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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.01.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930103021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893010302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893010302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-03
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Januar über den Inhalt der kaiserlichen Rede, soweit sie die Militair Vorlage, also die zur Zeit politisch wichtigste Frage betrifft, solgcnte Mit- tdeilung macht: „Seme Majestät der Kaiser haben bei dem gestrigen Neujahr-- nnpsange der coinniandirendc» Generale Sich dahin geäugen, dass die Durchführung der beabsichtigten HrcreSresorm sür Deutschland eine miiitairischc und politische Noth- Wendigkeit sei, und daß Er zuversichtlich erwarte, wie die Er- kcnntniß sich inmier mehr Hahn brechen werde. Seine Majestät stehe fest zu der von den verbündeten Regierungen eingebrachlcn Vorlage." Da das amtliche Blatt erst am Abend erscheint, so konnte nicht verhindert werte», daß am gestrigen Rachmiltag Un richtiges verbreitet wurde. So Kietz cS, wie bereits in unserer Morgenausgabe berichtet worden ist, der Kaiser babe auch die sichere Erwartung ausgesprochen, datz der augenblickliche Widerstand, der im Reichstage gegen die Vorlage sich erhoben habe, nach und nach werde gebrochen werden. Sodann habe der Monarch gcäntzcrt, datz ans alle Fälle .mit diesem oder einem anderen Reichstage" die nothwendige Reform werde rollzogen werden müssen. Was der „RcichSaiizciger" berichtet, ist nicht nur dem Wortlaute, sondern auch der Tendenz nach etwas Anderes. Es spricht daraus keineswegs, wie auS der nichtamtlich verbreitete» Fassung, die Absicht oder gar der Entschluss, die Richtannahme der Regierungsvorlage i» ihrem ganzen Umfange zum Anlaß einer ReichStagSausiösung z» nehmen. Die kaiserlichen Worte, zu den höchsten mililairi- schcn Würdenträgern gesprochen, verfolgten offenbar de» Zweck, jeden Zweifel daran zu beseitigen, daß das Reichsoberhaupt zur Zeit sür die Mililairvorlage vollständig gewonnen ist. ES mochte dies nothwendig erscheinen, weil der Kaiser bei eiurr anderen militairischcn Gelegenheit, der Parade am 14. August verflossenen Jahre-, sich weit weniger rückhaltlos sür die geplante Reform ausgesprochen hatte. DaS Tatsäch liche der Ansprache galt den Generalen und war sür einen Theil derselben vielleicht sogar ein „Wink", während die Veröffent lichung im „Reichsanzeiger" allerdings als aus die Bevölkerung berechnet angesehen werden muß. Ebenfalls gegen vielvcr- breitele Zwcisel gerichtet ist die Betonung des Umstande-, daß „die Mililairvorlage von den verbündeten Regierungen eiiigebrachl ist." Bekanntlich war vielfach, wenn nickt von einer Gegnerschaft, so doch von der Lauheit der bäuerischen Regierung in dieser Angelegenheit die Rede und noch beute halten sonst Gutunterrichtetc daran fest, daß Bauern ein schneidenden Aenderniigc» nicht ablehnend geaenüberstcbe. Taß übrigen- nicht auch der Kaiser sich in dieser Lage de- findet, gehl auS dem „R.-Anz." keineswegs hervor. Der Monarch vermied an der Stelle, aus die cS hauptsächlich an- kommt, den Ausdruck „Mililairvorlage" und sprach von der militairiscken und politischen Nothwendigkcit der „HeereS- resorm". lieber das Tempo der Durchführung und namcnb lich über die in der Mililairvorlage sofort verlangten Mengen von Mannschaften und Geld hat sich der Kaiser nach der Meldung des „RcichSanzeigerS" nicht geäußert. Acht Tage trennen uns noch von der Wiederaufnahme der parlamentarischen Arbeiten im Reichstag und im preußischen Abgeordnctcnhausc. Zn beiden Häuser» werden sie ru den wichtigsten gehören, die jemals diese Körper schaften beschäftigt haben. Ucber die Militairvorlage im Reichstag, die Steuerreform im Abgeorkiietenbausc werte» von nächster Woche an die bedeutungsvollsten Verhand lungen, zunächst in den Commissionen, statlfinde». Die Arbeit im Plenum wird dahinter an Interesse stark zurücktretcn; im Abgeordnetenhaus- stehen sogar bald wieder Unterbrechungen der Plenarsitzungen in Aussicht. Beide Versammlungen werten sich, wäbrend die ConiinissionSberatkungcn über jene entschciduiiaSvollcii Gesetz entwürfe ibrcn Verlauf nebme», in erster Reihe mit dem Etat zu beschäftigen haben, wozu dann noch eine große Anzahl von Vorlagen zweiten und dritten Ranges hiiizukommt. Wenn nun auch der Schwerpunkt vorläufig nicht in den Plenarsitzungen liegt, mögen doch die Mitglieder insbesondere des Reichstag- aufgefvrdcrt sein, sich vollzählig von Anfang an einzufindcn und aus jängere nnunterbrcchene Anwesciibcit sich einzurichtc». Der weitere Verlauf der Militairreformfrage kann möglicherweise jeden Tag so kritische Wendungen ainicbmen, daß ei» unaus gesetzter Meinungsaustausch linter den Parteigenossen, und zwar nickt allein den wenigen CommissionSinilglicdern, zur Nothwendigkeil wird. In Ungarn hält man sorgsam an der Dcak'scheii Ucbcr- lieferung der politischen NcnjabrS-Empsänge scsi, wahrscheinlich deshalb, weil die Begrüßungsreden, die zwischen dem Wortführer der Regierungspartei und dem Oberhaupt ?cS CabinctS, das in Ungar» jederzeit auch als der politische Führer der Partei anerkannt wird, gewechselt werden. Gelegen heit zur sreimlltbigen Aussprache über mancherlei Gegen stände, die ins Parlamente angesichts der stets angrifsS- dercitcn Opposition auS parlcitaklischcn Rücksichten überhaupt nicht oder nicht so rückhaltlos erörtert werde» können, wie „im Familienkreise". Anck die diesmaligen RcujahrSrcden in Pest bildeten eine solche trauliche, wenn gleich nicht heimliche Anssprache über einige Angelegen heiten, die an der Jahreswende die öffentliche Meinung be sonders lebbast beschäftigen: die Stellung der ungarischen Ration zum Dreibund, ibr in der letzten Zeit etwas ge trübte- Verhällniß zur Krone, die Kirchcnpolitik und die Nationalitätenfrage. NanienS der liberalen Partei sprach der Abgeordnete Moritz Iokai. Er betonte, er sei einer der letzten Achtundvierziger, seine Wabl zum Sprecher be kunde, daß auch die jetzige politische Jugend treu zu den freiheitlichen Idealen halte und im Ministerpräsidenten ihre» Gesinnungsgenossen erblicke. Mit Bezug ans die laufende Politik sagte der Redner, jeder ehrliche patrio tische Ungar halte am Dreibund fest, der den Frieden verbürge; in dieser Beziehung bestehe kein Unterschied zwischen den Parteien. Dagegen bestehe ein solcher llnter- fchied in der Auslegung de- Verhältnisses zu Oesterreich. Tie liberale Partei sei überzeugt, daß Ungarn in diesem Bunde moralisch und materiell geteibe, und wolle darum an dem bestehenden Verhältnisse nichts ändern. Man sage, die Krone sei derzeit über Ungarn ungehalten. Er kenne die Gefühle des Hose- nicht; was aber den König betreffe, so werte ihm sein Herz und seine WeiSbeit sage», daß die sicherste Stütze des Thrones die unverbrüchliche Änbänglichkeit Ungarns sei. Die Anhänglichkeit Ungarns an seine Vergangen- beit, an Uebcrlieferunge» seiner Freibcitskämpsc stehe nickt im Widerspruch zur KönigStreue; beide Gesüblc seien gleich fest und chrcnwerth. Iokai versicherte die Negierung lckließlich der Unterstützung der liberalen Partei bei feder patriotischen Arbeit. Ministerpräsidcnt Wckcrle, über dessen Antwort der Telegraph bereits berichtet hat, vermied i» derselben jede Polemik. Er versicherte, der Friede sei sür die nächste Zeit gesichert, die Negierung werde trachten, durch Handels verträge gute Beziehungen zum AuSlandc nach Möglichkeit zu befestige». Nur über zwei Pnncte wolle er sich ein gehend äußern. Zunächst über die Kirchcnpolitik. Der Ministerpräsident versiaierlc, die Politik der Regierung berühre anck nicht entfernt die Religion, und darum sei jene Agitation sträflich und verwerflich, die, die heiligsten Gefühle des Volkes anSbeuIend, diesem die Meinung bcizubringen suche, die Regierung taste die Religion an. Allgemein siel die unge wohnte Schärfe auf, mit der vr. Wekerle über die klerikale Agitation sprach; man schließt daran-, daß er mit den Bischöfen ziemlich im Reinen sei, dagegen den Heyeapläne» zu wissen thun wollte, taß sie von der Regierung leine Schonung zu erwarte» hätten. Ein zweiter Absatz bezog sich auf die Rationalitälensragc. Ungarn gewähre den Nationalitäten die weitestgehende Freiheit; allein Pflicht jeder Regierung sei cS, den ungarischen Ebaralter deS Staates zu wahren. Wen» diesem natürlichen Bestreben gegenüber sich sträfliche Agitationen tnndgcdcn sollte», würde die Regierung nicht zögern, auch auße »gewöhnliche Strenge walte» zu lassen. Beite Erklärungen wurden mit lebbastcm Beifall ausgenommen. In Frankreich bildet, nachdem die Feiertage vorüber sind, der Pananiaskaiidal wieder de» Mittelpunkt aller politischen Tbäligkcit. Präsident Earnot batte in seiner Ncu- jabrSrcte betont, die Regierung der Republik blicke an der Schwelle des beginnenden IabrcS mit Rübe in die Zukunft. Man darf daran- schließen, daß Herr Earnot sich selbst sür jeden BerdächtigungSversuck, der seine Stellung an der Spitze der Republik und damit deren Gefüge überhaupt erschüttern könnte, unnahbar, daß er sich aber auch in dieser Uniiabbar- kcit nicht gänzlich vereinsamt sühlt, vielmehr fest überzeugt ist, daß wenigstens einzelne der gegenwärtig an der Macht befindlichen Persönlichkeiten der republikanischen Partei den Delabayc, Andrieux und Genossen keinerlei Angriffsfläche bieten. In dieser Beziehung wird der „Voss. Zig." ans Paris geschrieben, daß vier Männer gegenwärtig die ganze Wucht und Verantwortlichkeit der Negierung in Frankreich tragen: „Herr Carnot, der bisher noch hinter den Coulissen bleiben konnte, und die Minister Riliot, Bourgeois und de Frencinet, die den Vordergrund der Vüdne ausjülle». Gelänge cs, diesen vier das Loos der RouvicrS und FloquetS zu bereite», jo iviiröe zeit- wellige Anarchie einireie», das heißl, daS Ziel wäre erreicht, das Monarchisten und Boulangiste» zunächst amireben. CS ist deshalb begreiflich, daß diese Parlcie» kein Mittel unversucht lasse», um die vier „Männer am Rad" mit Verleumdungen und Verdäch tigungen zu erreichen, bisher haben sie sich aber vergebens avgestrenat und es wird vielleicht auch künftig nicht anders sei». Herr Carnot ist völlig unantastbar. Von Haus au- wohl habend, mit der Tochter des reiche» Dupont-Whilc verheiralhet, gab er immer weniger aus als die 60 000 Frcs., aus die sein jährliches Einkommen geschätzt wird, und ivar in den geordnetsten, durch sichtigsten Verhältnisse», a>S er inü Elaste einzog. Im Elaste giebl er, wie Jeder »achrcchnc» kan», sein Präjidciilengehalt und sein versönlicheS Einkomme» di- aus den ietzle» Pjcniiig aus, hat ober seit nie ein Otruiidslück erworben, nie ei» Weril,papier gekauft, wie Grövy dies fortwährend Ihai, auch nie mit Flnanzleiiie» Be ziehungen gepflogen, kurz nie etwas gelha», was dem Verdacht auch nur die leiseste Nahrung geben könnte. Aebniich liege» die Verhältnisse dcS Herrn Ni bot. Auch er ist durch seine Ehe mit einer amerikanische» Wiltwc ein reicher Mann geworden, der mehr als 100000 Francs Einkommen hat und dabei nicht ans allzu großem Fuße, man kann sogar sage» vcrhällnißmäßig bescheiden, siebt. Auch er bat nie die Hand in Finanzgeschäileil gehabt »nv nie in den Bankierskreise» verkehrt. An ihm hat die üble Nachrede deshalb sich nicht veriuchi. Herrn Bourgeois ist es nichts» gut geworden. Man hat Aiislreiigungc» gemacht, ihn i» den Fall des Herrn Fioquet zu verwickeln, dessen rechte Hand er während seiner Minister-Präsidenttckiast ivar. Man hat gewagt, ihn als Empfänger eines kleinen Checks von 2000 oder 4000 Fr., eines wahren Croupicr-TriiikgeldS, zu »eiiiie». Auch das hat keine Folge gehabt, denn es stellte sich heraus, daß der Bourgeois, der jenen Check bekomme» hat, ein Vankdiencr und vielleicht Strohmann, aber sicher nicht Strohmann eines Namensbruders war. Etwas anderes haben die Verleumder nicht gesunden, und diejenige», jdie Herr» Bourgeois näher kenne», sind über ihn ganz ruhig; sic wissen, dag ihm schlechterdings nichts vorzu- wersen ist. Der schwache Punei i» der Vertiieidigungslinie der Regierung ist offenbar Herr de Freffcinet. Nicht als ob ihm Unehelichkeiten zuzutraiien wäre», aber er ist am längsten an der Regierung, er war am häufigsten Minister, er hat viele Jahre laug Millionen Gcheiingelder gchaiidhabt, er hat Plane öffentlicher Arbeite» im Betrage von einer Milliarde anSgcarbeitct, und bei der Beschaffen heit der hiesige» Geschäfts-, Finanz- und Uiiternehmerkreist ist es unmög lich, daß er im Lause der Zeit nicht mit vielen anrüchigen und faulen Persönlichkeiten in nabe Berührung gekommen sei. Er braucht selbst gar nicht- verschuldet zu haben, seine Hand mag ganz rein geblieben sein; aber er hat sie häufig in die Hand von Gründern und Mackern legen müsse», und das genügt beute, um ihn verdächtig zu machen. Ein verdächtiger Man» aber ist jetzt ein verlorener Mann. Die Herren Earnot. Ridot und Bourgeois urtheilen indeß offenbar, daß ihm nichts Ernstliches vorzuwcrse» n»d zu beweist» sein wird, nichts Schlimmeres jedenfalls, als Bekanntschaft mit zweideutigen Leuten, und daß sie ihn an der Spitze des Heeres lassen können. Di« sittliche Unnahbarkeit dieser vier Männer oder mindesten- der ersten drei ist ei» Glück sür Frankreich. Sie allein gestattet, zu hoffen, daß sich ein Ausweg auS dem Schlammloch finden lassen wird, in das die regierende Elaste gefallen ist." Gestern haben wir bereit- hcrvorgehobcn, daß Freyciuet rbeiidrciii im Verdachte siebe, gegen Earnot zu conspiriren. Wenn dieser Verdacht nur einigen Grund hat, so ist cS um so übler mit der Republik bestellt. — Von heule liegt folgendc- ncucste Telegramm auS Paris vor: Paris, 8. Januar. Wie der „Figaro" und der „Gauloi!" wisse» wollen, hätte die PanamauiiteriuchungScommission in den ihr zugeganacne» Schriftstücke» fernere Beweise gesunden, um die gerichtliche Verfolgung von vier wetteren den parlamentarischen -»reisen aiigehörigeil Personen zu rechistrtigen. Rußland muß in neuerer Zeit mehr und mehr die Er fahrung macken, daß selbst kleinere Staaten seinem wenig hösiichen Auftreten gegenüber einen kräftigen Ton anstimmcn und die russischen Anmaßungen zurückweisen. So hat. wie jetzt authentisch gemeldet wird, der rumänische Minister des Auswärtigen, Lahovary. in sehr höflichem, aber festem Ton die russischen Forderungen in der Olga-Angelegen heit abgelebut. Er eriunert in seiner Mittheiluna an die russische Gesanttsckast zu Bukarest, daß schon einmal, einige Wochen vor der Olga-Affairc, ein russisches Schiff, der „Ruß", die O.narantaiiic aus der Sulina durchbreche» wollte. Er bestreuet, daß irgendwelche Beschlüsse der Tonaucommission der Eiiirich'ung einer Onarantaine im Weg stänken, und er klärt die Ausrede des russische» EapitainS, eine Beschädigung der Maschine habe ibn genötbigt, die von ihm genommene Richtung rinznbaltcn, für unwahr, denn derselbe habe, als er auf Widerstand stieß, sofort Kehrt gemacht. Wir haben schon gemeldet, daß die russische Negierung jüngst auch Bulgarien an die Zahlung einiger Rückstände ans der Zeit, in der die russischen Armee» diese- Land besetzt batten, gemahnt und daß hierauf die bulgarische Regierung eine Gcgcnrcchnuiig wegen verschiedener Legate von in Rumänien verstorbenen Bulgaren ausgestellt bat. Diese Legate waren seiner Zeit in die Hände der russischen Gesandt schaft in Bukarest geratbcn und von dieser nickt bcrauSgegebcn worden. Herr v. Fonlo», der russische Gesandte in Bukarest, soll nun auS Petersburg den Auftrag erkalten haben, eine Liste dieser Vc>inächl»issc zusammen ^n stellen, sofern sie bul garische WobllbätigkeitSaiistalte» und Schulen betreffen. Die in diese» Legaten erwähnte» Summen betragen aber nur, wie die blllgarisch-ofsiciöse„Swvbota" behauptet, höchstens llUttOttvFrcS., während Bulgarien ans 12 Millionen Francs Anspruch erbebt. Letztere wollen die Russen nicht hcrausgeben, was allerdings leickt z» erklären ist, wenn c» wahr ist, was Herr Iacrbsobn, der vielgenannte frühere Tragciiian der russischen Gcsandschast in Bukarest, erzählt, nämlich, daß die Summen zum Theil schon verbraucht sind und zwar haupt sächlich zur Bekämpfung der gegenwärtigen bulgarischen Regierung. Wir waren vor einiger Zeit in der Lage, aus Grund diplomatischer Berichte ein gehende Mitlhellniigen über die Verwendung der Summen zu mache», welche Rußland durch die letzte Zahlung Bulgarien» erhalten hatte, und man darf daher wohl vcrmiitbcn, daß die russische Regierung jetzt von Bulgarien hauptsächlich deshalb neue Zahlungen verlangt, weil der ConspirationS Fonts erschöpft Nt. Tic Regierung in Sofia ist vertragsmäßig zur allmäiigcn Abzahlung der ruisischc» OccnpatioiiSschuld verpflichtet, aber sic könnte die Begleichung derselben von der Herausgabe der Feuilleton. Für die Ehre der Familie. Roman von Clarisja Lohde. Na-dniä verdeleii. 2. Capitel. Adele stand mitten im Zimmer und lauschte dem sich ent fernenden leichten Schritte der Schwester. Der ibr gegenüber hängende Spiegel warf die tadellos geformte Büste, den stolz und frei getragenen Kopf, daS klassisch geschnittene Profil zurück. Die sonst für den Eindruck ihrer Erscheinung durch aus nicht unempfängliche Frau batte jetzt keinen Blick dafür. Die dunklen Augenbrauen zogen sich sinstcr zusammen, der lüble stolze Zug uni den Mund, welcher so oft den Reiz ihre» Antlitzes beeinträchtigte, war wie wcggcwisckt und hatte dem Au-druck einer tiefen Schwermutb Play gemacht. „Da hast Du c» nun wieder gehört, liebe Tante." sagte sie und nabm ans einem Sessel neben dem Sopha Platz, i» da- die Commcrzienrätbin gesunken war. „Ich kielte cS doch sür gerathen, dem Wabne meiner armen Eisbetb ei» Ente zu machen, sie und meine anderen Geschwister müßten endlich auszcklärt werden —" „Nein, nein." unterbrach sie die Commerrienrätbin ängstlich und sah sich um, al» fürchte sic, ein Lauscher könne in der Nähe sein. „Sie dürfen es nie, nie erfahren! Adele, gedenke de- Schwure», den Du Deinem verstorbenen Vater »nt meinem Gatten, seinem einzigen Freunde und Vertrauten geleistet hast!" „Ich gedenke seiner und babe ibn treu gehalten. DaS eine Mal, wo ich ibn gebrochen habe, hat mich der Onkel meine- Worte» entbunden." „Du hattest damals ein Reckt, e- zu fordern. Dein Gatte mußte erfahren —" „Und wären wir Arnold, wären wir dem Präsidenten nickt daS Gleich« schuldig?" „Adele, ich bitte, ick beschwöre Tick, quäle mich nicht", stehle die Commerzienrälhin. „Rösickc will cS so und ich süge mich seinem Gebot. Ich bin stet- gut gesabrcn, wenn ich mich seinem Willen unterordnctc, er trifft immer daS Reckte." Die junge Frau antwortete nicht. Sie schüttelte leise den Kopf und blickte ernst zu Boden. „Du wirst Deinen Schwur ferner kalten, Tu wirst schweigen?" fragte die Commerzienrälhin dringend. „Ich werde schweigen, aber —" „EiSbelk darf nie etwas davon erfahren, glaube mir, ich und mein Mann kcnnen das Kind besser. Sie würde die Wahrheit nicht zu ertragen vermögen —" „Habe ich sie doch ertragen — ertragen müssen —", ries Adele in herbem Ton, wäbrend ihre Augen in düsterem Feuer aufblitzlen. „Es war ein unglücklicher Zufall, der Dir daS Ge- beimniß enthüllte, Kink, und dann verzeihe, Adele —", sic sagte es zögernd, „Du bist aus einem festere» Stoff als Elsbeth." „Weil das Leben mich von frühester Jugend an raub angesaßt hat, ElSbclh aber durch Eure Liebe grenzenlos ver wöhnt worden ist!" Die Commerrienrätbin legte ihre Hand aus der Erregten Arm. „Du weist cS. Adele," sagte sic begütigend, „wäre eS nach meinen Wünschen gegangen, so hätte man Euch nie getrennt." „Das weiß ich", antwortete die junge Frau, und ein Hauch tiefer, echter Herzenswärme gab ihr jetzt einen außer ordentliche» Liebreiz, „und bin Dir immer innig dankbar dafür gewesen. Jetzt freilich, denke ich, eS ist gut gewesen, wie eS gekommen. Die harte Schule des LcbenS ist mir sehr heilsam gewesen und ich bätte gewünscht, daß meinen Ge schwistern daS auch nicht erspart worden wäre " Sie hatte das merklich erregt," mit verfinstertem Blick gesprochen. „Adele, liebe Tochter", fuhr die Commerzienratbin auf: „Wohin verirren sich wieder Deine Gedanken?" .Wobin?" wiederholte sie traurig: „Du weißt cS, liebe Tante." „Wozu diese traurigen Erinnerungen, gerade beute an diesem Krcudentage — „Gerade an diesem Freudcntage", entgegnete Adele ernst, „drängen sie sich »ur »lit doppelter Gewalt auf. — Elsbeth ist ein Kind, cin etwas eigenwilliges, gefallsüchtiges aber liebenswürdiges Kind; aber weiß man, waö in ibr schlummert — ?" „Adele!" unterbrach sic die Commerziciiräthin unwillig. „Wär's den» ein Wunder?" snbr Adele uiibeirrt fort, „sehen wir nickt daS Erbtbeil dcS BlutcS in uiiscrm Bruder Paul sich regen? Und auch ich, liebe Tante, habe cS in mir verspürt; aber ich kannte die Gcfabr und setzte ihr alle Energie meines Willens entgegen — ElSbeth keimt sie nicht." „Aber ick bitte Tick, Adele! WaS kannst Du jetzt noch für sie fürcklen an der Seite, unter dem Schutze eines Manne», de» sie so innig liebt? Ick bitte Dich, rühre nicht an ihrem Glück", siebte die Cvnimerzieiirälbin. „Gott erkalte eS ihr", sagte die junge Frau auS tiefster Brust. „Aber könnte eö nickt gerade durch den Mangel an Offenheit gefährdet werden?" Tic Commerziciiräthin wurde der Antwort übcrbobcii, denn im Nebenzimmer wurden Stimmen laut und gleich daraus trat der HauSberr mit Baron Spcriicr, dem Ge mahl Adele'-, zu de» Damen ein. Der Erstcre, ein scbr wobl conscrvirter SeckSziger, vcrriclb durch seine gedrungene, etwas beleibte Gestalt, einen Hang z»m Wobllcben und zur Bequemlichkeit. Trotzdem lag um seinen etwa» große», aber nickt iinschön geformten Mund cm Zug großer Willens kraft und Entschiedenheit ausgeprägt, und man sab eS den sehr klugen grauen Augen an, daß sie ebenso gutmiitbig und jovial lächeln, wie ernst »nd bestimmt darcinschalici, konnten. Die ganze Erscheinung war cin eigenartiges Gemisch von einem bequemen Sickgebenlassen, so lange daS irgend qnöfübrbar war und der Anlage zum sehr k»t)chirdenen und nicht ganz rücksichtsvollen Dreinsahren, sobald DaS, was er sür recht und notkwendig befand, durch einen anderen Willen gekreuzt werden sollte. Die sanfte Coniincrzienrätbin batte denn auch wäbrenk ibrcr langjäbrigeii Ebc me einen andere» Willen gehabt als den ibres Gatte» »nd konnte fick, obwobl Beide die zärtlichste Liebe verband, eines leisen GciiihlS der Furcht ihn, gegenüber nie ganz erwehren. Ga»; im Gegensatz zu ihm stand die Erscheinung deS BaconS von Spcriicr, der richtige Typus eines früheren OssicicrS und jetzigen Gutsbesitzers, bochgcwachscn und breit schultrig, mit blondem, schon etwas inS Graue spielendem, stark gelichteten Haar n»d Schnurrbart, belle», blaugrauen Augen und einer etwas lauten, cm wenig knarrenden Stimme. Artig küßte er der Commcrzienräthin die Hand und berührte dann leickt mit seinen Lippen die weiße Stirn seiner schönen, wobl nickt mebr als die Hälfte seiner Iabre zählende» Fra», die mit bobeitSvollcr Miene nur ein wenig den Kopf »ciqtc gleich einer Königin, die die Huldigung ibrc» Vasallen gnädig ciitgcgcnninimt. Ksicr bei diesem Paare schien cS klar, daß cS nickt der Mann war, von dem die Herrschaft im Hanse geübt wurde. „Warum bockt Ihr denn bicr in dem kleinen Zimmer und wo ist Elsbclk?" war die erste Frage dcS Cominerzien- ralbcs, wäbrend er die Augen im Kreise bcrnmgehen ließ. Seine Frau antworlclc ausweichend, da» Kiiitc werte sogleich komme»: sie scheute sick, ik» durch Mittheilung dcS wahren Grundes der Verzögerung m verstimmen. Adele batte nicht sobald den bilscsiichciidcn Blick der guten Frau ausgesangen, als cin leiser Druck ans den Arm ihres Mannes diesen ver ständigte, daß man jener zu Hilfe kommen müsse. „Meine beide Schwägerin mackt cS wie die höchsten und allerhöchsten Herrschaften, die auch erst erscheinen, wenn sammt- licke Geladene versammelt sind, und sic bat cin Recht dazu, denn sic ist bciitc die Königin de» Feste»", scherzte der Baron und bot der Conimcrzieiirätbi» den Arm, um sie in den große» EmpsangSsaal zn sichren. „Ist aber dock nickt >» der Ordnung, sie sollte hier sein; wir sind nicht bei Hoke, sondern in einem schlickten Bürgerkause", brummte der Commerzienratb, aber schon batte sich Adele an seinen Arm gehängt und solgte mit ibm dem voraiischrcitenden Paar, iliN dabei schnell in cin bcitcrcs Wort gefecht verwickelnd, wie sie c» mit ibm z» sichren pflegte, lind wie i-iimer konnte Rösickc dieser Versuchung nicht wider stehen. Adele war ibm im Grunde seines Herzen- wenig snmpalbisib: Eriniierimgeii an» früheren Iabren, verbuntrn mit ihrem selbstbewußte» Auftreten, als Gemablin dcS BaronS Lperncr, hielten eine gewisse Gegnerschaft in ihm wach. Trotz
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