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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.12.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941220020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894122002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894122002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-12
- Tag1894-12-20
- Monat1894-12
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riLo 13.52 >4.50 23.— 20.50 23- 0I30 1»,- i5.ro 33.50 80.50 »I — 19, - SV.S0 Äb0 00. - 71.- 45.75 »5.75 OS — 73,— 40,— 4235 S3.S0 57.— 39.50 10L0 »1.50 «5 — 25 — !07,— >01.50 >17,- 80,50 «8.50 23.50 V8.50 »3.- 81- 80.85 1V4- 183.95 119.90 119.85 ll. 333>- 183.80 147.80 11890 »2.60 8S 331-, 48.50 153 — 150.70 ,07.40 153.50 104.30 331-, 15S10 135.20 56 — 140S0 13710 123 40 ISO,— trctieii 153.10 153.30 123.30 186 20 147.30 135.30 «conto Ltv», 75.— 99.50 115,— 139.50 ISS. - 190.50 123.50 84.75 184. - 22060 85.50 165- 8375 122.25 98.20 80.95 9.8V 51.— 32,— 79.— 8 —,— 3480 392.75 291.50 I08.M 24».— 207.- 10350 2 !3 50 '-'.80 OO.g., 1-1.35 40.37-» 9.88', 00.92-, - 1.34 ! 123.75 >00.— >I» «5r »d»rä«» 73-. 71>>« 15- SS-, 40-, 71-. 55 25 »4-2 0«. >4,10. 1024, 15-« 151'« 104 847 836 420 I VS « tz. v»j», V»c«L>. »>. r^ontl, >» >tv«r^». Bezug»-Pre1S U tz« HaeptexPeditio» oder de» t« Stadt» deetrk »»d de» Borort«» errichtete» Lu-- »üettkll«, «bgeholt: vterteliLhrlich^I.SO. »et zweimaliaer täglicher Z»st«N»«g in« ha», ^l üchü. Lurch dt» Bost bezogen sür Lrutfchlaud o»d Oesterreich: viertel,»brlich 9« «.—. Directe täglich« ttreuzbandirndung ftd« B»tla»d: monatlich öi« 7.bO. Ltevrorgea-Lntgab« erscheint täglich '/,7l1hr^ di» Lmtd-Autgebe Socheotagt 5 Uhr. Uediutt«» «nt LneLittm: A»Hanne«,affe 8. LKLrpedlttou ist Wochentag« »»»nieri>röche» ,e«ff»et »o» früh 8 bi« Abend« ? Uhr. Filiale«: vtt» Oie«« » Parti». Olsred -«tznlb Unlversltättstrabe 1, «an,» L,s«e. Atchaeineastr. 1«, pari, und KSniglvlatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. ÜWn fSr Politik, socalgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. ««zeigen-PretS die «gespaltene Petitzelle 20 Psg. Neclame n uater dem Siedaction»strich (taa» spalten) üOij, vor den Familiennachrtchte» (8 gespalten) 40^. KrShere Schriften laut «nserem Prett »erzeichvib. Tabellarischer und Ztssernsatz nach höherem Taris. Grtra-Vetiagen (gesalzt), nur mit de, Morqen-Ausgabe, ohne Postbriörder»»g » 60 —, mir Posidesörderung 70.—. ^nnahmrschluk sür Aazeiße«: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags Kuh V,9 Uhr Vei den Filialen und Annahmestellen je «ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die ErOrdttta» zn richten. Druck »nd Verlag von <k. Pol» ft» Leipzig Donnerstag den 20. December 1894. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. December. Die Aussichten der Umsturzvorlage sind auch in ihren gesährdetsten Theilen bester, als es den Anschein halte Der .Freisinn" hat heute, vor der ersten Berathung, sein Pulver schon dermaßen verschossen, daß er die Vorlage mit „Consctti" be wirft, Wurfgeschossen, welche bekanntlich dem Getroffenen zum Frommen gereichen, lieber Herrn Rickcrt's Wurfgeschosse baden wir uns bereits gestern an der Hand der Rede des LlaatSsecretairs Nicberding geäußert; Herr Richter hat tie neueste amtliche Criminalstatistik auf die tztz. 130 und 131 angesehen und sinket es unberechtigt, wenn man ihr nur „eine ganz abstrakte Bedeutung" beimißt. Lehen wir nun, wie die beiden Paragraphen in ihrer jetzigen Faffung die aus freiem Fuße befindliche Population Deutsch lands decimirt haben. Aus Grund des ß. 130 (Anregung oon BcvölkcrungSclassen zu Gewallthätigkeite» i» einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise) wurden verurthcilt m Zahre 1888 44, 188» 2. 18»0 3, 189l 16, 1892 26, lW 38 Personen. Wegen Zuwiderhandlung gegen tz. I3l Rrbreituna erdichteter oder entstellter Thatsachen nul dem Listen, daß sie erdichtet oder entstellt sind) fielen der Ver- mtbeilung anheim im Zahre 1888 7, 1889 8, 1890 15, 1891 14, 1892 9, 1893 7 Personen. Danach tras in den letzten » Jahren wegen gesetzlich verbotener Anreizung zu Gewaltlbätig- leilen durchschnittlich weniger als 22 Personen Strafe, wegen wissenllicher Verbreitung falscher oder entstellter Thatsachen zum Zwecke der Herabwürdigung von StaatSeinricktungcn ober behördlicher Anordnungen lO Personen. Der tz. 130 soll bekannllich an sich unverändert bleiben und nur auf den öffentlichen Frieden gefährdende unv zugleich beschimpfende Äeußerungcu über Religion, Monarchie, Ehe, Familie und Eigentdum ausgedehnt werden. Zm tz. 131 soll der wifsent lichen Verbreitung beschimpfender Bebauplungen gleich geachtet werden die Verbreitung, bei der der Verbreiter den Umständen nach annchmen mutzte, daß er verleumdete. Eine Statistik der politischen Versammlungen exiftirt nicht, dagegen wissen wir, daß in Deutschland täglich ca. 6800 Zeitungen erscheinen »nd daß dqs Product der Thäligkeit eines Thcile« dieser Versammlungen und Druckschristen bei Millionen ein wilder Haß gegen GescllschastSclasscn. gegen den Staat und die öffentliche Ordnung ist. Die Annabmc, daß nur etwa 22mal beziehungsweise 10 mal jährlich die so üppig wuchernde HasscS- saat öffentlich auSgestreul werde, ist derart widersinnig, daß sie selbst bei der „Freist Zlg." nicht vorausgesetzt werden kann und auch Denen gegenüber nicht widerlegt werden muß, die socialdemokralische und anarchistischeVersammlungen und Druck schriften niemals kennen gelernt baden. Die obige Statistik erzieht vielmehr eine in der amtlichen Begründung der Umsturzvorlage lange nicht genügend hervorgehobcne Ohn macht der Staatsgewalt gegen die Untergrabung ihrer Fundamente. Angesichts der maßlosen Verhetzung der Massen in einem 52 Millionen Einwohner zählenden Lande haben die 7 Verurtheilungcn wegen böswilliger Verbreitung von falschen, den Staat und die Behörden betreffenden Thalsachen, die im rerflcssenen Zahre ersojgt sind, in der Thal nur „eine ganz abslracte Bedeutung". Za der CcntrumSpresse hat sich ein Streit erhoben über die Stellung, welche der verstorbene Windthorst in näheren Zähren zu der Krage der Bekämpfung der L«rial- tk»»tratie eingenommen hat. Wir können zur Aufklärung dieser Meinungsverschiedenheiten seststcllen, daß Wrndthorst allerdings stets als Gegner eines Ausnahmegesetzes gegen die Socialdemokratie ausgetreten ist und nie zu den jenigen seiner Parteigenossen gehörte, welche dem Socialisten- gesetze zugestimmt haben. Dagegen hat er wiederholt die Nothwendigkeit einer Verschärfung des gemeinen Rechts gegen die Gefahren anerkannt, welche durch das Socialistengesetz getroffen werden sollten, und auch ganz bestimmte Vorschläge in dieser Richtung gemacht. Be kannt ist seine Resolution aus dem Zabre 188t: „Zn Er wägung, daß vaS Socialistengesetz nach der ursprünglichen Ab- icht der verbündeten Regierungen wie der Majorität des Reichs tags eine kauernde Znftitution nicht werden sollte, möge der Bundesrath dem Reichstag einen Gesetzentwurs vorlcAen, welcher daS gemeine Reichsrecht insoweit abänderl oder ergänzt, als eS dessen bedarf, um den Staat und die Gesellschaft nachhaltig und dauernd vor den besonderen Gefahren zu schützen, deren zeit weilige Abwehr das vorgenannte außerordentliche Gesetz bezweckt hat." Windthorst würde ohne Zweifel gegen den jetzt vorgelegten Eaprivi'schen Gesetzentwurs nicht viel einzu- wenden gehabt haben. Bei seinem mächtigen Einfluß in der Partei würde sicherlich auch das Socialistengesetz mit Unterstützung eines Theils des CentrumS nicht so lange bestände» haben, wenn er nicht innerlich damit einverstanden gewesen wäre. Zn Frankreich ist an Stelle des verstorbenen Burdeau ein neuer Kammerpräsident gewählt worden, wobei die Regierungsrepublikaner eine schwere Niederlage erlitten haben. Es ist bezeichnend sür den Mangel an tüchtigen Männern in jenem Kreise, daß kein geeigneter Candidat ge funden wurde. Ter Vicepräsidcnl Etienne lehnte ab, der Marineminister Felix Faure ebenfalls. An dem Ent schlüsse des Letzteren war die Regierung selbst be- tbeiligt, die im gegenwärtigen Augenblicke einen tbeilwcisen Ministerwcchsel, der durch die Wahl Faurc's nolhwendig geworden wäre, aus guten Gründen vermeiden wollte. So verfiel man aus Meline, dessen sckiutzzöllnerischer Stern im Sinken ist und dessen frühere Präsidentschaft keine an genehmen Erinnerungen hinlerlastcn hat. Eben aus daS Schutzzöllnerthum hoffte man, odschon daS „I. des DsbatS" versicherte, es handle sich nicht um den Schutzzöllner Meline, sondern um den conservativ-libcralen Staatsmann Meline, der den Radikalismus und SocialismnS im Zaume halte» werde. Da aber ein Theil der RegicrungSrcpublikaner selbst rebellisch wurde »nd mit den Regierungsradikalen sich aus die Candidatur Brisson'S einigte, der auch von der Aeußcrstcn Linken unterstützt wurde, so kam eine große Majorität sür Brisson zu Stande. Brisson war bekanntlich schon einmal Kammerpräsident; er folgte im November 188t aus Gam- betta, als dieser die Regierung übernahm. Brisson amtirte bis zum 6. April 1885, wo er nach dem Sturze Ferry'S an die Spitze der Regierung trat. Er war stets ein zwar ernster, aber wirksamer und unparteiischer Präsident. Seine Wahl ist ein nicht zu unterschätzender Erfolg der Radikalen, den mit den Gemäßigten wohl auch die- Regierung als eine Niederlage empfinden dürfte. — Der Prorest Trcpfust hat begonnen und wird bei verschlossenen THUren verhandelt werden. Auch das Gehcimniß der Untersuchung ist diesmal besser, als sonst zu gescheben pflegt, gewahrt worden. Trotzdem läßt sich aus einzelnen dennoch begangenen ZndiScrelionen der wesentliche Inhalt der Anklageakte unschwer herauSconstruiren. Es gebt dies um so leichter, wenn man annimmt — und die Annahme ist be rechtigt — daß die Indiskretionen von einer Person aus gingen, der einerseits die Proceßactcn uneingeschränkt zur Verfügung stehen und die andererseits an dem AuSgang der Angelegenbcit lebhaft interessier ist. DrcnsuS wird also, nach Allein, was über die Sache bisher an die Oesfcntlichkeit gelangte, vor dem Kriegsgericht beschuldigt werden, seit etwa zwei und einem halben Zabre mit dem deutschen Generalstab, be ziehentlich mit Vertretern des deutschenGencralstabS. in Verbin dung gestanden und gegen Bezahlung (man bezeichnet auch die Summen mit 15000—20000 Francs jährlich) Geheimnisse der !)andeSvertheidigung vcrrathen zu haben. Als Beweis gegen ihn iaurirt in der Anklageactc außer verschiedene» Zndicien Verkehr mit verdächtigen Personen, Reisen inS Ausland, im Kriegsministerium gemachte Notizen, Auszüge und Eopic» aus Acten und daS Verschwinden verschiedener ihm, Dreyfuö, zugänglich gewesener amtlicher Schriftstücke) ein angeblich von dem Hanptmanli DreysuS geschriebener, an einen deutschen MilitairattachS (es werden abwechselnd als die Adressaten die deutschen Militairbevollmächtigtcn in Paris unk in Brüssel genannt) gerichteter Brief, i» dem eine Liste der bereits gelieferten, sowie eine solche der noch zu be schaffenden Piecen enthalte» ist. Hauptmann DreysuS leugnet Alle»; der Kriegsminister dagegen bat ihn wieder holt in nicht dementirlen oder troy halber Dementis in vollem Umfang aufrecht gehaltene» Mittheilungcn an die Presse als zweifellos schuldig bezeichnet. Namentlich leugnet DreysuS, den vielbesprochenen Brief geschrieben zu haben. Er be hauptet, gar nichts von demselben zu wissen, und erklärt daher auch daS Zeugniß der Handschristen-Verständigen, die übrigens in ihrem Unheil nicht einig sind — von fünf Consultirteii soll einer erklärt haben, daß s. E. die Zdentität der Hand schrift nicht erwiesen sei —, sür falsch. Der Brief soll nun, wie schon angekeutet, der einzige gegen DreysuS bisher bei- gcbrachtc angeblich positive Beweis sein, auf ihm baut sich angeblich die ganze Anklage aus und um ihn werden wohl auch die Hauptvcrhandlungen geführt werden. Der Kaiser von Rußland hat, wie gemeldet, den General- Gouverneur von Warschau, Zoseph Windimirowitsch Gurko, unter Bcsörderung zum General-Feldmarschall seiner bi«- berigen Stellung entbunden — auf dessen Wunsch. AIS Motiv sür das EntlaffungSgesuch des vielgenannten General- Gouverneurs, welcher i» den Zeiten der Spannung als der künftige Feldherr der russischen Weslarmee bezeichnet wurde, wird dessen zerrüttete Gesundheit angegeben. Allerdings ist Gurko seit längerer Zeit schwer leidend. Man erinnert sich, daß er bei Professor Leyden zu Berlin in längerer Behand lung gestanden und seinerzeit auch dem verstorbenen Zar Alexander III. i» Spala den Berliner Professor empfohlen bat, dessen Kunst der General die Erhaltung seines BeincS verdankt, welches bereits dem Messer verfallen schien. Heute ist Gurko auf der eine» Seile gelähmt; man begreift somit sein Ruhebcdürsniß. Gleichwohl spricht alle Wabrschcinlich- kcit dafür, daß das schneidige, oft aewalttbätige Regiment, daS Gurko gegen die Polen und die katholische Eonfcssion — man denke nur an die Greuelscenen in der Kirche von KroSce — geführt, nicht nach dem Wunsche des neuen Zaren ist, »nd daß man versuchsweise mildere Sailen aufzieben will. Gurko, als dessen mutbmaßlichcr Nachfolger Graf Schuwalow noch immer genannt wird, hatte seine wichtige» Acmter seit >883 inne. Zm letzten russisch-türkischen Kriege spielte er — Ausführliches kann an ankcrer Stelle nachgelescn werden — eine hervorragende Rolle; sein kühner Balcanzug, sein Ruhm, den er am Schipkaxaß gewann, gehören der Geschichte an. Nach dem Kriege war er kurze Zeit General-Gouverneur von Petersburg mit außerordent lichen Vollmachten, verlor aber diesen Posten, weil er die Attentate aus daS Leben des Kaisers nicht zu verhüten gewußt hatte. General-Feldmarschall Gurko steht im 66. Lebensjahre. Zn Bulgarien steht, nachdem das Ministerium Stoi- low seine Demission gegeben und Fürst Ferdinand dieselbe angenommen hat, eine Klärung der Lage bevor. Das demis- * sionirte Eabinct führt provisorisch die Geschäfte, bis eine Reconstruction desselben erfolgt. Denn nur um eine solche handcll cö sich, weil cS anscheinend kaum einen Zweifel unterliegt, daß Stoilow aus den Wunsch des Fürsten die Neubildung kcs EabinetS übernehmen wird. DaS Eabinet bar dcmisstonirt. um der Kammer Gelegenheit zu geben, „sich auSzusprechcn", nachdem die WahlprüfungS- arbciten beendet sind. So berichtet wenigstens die ojsiciösc Presse. Zn Wahrheit ist die Demission da durch berbeigesübrt worden, daß die beiden liberalen EabinelSmitglieder RadoSlavow und Peschew sich neuer lich weigerten, im Ministerium zu bleiben. Sie gaben als Grund den Beschluß der Svbranje an, die parlamentarische Untersuchung über die Regierung Stambulow's bis auf das Zabr l8>7 zurück zu erstrecke»; dadurch wäre auch den gegen wärtigc,^ liberalen Ministern, welche in der Zeit seit 1887 neben Slambulow in der Regierung waren, seitens der Svbranje ein Beweis des Mißtrauens zu Theil geworden. Da aber die Untersuchung sich auch auf Stoilow und Nalschewitsch ausdcbnen müßte und RadoSlavow seit dem 30. Mai l89t, also seitdem er dem Ministe rium Stoilow angehort, wiederholt mit seinem Rück tritt gedrobt bat, so ist auch der diesmal vorgeschobene Grund wohl »ur ein Vorwand. Es bandelt sich jetzt, nachdem von den Liberalen, die zuerst in ras Eabinct berufen würbe», um ihm den Stempel der „Versvlmung" auszudrückcn, Tonlscbew schon vor mebr als einem Monat zurückgetreten ist, sür Stoilow darum, eine homogenere Mehrheit in der Svbranje zn schaffen, und es ist wahrscheinlich, daß ihm dies nach Abstoßung der Fraktion RadoSlavow durch eine straffere Zusammenfassung ker konservativen Elemente gelingen werde. Ter Eintritt Zankow'ü ins Eabinct gilt als unwahrschein lich, doch muß mau ja gegcnwätig in Bulgarien aus Alles gefaßt sein, selbst aus ein völlig ruffophileS Ministerium. Deutsches Reich. dl Berlin, 19. December Die letzte Nummer de- „Socialist" ist nicht wegen vcS Artikels „Ein unerhörter Gcwaltact", sondern wegen des Artikels „Gerechtigkeit" con- fiScirt worden, i» dem ein fiugirtcr Proecß gegen einen Aiiarchistcn dargcstcllt ist und den Richter» vorgeworscn wird, daß sie Gewalt statt des NcchlS übten. Gleichzeitig enthält der Artikel eine Verherrlichung von Verbrechen. — Die von Joh. Most in Ncw-iffork herauögcgebene, in deutscher Sprache gedruckte „Freiheit", von welcher der „Vorwärts" be hauptet, sie sei längst eingcgangen, erscheint noch immer regel mäßig und hat ihren Leserkreis nicht nur in Amerika, sondern anch in Dcutschlanv und in allen Ländern, wo deutsche Arbeiter sich aushaltcn. Zn welcher aufreizenden Sprache VaS Blatt geschrieben ist, zeigt die Nummer vom 24. v. M., in der ein Artikel niil folgenden Sätzen schließt: „Nehmt alle Politiker beim Wickel, bängt sie aus, sorgt für eine fröhliche Himmels- oder Höllenfahrt der Pfaffen, laßt das Bvßtlnini Uber die Klinge springen und sorgt dafür, daß durch gcmcinsamcS, freiwilliges Wirken und Schaffen alle Bedürfnisse ker Gcsammlheit reichlich befriedigt werden könne». Dann — aber verdammt nicht eher — wird die sociale und damit überhaupt jede wesentliche Streitfrage gelöst sei». Gottlose und communistische Anarchisten habt Zhr zu werden, im Sinne der hiermit gegebenen Principien habt Zhr die Welt umzukrempcln. Wollt Zhr daS nicht, »uii, so hole Euch der Teufel, d. b. dann mögt Zhr zur Hölle fahre», respective in einem Zustande versinken, welcher die Hindus von Zndien und die EoolieS von China schon seit Zakrbunderlen foltert. Entweder — oder!" FrurHrton. Lein Erbe. 7j Eine Familiengeschichte. Von M. von Buch. Nachdruck »erbot«». (Fortsetzung.) Doch Gerhard antwortete aus das Wort, daS ihn sonst begeistert hatte, nur mit einem betrübten Lächeln. Ach, er war viel zu müde, um Freude an diesem Vergnügen zu finden. Hollbracht warf ihm einen mißbilligenden Blick zu. „Warum hängst Du immer am Kleide der Mutter?" fragte er. „Kinder müssen nicht neugierig sein und immer hören, was die Großen sagen." „Warum bist Du so unfreundlich?" fragte Charlotte vor- wursSvoll, Gerhard anschauend, der sofort in einem Neben wege verschwand. „Zetzt ist er immer bei mir, er ist so daran gewöhnt." „Ach was, er ist ein Qnerkopf, und wenn es nicht nach seinem Willen gebt, wird er trotzig. Durch die Krankheit ist er vollends verwöhnt worden." Die junge Frau sab vor sich nieder. „Hast Du Dein Mißtrauen, oder wie soll ich cs nennen, Deinen Verdacht noch immer nicht überwunden? Du weißt, was ich meine, in Betreff, — in Betreff des Tage« nach dem Erntefest", sagte sie mit stockender Stimme. „Denke nur an die vielen Leute, die damals aus dem Hof waren, wie leicht ein Unvorsichtiger in der Trunkenheit das Feuer —" „Möglich ist bekanntlich alles, indessen der Verdacht bleibt auf Gerhard sitzen, ick kann mir nicht Kelsen, in meinen Augen ist er der Schuldigt. Er besaß Stahl und Schwamm, er bat sich noch Abends spät aus dem Hose berumgctrieben, und genau an der Seite, wo die Zungen, will sagen also Gerhard, daS erstemal Feuer angezündet, stieg auch, wie ich von den Leuten gehört, die Alarm schlugen, der Rauch in die Höbe. Aber laß daS! E« regt mir jedesmal da» Blut auf, wenn ich daran denke, wir die rothr Glutb gen Himmel stieg, wie ich meinte, alle« sei verloren, mein Hab und Gut, daS Hau« der Väter, in dem Generationen glücklich waren, und da« alle«, alle« nur durch die bodenlose Kinderei eine« Knaben — meines Knaben Der Gedanke ist furchtbar." „Aber Du mußt bedenken, Karl, da« Schlimmste ging vor über. «od Gewißheit hast Du uoch nicht." Hollbracht lachte verächtlich. „Ab bab, Du nimmst ihn in Schutz, und ich bat Dich ja auch, laß un« nicht weiter darüber reden. Zch habe anspannen lasse», möchtest Du mich begleiten, Charlotte?" „Wenn Du wünschest, gewiß." Als sie mit Hut und Tuch auS ihrem Zimmer kam, stand Hollbracht im Flur und scherzte mit Clemens, der aus dem Arm seiner Wärterin vor Vergnügen strampelte. Sic lachte über die Freude des Kindes und ahnte nicht, daß ver arme Gerhard derweil einsam durch den Park ging und bitterlich schluchzte. „Aber daS sind doch nicht unsere Füchse!" ries sie. als der Zagdwagen über den Kies knirschte, vor dem ein Paar glatte, blanke Rappen feurig einhertänzelten. „Gefallen Dir die Pscrdc?" fragte Hollbracht, und dann hob er sie hinauf, schwang sich neben sie und ergriff die Zügel: „Vorwärts!" Das leichte Gefährt rollte durch die Dorfstraße und bog in einen schmalen Feldweg ein. „Nun, gefallen sie Dir?" fragte er noch einmal und versuchte die schnelle Gangart der Pferde zn mäßigen. „O gewiß, cS sind ja wunderhübsche Thiere! Aber wie bist Du zu ihnen gekommen'?" „Wodurch? Durch Kauf natürlich, Schatz", lackte Hollbracht. „Aber Du klagst doch über die nothwcndigen Ausgaben, und die Rappen —" „Nun ja, die waren nicht nothwendig, daS ist richtigj; ich bin ganz zufällig zu ihnen gekommen. Als ich neulich in Wellstäbt war, bot sie Seeliamann Deinem Vetter Zaßnitz zum Kaufe an. Aber da« Geschäft zerschlug sich; offen gesagt, ich glaube, sie waren ihm zu thruer, und da nahm .ch sie." „Aber als der Seeligmann da» Reitpferd besorgt batte, den Krippensetzer, weißt Du? Da tagtest Du doch. Du wolltest nichts mehr mit ihm zu thun baden?" „Sagte ich das?" meinte Hollbrackt. „Za, liebes Kind, mit einem Pferdehändler kann man das nicht so genau nehmen. An dem Reitpferde ist mir kein Schade entstanden; mein Ver walter bat e- Brandow angcboten, und der ist wirklich daraus hrrringesallen " „Aber wie konntest Du das thun?" fragte sie vor wurfsvoll. „Ach wa«, wer sich betrügen läßt, wird betrogen, und wenn irgendwo auf der Welt, so gilt e« beim Pserdrhandel", wurde ne belehrt. Die beiden Seite» des Weges begrenzten Stoppelfelder, auf einigen wurde schon gearbeitet, die Ackerkrume wurde umgebrochen, und frischer Erdgeruch erfüllte die Luft. Charlotte sog den kräftigen Dust ein und legte sich zurück. „Wie schnell ist der Sommer vergangen, vor einigen Wochen standen noch nickende Aehren, und nun?" „Nun kommt wieder der Anfang vom Ende. Zn den nächsten Tagen will ich mit der Aussaat beginnen." „Damit sich die Erde im grünen HoffnungSlleidc zum Sterben niederlezen kann. Welch eigentbümliche Stimmung erweckt solch sonniger Herbsttag", fuhr sie fort und blickte um sich. „Eine süße Todesmüdigkeit scheint über die Welt gekommen zu sein, eS ist, als wisse sie, was ihr bevorstekt, aber klaglos gewährt sie der Zeit ihr Recht." „WaS sprichst Du schon von Sterben mit Deinen zwanzig Zähren, Charlotte?" entgcgnetc Hollbrackt. „Mir ift nichts entsetzlicher als die Mahnung an daS Grab und der Gedanke an den Tod. Nur das Leben ist schön." „Aber eS beißt, seine Lieblinge rufe der Himmel früh zu sich", meinte die junge Frau gedankenvoll. „Glaube es nicht", widersprach Hollbracht. „Zch weiß cS. ich habe es einmal erlebt, wie sich die junge Natur bäumte und sträubte in den Armen ihre« Würgeengels, cS war ein entsetzlicher Anblick. Mein Himmel, auf welch ernstbastc Ge spräche sind wir gekommen", fuhr er nach einer Pause fort, „wahrhaftig, sie können einem säst den schönen Tag verderben " Er hob die Peitsche und zeigte in die blaue Ferne, wo am Horizont die Spitze eines kleinen KirchlburmS sichtbar ward. „Siebst Du, das ift Schwcchtenhof, wollen wir hinüber?" Sic nickte stumm. Die Pferde griffen feurig au«, und dahin rollte der Wagen an fruchtbaren Rübenäckern vorbei. Hollbracht beobachtete die Rappen, nur einmal, als ein Volk Rebhühner mit lautem Geräusch aufging und er ihnen nachblickte, siel sein Auge auf seine Frau. W»c zierlich bog sich der Weiße Hals, »nd wie stolz trug er da« kleine Köpfchen mit dem wundervollen Profil. Er wußte, cS gab keine hübschere Frau in der Umgebung als die seine, und er fühlte sich stolz und befriedigt in dem Gedanken. Bor ihnen lag ein einstöckige«, weitläufiges Backstein- aebäude mit zierlichen Erkern, in das eine niedrige, zweiseitige Steintreppe führte Uralte Linden standen aus dem mit KieS bestreuten Platze, während >m Hintergründe die rothen Ziegeldächer eines Dörfchen« beraufleuchtetea. Da« war Schwechlrahof. Frau Sophie war sogleich lachene und schwatzend zur Stelle, gab Pferde» und Wagen einen kritischen Seitenblick und bot de» Insassen einen berzlichen Willkommen. „WaS, Zhr wollt nicht auSspannen lassen? Nein, nein. daS gebt nicht, Abendbrod müßt Zhr jedenfalls annehmen." Sie rief einen Stallburschen herbei und ließ abschirrcn. „Und nun kommt inS HauS", sagte sie. „Dich, Karl, habe ick ohnehin viel zu fragen und zu schelten, denn daß ich, als Deine Schwester, die große Neuigkeit erst von Wellnitz erfahren muß, ist unerhört, nicht, Charlotte?" Cbarlotte die am Fenster stand, machte ein erstauntes Gefickt „Zch weiß nicht, wovon Zhr redet?" „Nicht? Sie weiß cS auch nicht? Tu hast noch nicht erfahren, daß Karl Secbcrg gekauft hat?" Die junge Frau warf de» Kopf zurück. „Ich versichere Dick, daß er cS nicht sür gut befunden hat, mir auch nur ein Wort darüber zu sagen." Hollbrackt lachte. „Nimm die Sache nicht so tragisch, Kind, ick wollte cs Dir sage», aber Tu warst stets so vicj mit Gcrbard beschäftigt, daß Du für mich kaum Zeit übrig hattest. Factisch habe ich eS auch »och nicht gekauft, die Conttactc sind noch nicht unterzeichnet, aber handelseinig sind wir geworden , im Frühjahr soll die Ucbergabc erfolgen." Cbarlotte gab sich alle Mühe, nicht zu zeigen, wie verletzt sie sich fühlte. „Du klagtest über die vermehrte Arbeitslast mit Verkeiibausen, und doch bürdest Du Dir eine neue aus", sagte sie, sich zur Unbefangenheit zwingend. „Beides kann ich nicht ballen, Berkcnhause» will ich loS- schlagcn so bald als möglich." Frau von Schivecblen starrte ihren Bruder zuerst ganz fassungslos an, dann sagte sie energisch: „Um diesen Preis solltest Du lieber den Kauf von Seeberg rückgängig machen " „Warum? beste Sophie, sag' mir nun warum?" „Deine Frau wünschte so sehr, daß ihr Familiengut nicht in fremde Hände gelangen sollte", klang tie Antwort. „Wenn Du weiter keinen Einwand hast, Sophie, so ist eS gut", meinte Hollbrackt, der Schwester näher tretend. ,,E« war ein Wunsch, aber doch keine feste Bestimmung, die sür mich irgendwie maßgebend sein könnte; das erste Reckt be haupten die Lebenden, die Tobten komnicn erst in zweiter Reih«. Denke Dir, was Walddors sür ein Areal enthält, wenn die Seeberg scheu Ländereien dazu kommen, und bann ist da» Ganze hübsch glatt arrondirt. Und dazu kein Streit um dir Wege, kein Procrß unt eurem händelsüchtiger» Nachkur
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