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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188805305
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880530
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880530
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-05
- Tag1888-05-30
- Monat1888-05
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1888
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SS42 über die Ratss^gr be« Oberhaupt»« der kathoklsche» Kirche Hk« wepru'ctz?,.. v,err Paruell Ist als Protestant durch dm Erlaß bei AaiicanS allcc.'ing) nicht getundeu, gerade er batte ober ohnehin sederze k erklärt, daß er der, irischen „FeldziigSplan" nicht billigen könne. Die von den katholischen ParlanieiiiS-Mitgliedcrn in Dublin ai'.Sqeganrrne .Kundgebung gegen den väpstlicheo Erluß bedeutet bloß eine Rechtfertiguni ihcei bisherigen Haltung, ohne jedoch die ihrer seits für die Zukunft beabsichtigte Politik vor-uzeichnco. Der „Feld- zugsplin" bni iiue Tchn.d.gkcit oettian, da er rin« grobe Anzahl vo» Gut-ociitzern zur Herabikpung der Pachizinje gezwungen hat. Angesicht. de-> nee,versenden Uriheilj des Papste», de» WideriprucheS de» Herrn tzanicll und der englilchen Radicalen bleibt nunmehr nichts übrig, als deu Feldzugsplan a> ständig uiiter enilvrechende, Leichenrede», w.» »enc der Herren Dillou und Heaiy es waren, zu bestatten. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dag die »rische Nationnttigs sim in den letzten Zügen befinde. Die Subscrivtio uen für diese» Zweck sind noch iinmer Nicht in Abnahme begriffen und es fi iven immer neue Verhaftungen von Rednern der Liga statt. Uebcrdies ha» der Besuch oeS Herrn Chamderlaia bei Sir William Harcourt deu Gerüchten von einer nahe bevorstehenden Wiederveivmigung der liberalen Partei neue Nahrung zugisührt, umsomehr, als du» Organ des Herrn Ehamberlain in Birmingham sich kürzlich dahin geäußert hat, baß es unmöglich sei, Irland mit Gewalt zu regieren, ,»>d daran den Vorschlag geknüpft hat, für die vier Provinzen Irlands gesetzgebende Körperschaften einzusühren. welche durch daS englische Parlament controlirt würden. Dieser Vorschlag bedeutet eine Abänderung de» Homo rnl«. welche vielleicht von d-.ii itzladstoneaner» und Parnelliten als Abschlagszahlung an genommen würde, wenn sie die Gewißheit erhielten, dag dann die liberalen Nmouisteil ihre aus den Sturz der Regierung gerichteten Bemühungen unterstützen würden. In Oppositions-Kreisen hült man den gegenwärtige» Augenblick hierfür nicht ungeeignet, da Herr Go'chen durch die Besteuerung der Wagenräder und seinen Antrag, die Bierbrauer iür die Schliessung der Bicrverichleiße zu entschädigen, einen Sturm gegen daS Labinet hervorgeruftn Hot. Tie Niederlage de» conftrvuliven Laudidaten m Southampton, wo der G-gencaudidat mit einer Mehrheit von 800 Stimmen siegle, wird als eine Wirkung dieser Strömung gedeutet. * Nach Milk,Heilungen der .Politischen Correspondenz" au'Warschau hat da» russische ConimnnicationS-Miiüstk- riunt seinen Organen die rasche Fortführung der in den westlichen Gouvernement- im Zuge befindlichen, sowie die ungesäumte Inangriffnahme der »eugenebmiglen Chanssee- baulcn aufs nachdrücklichste eingeschärst. Für die Baukosten sind für das lausende Jahr im Ganzen über drei Millionen in Aussicht genommen. Unter den sechs Chausseen, welche b:S zum Jahre 1889 unbedingt au-gebaut und dem Verkehre übergeben werden müssen, befindet sich auch die feit langem geplante, über 100 Werft lange Straße von ProSkurow über Kaimcnicc podolüki bis zur Grenze. Der Bau einer Chaussee von WoloczySka nach Satanow läng- der Grenzlinie wurde in Angriff genommen. * Zur Vage in Serbien wird der „Politischen Corre- jpondcnz" auS Belgrad, 25. Mai. geschrieben: In kinem Tbeile der auswärtigen Presse wird mit seltsamer Beharrlichkeit der Bedauplung Ausdruck gegeben, dcsi das Tab inet Thrtstic vur ein Provisorium bedeute, welches die Bestimmung habe, die sür ein fortschrittliche» Regime erforderlichen Vor bedingungen za schaffen. Ganz besonder» gepflegt wird diese Version in russischen Blättern. Aus Grund authentischer Jnsormolion läßt sich «an bestimmt versichern, daß diefe Anschauungsweise mit Allem, wo» drom oad dran hangt, jeder thatjächlichen Begründung entbehrt. Die Gesammtlage «m Königreiche Serbien hat die Krone veranlaßt, vo» der Bildung einer Parlclreglerung abzusehen. Daß dw Liberalen nicht über die Mehrheit im Bolle verfügten, baben die Wahlen vom September 1887 unwiderlegbar dargetban. Trotz der Loncessivn, die der König anläßlich der Ernennung der Krön- depnttrtea der liberale» Partei gemocht hatte, befand sich diese in der Ekuplchttno in der Minorität. Die Radicalen erzielten bet den beiden letzten allgemeinen Wahlen elue erdrückende Mehrheit. Die Krone, den Postnlaten der parlamentarischen Lage Rechnung tragend, war entschlossen, mit dieser Partei einen ernsten RegterangSversiich za machen. ES ist bekannt, daß der Versuch an dem geringen Willen der Radikale», böheren gesnmmtstaatlichen Interessen gerecht za werde», scheiterte. Darnach wären nur die Fortschrittler berufen rwese». dar Ruder zu übernehmen Nan erklärte aber der Thes teser Partei, Herr Siaraschaatn, daß dieselbe ihre Zeit für noch nicht gekommen erachte, daß die Fortschrittler, ln deren Lager Intelligenz und Patriotismus ta eoueentrirtester Form anzulreffen sind, bereit seien, auch außerhalb brr Regierung jenes Geschäft«- Cabiaet za unterstützen, welche» durch daS Vertrauen der Krone on die Spitze brr Geschäfte berufe» werden wird. Es stand dergestalt nur ela Weg offen, den die Krone bebusS Bildung eine» Tabinrt» betreten konnte, nab dieser führte logischer Weise zur Combtnation Nikolo Chriplc. Obschon einige Mitglieder diese» Tabinet» zur Fortschritt-Partei gehören, bildet dasselbe bekanntlich thatsächlich eine Negierung außer halb und über bei, Parteien. Sie hat nicht die Ausgabe, ein Partei- Programm, welcher Natur eS sei, za realisiren. Ihre Mission besteht darin, da» unter dem heftigen Wellenschläge des excessiven Pariei- kampseZ stellenweise beschädigte StaatSschiff zu reparircn und er io deu Hasen völliger Sicherheit zu steuern. „Von der Ueberzeugung durchdrungen", sagte Herr Garaschantn, „dag eS im nationalen und SkaatSintcresse liege, die Fundamente unserer gesamniten legalen Zustände zu stärken und zu eonsolidiren, werden wir Fortschrittler mit unserer ganzen Kraft uns in den Dienst des GesammtwohlcS stellen. Meine Partei hätt es für geboten. daS Cab,net Thrtstic zu stützen, um dem Lande die Möglichkeit zu bieten, sich von den zer setzenden Parl-il-idenlchafien. die namentlich in de» letzten zehn Monaten die durch di? hächslen Jule, essen de» Thrones und Staaie» gezogcnrn Grenzen überschritten und dem TlaatSorganiSmuS so manch? A'm de geschlagen haben, zn erholen. ES ist geboten, dem Volke eine Ruh p.iule zu gewähren, dir jüi die Stärkung des Staat?« gedankens und sür die Wikdergeltendmachnng jener Peiiicipien, chne die Vcr sichere Bestand eines Gemeinwesens schwer denkbar ist, er forderlich rrschemk. Meine Partei wird au» diesem allgemeinen Grunde, den auch d e anderen Parteien berücksichtigen sollten, auch in der Skipsch::»» die bestehende Regierung »nterstützen, und zwar selbstverständlich '.ich' als Partei, sondern als eine aus Patrioten bestehend" Gruppe, der vor Allem die Zukunft Serbiens am Herzen liegt. Ist einmal der locker gewordene Boden, ans dem Serbien antgebaut ist, gekräsliat und coniolidirt, dann wird eS noch immer Zii: sein, an die Parieivrogramme zu denken »nd die Arbeit bchiif« dercn Verwl, klichmig wieder aiiszunehinen. Tic ConsolidiruinS-Arbeit kann im Haiiduiiidrchrn nicht vollbracht werden, und daher wäre eine ziemlich lange, allermindestens die Zeitdauer einer Skiipichtina- Perü'def(3 Jahre) umsuiseode Regierung des Herrn Lhristlc angezi igt." Tie vorstehende Acußernng dcS Herrn Garaschantn beweist zur G?nö >e, inie unbegründet die LcSart ist, daß Nikola Lhristtc nur der Platzhalter srir «^»ra'chanin fei. dessen Partei sich durchaus nicht darnach lehnt, die Bürde der Regierung wieder aus ihre Schultern zu nehmen. ' Wie c.u» KaIoser gemeldet wird, ift Fürst Ferdinand ans Rückreise an» Kazanlik daselbst am 2K. V. M. ein- ec!> " n und hat ein am Fuße beS Balkan in herrlicher Um- gel iü, , gelegene» Territorium besichtigt, welches die genannte Sl,di ,in» znin Geschenke gemacht bat. E» wurde der Bau e.m - Bagdschiosieö daselbst beschlossen. Don Kaloser aus wur e die Rückfahrt Lber Karlowo nach Philippopcl fort» gesf"'. Rach Mitlbeilnngen au» Salonichi klagt man in darf,gen gr "chischcn Kreisen, daß der Bali seit ver Absetzung ded griechischen Metropoliten von Serre» eine ent- sch'-den? P-r!ei,ial»»e zu Gunsten der im Bilajet wobnhasien V, 'garen an den Tag lege. Nicht nur habe derselbe dem M , ssaris v m Serre» de» Anstrag ertheilt. die infolge Der- sügniig d - staatliche!, Schiilremmission geschloffene Schule in der L?rliih'st Kaminiki wieder ;n eröffnen, sonder» anck die pri cg fi I r^ei'lsam" Entscheidung getroffen, daß zur Grün dung bulgarischer Schulen eine vorbergängige behördliche AntoriiaNvn nicht erforderlich sei. Colonialpolilisches. * Die »astrolischei» Lolonien sind auf dem besten Wege, p. a I .,ti'ck"n Reich? »>->' V rlege"!'eiien z» bereiten durch die liocksahrend Alw'mug der chinesischen Einwanderer. Die Angele ie»l>c>t ist »m so und guemer für die vr»»che Regierung, da Lngtaao noch ein gut Theil anderer Berührungpuatte i-in-r Ioteresienivhar? China hat. ai« nur die anftralische Kuli-Ein« fahr, uns c.ö.-!b di? chinesische R-.fiemvg ass-r.and Gelegenbeite« lnit, Berge '.i ..' :"ßr"-'n d--.' ihren N-iiertbanen angc.'lnn» Uaicchi zu crgrcisen. D»nn darüber kann «ein Zweise! bestehen, daß daS eiusoche LandungSverbot chmesiiL-r Einwanderer, zu welchem die anstraNsch«, Colonial-Negiernnge, ihre Zipnckft ge»«nn»e, haben, dem formellen Recht widerstreitet. Haben doch selbst dir australischen Gerichte die Unzulässigkeit dieser Maßregel ooerteaaeu müssen, indem sie durch etaea Haben» 6orpu»-E>laß den Kulis die Landung ermöglichten. Dabei w-rdrn es die Australier iudeß keines wegs bewenden lasse«; da die vsseatliche Meinung ta allen Lolonien in hohem Maße gegen die Söhne de» Himmlische» Reiche» erbittert ist und da sie sich gar nicht verpflichtet halte», irgend welch« Rück sicht aut die übrigen Interessen de» britischen Reichet zu nehmen, wird man sich daraus gefaßt machen müssen, daß sie in der eiuen oder anderen Form die Ausichließuug der Mongolen vom austra lischen Boden durchsetzen. Worin eigentlich die Beschwerden der europäischen Eolonisten gegen die zvpstrageaden Mitbewerber an» Asien bestehen, erfährt man au» zahlreichen Herzeo-ergüssen. die in Luropa verweilende Australier in englische», Zeituugea veröffent lichen. Man wirft den Chinesen vor, daß sie die billigere Herstellung von allerhand Gerüchen and die billigere Leistung von Arbeiten ovr dadurch ermöglichen, daß sie, durchweg ouver. heiralhet, lür keine Familien zn sorg,« haben and mit den denk- bar dürftigsten Uaierhalirmitlelu sich die Sparpiennige in einer Weise abdarben, daß ein weißer Arbeiter unmöglich dabei gedeihen könnte. Eie nähren sich säst auSschliesiltch von Nei», kleiden sich ,n Lumpen und wohnen zu Dutzenden zusammeiigehöuft in übelriechen- den Löchern. Dazu komme, daß ihre ganzen unsauberen Lebeus- gewodnbeitea ein Zusammenleben der Chinese» mit den Weißen ganz unmöglich mnche. Auch sollen sich noch Angabe australischer Aerzte in ihren Ausiedlungen in den Städte» iörmliche Tvvbusheerde a«S- bilden, die die ganze Umgebung vergiften. Al» Beispiel für ihre unioubrrea Lebe,.-- und AibcitSgewohnhettea wird augesührt, daß die Nnnesischea Gemüsegärtn-r alltäglich ihre Gemüsebeete an» Gieß kannen mit eiuer aus verdünnten Exkrementen hsrgestellieu Iauwe begießen, also ein PrivatberieselungSsvstem durchgesührt haben, daS zwar einen reichen Encag Insert, aber durch seine Aoedüustungeu d,e ganze Umgegend verpestet. Neues Theater. Leipzig, 29. Mai. Herr Friedrich Mitterwurzcr setzte gestern Abend sein Gastspiel al» „Na re iß" in dem Drama von Brachvogel fort. „Narciß" ist eine Rolle, die bisher allen denkenden Künstlern ckl» Operationsfeld gedient hat. Jeder hält sich sür verpflichtet, in ihr seine eigene Auf fassung zn baben, und darüber vergessen sie größtentheil», daß der Dichter doch die Bahn, aus ver sie schreiten sollen, vorgezcichnel hat. ES wird kaum an einrr anderen Nolle so viel dernmgekünstelt, al» am „Narciß", und die Nuancen- jägerei ist in kejnem Drama so gebräuchlich, al» wie in dem Brachvogel'schen Stück. Im Gegensatz ;u Dessoir und Kahle, die Brachvogel selbst al- die besten Träger ver Hauptrolle bezeichnet hat, weil sie sich pietälvcll an den Dichter hielten, wird von den Neueren der OriginalilätSteusel poufsirt, der zu allerhand höllischen Experimenten verführt, die zur Cbaraklerzeicbnung de» „Narciß" so gut wie überflüssig sind. Es liegt in der Nolle selbst so viel, daß e» der KleinigkeilSkriimereien wahrlich nicht bedarf, um in ihr zu renssiren. Herr Friedrich Mitterwurzer bot ot» „Narciß" eine glänzende, sein durchgearbeitete Leistung, die de» vollen Beifalls, der ihr gespendet wurde, wohl wcrth war. E» war die Leistung eines denkenden Künstler», der die Narciß-Natur weise aus ibre» Gehalt geprüft, und sich mit dem Wesen de» Pariser Pflastertreter» vertraut gemacht hat. Aber die Grübeleien verführen auch Mitterwurzer zu Absurditäten. Der Hang, Dirle» ander» zu spielen, al» eS bisher gespielt wurde, kann an sich keine Anerkennung er heischen. wenn da» Neue nicht auch da» Bessere ist. DaS gilt namentlich in rhetorischer Beziehung. Die wirksamen Steigerungen in den großen Scenen de« „Narciß" wurden willkürlich abgeändert und der Vortrag glich zuweilen einem buntscheckigen Bilde. Io, e» seblte nicht an Znsätzen, du-ch welche sich Mitlerwnrzer aus Kosten de» Dichter« die Rolle „zurechtleat". So fügt er den Worten Nameau'»: „Nareiß, Deine ebemtlkige Frau ist eine vornebme Dame", nach kurzer Pause mit scharfer Betonung noch da» Work: „geworden" hinzu. Die Nuance ist nicht unrecht, aber sie giebt gleich einen charakteristischen Einblick ln die Werkstatt de» Schauspieler». Im letzten Austritt, wo die Darsteller am besten thun, sich an die Vor schriften de« Dichter» in der BühnenauSgabe zu halten, soll Narciß der Pompadour „ehern" den Spiegel ihre« verlorenen Leben» Vorhalten. Mitterwurzer batte hier durchaus nicht» von eherner Größe an sich. Er sprach zu Anfang mit einer Ruhe und Kälte, die aus un» befremdend wirkte. Durch den AbsÄru muß doch noch ein leise» Web vibriren, wie e» z. B. bei Possart in so vortrefflicher Weise der Fall ist. In der Schilderung de» ewigen Gerichte», in welcher aller pbhsischen Mittel de- Narciß-DarstellerS angespannt werden, Hölle» wir eine größere Plastik erwartet. Hier muß die Anschanllchkeit geboten werden, die in Bürger'» .Lenore" so mächtig aus den Hörer einwirkt. Mitterwurzer eilte über einzelne effect- volle Momente zu rasch hinweg und colorirtc hier zn wenig, wa» er anderen Stellen zu viel that. Erschütternd wirkte dagegen der Tod de» Narriß. Da» WahnsinnS-Lachen. ibensall» eine Zuthat de» Darstell-r-, griff an da» Herz. Stimmungsvoll an-gearbeitet war auch die Er- zablung von dem einstigen LicbeSglück de» Narciß. Mitter- wnrzer, der sonst in seiner Darstellung die melancholische Seite, die Ironie der Webmuth in diesem Charakter weniger belonte, fand hier einen bezwingenden» elegischen Ton. In der großen Pagovcn-Scene verdient der Künstler nicht minder Anerkennung, und die glühende Apostrophe on die Sehnsucht war, abgesehen von der etwa» zu theatralischen Pose, ein Meisterstück. Den beginnenden Wahnsinn, der im letzten Act zur Katastrophe sührt^ kehren andere Darsteller noch schärfer bcrvor. Wirksam batte sich der Künstler auch den Schluß de» vierten Acle» sür sein imposante», stumme» Spiel be arbeitet. DaS war eine ebenso ausgezeichnete Nuance, wie die realistische Art und Weise, mit der er an da» Studium der ihm zuertheilten Nolle vorher gegangen war. Wir sind auf solche Einzelbeiten näher eingegangen. weil wir glaube», daß einem Schauspieler von Mitterwurzer'» Bedeutung mit ein paar NilhmcS-Posaunenstvßc» nicht Genüge gethan wird. Gehen wir vom Einzelnen in» Allgemeine, so müssen wir die Leistung gewiß al» eine bedeutsame anerkennen und den Theater abend al» einen interessanten bezeichnen. Die vielen, wider sprechenden Elemente im Charakter de» Narciß wurden theil» mcbr oder minder scharf ausgeprägt, aber c» fehlte doch keine Farbe aus diesem farbenreichen Ckaraktergrmälde. Der grelle Eyni»muS, der beißende Witz, der Neid, der Zorn, alle Regungen der gequälten Seele vereinigten sich zu einem glaubwürdigen Bilde. Wir haben schon früher darauf bm- gewieseii, daß die Ausarbeitung der Rolle durch Mitterwurzer mit derjenigen Adols Klein'» viel Aehnlichkeil besitzt. Die übrigen Rollen, soweit sie sür die Kritik in Betracht kommen, wären nicht neu besetzt, und bedürfen daher keiner Besprechung. Wir halten schon bei Gelegenheit de» Gastspiel» Adols Klein'» auSgcsübrl, daß e» al» eine sinnlose Ver gewaltigung de« Dichter» anzusehen ist, wenn die Worte: „Ihre Majestät die Königin betrat soeben die Gemächer de» König»" durch den Rolkstist beseitigt worden. Die Regie bat da» Bcrsiänvniß dafür »mmcr noch nicht gewinnen können. Durch diese Worte wird doch erst der ganzen Inlrigne der Abschluß gegeben, nnd Zwar der versöbuende, reinigcnbe Ab schluß. Nur dieser ÄuSgang verniag die Sübne für die Brntalität de» letzten Acte» zu geben. Theatralisch ist e» freilich, wenn Dori- Qmnaiilt mit einer möglichst exclussven Haltung zuletzt declamirt: „Dann wird» keinen Narciß mehr geben I" Aber muß denn immer da» Tbeatralisch- über da» Dramatische, der Regisseur über den Dichter siegen? Hermann Pilz. Mustk. Der Musikalitnmarkt im April l886. Fär Monat April d». Ir», gewinnen wir au» dem neueste» /v:en, l Hefte de» Hosmeister'scheii M.natSberlch!» über neue Musitalie», iiiusikalijcht Schrillen «nd Abbildungen folgende- staliftijch- bibltogrophische» Gesammtbild. SS kamen al» Rentzkettrn t» Gebiete der Snstnoneatakamfir »1b. al» Nova der Vokalmusik dagegen nur 7< Werke, außerdem an Büchern und Texten 10 Schriften anf de» Markt, in Summa also L9S Novitäten. Lena man sich erlnuert, daß im letzten Quartal an 1700 Novi täten producirt worden waren, durchschnittlich als 565 im Monat, lo erschein» da« Ergedniß der Production im April sehr gering. Die Saison ist eben vorüber. Im Einzelnen wurden unter deu 215 Nummern der Instrumental- musik allein 157 Werke für Pianosorte versandt. Die übrigen 58 Werke vertheilteu sich mit 13 aus Orchesterlachen, 2 aus Streich. Orchester» 8 aus Hormoniemusik, 11 out Streichinstrumente, 2 ans Blasinstrumente, 10 auf Zither, 8 aus Orgel und 4 auf Harmonium. Tie Vokalmusik beginnt mit 4 -ircheumusillacheu, daun solgea 10 Besänge mit Orchester oder mehrsacher Instrumentalbegleitung, 31 mehrstimmige Gelänge mit oder ohne Pianosorte, 4 Nummern thcatralischer Musik, darunter von Weber-Mahler'S „Drei PinloS" — TlavierauSzug, daran» Nr. 2 Rondo all» ?ol»cc» Nr. 4 Ro manze vom verliebten Kater Mansoe, Nr. 9 Ariettt (A3), Nr. 10 Arie der Llalissa (8), Nr. 16 Arittte (Bar.) — Gesänge für eine Siagstunme mit Pianoforte und (1) mit Har monium wurden 25 producirt. Bücher über Musil waren S za verzeichnen, Opern-Textbücher 2. („Die Drei PinloS" und „Turandot"). vr. Whistling. C) Leipzig, 28. Mal. Vorgestern hat sich im „alten Theater" ein Künstler vom Leipziger Publicum verabschiedet, her längere Zeit zn den fleißigsten Kräften untere» Overetten-Ensemble» gehärt hat, und dem daher auch die Kritik den Wunsch weiterer glücklicher Er- solge mit aus den Weg geben kann. Es ist dies Herr Georg Kaiser, welcher der hiesigen Bühne in der Rosse de« ..Vetlelstudeut" Valet sagte, lieber Herrn Kaiser sind vrrlchtedeue Mrinungea laut ge- worden, jedoch die Gabe, sich sympalhilch zu machen, hat ihm Jeder bereitwilligst zngestandea. Thatsache ist, daß der Künstler über eia degagirte», frische- and künstlerisch abgerundete- Spiel verfügte, da» weit über den Horizont de« schablonenhasteu Spiele- der gewöhn lichen Operettensäuger hinauSginq. Mochte er im „Lustigen Krieg", lm „Bettelstudenten", ln der „Fledermaus", wo er den Eisenstein, wie den Alfred gespielt hat, oder in den „Sieben Schwaben" rc. anftreien, immer erfreute man sich an seinem sicheren, freien Auf treten, daS über d'e übliche Tbeaterroutinr hinauSging, und der Operette glückliche Momente verlieh. Freilich lm Gelang hielt Herr Kaiser mit seinem Spiel nicht gleichen Schritt und als Sänger war er höheren Anforderungen nicht gewachsen. Er besaß keine großen Stimmmittel und mußte mit dem ihm zngeiheilten Organ haus hälterisch umgehen. DaS hat er indessen auch gethan, u„d sich meist noch angemessen au» der Affaire gezogen. DaS Spiel muffte bei ihm gewöhnlich den Gesang ersetzen. Deshalb haben wir eS immer bedauert, daß der Künstler sich nicht drr Posse und dem Lustspiel zug'waiidt hat, in denen er be, einigem Studium gewiff bald schöne Erfolge errungen hätte. Daß sich Herr Kaiser die Gunst vieler Theaterbesucher Leipzigs übrigens erworben Hai. beweist der Um stand, daß »eine AbschiedSvorstt klung sed? zahlreich besucht war, und das wohlbesetzte Hau? ihm Stürme von Beifall, sowie 15 Lorbeer- kränze gespendet hat. * Der Lapcllmeister-Wechscl am Stadttheaier za Leipzig geht bereits am 1. Juli vor sich. Herr Direktor Reck in Nürnberg entläßt Herrn Alex. v. Fielitz au- seinen Verbindlichkeiten und dieser tritt nunmehr am 1. Juli schon die durch G. Mahler frei gewordene Stellung an. Ter junge Dresdner Künstler — v. Fielitz ist Schüler E. Kretschmer's — kommt bei sehr jungen Jahren in eine hochwichtige Theaterstellung. Er bat swie die „Sächsische Landes-Ieitung" mittbeili) in Zürich seine Laufbahn begonnen und übernimmt nach nur zwei Wintern in Lübeck, wo er sich ganz be sonder- durch selbstständige Einstudirung der Walküre hervorgethau, LaS Leipziger Amt. Marianne Brandt bat (nach der Milibeilung des Berliner Tageblattes) in den letzten Tagen eine neue Rolle ereilt» in der sie ihre zahlreichen Berliner Freunde und Verehrerinnen wahrscheinlich gerade so vollendet finden würden, wie in allen anderen Partien, welche die berühmte Künstlerin aus der Bühne barziistcveii Gelegen heit hatte: in der Rolle einerBillenbesitzeria und Hausfrau. Fiäa- lein Brandt, die bekanntlich ein Wiener Kind ift — sie heißt von Haus eigentlich Marie Biickios und wurde in der Vorstadt Marga rethen geboren — hat in der nah- bei der österreichischen Kaiser- stadi gelegenen Sommersriich« Hülteldors ein Anwesen erworben, wo sie fleißig ibreS neuen BeruseS wallet. Sehr ojt des Morgen» fährt sie, mit ihrem Einkauiskorb am Arm, in die Stadt, um den täg i^eii HauSbedari zu deck», die größte „Licken" ans der Suche nach einem Bund Spargel und Satat! Die jüngste Nolle der Sängerin bedeutet aber auch die Iheilwene Verzichileistung anf e'nrn Thcil ihre- früheren WilkiingSkreiseS. Eine Künstlerin, die on Hos und Hau» zu denken hat. wird allgemach den Brettern nnlrru, welche ehemals für sie allein die Welt bedeuteten". Entscheidungen -es Reichsgerichts. (Nachdruck verboten.) I». Leipzig, 29. Mai. (Störung einer gottesdienstlichen Handlung.) Vom Landgrrichie Slargard in Pommern ist der Knecht Hermann Koplin aus Zanzower Mühle zu 10 Tagen Ge- sängniff verurihcilt worden, weil er eine gotteSdicnstliche Handlung gestört und den Pastor beleidigt hat. DaS Gericht hatte besondere Milde walten lassen, weil die betreffenden Gesetzesübertretungen ge legentlich des Begräbnisses der Mutter des Angeklagten stattgesunden baben. AIS aus dem Fnedboje dcS KirchorteS Zanzow der Sarg in die Erde gesenkt werden lallte, konnte die- nicht geschehen, weil keine Bretter vorhanden waren, mit denen die Ränder de» Grabes geschützt werden konnten. AIS der Angeklagte die- wahrnahm, ging er unwillig fort und sagte, da- sei eine Donnerwetterwirtdschaft, da müsse man sich noch selbst Bretter holen. AIS er daun mit den Brettern zuruckk«». fluchte er und schinipste sowohl aas den Pastor, als aus andere Leute. Wie in der Hauptverdandlung sestgestcllt wurde, haben die bet dem Beqräbniff Anwesenden an dem Auf treten deS Angeklagten Aergerniff genommen und dasselbe als ein: Storung der gottesdienstlichen Handlung angesehen. Daß ein Begräbniß eine gottesdienstliche Handlung sei» wurde vom Gerichte anerkannt. Aus die weitere rechtlich« Ausführung de- UrtheilS, daß eS qleichgiltig sei. ob zur Zeit der Siörung gerade eine gottesdienstliche Handlung ftatlsand, baute die Revision des Angeklagten ihre Angriffe. ES wurde auSgesührt. daß die gottesdienstliche Handlung zur Zeit, als der Angeklagte die störenden Worte äußerte, gerade unterbrochen gewesen sei und daß. wenn profane Handlungen (daS Herbeiholen von Brettern) an Stelle der rituelle» träten, letztere oniäörtcn. Dieser Anschauungsweise trat jedoch der ReichSanwalt entgegen, indem er bemerkte, die Dar stellung, als wenn dadurch, daß eine gewisse Störung deS gottes dienstlichen ActeS stattgesunden, derselbe überhaupt nicht mehr vor handen gewesen sei, scheint mir durchaus falsch zu sein. Nach den thotsächlichen Feststellungen muß angenommen werden, daß drr Geistliche am Grabe stegcn blieb, bis die Bretter kamen, und daß er nachher den religiö'en Act weiter vollzog. Hierin ist keine Unter brechung deS ActeS zu erblicken, vielmehr beginnt derselbe mit dem Herantreten deS Geistlichen an da» Grab und endet mit dem Weg- treten desselben. Daß lautes Raisonnircn and Schimpfen störend einwirkten, ist klar und bündig sestgestelli. — DaS Reichsgericht (3. Strasscnat) schloß sich diese» Ausführungen an und verwarf die Revision des Angeklagten. I,. Leipzig, 29. Mai. Wegen öffentlicher Veranstal tung einer Lotterie ist der Handelsmann Kuap« iaB.rlin ver- urlbeilt worden. Er war mit einem Sack, in welchem sich ei« größere Auswahl kleiacr Gebrauchsartikel befanden, tu eia Nestau- ration-local g'kamniea und hatte die Gäste anfgesordert, gegen eine» Einsatz von 10 in den Sack zu greisen und sich einen beliebigen Gegenstand herauszuhole». Die Gegenstände batte» durchschnittlich einen Wecth von 8 Weil der Linsatzznhlend« nie vorher wußte, wa» er sür sein Geld bekam, s» nahm daS Bericht eine Ausspielung alS vorliegend an, sür welche eS an der polizeilichen Lrlaubniß mangelte. — Die Revision deS Angeklagten, welche sich gegen diese Annahme wandte, wurde vom 2. Sirossenaie de» Reichsgericht» dieser Tage verworfen. Io den Gründen wurde au-gesührt, daß e« nicht aus da» Risico aakomme, welche» drr Spieler übernehme, sondern darauf, daß der gahl-nde einen Gegenstand nicht noch eigener Wahl, sondern durch Znsall erhält. l-. Leipzig, 29. Mai. (Uuerlanbtrr Villei-Handel.) Am 18. Inn» v. I. fuhr ein gewisser B. aus eia Relonrbille» 3. Elaste von Neisse nach Schweidnitz und zurück. Schon aus der Station Kamenz nahm drr Schaffner Johann Freund a«S Neisse dem Reisenden da? Billc» ab. ohne e? zu durwlochen. Freund gab dann auch, der Vorschrift zuwider, da» Billet nicht dem Zugführer, sondern setzle sich mit dem Schaffner Schope in Verbindung, welcher ihm einen von Berlin kommenden Ficiichergtiellea zusühne, der nach Neisse iahrcn wollte. Dec Letztere war di« Kamenz in 4. Elaste gesahren und ließ sich nun von Freund d«S Billet 3. Tlaste sür 80 ^ ansreden, er blieb dann aber in Ser 4. Clasje. Ei» anderer Reifender mochte den etwa» unerfahrenen Flrischrrgefeve, n»s da» vede^stch» de« Bichel« «nftneeksa« »nd riech ih», »e, Revision «»zeig» »» mache» Die« geichah, „d die beide, Sch-if!»cr wurde, vor Gericht gestellt. Die Strafkammer in Glatz vernr,heilte sodann Freund wegen Betruges zu 1 Monat »nd Schope wegen Beihilfe dazu za 14 Tagen Gesäugaiß. Die Anklage hatte ur sprünglich aus Unterschlagung im Amt gelautet. — Ja seiner Re- Vision, die kürzlich den 4. Siraslena« de« Reichsgericht« beschäftigte, behauptete Freund, der EiieabahnfiScat sei mit Unrecht alt der Ge- schädigte im Uriheil bezeichnet worden. — Der ReichSanwalt er- aLtele da« Unheil nach derselben Richtung hin sür wangelhast, in- dem er al» den Beschädigten den ffleischergesellea htnstellte. Der Fiscu» let aus alle Fälle gedeckt gewesen, denn nach dem Eisenbahn, reglement habe jeder nicht nn» gilttgem Billet betroffene Reisende nicht nur den vollen Prei» der Reise, sonder» auch noch ein bttn'. gelb zu zahlen. — Nichi-deftoweuiger vrrwars da« Retch-geriitl die Revision, weil da« Unheil, soweit die Strafbarkeit de» Ttm»» de« Angeklagten tu Betracht komme, genügende Klarheit tu seinen Aalführnngen zeige. Mäßigkeit oder Enthaltung? Ja allen Ländern, in denen sich Vereine wider den Slkoholismii« gebildet haben, entstand zugieich auch di» Frage: Solle» wir voll- ständige Enthaltung von allen alkoholischen Getränken dnrch Mahnurg und Beisoiel lehre», oder geuügi e«, Mäßigkeit,a verlanae» und zu beweisen? Uederoll entschied man sich aasängllch sür Mäßigkeit, aber in Amerika »nd England ging man sehr bald dazu über. Eni- Haltung zu verlangen; die gleich« Forderung wird t» Skandinavien and der Schweiz immer stärker vertreten, ta Deutschland dagegen, wie in Oesterreich, Fraakretch. Belgien a. s. w. ist die Zahl Derer, die Alkohol tu ketuerlet Gestalt za sich nehmen» äußerst gering. Do« ift leicht erklärlich. Die Denlschen vrrsolgea ihre religiäie, nab sittlichen Ideale nie mit jener Leidenschaft und Entschiedenheit, die den Angelsachsen eigenthümllch ist; wir sind behutsamer, nur nehmen aus die llrtheile, Borurtheile and Neigungen anserer Neben, meoschea viel Rücksicht, besonder« auch aal ihre Interessen, vir dürfen nickt vergessen, daß unsere Laadwirthschast and Jadnstri:. besonder» auch unser Weinbau, der ja t» England and Amerika Nicht in Frage kommt, an de» Folge» solcher Bewegung betheillgt sind. Ferner ist die ganze Bewegung bet nn« noch jung, oad die große Masse hält politische nnd militairische Fragen für wichtiger al» die Alkobolwage. Dritten» trete» der Alkohol, da« Trinke» nnd die Kneipe in Deutschland in viel harmloserer Form auf al« in England und Amerika. Hätten vir solche Lrunkstätten, solche schwere Ge- trinke, solche Trunklucht, zumal auch unter den Frauen, wie sie bei den angelsächsiichen Völkern heimisch sind, so hätten wir auch längst eine Reche von EiithaltlamkeitSvereiaen. Vorläufig glauben die deutschen Gegner de« Alkoholirmu» ihr Ziel zu erreichen, wenn sie deu Fuiei vernichten, den besseren SchnavS vertheuern und verdrängen, den mäßigen Gcnnß von Bier und Wein aber gestatten. Förmliche Gt- löbnisse der Mäßigkeit oder Enihaltiamkeit verlangen sie weder von Trinkern, noch von Vertreter» der Bewegung. Au Erfolgen fehlt es ihnen nicht, sie haben vornehmlich den Schnaps in Mißkredit ge bracht und haben ihn hie und da mehr oder weniger verdräng: Sie haben die Gesetzgeber und Behörden on ibre Pflichten gegen d, Völlerei erinnert, vielfach mit merklicher Wirkung. Den Einzelne,, aber hoben sie selten gründlich geholfen, auch läßt sich ein« Ab nahme der Biertruaksucht nicht Versvüren, vielmehr verbreitet sie sich unter Frauen und jüngeren Personen stärker ol» je. Diele Art der TrunksuchtS-Bekämpsung, die durch den Borbrbol! eine» mäßigen Genüsse» besserer alkoboliicher Getränke charakterisin wird, findet, wenn wir von Brauern, Wirthen und Trinkern ab- sehen, aus zwei Seiten keine Zustimmung. Bei den Arbeitern erregt sie Mißtrauen. Sie ärgern sich darüber, daß man ih Gläschen ScknapS aagreift und venheuert nnd zu gleicher Zeit an großen Gelagen mit schweren Bieren und kostspieligen Weineu theil- nimmt. Wenn man mit 'Arbeitern die Frag« bespricht, so aat- Worten untrr dreien zwei: „Die Reichen mögen nur bei sich selber aniangen", und wenn sie Heine gelesen haben, cillre» sie: „Ich kenne die Wei'e, ich kenne den Text, ich kenn' auch die H rreu Verfasser: ich weiß, sie trinken heimlich Dein nnd predigen öffentlich Wasser. Aehniiche — nach unserer Meinung allerdings sedr leicht zu beaut- wartende — Anschuldigungen kann mau in jeder Arbeiterzeitung finde», z. B. lesen wir in der letzten Nummer de» „Gewerkschafter»" von dem „psäifischen Gewinscl der Mäßigkeit-apostel, die mit heißem Bemühe,- Wirkung und Ursache vertausche» und die Massenarmuth au» der Schnaps acht herleiten, statt, wie et richtig ist, die Schnapssnchi aut drr Masseuarmuth zu erklären. Aber e» predigt sich sehr leicht gegen den von uckermärkischen Granden erzeugten Kartoffelsusel, wenn man „EckteS" und „AßmannSHSnser" trinken kann." Eine aud.rSartige Kritik der gemäßigten LampseSweise geht uener- dingS von Männern au?, die die Frage wissenickaftlich, solgerichtig and logisch, vi-lleicht aber n chi poliiiich. durchdacht Halen. Gustav Bunge, Professor der physiologischen Chemie an der Universität Basel, Hai in ieiner in 2. Auflage vorliegenden Schrift „Die Alkoholsroge" sich na- umwunden sür völlige Enthaltung ausgesprochen, und er, der ehemalige Korpsstudent,hat auch vor einem Jahre im Verein de» Blauen Kreuzes ein E ithaltiamkeitSgelübde sür daS ganze Lebe» unterschrieben, „weil es wesentlich dazu beiträgt, bei den Gesinnungsgenossen daS Vertrauen in die llnerichüilcrlichkeik de» Einschlusses and der Ueberzeugung zu befestigen". Und ganz kürzlich Hot eia anderer Physiologe, der hoch, verdiente Pros. A. Fick in Würzburg, im „Fränkischen Kurier" sich für energischere Mclhoden erklärt. Er schreibt u. a.: „Mäßigkeit ist gewiß eine schäne Eigenschaft sür Den, welcher sie hat. aber Mäßigkeit zu verbreiten, ist kein Ziel, iür w-IchrS man vernünftiger Weise eine öffentliche Agitation in» Werk setzen kann. Ich will gar nicht einmal das au sich gewiß richtige Argument letoneu, baß wohl kaum je ei» Trunkenbold zur Mäßigkeit bekehrt ist, sehr oft aber zur Enthaltsamkeit. Ick sehe den eigen licken Hauptgrund der Unmöglichkeit, für .Mäßigkeit" wirksam agiiiren, in anderen Umständen. Bor Allem ist Mäßigkeit ein za ur- destimmicr Begriff. Wenn fick ein Mäßigkeilsverein bildet, wieviil Bier oder wieviel Wein soll dem Mitgliede erlaubt sein? Der r. e Wein ist stärker als der andere; bars sich da» Mitglied dem schwächeren gelegentlich ein GlaS mehr erlauben? Eine ilainbafte Wirkung kann von den Gegnern der Alkohol mißdraucheS offenbar nur dadurch auSgeübt werden, daß sie sich durch ein sichtbares Zeichen — wie etwa in England durch das blaue Band im Knopfloch — kenntlich machen, um Jedermann be ständig die Sache in Erinnerung zu bringen und als Beüpiel zu dienen. Wollten sich nun aber etwa olle, die nicht mehr als 1 Lite: Bier täglich trinken, sichtbar bezeichnen, so hätte das offenbar ga? keine Wirkung, denn einer, der täglich 1't, Liter trinkt, würde denken, was brüstet sich der mit seiner Mäßigkeit, das halbe Liter macht mich doch nicht zum Säufer. Wo ist die Grenze? Ganz ander- ist eS mit der vollständigen Enthaltsamkeit. Wenn die Arbeiter das Zeichen derselben an ihrem Fabrilherrn oder Gu! - Herrn sehen, so wird wenigsten» mancher — sagen wir nar von 1 ' einer — denken, dieser Manu könnte die selnsten Weine triukeu, a>u. er entzieht sich dielen Genuß, um mir ein Beispiel zu geben, »>.- suche ich'S. dem Beispiel zu folgen. Wenn sein Beispiel aber auch nur einen Menschen vom Uiric.- gang im Alkohol gerettet hat. so wird sich ein Menschenfreusd reichlich entschädigt fühlen sür die Entbehrung, die er sich ausgclegi hat und noch dazu sür den Spott, den er vielleicht von Leuten er fahren mußte, denen DaS, lvaS sie eiuen „Weltverbesserer" arnncu, eine lächerliche Figur ist. Oft Hab« ich von sonst iür di« Sache Interesse zeige»de. Männer» gegen die Agitation sür vollständige Lnihailiamkr, das Wort auSsvrechen hören: „Ihr wollt das Lind mit dcm Bode ausschüitea." Allerdings! ES läßt sich eben nicht »hu- da» Kind autschüttea, und schließlich ist auch daS Ktud nicht Vitt mehr werth al» da« Bad." Obwohl da» Bester« in vielen Fällen ein Feind de« Guten ist, ko erscheint e» un» doch Pflicht der Presse zu sein, solchen Au- sichlea, welche von Pbhsiologen ersten Range» auSgeheu, weitere BerbrrittlNg zu verschaffen. Nicht »i Frage kommt bei dem Streite der deutsche Verein geg-u den Mißbrauch geistiger Getränke, der weder ein Mäßigkeit»-, noch ein Enthaltung-gelübde sorderi, sondern mehr im Großen und aus die Geiktzgebung zu wirken und alle« Dasjenige zu vertreten bet. worüber Mäßige und Enthaltsame einig find. (Sorial-Correspoadeiiz.) Nachtrag. K Leipzig, 29. Mai. Der Vorstand de« Börsen- verein» der deutschen Buchhändler halte fick on sämmtliche Ministerien und hohen Behörden im deutschen Reiche mit der Bitte gewendet, bei Beschaffung von Büchern nnd Zeitschriften aus Rabatt nicht zn dringen, sondern den ven den Verlegern normirtcn Ladenpreis anzuerkennen; daraus ist vom großherzoglich badischen Ministerium der Innern eine entgegenkommende und dem Vorschlag zn- stiminende Antwort erfolgt. Außerdem aber w»r von drei sächsischen buLHLndlerischea Vereinen eia Gesuch dem könig lich sächsischen Gesammtmiaisterinm Überreicht und darin die Bitte anSaesprochen worden, bei Bücherbezügcn einen Rabatt nicht mehr beanspruch«, sondern sich »it eine»
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