Haar warf eS sich der Burggräsin zu Füßen. .Vergebung, Vergebung, hohe Frau", schluchzte sic und wand sich am Boden. „Ich weiß. Ihr habt Alles erfahren, verzeiht der unseligen Grete! Lange, lange schon habe ich be reut. waS ich gegen Euch verschuldet." Mit einem Blick unsäglicher Verachtung schaute die Burg gräsin ans die Flehende nieder, ihr Fuß hob sich, sie sortzu- stoßcn; aber sic zog ihn zurück. „Der ungerechter Weise Ver stoßene ist nicht ihr Kind", flüsterte sie; Westen Schuld ist größer, die ihre oder diemeine? Ziemt cS Der, unversöhnlich zu sein, die selbst so sehr der Verzeihung bedarf?" — Diese Gedanken besänftigten sie. „Ich vergebe Dir", sagte sie laut, möge Gott Dir und mir verzeihen!" Eilig schwang sie sich aus ihr Saumthier und verließ die Felscnburg, unbekümmert darum, daß seit dem Morgen kein Tropfen ihre L-PPen genetzt und daß noch Stunden vergehen mußte», ehe sie wieder eine Herberge erreichte. Trotzdem Frau Barbara zum Tode erschöpft in Harten stein ankam, gönnte sic sich daselbst nur kurze Rast. Sie mußte ihren Erstgeborene» aussuchen, und zwar che der junge Burggraf vielleicht nach Hartenstein zurückkchrte und sich ihrer Reise witcrsetzte. Ehe sie Heinrich ihre Beichte abge legt, durste der jüngere Sohn von ihrem Vorhaben nicht» erfahren. Diesmal war sie nicht allein, ihr Töchterchen Bathildis begleitctc sie. VIII. „Du weißt jetzt Alle-, mein Sohn; thue, waS Dir gut- däucht!" schloß die Burggräsin, nachdem sie Heinrich all' diese düsteren Vorgänge gebeichtet halte. Sic lehnte sich erschöpft in die Kisten zurück, mit welchen Gertrud'» Fürsorge sie, ohne daß sie cs merkte, schon lange unterstützt hatte. Rickt in einem Zuge hatte Frau Barbara die Geschichte ihres unglückseligen Irrthum» zu erzähle» vermocht, sic hatte oft innegehalte», oft Athen, schöpfen wüsten, und vielleicht hätte sie die schwere Ausgabe nicht zu Ende geführt, wären nicht zwei jugendliche Geschöpfe gewesen, die zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken sitzend, ihr ermuthigend in die Augen schauten und deren sanjler Händedruck und leise geflüsterte» Trostwort sie von Neuem ausrichteten, wenn die Kraft und der Muth sie zu verlassen drohten. Nickt daß die Burggräsin sich zu schonen gewillt gewesen wäre, kein peinlicher Gericht hätte gegen sie schärfere An klage» zu erheben, kein ihr feindlich gesinnter Anwalt die Dinge seiner zuzuspitzen vermocht, al» sie die» selbst that. Sic sa»d eine Art schmerzlicher Wollust darin, ihr Thun mit den schwärzesten Farben zu malen, nur bemüht, ihre» ver storbenen Gemahl in möglichst mildem Lichte erscheinen zu lasten. WaS ihr Bckenntniß ihr so unsäglich erschwerte, war die Haltung DeSzenigen, dem sie eS ablegte. Mit verschränkten Arme», düster zusammengezogenen Brauen, fest znsammengcknifscnen Lippen saß Heinrich vor der Erzählerin. Sein Auge suchte den Boden, nur selten blickte er aus, und wenn die» geschah, so war e», al» irre fein Blick in weite Fernen, al» habe er wenig zu schaffen mit Dem, wa» sich da soeben in seiner nächsten Umgebung vollzog. Und zum Theil war c» auch so. Heinrich durchlebte in dieser Spanne Zeit noch einmal sein ganze» Lebe» . . . Eine einzige Kette von Kränkungen. Bedrückungen und Un gerechtigkeiten war dasselbe gewesen, selbst wer sich ihm hilf reich erwiesen, hatte daS nur a»S Nebenabsichten gcthan; er wußte sehr wohl, waS er auch von seinen jetzigen Gefährten und Bundesgenossen zu halten und zu erwarten habe. Nur ein einzige» Wesen hatte ihn geliebt, hatte ihm Treue ge halten, da» war feine Gertrud, und wa» hatte sie »in dieser Treue willen nicht gelitten, wa» lag noch vor ibr?! . . . Und diese» furchtbare, schier nnglanbliche LooS war ibm bereitet worden, weil zwei tückische Weiber schon vor seiner Geburt böse Ränke gegen ihn geschmiedet. Al» Opfer der Sünden von Vater und Großvater war er auScrsehcn worden, und seine eigene leibliche Mutter hatte nur allzu willig die Hand dazu geboten; sein Vater war schwach genug gewesen, ihren Einflüsterungen Gehör zu schenken und einen Frevel gegen ihn zu begeben, wie ihn ähnlich die Geschichte keines adeligen Hause» auszuweisen hatte. War die alte gebeugte Frau, die da vor ihm saß und i» herzzereißenden Worten ihre Schuld bekannte, wirklich seine Mutter? Konnte er ihrer Aussage denn jetzt Glauben schenken? War eS nicht vielleicht wieder aus eine Täuschung abgesehen, durch welche sic seinen rächend erhobenen Arm zu entwaffnen gedachte? Dock nein, diese» Brkenntuiß trug den Stempel der Wahr heit. Aber wenn ihn diese Frau auch geboren hatte, seine Mutter war sie darum doch nicht mehr. .. DaS Band wischen Mutter und Kind war zerrissen, die Liebe gestorben, eine Reue und keine Thränen vermochten sie von Neuem zu beleben . .. „Heinrich, wa» siniiest Du? Sprich endlich!" sagte Ger trud, ihm die Hand aus die Schulter legend. Lange, lange chon waren die Worte der Burggräsin verhallt und noch mincr saß er in starrem Hinbrülen. Die drei Frauen hatten ich nicht zu regen gewagt. Längst war der Abend herein- gebrochen, aber Gertrud hatte nicht geduldet, daß Licht in» Gemach gebracht worben war. Nur die Flamme de» Kamine», in welchem mächtige Holzscheite brannten, beleuchtete die Gruppe. Die junge Frau hatte die Stille zuletzt nickt mehr zu er tragen vermocht. Sie sah einen hesligen Ausbruch ihre» Galten vorher; aber bester das Toben seine» Jähzornes, als dieses unheimliche Schweigen. „Ermanne Dich, Heinrich", wiederholte sie, „sprich zu Deiner Mutter!" Er fuhr empor. „Meine Mutter?" wiederholte er. „Weil e» der hohen Zrau beliebt, m.ch heute wieder ihren Sohn zu nennen, soll ich nun auch sogleich al» Mutter sie begrüßen? Ich habe mich besten seit langen Jahren entwöhnen müssen, c» mag jetzt auch dabei bleiben. Ich will kein Spiclball ihrer l!aune sein." .Heinrich, besinne Dick", mahnte Gertrud. „Bruder, lieber Bruder", bat Bathildi». Er sah sie mit spöttischen Blicken an. „Wenn ich Dein Bruder bin, warum zeugtest Du nicht für mich, al» e» an der Zeit war?" „Weil ich ein Kind war, da» keinen Willen hat al» den der Eltern und sich ihrer Einsicht unterordnen muß", erwiderte sie sanft. „Du weißt, Margarethe hat sich aus Deine Seite gestellt." „Dein Zcugniß hätte auch nicht» gefruchtet", entgegnetc er mit Achselzucken; „mir Hilst Niemand al» ich selbst, und dabei soll cö bleiben. Hebet Euch von mir! Ich habe Euch nicht gerufen und brauche Euch nicht", setzte er finster hinzu, wie mit einem wilden heftigen Anlauf jede weichere Regung unterdrückend. Die Burggräsin erhob sich. „Du bist in Deinem Rechte, mein Sohn; wie hart Du auch gegen mich verjährst, ich habe eS verdient und will e» tragen ohne Murren. Ziehe hin gen Prag, klage mich der Lüge und des Meineides an, ich will mich schuldig bekennen vor Gott und den Mensche», aus daß Dir Dein geraubte« Recht werde. Wenn Du dann Namen und Güter der Burg grafen hast und ich in der Büßerzclle de» Kloster» meine Tage beschiieße, vielleicht kommst Du dann doch eine« Tage« zu mir, legst Dein Haupt an meine Brust und nennst mich Mutter." „Niemals, niemals, Frau Burggräsin!" ries Heinrich mit laut schallender Stimme. „Nicht im Leben, nicht nn Sterben, da» schwöre ick —" Da» laute Weinen einer Kinderstimme unterbrach ihn. Der Knabe hatte während der ganzen Zeit, wo die Unter redung in gedämpftem Tone geführt worden war, in seiner dichtverhangenen Nische ruhig geschlafen. Die lauten, zornigen Worte seine» Vaters halten ihn geweckt und sein klägliche» Geschrei tönte durch da» Gemach. Mit einem Sprunge war Gertrud an der Wiege und holte da- Kind herbei. ist. Vor dem König und vor dem Kaiser, vor allen unseren Lehnsleuten will ich mein Geständniß wiederholen —" „Halt, Frau Mutter, da» sollt Ihr mit nichten", siel ihr Heinrich in» Wort. „Sprich, mein Weib, möchtest Du B»rg- gräsin heißen um diesen Preis?" Gertrud schüttelte den Kops. „Mich gelüstet nicht nach äußerer Ehre." „Mick auch nickt", fuhr Heinrich fort. „Ick begnüge mich mit dem Bewußtsein meine» Rechtes, bin glücklich und zu frieden. daß ich die Liebe meiner Mutter besitze, daß sie mich ihren Schn, daß meine Schwester mich Bruder nennt. Aus das Bnrggrafeulhum verzichte ich." „Heinrich, bedenke, Du gicbst damit auch daS Erbe Deines Erstgeborenen hin." „Er soll e» nicht habe» um den Preis, der dafür gezahlt werden müßte", sagte Heinrich fest. „Mein Bruder Heinrich oll nie erfahren, waS Ihr mir beule enthüllt, nickt noch einmal sollt Ihr einem Sohne ein solches Bckenntniß ablcgen. E» soll nicht ruchbar werken, daß mein Vater ein ungerechte» Testament geniachk, daß Ihr falsch Zeugnitz abgelegt habt." „Du wolltest aus den Namen Neuß und Plauen verzichten? Gilt er Dir so wenig?" fragte Balhildi». „Er gilt mir sehr viel, und deshalb entsage ich ihm: nur o kann ich ihn vor dem Makel bewahren, der auf ihn falle» würde." Die Burggräsin und ihre Tochter suchten vergeblich, Heinrich anderen Sinne» zu macken; er blieb fest bei dem gefaßten Entschlüsse und fand in dessen Verthcidigung eine mächtige Bundcsgenossin in Gertrud, die eines Sinne» mit ihm war. Zuletzt mußte auch Frau Barbara zugcben, daß ihr Svlm daS Reckte erwählt habe. „Mein hochherziger, schwer verkannter Sohn. WaS wird aber au» Dir und den Deinen?" fragte sie, als sie sich end lich in da» Unvermeidliche gefunden halte. „E>. Frau Mutter", erwiderte Heinrich heiter, „ich meine, da» liegt in Eurer Hand. Ihr werdet die Vermittlung zwischen mir und dem Burggrafen übernehmen und mir wohl einen guten Vergleich erwirken, da ich doch erbötig bin, mitten im Siegesläufe das Schwert in die Scheide zu stecken." „Da» will und werde ich. mein Sohn." „Und Du steckst wirklich da» Schwert in die Scheide?" ragte Gertrud anfalbmenv. „Nur einmal möchte ich e» noch ziehen", ries Heinrich, und der wilde Zorn, der ihn so oft beherrscht, blitzte wieder in seine» Augen, „aber eS ist zu gut dazu. Ich muß auf eine andere Strafe sinnen für die beiden Weiber, die so ungeheuer an unS gcsrevelt." „Eva v. Rosenbcrg ist Deiner Rache entrückt", sagte Balhildi» leise. „Todt?" fragte Heinrich. „Aus dem Wege hierher traf un» die Nachricht, daß vor einigen Tagen während eines furchtbaren Gewitter» der Blitz in die Felscnburg geschlagen und sie getödtet habe. „Sie ist gerichtet", sagte Heinrich schaudernd. .Und Grete?" fügte er nach einer Panse hinzu. „Ob sic bei dem Brande umgekommen ist, ob sie sich ge flüchtet hat, ich weiß eS nicht", antwortete die Burggräsin. „Ueberlaß sie ihrem Schicksal: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr!" * » E» litt Frau Barbara nur wenige Tage bei dem wieder» gewonnenen Sohn, denn sic hatte keinen Frieden, bi- sie den Vergleich niit dem Burggrafen zuwege gebracht und dem unseligen Brnderkampf ein Ende gemacht hatte. Da Heinrich'» Forderungen mäßig waren und der Burg graf sich in der Bcdrängniß zu Zugeständnissen sehr bereit willig zeigte, so kam ein Abkommen bald zu Stande; schwieriger war e» dagegen für Heinrich, seine BnndeSgeiiosskn und die ausgewicgelten Bauern zum Niederlegen der Massen zu bewegen. Wildenstein und von der Heyde erklärten sogar, den Kamps auf eigene Hand sortsctze» zu wollen, und wirklich durchzogen ihre Banden noch eine Zeit lang raubend und plündernd da» Land. Mil Heinrich'» Rücktritt vom Ober befehl hatte der Aufruhr aber doch seine eigentliche Bedeutung verloren und e» ward dem Burggrafen leicht, ihn gänzlich zu dämpfen. Unangefochten herrschte Burggraf Heinrich V. fortan über die rcußischen Lande; der Prätendent, der ihm so viel zu schassen gemacht, war verschwunden, Niemand wußte, wo er hingekommen. Heinrich verstummte. E» war ihm jetzt nicht möglich, seinen Schwur zu vollenden. „Gebt meinem kleinen Heinrich, Eurem Enkel, den Segen, den sein Vater verschmäht", bat Gertrud, indem sie sich vor der Burg gräsin neigte und den Knaben zu ihr emporhob. Die alte Dame legte die eine Hand ans da» Haupt de» Kinde», mit der anderen umfaßte sie Gertrud und zog sie an ihr Herz. „Ich segne ihn und Dich", schluchzte sie, „Du, meine ge liebte Tochter! Wer Du auch seiest, von wannen Du auch gekommen sein magst, Du bist würdig, eine Krone zu tragen. Mein Sohn hätte in allen Landen keine edlere Burggräsin sinken können." „Segne auch mich, Mutter!" erklang da eine tiefe Manne» stimme. Heinrich sank zu den Füßen der Burggräsin nieder, umfaßte sie, sein Weib und sein Kind mit den kräftigen Armen und vergrub sein Gesicht in den Falten ihre» Gewände». — Wie im Frühling von der Gewalt der Sonnenstrahlen ge schmolzen sich plötzlich die mächtigen Ei»blöcke lösen, so daß der lange zurückgestaute Strom nun mit mächtigen Wogen einherbraust, so sprang auch die lange niedergehaltene Kindes liebe empor, und c» war schier beängstigend anzuhören, wie der starke Mann schluchzte, wie e» ihn erschütterte und in ihm arbeitete. „Mein Sohn, mein Erstgeborener» mein Schmerzenskind I jauchzte und weinte Frau Barbara; „ich Hab« Dich wieder!" Sie legte da» Kind in Gertrud'» Arme, machte sich sanft von ihr lo» und beugte sich zu dem Knieenden. Beide Arme um seinen Hal» schlingend, zog sie ihn zu sich empor. „Mutter, Du liebst mich wirklich?" fragte er. „Ich habe Dich immer geliebt", flüsterte sie; „habe Dich mehr geliebt al- alle meine anderen Kinder, und darum eben hielt ich c» für meine Pflicht, zu thun, wa» ich gethan. Wa ich dabei gelitten, weiß nur Gott." „Arme Mutter!" sagte Heinrich wie zu sich selbst. „Hättest Du den Knaben so an Deinem Herzen gehalten, wie jetzt den Mann, hättest Du ihn einmal in dm vollen Strom Deiner Liebe tauchen lasten, e» wäre ander» gekommen. ... Ich habe ja so sehr gedarbt nach Deiner Lieve, daher mein Tro s und meine Unbändigkeit." „Sei jetzt auch mein guter Bruder", bat Bathildi», welche den Arm um Gertrud geschlungen, mit Freudcnthränen dem Austritt zusah. Heinrich wandte sich von der Mutter und schloß die Schwester in seine Arme. „Gertrud, meine Gertrud", ries er, wie reich bin ich mit einem Male geworden, ick babe Weib und Kind, Mutter und Schwester." „Und auch einen Bruder sollst Du wieder haben, so hoffe ich", sagte die Burggrästn, die erschöpft auf da» Ruhebett zurückgesnnke» war. „Drin jüngster Bruder ruht neben Deinem Vater in der Gruft seiner Ayncn, aber meine beiden noö» lebenden Söhne sollen nicht länger in Fehde miteinander sein Ich will Dem, der jetzt Burggraf heißt, bekennen, wa» ich Dir bekannt, nud er wird nicht ansteoen. Dir zu geben, wa- Dein « -» Nicht allzu fern von Hartenstein, in einer schönen, frucht baren Gegend Böhmen», hauste aus einem großen, stattlichen Hof, der abseits von der Straße gelegen, so daß nur selten der Fuß eine» Wandere« sich dahm verirrte, ein Ehepaar, von einer Schaar lieblich cmporwachsenver Kinder umgeben Die schöne Frau führte mit fester und doch milder Hand da» Regiment im Hause und hatte ein wachsame» Auge auf Knechte und Mägde, so daß nicht nur in Küche und Keller, soiibern auch im Feld und in den Scheunen, in Hof und Ställen Ordnung herrschte und Alle» wohl gedieh, wenn der Hau» Herr e» auch vorzog. ein wilde» Roß zu tummeln und dem edlen Waidwerk obzuliegen Schlicht bürgerlich war der Name, schlicht bürgerlich da» Leben, da» sie führten, einfach und schlicht erzogen sie ihre Kinder, und doch lag im Wese» der Leute etwas Adelige», doch empfingen sie nicht selten Besuch, der ihren Nachbarn, wenn sie solche gehabt hätten, Stoff zu allerlei wunderlichen Vermutbungcn gegeben haben würde. E» war ein Fest sür Frau Barbara, wenn sie im einfachen Gewände, nur von Bathildi» und wenigen Getreuen begleitet, ihren Heinrich und seine Gertrud aussuchcn und mit ihnen und ihren Enkeln rin paar stille Tage verleben konnte Al« die Burggräfin hochbetagt starb, trug man im ganzen reußischen Lande nirarnd» liefere Trauer um sie al» auf dem einsamcn Hose in Böhmen, den Herr Heinrich und Frau Gertrud bewohnten. »brr auch der Burggraf kehrte zuweilen aus seinen Jagd- zügrn aus eine halbe Stunde hier ein, ließ sich von der Hausfrau einen Becher Weine« reichen, scherzte mit den Kindern, führte mit dem Hausherrn ernste und heilere Ge spräche und schüttelte ihm zum Willkommen und zum Ab schiede warm die Hand. Nie deutete er mit einem Worte daraus hin, daß er wisse, wie er zu Herrn Heinrich eigentlich stehe; e« war aber doch unschwer zu merken, daß seine Mutter auch ihm ein Bekcnntniß abgelegt und daß ihm nicht un bekannt sei, welche große Verpflichtungen er gegen den Mann im schlichten Kleide habe. Heinrich machte ihm die Last leicht genug. Der Trotz, die Unbändigkeit der Iugendjahre war von «hm gewichen, abgeklärt war sein Charakter, verschmerzt Rang und Namen und Macht. Er war mit seinem Leo zufrieden, glücklich im Besitz seine» Weibe» und seiner Kinder, glücklich tn dem Bewußtsein, daß die Lebenslage, in der er sich befand, von ihm freiwillig gewählt, daß er nicht willkür lich beraubt und verstoßen war. hier gelegene» Dorfe in dem G 'scheu Gasthos. Früh zeitig waren dle beiderjemgen Commilitonen dort ciugerück, und nachdem noch mancher rdele B-erseat „gedroschen" worden war. ging das Duell gegen Mittag vor sich; die Bedingungen waren: geschliffene Schläger und keuie Ban. dageu; als höchste Zeitdauer halte man 1ä Minuten festgesetzt. Judeß dauerte es keine b Minuten, denn F. hatte eiueu starken „Rasen- chm iß" erhallen, der ihn kampsuntauglich machte, während B. mit ein paar undedeuicndrn Schinarren weggekonmieu war. Eben wurde F. verbünde», als der Schutzmann N. ganz »nverhossi dazu kam »nd einigen Siudenien die »arten abnahm. Der Waffen kounle er nicht mehr habhaft werde», da dieselben al-ba!d in Sicherheit gebrach! worden waren. Dies ist der kurze Sachverhalt Ibeils nach den eigenen Zug-ständnissen der Angeklagten, theils »ach de» Aussagen deS Schutzmanns. Ferner kam als Mitangeklagter der Gastivirlh G. in Frage, der dadurch, daß cr Len Zweikamps gestattete, sich der Beihilfe ichuldig gemacht hatte. Trotzdem G. nun beharrlich leugnete, überhaupt von dein Zwecke, den die Student--» versa gten, etwas gewußt zu Halen, wurde er doch durch de Zeugenaussagen völlig übersührt. B. und F. wurden weg n „Iwei- kampss mit tödilichcn Waffen, »ach vorcngegangener ernstliche, 'gier- abrcdilug" zu je 3 Monaten, G. wegen Beihilfe zum Zw.ikampj zu 1 Monat FestungShasl verurtheilt. II. Der bereit- mehcsach vorbestrafte Bäckergeselle Heim.ua August Friedrich Heidrich hatte sich wiederum de- Died-iabls chuldig gemacht. Der Angeklagte war vom December vor. Js. iis Ende Feviuar a. e. bei dem Bäckermeister M. in P.öicn b ia-ä I » Im Januar waren dem Lehrling L., welcher mit Heidrich iu einer Stube zusammen schlief, au» seiner Sounwgchosi. welche .n drin geineiuschastlichen Schranke hing. 2 baarc» Geld abhanden ge kommen, doch geliaute sich der Junge damals noch » cbt, den Meist r davon zu verständige», denn er hätte sonst den Heidrich dir-ci »er- dächiige» müssen, da außer diesen Niemand in die Stube Beider kam. Das inerkwürdige Bei schwinden des Geldes börie aber nicht aui, denn kurz nach dem ersten Falle fehlten wieder 1.70 .« und etwas später 1.50 ./l Nun fitzte der Lehrling den Meister davon in Kenntnis), und dieser bediente sich eines zwar ick.n veralictea, dasür aber »och immer sehr probate» Mittels: er zeichnete nämlich eine Anzahl Geldstücke und stecke sie ,» die Hose dcS Lehrling». Schon am selben Abend fehlte» raven wieder 62 nj. Da sich d r Meister wie auch der L-lrimg buh r nichiS Halle» merke» lassen, so fühlte sich der Dieb allzu sicher. Nochmals stecke der Meister g zeichuclcs Geld i» die beglich, Hcie und paß:e alsdann aus. bl» der inzwischen hinausgegangeiic Heidrich hcruiiierkam. Kurzer Hand wurde dieser nun in» Verhör genommen, und richtig sand sich bei ihm auch das gezeichnete Geld vor. Der Angcckaglc leugnete i» der Verhandlung auch nicht, sondern gab zu, das Gels entweub I z» haben. Mil Rücksicht aus daS offene Geständniß und die n chi hohen Borstrafen des Angckiagien, gab die königl. S-aalsamvalnchasi die Annahme mildernder Umstände dem Ermesse» drS Gerichisbvies anheim, der demselle» solche auch nochmals zubilligie m d n !> r Anrechnung eines Monats der crliiieneu Unlrriml nngslast 7 Monate Gesäugniß und 2 Jahre Ehrverlust zu rkaiinle. III. Am 5. vor. MonatS su»d in der Ceniralhalle d>c Ä,ße,U in, zur Aushebung der M litairvstichligen statt, zu welch r auch der 20 jährige lcreiiS vorbestrafte Handuri euer Richard Wilhelm Emil Hebt ich von hier erschiene» war. Hierbei bot sich ihm nn-i die schönste Gelegenheit, aus billigste Weise em paar neue Stichln zu erlangen, was er sich auch nicht lange überlegte und d-e Stiesel» eines gewissen H. nebst Strümpsen anzog und dafür seine ab» gelittenen Schuhe sieben ließ Der Diebstahl wurde jedoch alsbald bemerkt, und als die Polizei de» Hrdlich habhaft nu de, fanden sich in seinein Besitze die gestohlenen Liiesel und Strüuivse, welche H auch alsbald als sein Eig.ntiuin agnoeciilr. Der An- ,eklagte war durch nickt» zu einem offene» Geständniß z» bewegen, ondrru l.-ugntte in überaus frecher Weise und spielte den »n- sckuldigsten Menschen der Welt. Allein die eidlich erhätttte» Anssi'g.n dcrZeugeu deckle» die Anklage voll und ganz, so daß auch nickt der gering»« Zweifel au HeNich's Schuld obwalten konnte. Der Angellagte wi.-ce demnach wegen Diebstahls im wiedcrholicn Ruckialle z» eine, G.- sängnißstrase von 8 Monaten 4 Tagen, rinichließüch cinee ihn, am 0. April d. I. vom hiesige» köuigl. Schöffengericht wegen Jagd vergehen» zuerkannlc» achllSsigen Gcjäiignißstrase, verurtheilt. IV. Die HandarbcilerS-Ehejrau Jobanne Juliane Pauluie asiak aus Großzschochcr, bereits vorbestraft, befand sich wegen iebstahlS und Beirugs aus der Anklagebank. Im Sepl>mbcr v. I. arbeitete die Jasiak aus dem Rittergut in Großzschocker »nd war längere Zeit mit beim KarIvff-l-Ausiiiachen beschäftigt. Jede Ar- beiterin erhielt dann sür einen Korb Kartossi l» eine Pappmarke, aus welche am Schluß der Woche gcgen Cinlief rnng die Ablöhnung erfolgte. Eine» Mittags bot sich der Angeklagien Gelegenheit, z» der Ligarrcnktste zu gelangen, ln welcher sich die bereit» be zahlten Marken befanden. Sie stahl »un gleich die ganze Kiste und reichte jede Woche eine sehr große Anzahl Marke» ein, woraus sie auch die diesbezüglichen Summen ausbezahll cr- i. Schließlich wurde aber der Betrug entdeckt und die Jasiak verhaftet. Die Angeklagte legte ein offenes Geständniß ab und mit Rücksicht darauf, sowie auch aus den nicht erheblich n Werch der AetrugSsälle ließ ihr das Gericht nochmals mildernde Uinstäutc angedeihe» »nd vcrurthttlte sie w-gen Ruckfallsblebstahl- und B - trug» zu 6 Monaten Gesängniß und 2 Jahren Ehrveilust. unter Anrechnung von 3 Wochen der erlittenen Untrrsnchungshast, Der Gerichtshof bestand au» den Herren LandgerichlSdircctor Sieder (Präsidium), LandgerichiSräiheo Meisch, Adam, Barth und v. Sommerlatt; die Anklage führte Herr Staatsanwattichasls- Asseffor I>r. Groß. vermischtes. X Weimar, 9. Mai. Se. Epcellenz, Gencralpoftmeister vr. von Stephan kam heute von Oberhos, wo derselbe der Auerhahnjagd abgelegen, hierher »nd reiste Nachmittag» nach Berlin Weiler. Während seine» Aufenthalte» hier besichtigte der Gencralpostmcister die Arbeiten zu dem neue» Post- gcbäude. Da» alte Gebäude, welche» seine» Zwecken siit Jahren schon nicht mehr genügte, ist im vorige» Herbst nicbergerisscn worden und an seiner Stelle wird jetzt der Neubau zur Hälfte ausgesührt, die andere Halste kommt an Stelle de» NachvargebäudeS zu sichen, welche», zu civilcm Preise angekaust, jetzt interimistisch al» Domicil für die Pest dient. Die ersterwähnte Gcbäudehälste soll bi- rum nächsten Herbst fertig werden und wird dann bezogen Da» zur Zeit noch an anderem Ort befindliche Telegraphcnamt wird auch in da» neue Postgebäude verlegt und dann endlich auch der nvthige Telegraphen-Nacht dienst hier eingesührt werden. -- Ein neue- wissenschostliche» Unternehmen ist in Ruß land im Werke. Aus Veranlassung von Professor Musch- ketoff ist eine eigene Eommission zur Beobachtung von Erd beben sür diejenigen Theiie Rußland», weiche besonder» von diesen Erscheinungen betroffen werden, so für den Kaukasus, Turkestan und da» tranSbcukalcschc Gebiet, eingesetzt worden. -- Ala-ka-Gesellschast in Sitka. In der Haupt- stadt Ala-ka» ist eine Gesellschaft von einflußreichen Männern zusammengetreten, um mit vereinten Kräften Natur. Land und Leute in Alaska genau zu erforschen und wichtige Einzel heiten und Erhebungen darüber sammeln zu lasten. Alljähr lich soll Namen» der Gesellschaft ein Bericht erstattet und von Zeit zu Zeit wissciischastiiche Arbeiten hcraußgegcben und zugleich ein Museum in Sitka angelegt werden. Königliches Landgericht. III. Etrastnmmer. I. Wege» Zweikamps- mit lödllichen Waffe» staude» die Studenten B- u»d F. unter Anklage. Ilngesähr Lade November waren Beide ans der Straße in Wortwechsel geraide», da F. den B. angeremvelt und, hierüber zur Rede qes-tzt, denselben auch noch in ehrenrühriger Weife beleidigt hatte. Rach altherqebrackl-n studen tischen Regel» durfte der Beleidigte sich die» nicht gefallen lasten „d forderte F. Mltte December v. I. wuid« denn auch die Sach« zum AuStraq gebracht »nd zwar ans cin--m nicht weil von vrieskafte«. Briefkasten. (Nr. ISO vom 9. Mai d. I.) k. ». S?, hier. Der „Schimmel von Bronnzell" ist. wie noch besonder» hervorgklwben werden soll, nicht eine witzig« Erdichtung, sondern eine geschichtliche Thalsache; aber er ist nicht al» blultge» Opfer gesät len, sondern als solche» von seinem Ironipeirr heim« geführt worbe», da er nur verwundet war. Die älteren Bewohner von Fulda und Umgegend erinnern sich noch recht gut, de» blutenden Schimmel, von besten ipälerer Berühmtheit sie keine Ahnung ballen, gesihen zu heben »nd erzählen davon, wenn inan sie danach fragt; und ans der Landesbibl'o'hek z» Fulda wird noch heute die Kug-l ausbcwabrt »nd voa dem srrondlichen Bibliothekar gezeigt, weiche die „Schiacht von Bronnzell" zu einer beigen ge mach« bat. B. V.
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