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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941219026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894121902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894121902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-12
- Tag1894-12-19
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Die eine lautet nach dem stenographischen Berichte: „Meine Herren, ich glaube nicht, daß man die Nothivendigkeit neuer gesetzlicher Mittel damit anzweiseln kann, wie es anscheinend in der Generaldebatte neulich versucht wurde, als einige Redner diese« >.muje« aus die Statistik unseres Berbrecherthums «in- gegaogen sind. Ter Herr Abg. Rickert hat bei der Etalsberathung Bezug genommen aui eine in den Kreisen der socialdemokratischen Partei gesammelte Stattslik, welche Zahle» bringt über den Umsang, in welchem Genossen der socialdemolralijchen Partei in den letzten Jahren zu Zuchthaus, zu Gesängnist und zu Geldstrafe verurtheilt worden seien Er hat daran die Meinung gelnüpst, wie man an diesen großen Zahlen sehe, wie erfolglos und unnöthig e« sei, mit neuen Strasvorschrislen gegen derartige Dinge vor zugehen. Meine Herren, ich wurde das Umgelehrte daraus schlichen: wenn i» der Thal cs richtig ist. was ich nicht weiß, daß in solchem Um lange Zuchthausstrafen und schwere Gesängniststtasen verhängt worden sind, so ist das nach meiner Meinung ein Beweis dafür, in welchem Umsang die Neigung zu gemeine» Berdrechen Platz gegriffen hat unter den Anhängern der socialdemokratischen Partei im Laude. (Lhol bei den Sociaidemokraten.) — Ja, Thaten, die mit Zuchthaus be- straft werden, nennt das Strasrecht gemeine Verbrechen. Nun, meine Herren, wie man aus der Lhatsache, dost die Gerichte genöthigt ge- wesen sind, in großem Umfange wegen gemeiner Verbrechen über jocialdemokralische Genossen Zuchthausstrafen zu ver- hänge», den Schluß ziehen kann, daß es sich als unnöthig erwiesen Hab«, andere Thale» verbrecherischer Natur, dir bisher nicht unter Straft gestellt waren, mit Straft zu bedrohen, — das kan» ich nicht verstehen." Herr Nieberding hat sich hier überaus böslich auSgedrückt. Hätte er der Tonart, welche die principiellen Gegner der Absicht, den Umsturzbestrcdungen mit schärferen gesetzlichen Mitteln entgegen zu treten, in Anwendung zu bringen lieben, nur ein klein Wenig sich anbequemt, so hätte er dem Abg. Rickert ganz anders geantwortet. Er hätte ihn gefragt, ob er nicht alle strasgcsetzlichen Bestimmungen, welcke die Be gehung der bedrohten Berdrechen nicht verhüten, für erfolg los und unnöthig Halle; ob er nicht aus der Vermehrung der verbrechen gegen Eigrnrhum und Lebeu aus die Nothweudig- kcit schließe, alle Paragraphen des Strafgesetzbuches auS- znmerjtn, welche diese Verbrechen mit Strafe bedrohen. Er hätte sich bei ihm erkundigt, ob er einen Antrag aus gesetz liche Unterdrückung de» Heilserums und ähnlicher nichlönutziger Mittel, welche DipbthcriliS und andere Krankheiten doch nicht ans der Welt schaffen, vielleicht schon in der Brusttaschc trage. Ader auch trotz ihrer überaus höflichen Form ist die Abfertigung, die der StaatSsccretair Herrn Rickert zu Theil werden ließ, eine sachlich recht treffende und wird bei der zweiten Lesung nach der Weihnachtspause den Gegnern der principiellen Opposition Len Weg zu wirksamer Bekämpfung der „freisinnigen" Theorie von der Ueberflüssigkeit aller nicht radical wirkenden Mittel zeigen. — Eine andere bedeutsame Stelle der Rede lautet: „Wir haben nur zwei Wege, meine Herren, wenn die Vor- läge abgelehnt werden sollte: wir gleiten weiter aus der ab- schlissigen Bahn, die schließlich zum Ausbruch von Gewaltsamkeiten führen muß — oder aber, wenn wir es dahin nicht kommen lassen wollen, werden wir wiederum genöthigt sein, wie im Jahre 1878, ein Ausnahmegesetz zu erlassen. Das wünschen die verbündeten Regierungen zu vermeiden, und aus diesem Grunde machen sie Ihnen die Borlag»." Da ein Ausnahmegesetz die Genehmigung de» jetzigen Reichstags nicht finden würde, so müssen die verbündeten Regierungen im Falle der Ablehnung der Umsturzvorlage selbstverständlich zur Auslösung dieses Reichstage« ent schlossen sein. Der Hinweis auf diese Absicht beleuchtet scharf den Ernst der Situation. Er vermehrt aber auch die Wahr scheinlichkeit, daß eS zu einer Verständigung kommt. Es fehlt durchaus nicht an Zeichen, daß dem C ea tr um die Aussicht aus neue Wahlen unter der Parole des Kampfe« gegen die Umsturz- bcwegung keineswegs behaglich ist. Nur die Freisinnigen könnten mit der GemüthSruhe eines ManncS, der nichts mehr zu verlieren bat, freilich noch weniger etwas gewinnen kann, in den Wahlkampf ziehen. Die manchmal schwer zu er kennenden Aufwallungen der Volksseele könnten leicht wieder einmal starke Ueberraschungen berbeisühren. Die Sehnsucht nach Ordnung und Ruhe ist im Bürgcrlhum weiter ver breitet, als man vielfach anzunebmen scheint. Die windigen Phrasen von Bedrohung der FreiheitSrechtc ziehen nicht mehr in einer Zeit, wo die Freiheit immer mehr in ^zügellose Frechheit ausartet. Daß das Eentrum sich nicht völlig ablehnend gegen die Umsturzvorlage verhalten werde, geht u. A. aus der augenscheinlich von dem Abg. v. Buol ausgehenden Meldung des „Bad. Beob." hervor, daß die Meldung des „W. T.-B ", das Eentrum sei wegen dieser Vorlage gespalten, jeder Begründung entbehre. Die Fraction sei einhellig der Ansicht, sich nicht unbedingt ablehnend zu verhalten, aber eine präcisere Fassung der Thatbcstände und eine Ermäßigung der Strafbestimmungen anzustreben. Die l30 und 131 seien unannehmbar. Die bereits getroffene Wabl der CommissionSmilglieder für diese Vor lage gebe die Gewähr, daß an dem Eintreten für die seit Langem in der Frage beobachteten Grundsätze unentwegt festgebaltcn werde. Auch Herr Ilr. Lieber» der „Mutz prcuße", hat in einer in Cassel abgehaltenen katholischen Volksversammlung merken lasten, daß er in Sachen der Umsturzvorlage nickt unbedingt an die Schultern der Herren Richter und Rickert sich lehnen werde. Er hat sogar sein monarchisch-preußisches Herz entdeckt und will cS reden lassen. Es heißt nämlich in einem Berichte der „Post" über diese Versammlung: „Der Reichstagsabgeordnete vr. Lieber hielt eine 1'/,ständige Programmrede, in welcher er zunächst erklärte, Beranlaflung zur Gründung des Vereins sei die Erklärung der Socialiften, auch ins katholische Lager einbrech» zu wollen, und dann u. A. aussührte: Wir müssen die Socialdemokrati« durch besondere Bereinigung Eentrum und alle bestehenden kirchlichen wir weltlichen Vereine reichen nicht an« — bekämpf», weil wir die entschiedensten Gegner aus politischem, wirthschastlichem und religiösem Gebiete sind. Redner begründete diese« und schlug dabei ein» ungemein patriotischen Ton an, wobei er betonte: Wir Katholiken sind nicht nur Muudmonarchisl», wie uns immer vorgewors» wird, sondern Gewissens- und Ueberzeuguugsmonarchtsten. (Stürmischer Brisall.) Was der Papst zu den Monarchisten in Frankreich gesagt hat, geht un« nichts an; nachdem die Republik dort 20 Jahre besieht, heißt da«, ins Deutsche übersetzt, nur: Ihr deutschen Katholiken seid unter lhan dem Kaiser und Bundessürsten lBetsall). Wir sind monarchisch bi« in die Knochen, da« beweist unsere Vergangenheit." Freilich war Herr vr. Lieber am Schluffe seiner Rede so vorsichtig, hinzinusügcn: „Nicht jeden Bundesgenossen ziehen wir derSociak demokratie vor; eS kann kommen, daß wir beim Kampfe mit der Socialdemokratie auch Gewehr bei Fuß stehen bleib»." DaS heißt mit anderen Worten: Haben wir den social demokratischen Umsturzbestrebungen einen Dämpfer aufsetzcn helfen, so können wir trotz unserer bis in die Knochen gehenden monarchischen UeberzeugungSlreue den Socialdemokraten getrost wieder Vorspanndienste leisten, sofern sie uns UeberzeugungS Monarchisten zu Gegendiensten sich verpflichten. dessen Einfübrung in Deutschland ja von den „Ver tretern des Proletariats" ebenfalls mit heißem Bemühen erstrebt wird, vor etlichen Jahren in eine ganze Anzahl von Stadtverwaltungen hineingetragen worden sind, haben sic ich so absolut unsähig zur Wahrnehmung der gemeinnützigen Interessen ihrer BcrwaltungSbesohlenen erwiesen, daß die Schwärmerei für zukunstSstaatlicke Entwickelung überall, wo man den „Genossen" etwas schärfer aus die Finger passen konnte, stark im Rückgang begriffen ist. In Toulouse bat der an dieser Stelle bereits erwähnte WahlsälschungSprcceß das Geheimniß der socialdemokratischen Wahlersolge offenkundig zemacht und gezeigt, daß die socialdemokratischen Wahlleiter m der Kunst der Fälschung des allgemeinen Stimmrechts alle Concurrenten weit hinter sich lassen. In Marseille ügt jeder Tag der socialdemokratischen Scandal» chronik ein neues Capitcl hinzu. Bald ist eS ein wechselsälschender socialdemokratischcr Gemeinderath, der als „Opfer" seiner parteiprogrammatischen Anschauungen überMein und Dein ins Gcsängniß wandert, bald ein Freund und Genosse, der wegen analoger Praktiken, wie sic in Bebel s Buch der Frau theoretisch vorgetragen werden, sich in Ehebruchs- und sonstige chmutzige Processe verwickelt findet; bald ist cS ein Conflicl zwischen gemäßigten und intransigenten Socialdemokraten, in dessen Verfolg beide Parteien einander die ehrenrührigsten Tinge in möglichst ungeschminktem Gassenjargon an den Kopf Wersen und durch ihr Gebühren alle anständigen Elemente der Einwohnerschaft mit tiefstem Ekel gegen da» socialdemo kratische Stadtrcgimcnt erfüllen. Die Reibe dieser Beispiele irr daS den socialdemokratischen Weltverbesserern innewoh nende Maß von Leistungsfähigkeit ließe sich ml libitum ver längern; es wirb indeß genügen, sic mit einer Erwähnung der in Saint Denis, also dicht vor den Thoren von Paris, unter den Auspizien der „Genossen" cinacrissenen conimunalcn Verwahrlosung zu schließen. In Saint Denis begann mit dem Einzuge der Genossen in die Mairie alsbald ein systematischer Beutezug auf das Gebiet der städtischen Finanzen. Alle« stahl, um die Interessen der Bürgerschaft kümmerte sich Niemand mehr, die Polizei durste, da sie von den nunmehr socialdemokratischen Stadtvätern verwaltet wird, nicht mucken, das sonst lichtscheue Gesindel betrachtete die Straße jetzt auch am Hellen Tage als seine Domaine; die Steuergeldcr der Einwohner verkrümelten sich in unzählige Seitencanäle und nach zweijähriger socialdemokratischcr Mitz- verwaltung befindet sich Saint OeniS heute einer ungedeckten chuldenlast von 3 50V 000 FrcS. gegenüber, wozu noch ein erheblicher Fehlbetrag des städtischen Haushaltes sich gesellt. Die Bourgeois-Minorität darf kein Sterbenswörtchen reden, wenn sie nicht riskiren will, in unflätbigster Weise von der socialdemokratischen Gemeinderatbsmehrheil angefallen zu werden. Inzwischen beginnt aber in der Bevölkerung ein tiefer Mißmuth ob des schimpflichen Treibens im Stadlhausc sich zu regen. Mehrere Ersatzwahlen der letzten Monate sind für die „Reaclionaire", d. h. für die ehrlichen Leute, günstig ausgefallen. In Paris verfolgt man diese Vorgänge mit großem Interesse, sowohl seiten« der Regierung, als der revolulionairen GcmcinderathSkörperschaft, seitens letzterer allerdings theilS mit Grimm, thcilS mit Angst. /«»»illetsn. Lein Erbe. «i Eine Familiengeschichte. Von M. von Buch. Na-duick »erdete». lFortfttzung.) Alle- war Leben und Bewegung, die Leute arbeiteten, Befehle wurden ertheilt, und eine große Zahl Neugieriger umstand in weitem Kreise das Gehöft. Noch war das Feuer auf den eigentlichen Herd beschränkt geblieben. Uebcr dem Scheunendack wogte und wallte eS, knisternd und zischend stob der Funkenregcn weit hinan«, und die Feld- ileinmaucrn barsten von der furchtbaren Hitze. Eine dicke Rauchschicht aber lagerte auf dem ganzen Hose und schwärzte oie bleichen, überwachten Gesichter all Derer, die gestern hier Erntefest gefeiert und die Ernte nun in Asche zusammen» sinken sahen. Charlotte, die der Feuerlärm aus leichtem Halbschlummer geweckt hatte, stand fröstelnd und zitternd bei Sonnen aufgang auf der Rampe und starrte in die Glutb. Au« einer Gruppe Menschen sab sie die Gestalt ihre« Manne ragen, und sie schlug das Tuch fester um die Schultern und eilte zu ihm. Sein Bart und Haupthaar war angesengt, der Rock beschmutzt und mit Asche berieselt, und die heisere Stimme, mit der er sic ansprach, erschreckte sie „Was soll ich thun, Karl, wenn cS zum Schlimmsten kommt?" fragte sie. „Zum Schlimmsten wird c- hoffentlich nicht kommen gab er zur Antwort. „So lange noch ein Fünkchen Atbem in mir ist, werde ich sorgen, daß wenigstens daS Hau? er halten bleibt. Sag' aber jedenfalls der Weiland, daß sie die Wertbsacben zusammenlcgt, und wenn eS Noth tbut, laß meinen Geldschrank binauStragen und den Diener bei ibm Wache stehen" „Wie entstand nur daS Feuer?" fragte sie zitternd. „Au- Unvorsichtigkeit?" „Ich glaube wobl, doch webe dem Schuldigen, wenn ich seiner habhaft werde, ich kenne kein Mitleid, sage ich Dir, ich könnte ihn Niederschlagen, wie einen tollen Hund!" Seine Augen blitzten wild aus in dem rauchgeschwärzten Gesicht. Er bob die Hand, an der ibn ein Balken ver wundet, um sich da« Haar au- der Stirn zu streichen, sie War voll Blut, und dir Flecke» hastete» aas der Stirn. Sie Die socialdemokratischen Weltverbesserer haben nicht allerorten rin so unbedingt aus ihre Werte schwörendes Publicum, wie cs bei uns den Herren Singer u. Co. nach läuft. In Frankreich zum Beispiel, wo die Genossen auf den Schultern des allgemeinen Gemeinde-Wahlrechts, wollte sie ihm adreiben, aber ungeduldig wehrte er ihr und türmte davon. Schaudernd sah sie ibm nach. „Ich könnte ihn Nieder schlagen, wie einen tollen Hund", hatte er gesagt, und er war der Maun, das Wort wahr zu macken. Frau Weiland war bereits in der Silberkammcr mit Einpacken beschäftigt» im Eingang befand sich die Wärterin mit Clemens aus dem Arm, der ruhig weiterschlief; die Mägde standen im Hintergründe. „Wo ist Gerhard?" die junge Frau sah sich suchend um. „Wo ist sein Mädchen?" Lene trat mit allen Zeichen der Bestürzung ein. Gnädige Frau, kommen Sie um Gotteswillen sogleich zu Gerhard, ich weiß nicht, was dem Kinde fehlt!" „Ist er krank?" „Ich glaube wohl. Gestern Abend könnt' ich ihn gar nicht finden, und als er endlich kam, erzählte er, er sei aus dem Hose eingeschlafen."") Gerhard saß mit seuerrothen Wangen aufrecht im Bett, und als sich ihm Lene näherte» schlug er nach ihr. „Ich will Dich nicht haben, ich will nicht aufstehen, geh' fort!" schrie er. „Komm. Gerhard", bat die Mutter und beugte sich über da» fiebernde Kind, „laß Dich ankleiden, mein Junge, und wir legen Dich dann aufs Sopha". „Aber ich babe e« nicht gethan, Mutter, ich habe es gewiß und wabrhaftig nicht gethan." „Du hast schlecht geträumt, Kind, beruhige Dich, was hast Du nicht gethan?" „Ich habe kein Feuer anacstcckt." „Geh' hinaus. Lene", befahl die junge Frau und beugte sich dann selbst zu Tode erschrocken über da« zitternde, weinende Kind, da« sich an ihre Arme klammerte. „Wer bat denn daS gesagt ? Gerhard, wie kommst Du denn daraus?" ,,Jck> habe yestern Wilhelm versprechen müssen, mit ibm Robinson zu spielen und Feuer anzumachen, aber dann zankten wir un«. Nun will er heute dem Vater Alle- sagen und daß wir e» schon einmal gethan haben." „Ihr habt Feuer angestrckt!" rief Charlotte entsetzt. „Nun ja, aber doch nur einmal, gestern nicht. Und wenn der Vater kommt, sage ibm, er möchte nicht böse sein, liebe Mutter, gewiß und wahrhaftig, ich will e« nicht wieder thun" Charlotte atbmcte auf. Gottlob, die entsetzliche Vermutbuna, di« sich ihr zuerst ausgedrangt, war aur ein Schreckgespenst. In Betreff der Vorschläge de« Ausschusses für die öfter retchtsche Wahl re so rm wurde bereits niilgetheilt, daß die Polen und die Linke eine Curie auS nahezu allen bisher vom Wahlrechte Ausgeschlossenen zu bitten gedenken, während Gra Hohenwart und die Conservativen lediglich die industriellen Arbeiter mit dem Wahlrechte auSstatten wollen. Daneben ist zuerst von dem links-liberalen Abgeordneten v. Krau und von den Sprechern der deutsch-nationalen Partei der Vorschlag gemacht worden, eS solle die neu zu schaffende Gruppe aus Grund des allgemeinen und gleichen Wahlrecht« constituirt werden. Demnach würden in dieser Hauptgruppe nicht nur die bisher nicht Wahlberechtigten, sondern auch alle bisher bereits mit dem Stimmrechte Bedachten ihre Stimmen abzugeben haben. Für die bisher activ Wahlberechtigten wäre somit ein Pluralvotum geschaffen. E« zeigt sich, daß diese Lösung auch bei den übrigen Parteien manche stille Freunde besitzt; denn man scheut sich doch, eine Gruppe der Besitz losen zu bitten, in welcher diese den radicalsteu Einflüssen preisgegeben wären, ohne daß ein Gedankenaustausch mit den staatserhaltenden Schickten der Bevölkerung möglich wäre. Die Gegner des allgemeinen Wahlrechts fürchten freilich, daß diese Gruppe des allgemeinen Stimmrechts das Kind sein könnte, welches dereinst seine Eltern verschlingt: nach und nack könnten alle anderen Curicn von dieser einen aufgesogcn werden. Zuguterletzt ist noch Prinz Karl Schwarzenberg mit einem Sondergutachtcn hervorgetreten. Er meint, daß man alle männlichen Staatsbürger, etwa nach dem preußischen Drciclassensystem, in drei Gruppen theilen könnte, um aus diese Weise den verschiedenen Schichten der Gesellschaft ihre Vertreter zu sichern. Dieses Votum ist ein Beweis, daß innerhalb der conservativen Partei die größten Meinung« Verschiedenheiten bestehen. Nach den principiellen Erörterungen der Krage setzte der WablresormauSschuß ein SubcomitS aus zehn Mitgliedern ein, welches einen positiven Vorschlag erstatten oll. Wie man siebt, überwiegt bei Weitem der conservalive Ge danke, aus den Grundlagen der beftebenden Verfassung weiter zu bauen und den verwickelten Verhältnissen des österreichisch» Etaatcs Rücksicht zu tragen. Oesterreich steht durch seine eigcntbümlich compticirte Wahlordnung in Europa einzig da. Bezeichnend für die herrschende Strömung ist, daß nur die raticajen Parteien an der Curie des Großgrundbesitzes zu rütteln wagen, und daß sonst die Machtstellung de« Adels, die sich in dieser Gruppe verkörpert, von Niemandem angc- ochlcn wird. Es ist dies ein Beweis, daß der österreichische Adel auf die Gestaltung des Staats noch immer eine» zrößeren Einfluß übt, als selbst der Adel in England und .lngarn. In dieser Richtung sind an Oesterreich die Revo lutionen seit der Zeit Maria Theresia« und Joscs'S II. fast spurlos vorübcrgcgangc». Zur ungarische» Ministerkrisis meldet un« heute ein Privatlelcgramm a»S Wien: Ministerpräsident Wekerl« trifft heute in Wien ein. Es ver- lautet, er werde seine Demission beim Kaiser einreichen, weil er fürchtet, das Vertrauen der Krone verloren zu haben. Der Kaiser wird sich die Entscheidung bis nach Neujahr vorbehattcn. Wir haben von vornherein daran festgel,alten, daß in Ungarn trotz der Eanclion der kirchenpolitischen Gesetze eine latente Ministcrkrisis bestehe und die Erwartung wiederholt ausgesprochen, daß dieselbe sich früher, als vielfach an genommen wurde, acut gestalten würde. Das scheint nach der obigen Mittheilung jetzt der Fall zu sein. Auch au« anderer, gewöhnlich zuverlässiger Ouellc verlautet entgegen der osficiöseu „Budapestcr Correspondenz", daß die Reise vr. Wekerle's nach Wien keineswegs bloö den Zweck habe, die sogenannte Indemnität, d. i. das Budgetprovisvrium, der kaiserlichen Sanctio» zu unterbreiten, sondern hierbei auch die Wieverbolt angekündigle „Vertrauensfrage nach oben" ge stellt werden solle, indem vr. Wckcrlc dem König daS Ent jassungSgesuck des GesammtministeriumS verlegen werde. Mau behauptet ferner, daß die Annahme dieses Gesuches durch die Krone nicht mehr zweifelhaft sei. Nur darüber gehen die Angaben auseinander, ob der Kaiser die Ent scheidung über die Neubildung des Ministeriums sofort treffen oder bis nach den Feiertagen verschieben und daS Cabincl Wekerlc mit der einstweiligen Fortführung der Geschäfte betrauen werde. Darüber, wer der künftige ungarische Ministerpräsident sein werde, weiß man nichts Zuverlässiges. Die seit einigen Tagen verbreiteten Nachrichten, daß der Aber doch, wenn es wahr wäre? Die Kinder hatten einst Feuer entzündet, wie, wenn sie eS doch gestern wieder gethan, wenn sich aus dem Funken, den ihre sorglosen Hände dort zurllckgelassen, die verderbliche Glulh entwickelt hätte, wenn Gerhard doch der Brandstifter wäre? Und während all dieser bangen Fragen, die sie sich doch nur selbst vorlegen durfte, mußte sie das fiebernde Kind, daS in Weinkrämpsc verfiel, beruhigen und beschwichtigen. Seine Erregtheit machte ihr ernstlich Sorge, sie band ihm ein feuchtes Tuch um die Stirn und sprach ermunternd auf ihn ein, bis er sich ankleiden ließ. Dann saß sic bei ihm, sein Kops lag an ihrer Brust, seine Hand in der ihren, und sooft sie aufstchen wollte, fuhr er schreckhaft zusammen. So harrte sie bei ihm aus, aber da« Warten war entsetzlich. Von Zeit zu Zeit trat Frau Weiland herein, um sich nach dem Kinde umzuseken und brachte neue Nachrichten mit. „Die Männer müssen tüchtig arbeiten", sagte sie, „man hofft jedoch, weiteres Unheil zu verhüten." So vergingen die Stunden. Endlich kam Lene mit guter Kunde. Man könne das Feuer als erloschen anseben, cS glimme und schwele wohl noch, aber die Gefahr sei vorüber. Charlotte hörte die Meldung ziemlich fassungslos an, die Freude überwältigte fast ihre Kräfte, aber rin Blick auf daS Kind, daS endlich entschlummert war, lehrte sie, sich zusammennehmcn. Gottlob! DaS war der erste Lichtblick dcS TageS, und wie viel auch verloren, eS stand doch nicht im Verbältniß zu dem. was Alle« gefährdet gewesen war. Und als sic ein heißes Dankgebct gen Himmel schickte, hielt sie tapfer an Gerhard s Bettchen aus. Im Hause wurde e« jetzt lebendiger. Sie körte die Herren ins Eßzimmer gehen, um die wohlverdiente Stärkung einzunehmen, Thürcn klappten, und an ibr Ohr schlug un deutliche« Stimmcngemurmel. Plötzlich hörte sic auch den Schritt ibreS Manne« auf der Treppe. Ehe sie sich erheben und um Ruhe bitten konnte, stand er schon in beschmutztem Anzug vor dem Bett ; verstört blickte er um sich. Unwillkürlich legte sic den Arm schützend um den Knaben, aber er stieß sie vom Lager. Mit einem Angstschrei fuhr Gerhard auS dem Schlummer auf und blickte aus den Vater. „Hast Du Feuer bei den Scheunen angemacht?" „Ja, ja, doch nur rio einzig Mal!" Die Worte ent flohen fast zischend seiaem Munde, und seiae Hand wollte sich an die der jungen Frau klammern, aber der Mann gab eS nicht zu. „Gestern bast Du daS Feuer angemacht?" „Nein, gestern nicht", ächzte der Knabe. „Aber Du bist gestern noch spät auf dem Tauzplatz der Leute gesehen worden. WaS hast Du dort gemacht?" „Ta Du sortgingst, Du und die Mutter, da wollte ich auch beben, aber ich war müde, und ich setzte mich in einen Winkel und schlief ei». Und als ich erwachte, war cS spät und ich ging ins HauS, und Lene war arg böse und schalt." e „Lüge", brauste Hollbracht aus, „verdammte Lüge. Wie Du einst Feuer angelegt mit Stahl und Schwamm, so hast Du es gestern auch gethan, und weißt Du, was Du angc richtet hast ? Gewinn und Mühe eines ganzen JahreS bast Du vernicklet, ein Vermögen ist vergeudet worben, und durch wen? Durch die nutzlose Hand eines Buben, dem es besser, er wäre nie geboren. Steh' aus!" befahl er kurz, Char- lotte'S Einwand unbeachtet lassend. Gerhard, der unter den harten Worten wie im pbysische» Schmerz zusammenzucktc, richtete sich gehorsam aus und stand vor dem zürnenden Vater. „Welche Strafe verdienst Du eigentlich? Alt genug bist Du schon, um zu wissen, daß Du unrecht gethan, aber danke dem Himmel, daß Du nicht erwachsen bist, daß Du nicht zehn Jahre mehr zählst, ich würde kein Mitleid kennen, ich würde, ich würde —" Die Worte gingen ibm auS, die Wulh würgte ihm in der Kehle. Er packte den Knaben an de» Schultern und schüttelte ihn, und seine Hand war schwer wie Eisen. Gerhard schrie nicht, er wollte nicht schreien, er biß die Zäbnc fest auseinander, aber ein stoßweises Ausschlnchzrn, ein leises Wimmern konnte er nicht unterdrücke». „Karl, ich bitte Tick, laß ihn die Strafe rin andermal verbüßen, auch weißt Du nicht einmal sicher, ob er sie ver dient hat", ries Charlotte, »wische» Vater und Sohn tretend. „Ich weiß genug", herrschte sie Hollbrackt a». „Verschiebe sie, er ist ernstlich krank, glaube mir." „Krank oder nicht, er hat Strafe verdient." Ein Rohr sauste ans den Rücken deS Kindes nieder. „Bitte den Vater, rinzuhaltcn, Gerhard", ries die Mutter. „Bitte, Kind, bitte!" Fester preßte er die Lippen zusammen und zitterte am ganzen Leibe, aber trotzig ließ er die Schläge über sich ergehe».
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