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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.12.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-12-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941224025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894122402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894122402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-12
- Tag1894-12-24
- Monat1894-12
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Dabellarischer und Mrrusatz »ach höherem Daris. Srtrn-Beilagen (gesalzt), nur mit bn Morgen, »luegabe, ohne Poslbesördernug 6V.—, mit Postdesörderung 70.—. Annahmrschlub für Anzeige«: Abend-BuSgabe: vormittag- 10 Uhr. Morge n-Au-gabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn» »nd Festtag« srüh '/,9 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde srüher. Aozeiirn sind stet- an die Erhebtti«» zu richten. Druck »nd Verlag von S. Polz in Leipzig ^ 656. Montag den 24. December 1894. 88. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Dienstag, den 23. Deeember, Bormittags nur bis Uhr geöffnet. LxxeiMlon lies l.6!p/4xer l'aMlrlattes. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2 t. Tecember. Bon einer Seite, die wir für gut unterrichtet zu halten Ursache haben, wird uns die Meldung der „Verl. Bvrs.-Zlg." bestätigt, daß man an maßgebender Stelle infolge res Reichstagsbeschlusses, eine Verstärkung der DiSci- plinargewalt des Präsidenten berbeizusühren, sich entschlossen habe, von einer strafrechtlichen Verfolgung teS Abg. Liebknecht nach Schluß der Session Abstand zu nehmen. Wir begrüßen diese Meldung aus mehr als einem Grunde mit Freuden. Durch nichts würde die Regierung einen stärkeren moralischen Druck auf den Reichstag, nach Thunlichkeit die Würde des Hauses gegen llngebörigkeiten zu wahren, auSzuüben vermögen, als durch die Erklärung, daß sie ihrerseits auf eine Verfolgung Liebnecbl'S verzichte. Aber auch in anderer Beziehung würbe diese Taktik der Regierung von guten Folgen sein; sie würde zur Beruhigung der Ge- müther beitragen, die noch vielfach der Sorge sich nicht enischlagen können, die Regierung werde durch die äußerste Rechte zu einem Conflicte mit dem Reichstage sich drängen lassen. Wenn man freilich die „Kreuzzeitung" liest, so könnte man glauben, cs könnte nichts Schöneres und Heilsameres geben, als einen solchen Conflict; das Blatt und seine Hintermänner lechzen förmlich danach. Aber der kennt wahrlich die Volksstimmuiig schlecht, der da meint, mit Äraflcuren nnd beroischen Operationen die Schwierigkeiten der Lage mit einem Schlage zu überwinden. Alle Geister der Opposition würden wachgernfen werden und bei dem Manges jeder zugkräftigen Wahlparole hätten sic gewonnenes Spiel. Oder glaubt man etwa, mit der Um stnrzvorlage — ein unglückliches Wort für eine »»erquick siche Sache! — oder mit der Tabakfabrikatsleuer und der Reichsfilianzreform nach einer Auslösung die Wahlen im gvuverncmeiitalen Sinne lenken zu können ? Selbst die Kraft eines so schneidigen Wahlministers, wie Herr von Koller cs ohne Zweifel sein wird, müßte an diesem Versuch mit untauglichen Mitteln erlahmen. Was unser Volk für die nächsten Jahre braucht, — immer wieder betonen wir das! — ist Rübe und festes, aber maßvolles Regiment. Gewährt Fürst Hohenlohe dieses, so werden wir auch die innere Zerfahrenheit und Unzufriedenheit überwinden, zumal wenn Handel und Wandel sich günstiger entwickeln als bisher Der scandalöse Proceß gegen den ehemaligen ReichstagS- abgeordncteil Leus; wegen Meineids macht begreiflicher Weise noch immer von sich reden. Mehrfach nehmen die Er örterungen ihren Ausgang von einer Aeußerung des social demokratischen „Vorwärts", der für den zu drei Jahren verurtheilten Verbrecher also eingctreten ist: „Eins suhlen wir uns verpflichtet, auszusprechen: Leuß hat nicht ans unehrenhafte» Beweggründen die Handlung begangen, die er jetzt jo schwer büßen muß. Er war in einen tragischen Lonflict der Pflichten geralhcn und juchte durch eine Unwahrheit die Ehre einer Frau zu retten. Und es drängt sich uns bei dieser Gelegenheit die Frage auf, ob nicht in allen derartigen stallen, wo die Müglichleit eines Pflichten- oder Gewissen-Conflicts so nahe liegt, von der Bereit»igung grundsätzlich abgesehen werden sollte." ES ist chreiiwcrtb, daß antisemitisch« Blätter von dieser „Entschuldigung" keinen Gebrauch machen wollen und darauf Hinweise», Leuß habe in den Fall, durch Unwahrheit „die Ehre einer Frau zu retten", nur dadurch komme» können, daß er zuvor an der Ehre dieser Frau, der Frau seines Freundes, sich vergriffen halte. Immerhin kann der ohjcctive Beurtheilcr nicht verkennen, daß der Zeugeneid in dieser widerwärtigen Angelegenheit eine unglückselige Rolle gespielt hat und augenscheinlich auch noch weiter spielen wird. „Leuß", so führt z. B. die Münchener „Allgemeine Zeitung" aus, „hat sich des Meineids schuldig gemacht in einem EhescheidungS- processe, in welchem eine wahre Aussage von seiner Seile die Ehre der mitschuldigen Frau preisgegeben und eine Entscheidung zu deren Ungunsten hcrbeigcführt hatte, obgleich sie in der zu trennenden Ehe jedenfalls nicht der schuldigere Theil gewesen zu sein scheint; außerdem hätte er sich durch ein Geständniß selber der Strafverfolgung auSgesetzt. Run nimmt bekanntlich daS Strafgesetzbuch aus diesen letzten Fall Rücksicht, indem eS bestimmt, daß unter solchen Umständen die an sich verwirkte Strafe auf die Hälfte bis ein Viertbeil zu ermäßigen sei, und der Staatsanwalt und der Gerichtshof in Hannover haben denn auch die allerdings scbr hoch bemessene Normalstrafe von «> Jahren Zuchthaus auf die Hälfte herabgesetzt. Der unbefangene Beurtheilcr gewinnt aber nicht den Eindruck, als ob durch eine derartige Herabminderung der eventuellen Strafe den psychologischen Eigenthümlichkeiten der Situation eines unter solchen Umständen zur eidlichen Aussage Ge- nöthigten genügend Rechnung getragen würde. Eine Re form der Proceßordnunz müßte diese sittlich im höchsten Maße bedenklichen Eide womöglich ganz beseitigen, jedenfalls aber nach Thunlichkeit einschränken, und an gesichts der dem Reichstag vorgelegten Novelle zur Straf - proceßordnung und der gleichfalls in Aussicht genommenen Reform der Civilproceßordnung scheint gerade jetzt der rich tige Zeitpnnct zu einer energischen Vertretung dieser Forde rung gekommen. Der Proceß Leuß hat nun aber ein trau riges Nachspiel, das die Schäden unserer gegenwärtigen Zu stände in noch viel grellerem Lichte erscheinen läßt. Die völlig unerwartete ungünstige Wendung für den Angeklagten nahm der Proceß bekanntlich in Folge des Geständnisses der betr.Frau, die zu diesem Geständniß durch die Zureden deöGeist- lichen oder.nacd einer andcrenMeldung, deö Verkbcidigerö gebracht worden sein soll. Und nunmehr steht diese Frau, deS wissentlichen Meineids angcktagt, selber in straf rechtlicher Untersuchung! Dieses unerhörte Resultat des Processes Leuß möchte sich dann rechtfertigen lassen, wenn cs die Aufgabe unserer Gerichte wäre, möglichst viele Leute ins Zuchtbaus zu bringen; sobald man aber die Rechtspflege unter sittliche GesichlSpuncte bringt, stellt sich ein Verfahren, daS so den Meineid fortpflanzt, als eine heillose Verirrung dar. Diese Frau durfte nicht eidlich vernommen werden; wenn es doch geschah, so hat man cs hier mit einein schwere» Mißgriff des Gerichtshofs ober mit einem entschiedenen Mangel unserer Strafproceßordnung zu thun". Ueber das Urtheil im Proces; TreyfuS liege» nur erst ganz spärliche französische Preßstimmen vor. Unmittelbar vor der Fällung deS UrthcilS schrieb der ministerielle „TcmpS" sehr ruhig und besonnen: Wenn Dreysus schuldig sei, so könne weder die Armee noch irgend ein Theil der Bevölkerung getroffen werden durch die persön liche Thai eines einzelnen Individuums; wenn er aber unschuldig sei, so würden darüber nichl blos seine Kameraden, seine Freunde und Religionsgcnossen, sondern alle guten Franzosen ohne Unter, schied des Berufs, brr Kleidung oder des Glaubens sich freuen, denn alle hätten gewünscht, constatirt zu sehen, daß ein Soldat, irrthümlich angeklagt, sein Vaterland nicht habe verralhen können. Dann hieß es weiter: „Das Schicksal des Haupt- manns Dreysus und seine Ehre liegen in Len Händen von sieben Officieren, die ohne Tadel und über jeden Verdacht erhaben sind. Es giebt für einen Angeklagten keine zuverlässigere Jurisdirection, als diejenige, die aus seine-gleichen, aus erleuchleten und sachkundigen Männern besteht. Der Hauptmann Dreysus, sowie seine Ankläger und seine Bertheidiger wissen recht gut, daß es in der französischen Armee keine sieben Osficiere giebt, die fähig wären, einen Unschuldigen zu verurtheilen, noch sieben Osficiere. die fähig wären, einen Landesverräther frei,»sprechen. Da« muß uns genügen, um ohne Leidenschaft den Ausgang des Processes ab- zuwarten und volles Vertrauen in die Unparteilichkeit und die hohe Einsicht der Richter z» setzen." .. Allerdings hat die französische Hetzpresse alles Mögliche getban, um die Richter zu beeinflussen und ihnen die in gewissen Kreisen Frankreichs epidemisch gewordene Spionenfurcht zu nggeriren, aber wir wiederholen, daß wir» bevor der Beweis deS GegentheilS vorliegt, nicht an der Gerechtigkeit des RichtertribnnalS zweifeln, zumal da cö „och nicht lange her ist, daß der Präsident eines französischen Geschworenen gerichts in sehr ernsten Worten den Chauvinismus aus dem Tempel der Justitia gewiesen hat. Sollte der Ausfall deS Richterspruches diesem Chauvinismus neue Nahrung zusübren und auch ernstere Blätter anstecken — die Pariser Winkclpresse mag schreiben, was sie will — und sollte es zu neue» Angriffen auf die deutsche Botschaft kommen, so wird diese schon wissen, waS sie zu thun hat. — Was die Stimmung in Deutschland anbetrifft, so hat der „Figaro", der am meisten gehetzt batte, von der Meinung ausgehend, daß man sich in Deutschland lebhaft für die Ent wickelung der Angelegenheit intercssiren muffe, einen eigenen Berichterstatter nach Berlin gesandt, um die dortige Stimmung zu studiren. Derselbe ist aufrichtig genug, seinem Blatte zu melden, daß man in Deutschland sehr glcichgiltig über den Fall Dreysus denke. „AlS die französischen Blätter behaupteten", erzählt der „Figaro"- Berichterstatter, „die deutsche Botschaft in Pari« sei durch den Fall DreysuS blvßgestellt, habe der Kaiser sich über diese Bezichtigung sehr ausgebracht gezeigt und sich ganz sreimüthig zu seiner Umgebung darüber ausgesprochen. Es erscheine als sicher, trotz aller osficiösen Dementis, daß deshalb seitens der deutschen Botschaft in Paris bei Hern, Hanoteaux ein Schritt geschehen sei. Die öffentliche Meinung dagegen sei gänzlich theilnahmstos geblieben. Nach Allem, was ich beobachte» konnte, wird die Affaire TreyfuS, vorausgesetzt, daß nicht unvorhergesehene Zwischenfälle stattfinden, bald in Deutschland als ein einfaches t'uit. ckiver-, ohne Bedeutung angesehen werden. Aber es ist unbestreitbar, daß dasjenige, was man hier „unsere Manie, überall Spione zu sehen", nennt, eine gewisse Unzufriedenheit Hervorrust." Dem haben wir nichts hinzuzusrtzcn, eS sei denn die Be merkung, daß man i» Deutschland deshalb so ruhig bleibt, weil man fick nicht getroffen fühlt und eS dem französischen KriegSminister, General Mercier, gern überläßt, das Ossicicr- corpS seines Landes zu compromitiren. In England zweifelt man auch auf liberaler Seite nicht mehr daran, daß die Tage deS gegenwärtigen Ministeriums gezählt sind. So schreibt das entnill terriblo der Partei, der radieale Labouchdrc, in seinem Blatte „Truth": „Wie ich höre, ist eö eine beschlossene Sache, daß Arthur Balsvur der Premier des nächsten unionistischen Ministeriums sein wird, wenn es dazu kommt. Lord Salisbury wird dann Minister deS Acußern und Führer der Partei im Hause der Lords werden, während der Herzog von Devonsdirc zum Geheinisiegelbewabrcr bestimmt ist. Es beißt, daß auch Ebamberlain in aller Bescheidenheit seine Ansprüche auf das Schatzkanzleramt vorgetragen hat. DaS erzeugte aber einige Uneinigkeit im Lager der Verbündeten. Denn den Conservativcn flößt er ebenso wenig Vertrauen ein wie den Radicalcn. Sie betrachten Goschen als einen viel verläßlicheren Kinanzmann. Und damit stimme ich überein, obgleich ich leine besondere Vorliebe für einen der beiden Herren habe." Bei den am letzten Sonnabend in London vorgcnommenen Districtswahlen haben im All' gemeinen die Gemäßigten gesiegt. Der Wunsch der Radi' calen, „London zu erobern", hat sich nicht erfüllt. Von den Eandidaten der unabhängigen Arbeiterpartei und der Socia- listen ist auch nickt ein einziger gewählt. London ist stets aut conscrvativ gewesen. Es war nichts weiter als eine Anwandlung übler Laune, als der RadicalismuS bei den ersten Wahlen zum GrafschastSrathe triumphirtc. ES dürfte wohl mehr als zweifelhaft sein, ob bei den nächsten GrafschaftS- rathswablen im März 1895 sich die radieale Strömung in demselben Maße geltend machen wird. — Eine für England unliebsame Wendung haben die Angelegenheiten der ältesten britischen Colonie, ReusuntzlandS, in Folge der dort auS- gebrochenen finanziellen Krisis genommen, welche, wie man befürchtet, noch sebr nachthcitige Folgen für die Beziehungen dcr Eolonie zum Mutterlande haben wirb. Jn Folge derZahlungs- einstellung der beiden größten ncusundländischcn Banken, deren Noten daS ausschließliche Eireulationömittel der Insel bilden, stockt das Geschäft aus derselben derartig, daß die Regierung, deren Einnabmen ganz versiegt sind, vor dem Bankerott sicht. DaS neue, aus den Vertretern der KaufmannSpartei gebildete Ministerium Kat deshalb den i» der Geschickte der sclbstregierenden englischen Eolonien ohne Beispiel dastehenden Schritt aethan, die Reichsregicrnng um Unterstützung deS colonialen FiScuS anzugchcn. Seitens der britischen Regierung erklärte man hierauf, daß an die Gewährung dieses Ansuchens nur unter der Bedingung zu denken sei, daß die Eolonic ihre Selbstregicrung ausgiebt und wieder zu dem Status einer direct von London aus verwalteten Kroncolonie zurückkehrt. Falls das britische Eabinct auf diesem durchaus berechtigten Standpunct beharrt, >o dürste aus der Insel, deren Loyalität bereit« durch die unpopuläre Convention mit Frankreich über die Fischerei- Gerechtigkeiten einen barten Stoß erlitten Kat, vollends Un zufriedenheit mit dem Mutterlaudc auSkrechen. Nachdem die VolkSstimmuug sich schon in Folge der dringenden finanziellen Notblagc in bedenklicher Gäbrung befindet, hat sich die britische Regierung veranlaßt gesehen, für alle Fälle ein Kriegsschiff nach St. Job» zu schicke». Zwischen Etsiua und Japan scheinen die Friedens verhandlungen endlich beginnen zn sollen, nachdem die chinesische Regierung sich entschlossen bat, eine voNbeglaubigle Abordnung naä» Tokio zn entsenden. Die japanische Re gierung wird dieselbe „mit dem aufrichtigen Wunsch ein psangen, daß ibre Mission von Erfolg begleitet sein möge". Wir zweifeln stark an diesem Erfolge, denn die Forderungen Japans werde» derart sein, daß China nickt daraus eingehen kann und eS lieber aus de» „Kamps um Peking" ankommen lassen wirb. Die Japaner Lossen in diesem Kampfe Sieger zu sei» und dann in Peking die FriedenSbedingungen zu dictiren, weshalb die Tokioer Regierung eher alles Andre thn» wird, als die bevorstehenden Verhandlungen zu einem gute» Ende zu führen. Die Chancen Japans sieben ja fortgesetzt äußerst günstig, wenn ihnen auch hier und da, so am l9. d. Mts. bei Haitcbcng ein mehr geschlossener und ernsterer Widerstand eiitgcgcntritt: trotz tapferen Widerstandes wurden die 10 00» Man» starken Strcitkrästc des Generals Sung auseinander gesprengt. Vor allen Dingen hat sich die ckinesischerscitS aus den Winter als Bungesgenoffen gegen den siegreich vorrückende» Gegner gesetzte Hoffnung als trügerisch erwiesen. Die Japaner haben an keinem einzigen Puncte des Kriegsschauplatzes, durch Un bilden des Klimas gezwungen, ihre Operationen im Felde zu unterbrechen nötbig gehabt. Schwieriger ist allerdings die Fort fübrung des Feldzuges geworden, aber nicht in einem Grabe, welcher sich durä, eine wohlorganisirte Intendantur, die recht zeitig für den winterlichen Bedarf des Heere« Sorge trifft, nickt überwinocn ließe. So kommt eS, daß aus japanischer Seite die Winterstrapazcn nicht annäbcrnd so schwer empsunden werden als aus chinesischer. Ter bekannte englische Asienreiseiide Eapitai» Hounghusbanb, der auch den Russen aus dem Pamir einen Besuch abgestattet hat, kennt auch die Mandschurci aus einer Winterbcreisung und glaubt nichl, daß um diese Jahreszeit die Kriegführung dort um des Klimas willen unterbrochen zu werden brauche. Er sagt, die Kälte sei zwar sehr bedeutend, aber man könne ihr in warmer Kleidung sehr Wohl Trotz bieten. Da den ganzen Winter durch trockener Frost ohne zwischendurch ein- trclcndcs Tbauwetlcr herrscht, so ist feuchte Kälte, der ärgste Feind der Gesundheit für im Felde siebende Soldaten, dort nicht zu besorgen, und im klebrigen kommt eS nur daraus an, daß die Intendantur der Japaner über ungehinderte Com- Feuilleton. Sem Erbe. 10, Eine Familiengeschichte. Von M. von Buch. Nachdruck verbot»». (Fortsetzung.) Die Sonne stand tief im Westen und warf ihren Schleier über die Wolken, daß sie vom dunkelsten Purpur bis zum hellsten Gold erglühten. Da versank plötzlich der Ball, blasser und matter ward das Farbenmeer. Ein Windstoß rüttelte die Zweige der alten Kastanie, und ein kalter Hauch ging fröstelnd durch die Welt. „Es dunkelt", sagte Charlotte erschauernd, „ich muß beim." Heim, wo war ibr Heim? Dort, bei dem ungeliebten Manne? „Bei mir ist Dein Platz", sagte Eugen, den Arm um sie legend, „Du gehst mit mir." Traurig schüttelte sie daS Haupt. Nein, er besann sich, daS durste er nicht sagen, in Schwechtenkof war kein Raum für sie. Acrgerlich biß er sich aus die Lippen, als er seine Ungeschicklichkeit bemerkte. „Die ganze Welt siebt uns offen, mein Lieb", flüsterte er zärtlich, „ick werde unauffällig in Wellstädt Wagen uno Pferde besorgen. Niemand braucht um Deine Flucht zu wissen. Bestimme Du, wo Du bleiben willst, während Deine und Hollbracht'- Ebe gelöst wird." „Fliehen, wie eine Verbrechen» sollte ick fliehen?" DaS ganze Entsetzen über diesen ungeheuerlichen Plan stand ihr aus dem Gefickt geschrieben, aber er sagte nur: „Du mußt, mein Liebling, Du mußt. Freiwillig wird Dir das Haus, in dem Du wohnst, nicht geöffnet werden." Wieder durchschauerte sie es todestraurig, doch fester schmiegte sie sich an ihn; sie fühlte, daß sie mit einer Lüge im Herzen, mit Eugen s Küssen auf den Lippen nicht länger im Hause de- Gatten bleiben durste. Entschlossen richtete sie sich auf und blickte ihn an. „So werde ich Walddors verlass««» doch nicht allein ich, wem Kind yeh» mit mir." Er nickte ernst. „Beide sollt ibr mir gehören. Wann kommst Du?" Er geizte bereits mit den Stunden, die sie noch in Walddorf verleben mußte. — Als Charlotte die Allee hinunlerschritt, war ihre Flucht nicht allein beschlossen, auch der Plan dazu war bereits zur Reife gekommen. Am nächsten morgen fuhr Hollbracht nach Berkcnhauscn, darauf hatte die junge Frau gerechnet, zählte seine Abwesen heit doch nach Tagen. Sie erklärte der Dienerschaft, sie wolle für diese Zeit nach Schwechtenhof übersiedcln, ließ die Sacke» für sich unv Clemens zusammensuchen und begab sich sogleich, nur von dem Knaben begleitet, auf den Weg. Schmerzlich bewegt hatte sie Gerhard, hatte sie ihrem bisherigen Heim Lebewohl gesagt, doch stand sie unter dem Bann einer all gewaltigen Leidenschaft, die sic den Abschied leichter über winden ließ. Aus der Fahrt begegnete ihr, wie zufällig, Eugen'- Ge fährt. und wenn sich auch der Kutscher darüber wunderte, weshalb die Gnädige aussticz und im andern Wagen Platz nahm, der scheinbar ebenfalls Schwechtenhof zufahren wollte, so hatte er doch weiter kein Arg, ja, er erwähnte, zu Hause angelangt, nicht einmal dieses Umstande-. Eugen und Charlotte fuhren in die Residenz. Sie würde dort am leichtesten unerkannt bleiben, meinte die junge Frau, und in einer stillen, abgelegenen Straße mietbete sie sich ein Stübchen, in dem sie warten wollte, bis die Gerichte das lösende Wort gesprochen, bis sie und der Mann, den sic liebte, sich angehören durften fürs Leben. Als Hollbracht zurückkehrte, fand er schon einen Brief der jungen Frau vor, der ihn von dem Vorgänge in Kenntniß setzte und ihn beschwor, in die Scheidung zu willigen. Mit rührenden Worten bat sie ihn um Verzeihung, sie beschönigte ibre Thal nicht, doch sie flehte, nicht allzu hart mit ihr ins Gericht zu gehen, sic habe nicht gewußt, daß sic ihn nicht geliebt, bis zu jenem Tage, da ihr Herz erwacht und sie erkannt, daß ihr Fühlen und Denken fortan nur Eugen Schwcchlen gehören könne. Ihre und Eugens Adressen waren dem Briese bei- gefügt. Hollbracht entzifferte mühsam die kritzligen, thränenver- «ifchteu Federzüge, und es war, als habe »r einen Faustjchlag ins Gesicht erhalten. Der jähzornige Mann gcbcrdcte sich wie ein Rasender; hatte doch daS Weib, das er auf seine Weise geliebt, das er aus dürftiger Lage befreit, und dem er eine Stellung in der Welt gegeben, seinem Stolze eine uner hörte Wunde geschlagen. Ja, sein Stolz war verletzt, er fühlte sich gedcniüthigt, das war cs, waS ihn bis ins ticsste Herz kränkte — so dachte er wenigstens. Doch wirklich, einzig nur das? — Er hatte Gerhard nach Schwechtenhof geschickt, um allein zu sein, und wenn ihn das Schweigen der Mitternacht umpsing, oder wenn ihn bei Tage die Ocde de« stillen Hauses bedrückte, dann war eS, als fehle ihm etwas am Leben — das Beste, und er sann und sann und wußte doch nicht recht, WaS cs war. Einige Wochen vergingen. Die erste Wuth hatte sich ge legt, sein Blut kühlte sich, er wollte nickt mehr an die un getreue Frau erinnert werden und gab Befehl, in den Zimmern, die sie bewohnt batte, die Fenster zu verhängen und die Thürcn zu verschließen. Fortan sollte sie in seinem Hause als Todte gelten. Ehe jedoch seine Anordnungen befolgt wurden, ging er noch einmal Lurch die Gemächer. Noch war alles wie sonst, unverändert, die großblumigen Tapeten, die Hellen Möbel mit den rotben Seidenpolstern und all die zahllosen buutcn Kleinigkeiten, die ibr Freude bereitet und durch die sie die Räume so wohnlich und traulich gemacht. Sein Blick war finster; doch als er aus dem Ankleidezimmer in da- freundliche Kindcrstübchcn trat, in dem die Sonne durch grüne Fenstervorhänge schien, blieb er plötzlich betroffen sieben. Vor dem leeren Bettchen stand ein Stuhl mit Kindersachen, und Hollbracht legte sie behutsam zusammen, che er sich auf ihn niederließ. Lange starrte er aus das Lager, aus die achtlos durcheinander geworfenen Kiffen, und dann fuhr er sich mit der Hand über die Augen, als blende ihn etwas. Fast zärtlich fuhren seine Finger über die kleinen Decken, als er vor sich hinflüsterte: „Jetzt weiß ich, WaS mir fehlt, mir fehlt daS Kind." Charlotte« Rechtsbeistand hatte indeß den Antrag auf Scheidung bei den Gerichten eingereichl. Hollbracht ließ durch seinen Anwalt mit der Gegenpartei verhandeln, »ach er drang entschieden aus Schlitzung. Boa ih« direct hasta^'ch Wakddorf« Grenzen erweitert und abgerundet habe die junge Frau keine Antwort bekommen, ja, sie erwartete sic Wohl auch kaum. Da klingelt cs eines Tage« an ihrer Thür, und als sie öffnet, steht die Hobe, kraftvolle Gestalt deS verlassenen Gatten vor ihr. Sie erschrickt, doch das Kind, daS am Boden spielt, schreit laut auf und schwankt jauchzend dem Ankommenden entgegen. Hollbracht bebt eS mit unendlicher Zärtlichkeit auf den Arm und drückt immer wieder seine bärtige Wange an die weiche deS Kindes, daS lustig strampelnd die Acrmchen um seinen Hals schlingt. Charlotte sicht der Scene herzklopseud zu, endlich sagt sie: „WaS willst Du?" „DaS", sagt er und zeigt aus daS Kind. „Gieb eS mir." „Den Knaben! Nimmermehr! Er bleibt bei mir, Du hast ja noch Gerhard." „Er!" erwidert der Man», und sein Ton klingt bart und kalt. „WaS soll mir Gerhard? Nein, ich will Clemens wieder baden, er ist mein Kind." „Und das meine", fällt die junge Frau angsterfüllt ein. Ich bin die Mutter und babe daS erste Recht an ihn." Hollbracht lackt bitter auf. „Hast Du daS Recht aus ihn nicht verwirkt?" meint er. „So müssen wir eS daraus ankommen lassen, wie die Gerichte entscheiden", entgegnete Ebarlotte mit Würde, „ich meine, gänzlich wird man mir ein Anrecht auf ihn nicht ver sagen können." „Hör mich, Ebarlotte", sagt Hollbracht plötzlich. „Ich will die Scheidung beschleunigen, so viel in meinen Kräften steht, mein Anwalt soll Dir jede Eoncession machen, die Dir irgendwie von Vorlbeil sein könnte, kurzum in >edcr Weise will ick Dir entgegen kommen, überlasse mir nur freiwillig den Knabe», räume mir alle Reckte über ihn ein, denn er —" „Nein, »ein", unterbricht ihn die junge Frau, „nimmer mehr!" „Laß mich z» Ende sprechen", fährt Hollbracht fort, „denn er soll mein Erbe werden!" Kreidebleich tritt sie zurück. „Dein Erbe?" wiederholt sie. „Wie ich Dir sage. Ich habe die freie Verfügung über die Aüter, und die soll Clemens erhalten. D* wer-l.
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