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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.12.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-12-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941229027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894122902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894122902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-12
- Tag1894-12-29
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OrSster, Schriften lant ans««» PrM» «rrzrtchlllß. rabellariicher «nh ZistjmchlG »ach höhere» Tarif. Orte«-Beilage» (gefalzt), nnr nett he. Morgen-«-«gäbe, ohne Postdeiörderimg >l 60.—, mit Postbefördtrnng ^l 70.—^ Jinaahmeschluß fär Anzeige«: Ub«nd-Su»gabe: Bormittag« 10 Uhr. Marge a.Autgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Soan- und Festtag« ftüh '/^ llhr. Lei den Filialen und Lanahmeslellei l je «tn« halb« Stnad« srüher. A»zri»en find stet» -n die Ltt ehttta« z» richten. Druck und Verlag von S. Polz in Leipzig Sonnabend den 29. December 1894. 88. Jahrgang, Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Lonntag, den 30. December, Vormittags nur bis V-0 Uhr geöffnet. Expedition des ^eipri^er ^a^edluttes. Politische Tagesschau. * Leipzig. 29. December. Ueber den AuSgang des Berliner BierkrtegS gehen die Meinungen weit auseinander. Das am Borabend von Weih nachten zwischen Herrn Singer als Bcrlreter der Boycvtt- commission und Herrn Rocstcke als Vertreter der Ring- draucrrien vereinbarte und gestern von den Berliner Social- dcmokraten gebilligte Abkommen wird von der einen Seile als eine Niederlage der Brauereien, von der anderen als eine solche der Socialdemokratie bezeichnet. Zu den Blättern, welche die erstere Auffassung vertreten, gehört die „Nordd. Lllaem. Ztg.", die nicht nur die bittersten Vorwürfe gegen die Brauereien erhebt, sondern ihnen auch die schnödesten Motive unterschiebt. Sie schließt nämlich ihre Betrachtungen über daö Abkommen, durch das angeblich die Berliner Brauereien aushörcn, Herren im eigenen Hause zu sein, mit folgenden Sätzen: „ES liegt nahe, nach den Gründen dieses von der bisherigen festen Haltung ausfallend abstechenden Einjchwenkens der Brauerei- bescher zu sragen. Merkwürdiger Weise werden nun in einem Berliner sreifinnigen Organ die Socialdemokraten daraus auf- merksam gemacht, das, ihnen doch „bei der gegenwärtigen politischen Situation sehr viel daraus ankommen müßte, daß ihnen eine ge- nügende Anzahl großer Bersaminlungs.Locale zur Beringung steht", die sie mit Aushören des Boycott« und damit der Saalsperre gewinnen würden. Es kann hiernach nicht als eine willkürlich« Bermuthung oder gar „Verleum dung" bezeichnet werden, wenn die Erklärung austancht, daß das politische Interesse, die socialdemokratischc Be. wegung in Berlin im gegenwärtigen Augenblick von vieler empfindlichen Feffel zu befreien, bei de» Führern der Sache der Brauereien über oie bisher sestgehaltenen Gesicht«, puncte der persönlichen Würde, des wohiverslandeuen eigenen Nutzens und der Pflicht gegen die Gesammtheil überwoL." DaS heißt mit anderen Worten, die Führer der c^achc der Brauereien haben sich selbst aus dem eigenen Hause hinaus geworfen, um aus politischen Gründen die Socialdemokratie von einer Fessel zu befreien. Diese Insinuation gegen Leute, die monatelang unter großen Opfern in einem schweren Kampfe gegen die Socialdemokratie ausgebaltcn baden, ist so widersinnig, daß sie sich selbst richtet. Andererseits ist es unrichtig, von einer völligen Niederlage der Socialdemokraten zu reden, denn diese sind, wie wir schon vorgestern hervor- gehobrn haben, allerdings im Princip zurückgewichen, haben aber in concreten Einzelheiten eine Nachgiebigkeit der Brauereien erzielt. So haben sie auf die Zusage verzichtet, daß die Brauereien Arbeiter, die am ersten Mai streiken, nicht entlassen, oder ihnen den Lohn entziehen; aber da die Streikcr bei der letzten Maifeier ziemlich glimpflich weg kommen, so ist es keineswegs ausgeschlossen, daß am nächsten l. Mai neue Streitigkeiten entstehen. Ob das geschieht, muß man abwartcn. Line Anregung dazu liegt für die streit süchtigen Brauereiarbeiter darin, daß die Brauereien nicht Fenillrt-n. Sein Erbe. I3> Line Familiengeschichte. Bon M. von Buch. Nachdruck «rrdotru. (Fortsetzung.) Heute war im Hause ohnehin Hast und Unrube. Aus den Treppen war fortwährendes Hin und Hcrlaufen, und im Seal, wo die Tafeln ausgestellt wurden, hörte man dämmern und pochen und dazwischen Clemens' belle Stimme, der seine Befehle kurz und herrisch erthcilte. Er war eben der junge Gebieter, der vollständig als Herr beirachtct wurde und sich als solcher fühlte, wenn er sich wobl auch nicht klar darüber war. Er batte Guirlanden aus Laub und Tannenzweigen winden kaffen, »ach seinen Anordnungen mußten sie an den Wänden angebracht werden; im Park ließ er Lampions ver- lbrilen. Ueberall war er, sah nach dem Rechten, und wenn er auch die Leute bin- und berjagte »nd schwer zu befriedigen war, so hatte er doch die Genuglhuung. daß jedes Ding den wirkungsvollsten Platz erhielt, und daß nach Fertigstellung der blumendurchduflete, geschmückte Saal ein reizende« Bild bot. „Es wird hübsch werden beute Abend", sagte Clemens als er den letzten, prüfenden Blick aus sein Werk warf und sich gestand, daß er zufrieden mit sich war. Gerhard lag lang auSgestreckt aus dem Sopha und blies den Rauch einer Cigarre nachdenklich vor sich hin, als Clemens bei ibm eintrat, um sich sogleich todtmüde auf einen Stuhl zu Wersen. „So abgespannt", nieinte Gerbard, bald lackend, bald bedauernd, „gieb acbt. Du wirst heute Abeno schleckt tanzen " „Werd' ich?" lächelte Clemens, und die hübschen dunklen Augen blitzten übermüthig aus. „Du weißt nicht, wie brennend gern ich tanze, wie schön eS ist. wenn mir da- Blut in den Adern packt und pulst, wenn ich laut den Schlag des Herzens fühle. Nicht, Gerbard, «S ist herrlich, leben und jung sein?" Gerhard nickte und warf ibm eine der Rosen zu, die er in der Hand hielt Sein Gegenüber fing sie auf AlS er aber neben der Rose eine unerscbloffene Blütbe bemerkte, sagte er säst bedauernd: „So junge Kno-pen solltest Du nicht brechen, es ist wirklich schade um sie!" mit ihren Arbeitern allein, sondern mit der social- demokratischen Boycottcommission verhandelt haben. Darüber schreibt der „Schwäb. Merc.": „Alles Andere tritt bicc zurück gegen die Tbatsache, daß die Brauereien mit der Socialdemokratie als solcher ver» handelt und dieselbe dadurch als berechtigte Vertretung der Arbeiterschaft anerkannt baden. Ein Zweifel über dielen Punkt ist nicht möglich, denn Paul Singer wird in dein Protokoll officiell als „Bevollmächtigter der Vertreter der bei dem Berliner Bierboycolt iuteressirten Partei, Gewerkschaft!«, und sonstigen Ar- beiterorganijationen" bezeichnet. Anfangs haben die Brauereien jede Einmischung der Socialdemokratie al« Partei in ihre Differenzen mit ihren Arbeitern aus das Entschiedenste zurück- gewiesen, und sie haben daran, trotz der mit Singer und Auer schon srüher gepflogenen Verhandlungen, im Princip bis in die allerletzte Zeit sestgehalten. Es ist kein Geheimniß. daß sie hofften, durch freiwillige Errichtung eines Arbeitsnachweises, also durch Schaffung einer sehr zweckmäßigen Einrichtung, welche zugleich die Erfüllung eines durchaus berechtigten Wunsches der Arbeiterschaft darstellt, der socialdemotratische» Boycolt- commijsion den Boden entziehen zu können, so daß die letztere den Boycott nicht mehr ausrecht zu erbalten vermögen würde. Die Commission bat in der Thal die Errichtung des Arbeits- Nachweises zum Anlaß genommen, ihre bisherige Stellung aus- zugeben; aber die Brauereien habe» nicht abgewartet, bis der Boycott von selbst aushören würde, sie haben mit der Com- Mission nicht allein Verhandlungen gepflogen, sondern sich von der- selben auch Bedingungen auserlegen lassen. Immerhin möchten diese, Angesichts des in Frage stehenden Friedensiutercffes, unbedenk- lich erscheinen, wenn sie zwischen Arbeitgebern und Arbeitern direct vereinbart wären. Der Schwerpunct liegt darin, daß es der Führer der deutschen Socialdemokratie ist, welcher die Be. dingungen dictirt. Es ist unmöglich, daß sich der Verein der Berliner Brauereien über die unvermeidlichen Folgen dieser Tbatsache einer Täuschung hingiebt. Tie fraglichen Unternehmungen werden form» unter einer organijirten socialdemokratischen Ueberwachunq stehen, und in jedem Streitsalle wird sich der Arbeitgeber nicht einzelnen Arbeitern oder höchstens einem Gewerk- verein, sondern der gelammten Socialdemokratie gegen- über sehen. Wenn der Berliner Brauervercin trotz solcher Ans- sichten sich zu diesem Friedensjchiusse bereit finden lassen konnte, so ist das nur dadurch erklärlich, daß er sich von seinen Berussgruossen, von der de utschenJndustrie überhaupt, verlassen sah. Und das ist recht eigentlich das Betrübende an der Sache. Was heute dem Brauergewerbe widerfahren ist, kann morgen einem anderen Gewerb«zweige begegnen, und am Ende wird die ganze deutsch« Industrie dem einschüchteradei, Einflüsse der Socialdemokratie unter- warfen werden. Die energische Brthätigung eine« klaren Gemeingefühls der Industrie würde diese Entwickelung ver. hüten können, die gemachte» Erfahrungen lassen jedoch wenig Hoff, nung, daß eS geschehen wird. Um so nothwcndiger wird es, daß der Staat der bedrohten Wirthschaftsordnung einen wirksamere» Schutz gewährt." Wie in dieser Ausführung ganz richtig angcdeutet ist, würde der Ausgang ein anderer gewesen sein, wenn die Brauereien denselben Rückhalt gehabt hätten, den die von der gesammten Socialdemokratie unterstüylcn Rixdorfer Brauereiarbeiter fanden. Daß die Brauereien mit un genügender Unterstützung, ja sogar gegen Berufsgenoffen kämpfen und endlich mit der socialdemokratischen Führerschaft unterhandeln mußten, ist für die Socialdemokratie die erfreu lichste Seite der Sache. Sie nehmen daher ihre großen und principiellcn Zugeständnisse sehr leicht und überlassen das Weitere der Zukunft und der .Kraft ihrer Organisation. Ob sie Grund zum Triumphiren habe», wird sich, wie gesagt, bei und nach der nächsten Maifeier zeigen. Haben die deutschen Industriellen die Lehre begriffen und beherzigt, dir in dem Abschluß des Berliner BierkriegeS liegt, so ist dieser Abschluß von Segen; im anderen Falle wird auch der Staat Diejenigen nicht schützen können, die trotz der Einigkeit eines machtvollen Gegners gegen einander wüthcn. Von einem Kenner in Marinesacken wird der „Nat.- Lib.-Corr." geschrieben: Bon den drei geschützten Kreuzern, welche in der neuen Marinevorlage gefordert werde», sollen zwei im weiteren Vollzüge des bekanntlich im Ganzen ge nehmigten Flottenbauprogrammcs von 1889, zu dessen Cr- rillung, obwohl sie alle >895 fertig sein sollte», noch sechs -eklen, gebaut werden. Der dritte soll als Ersatzbau für die l874 vom Stapel gelaufene, noch in Holz construirle, völlig ausgebranckte „Freya" bergeslcllt werden. An veralteten, für heutige Bedürfnisse zu langsamen und aller Schutzmittel gegen die neuere Artillerie baaren Kreuzern 3.Clasie besitzt unsere Flotte, außer der „Freya". noch fünf. Davon sind drei, „Alexandriue", „Arcona" und „Marie", Schifft von 2100 bis 2373 Tonnen, bei der Krcuzerdivision in Ostasien. Panzerkreuzern und clbst nur geschützten gegenüber baden sie, trotz ibrcr acht bezw. (die zwei größeren) zwölf langen l5 Ctm. Kanonen, eben wegen ihrer Schutzlosigkeit und leichten Verscnkbarkcir durch Schncllfcuergeschütze einen nur sehr geringen GcsccktS- werth. Gegen TorpedoboolSangriffe sind sie zwar mlt je 4 bis 3,7 Ctni.-Revclverkanonen ausgerüstet, jedoch besitzen ic keine eigentlichen Schnellseuergeschütze. Da ibr baldiger Ersatz durch vollwerthigc Schiffe ein dringliches Cr- orderniß ist, erscheint es sehr wichtig, daß der erste Ersatzbau, der für die „Freya", sicher bewilligt und in den nächsten Jahre» mit neuen Ersatzbauteil sort- gesahren wird. Der Bau eines solchen Kreuzers er- ordcrt eine Zeit von zwei Jahren. Man kann Wohl annebmen, daß mehrere — vielleicht schon drei — nur geschützte Kreuzer es mit Aussicht ans Erfolg wagen können clbst einen gepanzerten anzugreisen. Denn die Conccntration de« Feuers ihrer zahlreichen Schiielllabegcschütze muß doch beim Gegner eine gewaltige Wirkung bervorbringen, da seine Bordwände ja nickt durchaus gepanzert sind, seine Decks aufbanten, Gescchtsniaslen und Marsen, die dünnen Stahl schirme seiner leichten Artillerie, diese selbst, ja die lcickleren, sich mit den Geschützplaltsormen drehenden Kuppeln seiner feste» Panzertkürme unter solchem Massenfeuer rasch zerstört sind, auch alles Brennbare an Bord bald in Flammen steht (Ersabrungen dcS chinesisch-japanischen Kriege«, die bei Neu bauten gewiß tbunlichst berücksichtigt werden.) Andererseits können die geschützten Kreuzer den gepanzerten durch gleich zeitigen Angriff von nichrcrcn Seiten so in die Enge treiben, baß er sich, selbst durch geschickte« Manövrircn, ihren Torpedo-Treffern nur schwer wird entziehen können. Unsere veralteten ungeschützten Kreuzer kommen aber gepanzerte» gegenüber überhaupt nicht mehr in Betracht Da nun Deutschland nickt reich genug ist, um nur Panzer kreuzer in seiner überseeischen Division zu unterhalten, was freilich daS Beste wäre, wird eS sich damit begnügen müssen, diese, neben einem mächtigen gepanzerten Admiralschiff, wenigstens aus geschützten Kreuzern bestehen zu lassen ES müssen also baldigst durch solche die oben ge nannten werthlosen drei Schiffe ersetzt werden, damit unsere Kreuzerdivision endlich ein Factor werde, mit dem unsere Gegner militairisch rechnen muffen. Bor Allem aber müßte daS Schiff, das dieser Division Kern und Halt geben soll, der geforderte Panzerkreuzer, bewilligt und sein Bau noch in diesem Sommer in Angriff genommen werden; denn seine Bauzeit beträgt volle vier Jahre. So lange würde es also im günstigsten Falle noch dauern, bis ans unserer ^kreuzerdivision das wird, was mit gutem Bor bedacht die leitenden deutschen Marinebebörden daraus zu machen beabsichtigen, in dem Bestreben, Deutschland endlich in den Stand zu setzen, seine lranSoceanischen Interessen gebührend und mit dem nöthigen Nachdrucke schützen zu können! In Schweden-Rormcgen ist die leidige ConsulatS- frage, welche m gewissen Grenzen geregelt und bei beider seitigem Entgegenkommen leicht au« der Welt zu schaffen wäre, von den norwegischen Radicalen aber als Mittel der LoStrennung von Schweden benutzt wird, noch iwiner nicht gelöst und wird auch da« nächste Storthing wieder beschäftigen. Wie erinnerlich, bewilligte das letzte Storthing den Beitrag für da« geuicinsamc ConsulatSwesen nur für das Halbjahr Iuli-Tccembcr; vom I. Januar 1895 ab sollte Norwegen dann sein eigene« ConsulatSwesen haben. Die unter dieser Bedingung bewilligten Mittel werden aus Vorschlag des norwegischen Ministerium« deS Innern als nickt bewilligt angesehen und die ConsulatSkostea, soweit -ic nickt durch die bei den gemeinsamen Consulalen ein gebenden Consulats Abgaben gedeckt werden, an! der nor wegischen StaaiScaflc bezahlt (soweit sie Norwegen aogchen). DaS diplomatische Budget batte daS Storthing unter der Be dingung bewilligt, daß die Gesandtschaft in Wien, soweit sie Norwegen betrifft, ausgebobcn werde. Wenn Schweden seiner citS die Gesandtschasl aus seine Kosten ausrccktcrhalten wolle, so wäre dicS seine eigene Sacke. Ging Schweden hieraus ein, so würde eS damit gewissermaßen anerkennen, daß dicNorweger nach Belieben den einen oder andern Tbeil der gemeinsamen diploma tischen Verpflichtungen löse» könnten, und die Norweger Kälten eincn vortreffliche» Präcedeozsall. Hiermit ist eS aber nichts, da der König in dein verflossene Woche in Christiania abgehallene» StaalSrath der in dieser Frage vom norwegi scken Ministerium des Innern abgegebenen Begründung bcigetrelcn ist, wonach die Aufrechter kallung der Wiener Gesandtschasl als wünschcnSwcrlb bezeichnet wird. Dem gemäß Kal König Oskar die Aujrechlerbaltung der Wiener Gesandtschasl verfügt. Dem Stortkingsbeschluk! ist dadurch aus dem Wege gegangen, daß der bedingungsweise bewilligte norwegische Beitrag für das Budget deS Auswärtigen als »icklbewilligt a»ge>ebcn »uv die Mittel für die gemeinsame Diplomatie der beiden verciniglc» Länder vorläufig aus schließlich von Schweden allein bezahlt werden. Dem neuen. Storibing wird eine Vorlage zugeben, uni die von Schweden ausgcleglcn Kosten aus der norwegischen StaatScaffe zurück- zucrbaUcn. Wie in diesem Falle, werden wohl auch lünstige Versuche der radicalen SlorlbingSinehrheit, dadurch eine allmähliche Abbröckelung der geincinsamen Einrichtungen herbeizusithren, daß man an die Bewilligung dcS Budgets bedenkliche Bedingungen knüpsl, vereitelt werdeu. Das Thema der englisch-russischen Annäherung beschäftigt die Blätter noch fortgesetzt, neuerdings auch mit Hinzunahme Frankreichs als dritten FaclorS im Bunde, ohne daß sich bi« jetzt in der Sache llarer blicken ließe. Es fehlt freilich nicht an Lculcn, die sich überhaupt nicht weiter darnm be mühen, eine» klaren Einblick in Machenschaften zu erhalten, die ihres Erachtens »ur Spiegelfechterei sind und nicht ernst genommen zu werde» verdienen. Tbatsache ist jeden falls, daß die vcrnicinllichc Annähernng zwischen den genannten Mächten bis jetzt nur in den Spalten der Tagespreise wabrncbmbar gewesen ist, und daß sonst kein einziges in dieser Richtung verwertbbarcS positives Symptom weder au« London nock au» Petersburg rcgistrirt werbe» kann Die armenische Frage, von welwer mancher einen ausklärenden Lichtstrahl erwartete, verbirgt sich hartnäckig hinter einem Liebet von widersprechenden Commentaren, und im klebrige» ermangelt die derzeitige internationale Con stellation aller Merkmale, an denen die Entwickeln»^ der englisch russischen oder auch der cnglisch-russischcn-sranzöftschea Beziehungen unter dem vorhin angegebenen GcsichtSpuncte geniessen werden könnte. Als unbeglichene Puncte sieben am englisch-russischen Horizont die Pamirsrage, am englisch-fran zösischen Egypten. Beide sind nichts weniger als leicht aus der Welt zu schaffen, wenigsten« nicht, wenn England nicht im Vorhinein allen an ihn herantretendcn Zumutdungen sich anbequemen will. Und dazu bezeigt c» keine wahrnehmbare „Ach, eine Blüthe mehr oder weniger auf der Well macht keinen Unterschied", meinte Gerhard. „Wenn Du so etwas bedauerst, wirst Du nicht weit kommen in der Welt!" Clemens aber lächelte und schaute den blonden Riesen bewundernd an. „Ich möchte einmal so werden wie Du, Bruder!" Sein Vorbild richtete sich belustigt auS seiner bequemen Stellung aus, legte die Cigarre fort und sagte, den hübschen, scingliedrigen Knaben kopfschüttelnd betrachtend: „Du bist doch noch ein rechtes Kind!" Am Nachmittage rollte Wagen aus Wagen heran. Hollbracht begrüßte die Gäste, und Gerhard stand neben ihm, um die Glückwünsche der fremden Mensche», die er in seinem ganzen Leben vielleicht ein oder zwei Mal gesehen batte, in Empfang zu nehmen; ihm kam das ganze Schau spiel unerhört albern vor. Er, ein Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit in dem Hause, in welchem er nicht heimisch war, — es war eigentlich ein Hob» auf die Stellung, die er darin eingenommen hatte und noch einnahm, und es kam ibm vor. als fühle sein Vater das Gleiche. Zu der Rolle, die er bier spielen sollte, würde sich entschieden Clemens weit besser geeignet baden, Clemens, der plaudernd und lachend aus und ab ging und den blonden, breitschultrigen Osficier für den Mittelpunct des Ganzen kielt, ohne zu ahnen, daß er selbst eS war. Sein drittes Wort war: mein Bruder. Und der Bruder stand in der Ecke finster und unnahbar, weil er fühlte, daß seine Stellung eine ganz andere wäre, wenn der dunkle Kops mit den schwarzen Äugen in der Gesellschaft fehlte, und doch ärgerte er sich unbeschreiblich, daß er das überhaupt nur denken konnte, denn Clemens war ein gutbcrziger, lieber Junge, der nichts für die ganzen schiefen Verhältnisse konnte. Den sruchtlosen Grübeleien entriß ihn der alte Major von Schwechten, indem er zu ihm trat und sich nach seinen dienstlichen und militairischen Angelegenbeiten erkundigte. Auch Frau von Schwechten, noch immer eine rührige Frau, saß eine Zeit lang neben ihm, wunderte sich, wie ähnlich er seinem Vater geworden war, klagte über dir Dienst boten und erzählte allerlei Interne» an« ihren Ställen. Dazwischen aber sab sie ihn so erwartungsvoll an, daß er endlich ganz offen fragte: „Wünschest Du etwas von mir, liebe Tante?" „Ja, mein Junge", sagte sie erleichtert, „ich möchte einmal mit Deinem Vater unter vier Auarn sprechen: nim» ihn einmal unbemerkt bei Seite und führe ihn in sein Arbeitszimmer." „Ich? Ich glaube, Du würdest Dich besser an Clemens wenden", meinte er, die Gestalt de« Vater« mit den Augen suchend. „Nein, nein, Clemens will ick gar nicht dazwischen haben; eben seinetwegen will ich untcrbandeln." Gerbard warf ihr einen erstaunten Blick zu. Er dachte an das Gespräch mit Lene und was sie ibm von dem unerwarteten Besuch in Schwechtenbos erzählt hatte, und hastig fragte er: „Ist sie, ist seine Mutter wirklich bei Dir gewesen?" „Nun ja, Du hast auch schon davon gehört, wie ich merke. Ich hätte mich gar nicht auf die Sache einlasscn sollen", fuhr sic seufzend fort, „hätte die erbetene Ver mittelung gar nicht übernehmen sollen, doch ick konnte der armen Frau gegenüber nicht Nein sagen. Sie möchte Clemens so gern einmal Wiedersehen; er ist ivr Kind und sie hat ein Recht daraus." Erregt fuhr sie mit dem Taschentuch über daS erhitzte Gesicht. „Warum bat sie sich ihres Rechtes begeben?" fragte Gerhard, der sehr ernst geworden war. „Ja, warum? Siebst Du, da« ist der dunkle Punct, über den ich mir auch nicht klar lvcrden kann. Aber ich bin nicht ihr Richter, ich kann sie nicht anklagen, ich kann sie nicht verdammen Es ist ein wunderlich Ding um daS Menschenberz! Willst Du mir den Vater aussucken?" „Glaubst Du, daß die Sache Erfolg hat?" fragte er statt aller Antwort. „Ich hoffe »nd wünsche eS — ibretwegen Ich bin alle Zeit fürs Praktische gewesen und bade mich nicht mit vielen Gefühlen verweichlicht, aber als sie so vor mir stand und schluchzte und siebte, wabrbastig, viel hätte nicht gefehlt, daß ich mitgeweint bätte wie ein Kind. Und doch hätte ick eigen! lich alle Ursache, ihr zu zürnen, denn ick habe mich ihret wegen von Eugen, den ich immer wie meinen Sohn gehalten, loSsagen müssen." „Du bast also seit jener Zeit mit dem Paare nicht mehr im Verkehr gestanden?" fragte der Neffe. „Wie durfte ich wohl, Gerhard?" meinte Frau v. Schwechten. „Jammer und Elend haben sie über Vie Familie gebracht, und ich habe mich ihrer geschämt, und doch haben mir die beiden wieder so leid gethan, so furchtbar leid — Gerhard ging, nach dem Vater spähend, durch die Zim mer. Inmitten der Jugend saß Lieselott Iaßnitz, rosig und frisch, wie eine Apfelblüthe, nn weißen Kleide mit rosa Schleifen, und sic nickte ihm freundschaftlich zu und bot ihm den Play an ihrer rechten Seite an, der gerade leer war. Er entschuldigte sich, so gut eS ging, aber er kam sich doch wie ein rechter Bär vor, als er ihn nicht annahm, sondern kalb verlegen, halb ärgerlich weiter drängte, woraus der Stuhl sofort anderweitig mit Beschlag belegt wurde. „Mein alte« Unglück", dachte er, „natürlich nimmt sie mir die Ungezogenheit furchtbar übel; ich kann eS ihr ja auch gar nicht verdenken, und Clemens — er kann ja auch nicht dafür, aber er steckt doch wieder dahinter. Gottlob, da ist der Vater!" Als er seine Mission erledigt, fand er Clemens neben Lieselott sitzen. Dieser schien ihm seinen Wunsch an den Augen abzulescn, freudestrahlend stand er aus und machte dem Bruder Play. Ja, er war wirklich ein guter Junge, und Gerbard begann die Feier seines Geburtstages von diesem Augenblicke an ganz erträglich zu finden. Die Wcllstädlcr Musik that ihre Schuldigkeit, und wenn auch Flöte und Hörner etwas verstimmt waren und die Geigenspieler zu Zeiten daneben griffen, so störte da« die allgemeine Heiterkeit nickt sonderlich. Im Park brannten die Lampions, »n Saal schallte» Tanzwciscn, und vergnügte Menschen gingen bin und her. Ueberall war Lachen und Fröhlichkeit Beim Abcndbrod brachte der Major den Toast auf da« Geburtstagskind aus. Gerhard'« Gesundheit wurde unter nickt cnkenwollenbe» Hnrrabruscn getrunken, die Musik blies Tusch, und die beiden Brüder standen Hand in Hand und blickten sich tief in die Augen Nur als sie ansticßen, sprang ein Glas. „Meines", ries Clemens. „Gut, daß es nickt da» Deine ist, Gerbard! Ich feiere beute nicht Geburtstag!" Alle« war eitel Lust und Fröhlichkeit, und Niemand abnte. Laß in dem Ranine, darin die Lust Widerhall», das Ver hängniß wobnc. und daß der Hausherr, der so fröhlich und guter Dinge unter den Gästen plaudernd cinberging, eS selbst beschworen hatte. Clemens that seiner Tanzlnst vollstes Genüge Cr flog mit allen Damen durch den Saal, mit alle» wie uiit jungen, eS war ihm vollständig gleich; er tanzte und tanzte, als hinge Leben und Seligkeit davon ab. und meinte schließlich lachend, er habe Lorrath davon gesammelt aus lauge Jahre. Gerhard
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