02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.12.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941221021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894122102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894122102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-12
- Tag1894-12-21
- Monat1894-12
- Jahr1894
-
-
-
9342
-
9343
-
9344
-
9345
-
9346
-
9347
-
9348
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
10150 ior.ro 100- 104.K0 looso 103 — looso 103- 101.30 I1S5V V530 115 - 33.ro 61- 61 2L 118 L0 ios.ro 187- vr - 300.— 171.- 146.50 is>ro 110.- 73.- 4225 63- 157,- I1050 6t,— 365- 135 — 306,- 60,- 202.- 117.- 84.— 358,— es,25 23.ro 88 — 83,— 81- 80.85 ^ 164,15 316.75 31S.7L cki». 333>, 185.20 14670 II8S0 S2 10 88-. 33I>, 48.10 15240 150.40 307.60 153.80 104.— 325-. 158 S0 135.50 56 50 147.30 137.50 133, - 161.50 >Nt»cUsi> I 153.20 153.70 122 — 146.72 134.70 Recovto I 74 sc t VS. 50 115 40 125.50 168 180,75 12265 164 10 330.50 85.10 > 16«,— 84 — K 133,— l 73-,. 71-, 1b",. 68>. 40^ 71-« 55-. 34-. 84-, ok Lx>o. 103'. 15>> 27^ 6440 80S7 371.25 73 15 380,— 25.— >«i> 88.40 380.80 35.1 >>, 8-» 24.8? 1°i. timmuux, >»oqu« 2? 5«o rü.2. e. 150--« ll 103-, 2 831 825^ 430 -I 448 V«,r»n V«c-w5,r I». 1.08- ktsv-s 5m» ?n»l >I»u<t»». ic 4lä, b«>4. r; 1>i»»sS vao »nxem. I«t m>ä »w s ve-ugSPrei- M Hauptexpeditto» oder den im 8 labt» tmtrk u»d den Bororten errichteten So», «ädestelle» abgeholt: vierteljährliche 1.50, »weiwaliaer täglicher Zustellung in» » bchL Durch die Post bezogen für Deutschland and Oesterreich: vierteljährlich e 6.—. Direct« täglich« Dreuzbandlenduag t»< Lutland: monatlich e 7.50. Dt,vlvkg«»A»»gab« erscheint täglich'/,? Uhr, ht, Lbeud-Autgad» Wochentag« 5 Uhr. Ue^lLtto» m»d Expedition: Aahaune»gassr 8. MeUrvedtttoa ist Wochentag» ununterbroche» getffuet voa früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Filiale«: Ltt» Me««'» S«rtt». (Alfred Htchttld Uutversititrstrab« l, L«>i« Lösche, >»tt«t»e»str. 14, pari, und «öaig«vlatz 7. AVend-AitdgaLe. Anzeiger. Lrgan fiir Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. «nzeigen.Prei- dte S gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamea unter dem Redactioa»strich (4 a»» spalten) bO>ch, vor den Aamilieanachrtchte» (Sgespaltro) 40>ch. Orützer» Schriften lant unserem Prut»- »erjeichntb. Tabellarischer und gtssrrasatz nach höherem Taris. Ggtra-Vetlage« lgesal^), ,»r mit d«, Morgen - Ausgabe . ohne Postbesördrruug >4 60.—, mit Postbesördrruug >l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgobe: Bormittog» 10 Uhr. Morge a-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtag» früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annabmestellea je »in« halbe Stund« srüher. k01 eigen sind stet» a» di« 8rdedttt«n zu richte». Druck und Verlag von E. Pol» ln Leipzig ^-651. Freitag den 21. December 1894. 88. Jahrgang. PolMsche Tagesschau. * Lrtpztg, 2l. December. Wenn man sich erinnert, in welcher Weise die „wahren" Eonservativen von der Farbe der „Krcuzzeitung" während derBcrathung des deutsch-russischenHandelSvertrags ihre Opposition betrieben und in welcher Weise sie ihrem Grolle gegen das vom Kaiser ausdrücklich gebilligte und befürwortete Abkommen Lust gemacht babcn, so wird man sich nicht darüber wundern können, daß jetzt diese selben Politiker ihre Loyalität durch die giftigsten Angriffe gegen diejenigen Parteien, die den staatSanwattschastlichen Antrag auf Genehmigung der sofortigen strafrechtlichen Ver s»lgun> des Abg. Liebknecht wegen seines Verhaltens bei dem am 6. d. M. auf den Kaiser auSgebrachteu Hoch abgelehnt haben, in ein möglichst günstiges Licht ;u setzen suchen. Man würde sich vielmehr wundern müssen, wenn solche Angriffe unterblieben. Aber unbegreiflich ist eS. daß die Herren bei diesen Angriffen es nicht bewenden lassen, sondern sich bceifern, den preußischen Justizminister anzu- seuern, deu Abg. Liebknecht nach Schluß der Session rerfolgen zu lassen. Wie, wenn nun eine solche Verfolgung mit einer Freisprechung endete? Was würde dann die Folge sein? Und unmöglich ist eine Freisprechung keineswegs, denn eS gicbt unter den hervorragendsten deutschen Juristen nicht wenige, die in dem Sitzenbleiben bei einem aus den Kaiser ausgebrachten Hoch eine grobe Flegelei, aber keine Majestätsbeleidigung erblicken. Ein solcher Jurist, der keines wegs fortschrittlicher Gesinnungen verdächtig ist, äußert sich in der Münchener ,Agcm. Ztg." über die Frage folgender maßen : .Läge zweifellos eine MajestätSbeleidgung vor, so hielten wir eS für kein große- Unglück, wenn da» Gericht vielleicht an» theoretisch anfechtbaren Gründen den Beschuldigten den Schutz des Art. 30 versagte; aber ein wirkliches Unglück wäre eS, wenn eine Berurtheiiung wegen einer Handlung erfolgte, die in Wirklichkeit keine MojestätSbeleidigung ist, es fände daraus daS frivole Wort Talleyrand's Anwendung: e's»r pinn gu'un crime, c'vst uns taute. Die Verdrehung des Rechts ist an sich abscheulich, und hier verfehlt sie auch noch ihren Zweck vollständig. Die ungerechte Ber- urtheilung eines Socialdemokraten schafft deren hundert neue und gtebt Len Führern ein erwünschtes Mittel in die Hand, ihre An- Hänger immer mehr zu sanatisiren; die Leute, deren rüpelhafte» Benehme» jetzt wohl auch der ordentliche Arbeiter, wäre es auch nur im Still«», mißbillig»^ würden als Opfer der Llasirnjustiz zum unverdienten Ruhm von Märtyrern gelangen. Und eine MajeftätS- beleidigung ist durch da» Sitzenbleiben nicht verübt! Das Benehmen der socialdemokratischen Abgeordneten war eine grobe Verletzung der guten Sitte und des Anslandes, aber kein Verbrechen, kein Criminal- »ergehen. Eine Beleidigung kann gegen Kaiser oder König so wenig wie gegen andere Menschen durch rein passives Beihalten ver übt werden, wenigstens insolange nicht, als nicht durch Reichsgesctz Höflichkeit-, und Anstandsregeln zu RechtSpslichten gestempelt, als nicht von Reichswegen die Begrüßung des GeßlerhutS geboten wird. Eia Kaiser oder König ist der erste Edelmann — gnlaotuomo — seiner Landes, und was einem edlen Manne gegenüber kein« Beleidigung ist, das ist auch keine Beleidigung gegenüber den, Kaiser oder König. — Wo wird denn der reichsverderbende BycantiniSmus seine Grenzen finden, wenn erst der Satz zur allgemeinen Geltung kommt, daß Majestät-- beleidigungcn auch durch Unterlassungen verübt werden können? Ta wird bald bestraft werden, wer nicht Beifall Nascht oder den Hut abzieht, wenn die Parademusik den Sang an Aegir spielt; und wen» man einen Socialdemokraten aus einige Monet« unschädlich machen will, so braucht die Polizei oder StaatS- enwaltschast nur einen Agenten tnSWirthshauS zu senden, wo der Mann verkehrt; der Agent hält auS irgend einem Anlaß eine patriotische Ansprache, die mit einem Hoch aus den LandeSberrn ichließt: der Socialdemokrat, vielleicht auch mancher andere Gast, bieibt sitzen, und die Majestätsbeleidigung ist fertig!" In dieser Ausführung ist zugleich die Folge auSgemalt, welche eine Berurtheiiung Liebknecht'» wegen MaiestätS- Feurlletsn. Sein Erbe. 8s Eine Familiengeschichte. Bon M. von Buch. Nachdruck ver»otnr. (Fortsetzung.) Der Major hatte sich zu Charlotte gesetzt und unterhielt sie vom letzten Briese seines Neffen Eugen, den er in aller Umständlichkeit vor sich auSbrcitete, während er dabei ganz übersah, wie heftig plötzlich die junge Frau erröthete. Er erzählte, daß Prinz H. jedenfalls ein große« Interesse für Eugen besitze, da er ihn im Frühjahr als Begleiter erwäblt für eine große Tour an die süddeutschen Höfe' und Frankreich. „Im nächsten Jabr bofft er auch sein Capitainpatent zu erhalten. Der gute Junge", schmunzelte der alte Herr, „er freut sich so daraus, weil daun die kleine Zulage, die er biS- ber von uns erhalten, seinem jüngeren Bruder zugcwendet werden kann." Nun fiel seine Frau ein: „Er würde sich sicher auf einige Tage frei machen können, aber er bat gehört, daß meine Tochter mit Kindern und großem Gefolge, wie e« so ibre Art ist, sich angemetdet hat, und da fürchtete er, e» könne mir zu viel werden — rücksichtsvoll wie er immer ist." Ja, Eugen war voll Rücksichten für sie, aber daß der Grund seine« NichtkommenS diesmal ein ganz anderer war, ahnte sie nicht. „Kommt Dein Schwiegersohn auch?" erkundigte sich Hollbracht. „Ja, doch nur sür kürzere Zeit." Sie seufzte unwillkürlich. Mit dem Herrn BotschaftSsecretair kounte sie sich nun einmal, trotz seiner verbindlichen Weltniann-formen, gar nicht recht stellen, und ihr größter Kummer bestand darin, daß auS Eugen und ihrer Tochter kein Paar geworden war. All sich Hollbracht und Charlotte aus drn Heimweg be gaben war e« kühl geworden. Die kleine Mondsichel stand unter eineni dunstigen Nebelschleier, in der Ferne tanzten Erlkönig« Töchter den Reigen, und überall war eS wie Schatten und Schemen. Charlotte fröstelte, sie hüllte sich fester in ihr Tuch, und die Augen wurden ihr schwer Plötzlich weckte sie Hollbracht'S Etimmr. „WaS meinst Du, wollen wir den jungen Schtvechten rinladrn? Tie-Jagden werdrn bald beginnen, und er ist ein guter Schütze. ' beleidigung nach Schluß der Session haben würde. Gerade den fanatischen Gegnern deS deutsch-russischen Handels vertrags müßte doch der Gedanke im höchsten Grade peinlich sein, daß sie selbst dazu beigetragen bätten, solche Gegner wegen Majestätsbeleidigung an« Messer zu liefern. ES könnte ja wohl gar ein Socialdemokrat sich daS Ver gnügen machen, in einem WirthSbauje in Gegenwart bochconservativer Gäste ein Hoch auf den Kaiser als Schöpfer jene- Vertrag« aiiszubringen. Die „Kreuzzeitung" und ihre Hintermänner sollten sich daher an dem Schimpfen auf die Gegner des staatSanwaltschastlichen Antrags genügen lassen, aber ii» Stillen srob sei», wen» die Liebknecht-Affaire keine weiteren Folgen bat, als eine Verschärfung der DiSciplinar- gewalt des RcichStagSpräsidcnten. In Hannover ist gestern der widerwärtige Ehebruchs- proceß gegen den antisemitischen ReichStagSabzeordneten Lrust mit der Verurtheiluug deS Angeklagten wegen Meineids ru drei Jahren ZuckthauS und fünf Jahre» Ehrverlust zu Ende gekommen. DaS Erkenntniß zeigt in greller Weise, WaS für unsaubere Menschen durch daS allgemeine Wahlrecht mit der höchsten Würde, die daS Äolk zu vergeben hat, in leidenschaftlich aufgewühlten Wahl kreisen auSgestattct werden können. Die antisemitische Partei für die niederträchtige Handlungsweise dieses Genossen verantwortlich zu machen, wäre ein großes Unrecht. Aber sie selbst wird sich sagen müssen, daß eS zu den bedenklichsten Folgen führt, wenn man das Volk nur auf die wirklichen und vermeintlichen Sünden eines VolkS- stammeS aufmerksam macht und ihm dadurch die Augen vor den Sünden verschließt, die auch im anderen Stamme fressen uud nicht selten gerade da, wo die Heuchelei durch fanatisches Verdammen Anderer die eignen Schwächen zn verdecken sucht. Gerade der Fall Leuß beweist, wie berechtigt die Mahnung der Gegner des Anti semitismus ist, die Fehler überall zu suchen und zu rüge», wo immer sie sich finden können und finden. — Leuß vertrat den Wahlkreis Schmalkaldcn - Eschwege, der somit erledigt wird, da Zuchthäusler selbstverständlich ihr Mandat verlieren. In dem Wahlkreis wurden bei den vorjährigen Wahlen im ersten Gang 4280 sreiconservative (national- liberale), 2844 volksparteiliche, 3765 socialdemokratische und 3808 antisemitische, in der Stichwahl 4832 srei- conservattvr unv 8870 antisemitische Stimmeo ab gegeben. Sociatbemokraten und Freisinnige baden sich also nach diesen Zahlen eifrig an der Wahl dieser Zierde des deutschen Reichstags betbeiligl; aui den Gegcncaiididalen ist eine wmzige Zahl von Stimmen mehr gefallen als im ersten Mahlgang. Der Wahlkreis war 1871 bis I88l durch den natioualliberalen Abgeordneten I)r. Harnier, dann eine Legis latur fortschrittlich, zwei Perioveo freiconservaliv und zwei antisemitisch vertrete». Die Grundstimmung der Bevölkerung ist überwiegend mittelparteilich. Nach solchen Erfahrungen wird der Wahlkreis hoffentlich seine Candidalen gründlicher auf ihre persönliche Würdigkeit prüfen und die Schande, die Leuß seinen Mäklern gemacht, durch Rückkehr zu einer ehrbaren Wahl auslöschen. Bor einiger Zeit, als eS hieß, Leuß habe unter dem Gewicht der Anklage sein Mandat niedcrgclcgt, wurde bereits ein anscheinend sehr geeigneter nationallibcraler Candidat genannt. ES wurde schon wiederholt hcrvorgehoben, daß die DiS- cipl inargewalt der ParlamentSpräsidenlen in Arankretch und England eine weit größere ist, als in Deutsch land. Es ist von Interesse, sich die betreffenden Geschäfts ordnungen etwa- näber anzusehen. In Frankreich trifft die Rüge mit zeitweiliger AuS- schtießung au- der Kammer nach Artikel 124, Absatz ö, jeden Depntirte», „der ßsich einer Beleidigung des Präsidenten der Re- publik, einer Beleidigung deS Senat- oder der Regierung schuldig gemacht Hai." In gleicher Weise wird die Beleidigung der Kammer und deS Kammerpräsidenten, sowie die Beschimpfung oder Bedrohung der Mitglieder der Regierung bestraft. Die Rüge mit oder ohne Ausschließung wird ohne Debatte aus Borschlag deS Präsidenten von der Kammer be schlossen, einfach durch Ausstchen und Sitzenbleiben. Verboten ist eS, eine namentliche Abstimmung über einen solchen Fall zu be- antrage» Indessen hat der zu rügende Abgeordnete daS Recht, vor Beihängung der Strafe das Wort zu seiner Entschuldigung zu ergreifen oder einen College!« sür sich sprechen zu lassen. D>e Aus- schließung erstreckt sich aus fünfzehn Sitzungen, d. i. etwa vier Woche»: dem Deputirten, de» sie trifft, wird zwei Mouate lang die Hälfte seines GehalteS abgezogen. Ferner werden aus seine kosten 200 Affichen mit einem AuSzuge auS dem SitzungSprotocoll >edruckt und i» den Ortschaften seines Wahlkreises angeklebt. Läßt ich der ausgeschlossene Abgeordnete vor Ablauf seiner Strafzeit wieder im Hause blicken, Io wird er von den Quästoren verhallet und int Arrestlocal gebracht, wo er bis zu drei Tagen gefangen gehalten werden kann. Wiederholt ist eS in den letzten Jahren vor- gekommen, daß Teputirte trotz ihrer Ausschließung den SitzungSjaal nicht verlassen wollten. In diesen Fällen wurde die Sitzung ausae- hoben, der Saal geräumt und der Widerspenstige von einer Äd- theilung der militairischen Besatzung deS Palastes, die mit den Quästoren einmarschirte, verhaftet. Man ersieht auS alledem, daß da- Reglement der französischen Kammer dem Präsidenten eine umsaffende und duvchgreisende Diöciplinargcwalt zuertheilt, obgleich der Teputirte dort die Sourerainilät des Volkes vertritt, welche die principielle Grundlage der Republik ist. In England ist kein von dem Hause der Gemeinen ousgeübteS Recht zweifelloser, als daS, «in Mitglied aus dem Hause ouSzustoßen Ter letzte weiteren Kreisen wohl noch in der Erinnerung hastende Fall der Suspension eine» Mandat- betraf 1892 Mr. Bradlaugh, der freilich alsbald von den Wählern Rorthamvtous wiedergewählt wurde. Die Ausschließung, die bei groben Vergehen strafrechtlicher Natur selbstverständlich eintritt, erfolgt auch „wegen Betragens, daS dem Charakter eine» Gentleman nicht entspricht", wegen „Schmähschriften und Beleidigungen gegen das HauS selbst". Desgleichen verhängt daS Parlament über Mitglieder wegen Beleidigung deS HauseS auch Hast« und Geldstrafen. Biel erwähnt in den Annalen deS Parlament» ist der Kall Floyde. Dieser Abgeordnete hatte dir Tochter Jakod'S I. und ihren Gemahl im Parlament beleidigt. DaS Haus verurtheille ihn wegen Verleumdung zur Erlegung von lOOO Lstrl. Geldbuße, zweimaligem Prongerslehe» und einem Ritt rückwärts aus einem Pferde mit dem Pserdeschwauz in der Hand. Nach der neueren Praxis senden die Gemeinen in die Haft L«S »l Xrins, in den Tower oder nach Newgate die Berurldeitten so lange, bis diese um Freilassung bitten. Die Verhafteten werden dann von dem Sergeant an dir Schranke geführt und noch einer Ermahnung oder einem Verweis« seitens deS Sprechers gegen Zahlung der Kosten entlassen. Ist das Vergehen nicht so arg, daß zur Ver- Haftung geschritten wird, so läßt man eS in der Regel bei einer Ermahnung bewenden. Was der Sprecher in dieser Ermahnung sagt, wird in die Protocolldücher eingetragen. Die Haft, die das HauS verhängt, kann nur bis zum Schluffe der Session dauern. Weiter geht daS Privileg deS Parlament- nicht, nach Schluß der Tagung tritt aus Grund der liudeas corvus-Acte das bürgerliche Recht in Kraft. Bis zum Jahre 1772 muhten die Verhafteten da» llrtbeil knieend an der Schranke vernehmen. Die Eintragungen in die Protocolle enthalten noch heute einen Satz, der aus jene ver altet« Form der UrtheilSverkündigung htndeutet. In England, wo der Traum des bürgerlichen Radikalismus erfüllt unv die Krone keine lebendige Macht, sondern nur ein Ornament ist, bestebt heute noch die Bestimmung zu Recht, I daß im kouse ok lorcks jedes Mitglied „sich nicht früberl nicderlassen soll, als bis eS gegen den Thron sich! verneigt hat." Die italienischen Radikalen haben, bisher wenigsten-, überhaupt kein Glück mit ihrer Campagne gegen CriSpi, die sie mit einer gerade „Corruptionsbckämpsern" übel an stehenden Skrupellosigkeit in der Wahl der Kampfmittel llhren. So scheinen sie einen Augenblick lang beabsichtig! zu haben, den alten, längst gerichtlich widerlegten Vorwurf der Bigamie gegen CriSpi wieder aufzurühren. Uebcr diese „Bigamie" ist folgendes in Erinuerung zu bringen: CriSpi hatte sich im Jahre 1853, als er nach dem verunglückten Mailänder Mazzinianer-Putsch im Palazzo Madonna zu Turm eingekerkcrt war, in ein LiebeSverhäitniß mit dem Wäsche!- Mädchen Rosalie Montmassou eingeiaffen. Rosalie begleitete ihn ins Exil nach Malta, und als Eri-pi einige Monate päter aus Malta ausgewiesen wurde und nach London «dreiste, wohin das Mädchen ihn vorerst nicht begleiten konnte, ließ er seinen Bund mit diesem durch einen herumziehenden Jesuiten in dessen bescheidenem Kämmerlein einsegaen; «ine förmliche Eheschließung »ach kirchlichem oder bürgerlichem Recht fand jedoch nicht statt. Zu Anfang der Siebziger Jahre löste sich daS Ver- hältuiß zwischen CriSpi und der »n jeder Beziehung ties unter ihm stehenden Savovardin, die ihn durch ihre Unbildung ojt bloßgestellt und ihm das HauS zur Hülle gemacht hatte, einige Zeit daraus heirathete er eine schöne junge Wittwe, Frau Liua Barbagallo, mit der er sich zuerst kirchlich und nach der Geburt seines TöchterchenS Peppina im Jahre 1878 in aller Stille auch standesamtlich trauen ließ. Einige Tage daraus erhoben der voa dem Abgeordneten De Zerbi — demselben, der al» erste-Lpsei de- Banca Romana - Skandals gestorben ist — redigirte Neapeler „Piccolo" und TagS darnach der römische „Capitan Fracassa" die öffentliche Anschuldigung der Bigamie gegen CriSpi, der damalS Mmisler des Innern war. Eine gerichtliche Untersuchung wurde «in- geleitet, die aber zu einer vollständigen Rechtfertigung EriSpi's führte, da sich herauSstcUte, daß sein Verhältniß m.l Rosalie Montmasson thaisächlich keine Ehe in gesetzlichem Sinne ge- wesen war. Die damals gegen Crispi betriebene Hetze weist viele verwandte Züge mit der jetzt im Gange befindlichen aus. Um an sie anknüvie» zu lönne», begab sich dieser Tage einer der Myrmi- doncn des Herrn Cavallotii zu der »och immer in Rom lebenden Rosalie Monlmassvn. um sie nach „Beweisen" sür ihre in Malta mit Crispi eingeganqene Che zu befragen, doch scheint er von der alten Frau derb abgesertigt worden zu fein. In der arincnischc» Frage, welche jetzt von manchen Politikern mit ungewöhnlichem Eifer gepflegt wirb, muß man zwei Dinge streng aiiocinaiiber kalten, einmal die vorgckom menen Greuelthalc» und die in Verbindung damit in Anregung gebrachte Durchführung der in Art. Ol des Berliner Vertrage« verheißenen Reformen, tan» aber die hinter der Ausrollung der armeiiischcli Frage sich verbergenden Bestrebungen, welche aus nicht» Geringeres als auf vie völlige Auflösung und Zertrümmerung de« ottomanischen Reiche« abzleien. Eine diplomatische Action, weiche den Armeniern zn gesicherten RechrSzuställden verhüise, würde in der ganzen civilisirtc» Welt nur mit Gcnugthuung begrüßt werden können. Allein eS ist nicht ebne ÄLeitera» ersichtlich, daß und warum die Frage der armenischen Reformen ungelöst bleiben müsse, so lange die türkische Herrschaft in Klciuasien bestehen bleibt. Mau kann nicht wohl in einem und demsclden Athemzuge auf Durch sllbrung eines cinzeinen Artikels des Berliner Vertrage» drängen und dabei gegen den jetzigen Besitzstand der Türkei co» spirircn. Für diese» logischen Widerspruch zeigt sich die öffentliche Meinung jenseits de- CanalS >ctzt zugänglicher, als bi« noch vor ganz kurzer Zeit. Sv scbr sie wünscht, das; England im Vereine mit den anderen Mächten einen Drull aus die Pforte z» Gunsten der gemißhandclten Armenier aus übe, verwahrt sie sich doch dagegen, daß die armcnischcFragc zum Object sür gewagte Experimente gemacht werde. England batte bei fortschreitender Lockerung de» türkischen StaatsverbandcS nach dem Dafürhalten conservativer unv gemäßigter liberale. Londoner Blätter mehr zu verlieren als zu gewinnen. Wic die Dinge jetzt liegen, genießt der englische Handel und Bei kehr mit Kteinasien alle wünschenSwerthe Bewegungsfreiheit DaS müßte sich aber mit einem Schlage ändern, sobald jene Länder «n politische Gähruog geriethe», die al-bald einen läh menden Rückschlag aus Handel und Wandel auSüben dürfte. „Eugen? In unser HauS?" fragte sie fast erschrocken. „Ich fürchte, unsere Räume werden übervoll werden", setzte sie leise hinzu. „Für einen Gast werden sie noch zureichcn", gab er zur Antwort, „oder hast Du etwas gegen ihn?" „Ich? O nein", und sie blickte aus die Schatten die ihr gerade auf den Weg sielen. Siebentes Capitel. Zwei Halsketten. Der Spätherbst zog ein und mit ihm die Jagdzeit. Eugen von Schwechten wurde erwartet, aber er kam nickt. In einem verbindlich gehaltenen Schreiben an Hollbracht beklagte er, daß er leiter aus daS Vergnügen, in den Walddors'schen Jagdgründen zu schwelgen, verzichten müsse, seine Heit sei jetzt durch da« Studium taktischer Werke vollständig in An spruch genommen. Mit einer kurzen Empfehlung an Charlotte schloß der Brief. Hollbracht zerknitterte ihn achtlos. „Studium dumme- Zeug, ich dachte, er sei passionirter Jäger; der Mann hat wohl überhaupt keine Leidenschaften." Die junge Frau konnte bei der Absage unwillkürlich ein erleichtertes Ausathmen nicht unterdrücken und vertiefte sich in d,e Vorbereitungen sür den Empfang der anderen Gäste. Diese ließen denn auch nicht lange auf sich warte». Einige anstrengende, geräuschvolle Tage folgten. Tage, an denen eS alle Hände voll zu tbun gab, und an denen da« ganze HauS, bi- auf da« letzte Zimmer, bi« in die Bodenkammer binauf, besetzt war. Frau Weiland eilte gehetzt Trepp' auf Trepp' ab, holte Silber- und Leinenzeuz aus Kiste» und Schränken, zählte und verzählte sich, bi« sie in Helle Verzweiflung gerieth, worauf ihr dann Charlotte zu ihrer großen Befriedigung diese Arbeit abnahmj „Sie wird noch eine rechte, echte Landedelfrau", sagte die gute Alte und platzte wie eine Bombe in die unteren Rc- g'.oncn, wo zu ibrem großen Acrger die fremden Kutscher und Diener herumstanden, mit den Mägden schäkerten und sie von der Arbeit abbielten. Du liebe Zeit! Esten wollten sie natürlich alle, aber daß keine Mahlzeit zu Stande kommen konnte, wenn hier da- Feuer unter dem Suppentopf auSgiog. und drüben auf jenem Heerde der Braten verbrannte, war ebenso natürlich. Sie mußte erst gehörig Ordnung schaffen, damit die Sache einigermaßen in Gang gerieth. WaS für ein entsetzlicher Wirrwarr! DaS war ja beinahe noch schlimmer als dazumal, wie die Russen und Franzose» in« Land kamen. Charlotte ließ unterdr« an der Längsseite de« große. Saale- die Tische ausstellen, und mit den schweren, vergoldeten Aufsätzen die Tafel schmücken» an der auch sie Abend- theil- nahm Wenn dann aber der Wein die Köpfe erhitzte und da« Jägerlatein zu seinem Rechte gelangte, fand sic eS ge- ratben, sich an- der lärmenden Gesellsckast zurückzuziebcn. Mehr denn je fand daS reizende, blühende Weib Bewunderung, und man pries und beneidete den Gastgeber, der solch eine Perle sein eigen nannte. Cbarlotte war froh, als der Troß der Jäger Walddors den Rücken kehrte, die meisten allerdings nur, um sich auf den benachbarten Herrensitzen cinzulogiren und so für die Fortsetzung eine« Leben- zu sorgen, in dem Flinten und Jagdhunde die Hauptrollen spielten. DaS HauS ward jedoch nicht nur leer, eS ward auch still und einsam. Sein Herr folgte den Einladungen, die von allen Seiten an ihn ergingen, und kehrte er heim, war er müde und abgespannt. Später, als die Jagdzeit zu Ende ging, war er viel unterwegs. Ein Advokat war mit dem Verkauf von Berkenhauscn betraut worden; Hollbracht selbst hatte oft in Sceberg zu tbun, wo er, fall- e« die Witterung gestattete, Messungen anstelle» ließ nnd nfft Wasscrbaumeistcrn und Ingenieuren verhandelte. Langsam schlich der Winter bin» und dir Einsamkeit lag drückend aus Charlotte, besonder« da ihr auch Gerhard - Gesellschaft fast gänzlich entzogen ward. Hollbracht batte eine» Hofmeister für ihn angenommen und den jungen Lehrer von vornherein gebeten, den Knaben so viel wie möglich unter Aussicht zu haben, er sei unter Frauenhänden verwohnt und verweichlicht. Clemens entwickelte sich zu einem allerliebsten Kinde, doch wenn Charlotte sich auch viel mit ihm beschäftigte, eS schlug noch so manche Stunde am Tag. die ihr öde und trübselig vorkam. Sie fand Zeit, über sich und ihr bisherige« Leben nachiudcnken; ohne daß sie eS wußte, hatte Cnaen da» Weib in ihr geweckt und sie, die allen Dingen bisher so kindlich und harmlos gegenübergestanden, begann ibre Umgebung mit kri tischen Augen zu mustern unv zu messe». Hin und wieder waren ihr von drn Freunden ihre» Gatten einige Andeutungen ausgesallrn, dir sich aus Hollbracht'« plötzliche Verlobung be zogen, und al« sic jetzt mit erwachendem Interesse den Be merkungen nachforschte, schlug ein unklare« Gerücht voa einer Wette an ihr Ohr, da« sie innerlich erbeben ließ. Als einst Hvllbracht um sie angehallen, hatte sie die Werbung wohl überrascht, doch unbedenklich batte sie seinen Antrag mit Ja beantwortet; seine stattliche Erscheinung hatte ihr Eindruck gemach» and «S schmeichelte ihrer kindischen Eitelkeit, Herrin aus Walddors zu werden. Sie waren nebeneinander hergegangcn, ohne daß die junge Frau bisher erkannt hatte, daß ibr etwa« fehle, WaS ihr der Gatte nicht geben konnte. DaS Bild Eugen s, da- Gerhard'« Krankheit verbannt, tauchte in der Stille wieder vor ihr auf; sie wollte nicht an ihn denken, doch unwillkürlich fielen ihr die Worte ein, die er zu ihr gesprochen, und sie erinnerte sich an da-, WaS Sophie an ihm rühmte. In seinem Wesen war kein Zuviel, kein Zuwenig, alle- an ihm war klar, sicher und bestimmt, er wußte nicht- von Launen und Stimmungen. Und nun — noch ein Schritt weiter und sie stellte Vergleiche an zwischen ihm und ihrem Gatten. Ja, die einsamen Stunden wurden der jungen Frau gefährlich, gefährlicher, als sie c« selbst ahnen mochte. Die letzte Woche im Februar hatte Tbauwettcr gebracht Ter weiche Schnee schmolz zusammen, und da» Wasser rieselte und rann gurgelnd über« Feld. Der Bach im Park schwoll doch an und riß die zierlichen Drückchen ein, und um- alte Herrenhaus fuhr beulend und brausend der feuchte Westwind. Er weckte die schlummernde Erde, er half der jungen Saat dir Schneedecke «bstreifen und pochte die braunen Knospen der Bäume heraus Aber in daS Weck- und HossnungSlird, bei dem sich das werdende Leben au« Bann und Nacht rang, mischten sich lei» klagende Töne, e« Nang wie Trauer und Bangen. Charlotte saß mit einer leichten Stickerei am Fenster, Wolken und Regen hatten da« Tageslicht gedämpft; r» dunkelte bereit- und war doch eigentlich nicht recht bell geworden. Plötzlich erklangen draußen Schritte, und Hollbracht, offenbar in bester Stimmung, trat in ihr Zimmer. DaS war lange nicht geschehen, und Charlotte fragte mehr erstaunt als erfreut: „Wünschest Du etwa« ?" Er hatte wohl einen andern Gruß erwartet als diese gleich- müthig hingeworfene Frage; er stutzte etwas. „Du bist so lange nicht bei mir gewesen, daß ich meinte, Do müßtest notbwendigerweise eine bestimmte Absicht damit verbinden", fuhr sie fort. „Ja. freilich, arme» Kind, Du bist jetzt viel allein gewesen; aber glaube mir, da« wird von jetzt ab ander- werden, ich habe nun wieder inehr Zeit für Dich übrig." Er legte den Arm um sic und zog sie au sich, und willen los ließ sie eS geschehen. „Du ahnst nicht, welche Schwierigkeiten mir au« de« verkant von Brrkeohausen erwachsen", meinte er und Klickt«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht