Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.01.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930104022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893010402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893010402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-04
- Monat1893-01
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis tl der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten AuS- oibeslellen abgeholt: viertetjährlich^l-öO, bei zweimaliger täglicher Zustellung i„S Haus ü.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Lesierreich: vierlestahrlich 6.—. Direct» tägliche rdreuzbandjendung iaS Ausland: monatlich Vl 9.—. Die Morgen-AuSgabe erscheint täglich '/,71lhr, die Abend-Ausgabe Wochentag- ü Uhr. Ledaclio» und Lrpedition: Johaunesgaffe 8. DieLxvedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend- 7 Uhr. Abend, Ausgabe Filialen: ktt« Klemm- Sorttm. tAlsrrd Hahn), Universitütsstraße 1, Lo»i» LSsche, Ikatharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. uWM.TGtblall Anzeiger. Lrgan silr Politik,Localgeschichte,Kandels-undGeMsverkehr. 3? 7. Mittwoch 1893 Anzeigen-PreiS Die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Vieelamen unter dem Redaction-strich l4g«» spalten) 50.^, vor den Familicnnachrichtea sü gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichnih. Tabellarischer und Zifferajatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen igesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—, Ännalimkschlub für Äuserate: Abend-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- - Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,S Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen >» eint halbe Stunde früher. Anirigrn sind stets an die Erpehttta« zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» ln Leipzig. 87. Jahrgang. Politische Tagesschan. * Letpztg. 4. Januar. Die „Nat.-Lib. Corr." bringt beute die überraschende Nachricht, sie habe vernommen, daß dieNeujahrsansprache des Kaisers an die Generale über die Militair vorlage erheblich entschiedener gelautet habe, als die Mittheilung im „Reichs-Anzeiger" erkennen lasse. Der Monarch bade namentlich in einem sehr entschlossenen Aus druck seinen ernsten Vorsatz, den Widerstand gegen die Vorlage zu überwinden, kundgegeben. Ist kaS richtig — und die genannte Eorresponden; hak sicherlich aus guter Quelle geschöpft —, so muß man sich verwundert fragen, warum der „Reichsanzeiger" nicht den Wortlaut und nicht einmal den Sinn der kaiserlichen Ansprache genau mit- aetheilt hat. Daß der deutschen Volksvertretung ein Wort des Kaisers vorentbalten werden solle, das bestimmt gewesen sei, auch auf sie einen Einfluß auszuüben, ist um so weniger anzunehmcn, je mehr es im Interesse des Reichs kanzlers läge, vor aller Welt kund zu tbun, daß der Kaiser aus der unbedingten Annahme der Militairvorlage bestehe. Man kann also zu keiner anderen Erklärung kommen, als zu der, daß die entschlossene» Worte des Kaisers lediglich für die Generale bestimmt waren, sich lediglich auf die in diesen Kreisen geäußerten Bedenken gegen die Vorlage und besonders gegen die zwei- lädrige Dienstzeit bezogen haben und der Oeffentlichkeit vor- enlbalten werben sollten, um nicht im Reichslage der Oppo sition die Einrede förmlich in die Hand zu geben, selbst bei der Generalilät habe der Widerstand gegen die Vorlage erst durch eine strenge Ansprache des Kaisers überwunden werden müssen. Ist diese Annahme richtig — und eine andere bleibt nicht übrig —, so ist der Vorlage durch die neue Version über die kaiserliche Ansprache ei» sehr übler Dienst erwiesen worden. Man wird jetzt diese Ansprack,e gegen den Entwurf ausbeuten, waS die Herbeiführung einer Verständigung nur erschweren kann. Und sie ist ohnehin schwer genug. Zn ren Erörterungen über die Möglichkeit einer Ver ständigung stehe» fast ausschließlich das Maß der Ver stärkung der P rasen zziffer und die damit zusammen hängenden Organ isationsfragcn im Vordergründe. Es darf aber nicht übersehen werben, daß noch andere Schwierigkeiten vorhanden sind. Zunächst das Ouinquennat. Die Regierung ist von der seit 1874 be stehenden Praxis, die Zahl der unter der Fahne zu haltenden Truppen auf die Dauer von sieben Jahren sichcr- zustellen, abgcwichen, indem sie eine» Zeitraum von fünf Zähren vorgeschlage» bat. Es ist kein Zweifel, daß sie damit denjenigen Parteien, welche daö Eeptcnnat stets erbittert bekämpft baden, bat entgegen koiiiiiien wollen. Auf die Freisinnigen aber bat dies gar keinen und auf daS Ecntrum bestenfalls einen scbr geringen Eindruck gemacht. Selbst Herr v. Hucne ist einst weilen bei kein allen Verlangen der alljährlichen Feststellung der Präsenzziffer im Etat stehen geblieben. Da nun aber ebne die Mitwirkung dcS Herrn v. Hucne und seiner näheren Gesinnungsgenosse» ini Eentrum die Militairvorlage nicht zu einem positiven Abschlüsse kommen kann, so würbe es sich fragen, welchen Werth die Regierung auf kaS Ouinquennat legt, beziehungsweise ob sie sich mit dem Gedanken der jährlichen Feststellung der Präscnzziffer befreunden könnte. Von »och größerer Bedeutung ist die Frage der gesetzlichen Fest legung der zweijährigen Dienstzeit. Die Vorlage ball bekanntlich die verfassungsmäßige dreijährige Dienstzeit grundsätzlich aufrecht und will nur thatsächlich das bisherige Lhstem der Dispositionsurlauber aus den ganzen dritten Jahrgang ausgedehnt wissen. DaS wird nicht nur vom Eentrum und den Freisinnigen, sondern auch von den Nationalliberalen als ungenügend bezeichnet, und man fordert eine gesetzliche Garantie für die Einhaltung der zweijährigen Dienstzeit. Während diese Garantie frcisinnigerseits für alle Zukunft verlangt wird, wollte Herr von Huene sich damit begnügen, wenn sie in dem Gesetze für die Dauer der Be willigung der Präsenzziffer gewährt würde. Ob die Fractions- genosscn des Herr» v. Hnene mit dieser Genügsamkeit ein verstanden sind, steht daliin; aber vorausgesetzt, daß sie es sind, fragt sich nun, wie die Regierung sich zu dieser Forde rung stellt. Man mag annebmen, daß kaS Oiiinqnennat kein ernstliches Hindernis; für eine Verständigung sein würde; die gesetzliche Festlegung der zweijähriqcn Dienstzeit zum Mindesten in der Form des Huenc'sche» Gedankens aber darf' dreist als die Vorbedingung einer solchen bezeichnet werden. Es ist ausfallend. daß auch über diesen Punct von der Regierung bis jetzt kein Wort des Entgegenkommens ver nommen wird. Daß sie ihren Standpunct bezüglich der Höbe der Präsenzziffer nicht vorzeitig ausgebcn will, begreift sich; um so zweckmäßiger aber dürste cü für sie sein, durch eine entgegenkommende Andeutung über die gesetzliche Garantie der zweijährigen Dienstzeit die trübe Atmosphäre, in welcher nächste Woche die EomniissionSvcrhandlungen beginnen werden, ein wenig aufzuhellcn. Hinweisen, man Mit nickt geringer Spannung erwartet man in Ab- gcordnetcnkrcisen, ob eS noch zu einem Zusammentreffen der Verhandlungen Uber die Militairvorlage und den Zesuitenantrag des Ecntrums kommen werde. Der letztere bat noch eine ganze Reihe — etwa zehn — Vorder männer und das Eentruin wird sich schwerlich Mühe geben, ihn früher als in der ordentlichen Reihenfolge auf die Tages ordnung zu bringen. Die Partei bat im Gegcntkeil wobl mit bewußter Absicht den Antrag so spät eingebracht, daß er erst nach langen Wochen zur Verhandlung kommen kann. Sonst Kälte sie den Gegenstand auch »> einer Interpellation zur Verhandlung bringen können, einer Form, die sic für die von ibrcm Standpunct aus doch weit unwichtigeren ge- wcrbepolitischen Anregungen gewählt hat. Indessen kann man nicht wissen, wie lang sich die Beratbungen über die Mil, lairvorlage binzichcn. Es wird vielfach für wahrscheinlich gehalten, daß auch i» der Eomniission die Entscheidung nicht wesentlich gefördert werden, sondern erst in der zweiten Plenarberatkung sich vollziehen wird. In diesem Fall könnte die Militairsrage vielleicht doch noch mit dem Iesuilenantrag Zusammenstößen und es käme damit ein neuer Factor von nicht geringem Interesse in die Situation. Die von uns bereits erwähnte Neujahrsansprache des ungarischen Miiiisterpäsidenten Wekerle hat betreff- der kirchenpolitischen Frage der Haliung der über wiegenden Mehrheit allen Parteien, sowohl regieru»gssre»nd- licher als auch oppositioneller Tendenz, das Zeugnis; der Ein tracht ausgestellt. Diese Eintracht herbeigesührt und politisch nutzbringend verwerthel zu haben, ist das eigenste Werk des Herrn Wekerle, und die Folgen davon kommen wieder nicht nur der Kirck>c»polilik, sondern auch dem Parteilichen und dem ganze» ParlaniciitariSmn- UngarnS zu Gute. In dieser Hinsicht hat die Entwickelung der kirchenpolitischen Actio» de- Ministerpräsidenten de» Er Wartungen des einsichtövollercn Theilcs der Nation entsprochen und kleinliche Nörgler Lügen gestraft. Nach der Neujahrs rede Wekerle's erscheint allen Zweifeln an dem Ernst und der Aufrichtigkeit seines Streben» der Grund entrogen, ganz abgesehen davon, das; Herr Wekerle als erfolgreich bewährter Finaiizininister in den Augen besonnener Realpolitiker schon im Vorhinein gegen die Unterstellung, als sei sein kirchen politisches Programm nicht aus einem Gusse, hinreichend geschützt war. Augenscheinlich kam cs Herrn Wekerle nicht sowohl aus die Belehrung unverbesserlicher Zweifler, als vielmehr daraus an, Le», kirchcnpoliiischcu Programm des EabinetS bei einem feierliche» Anlässe die Weibe des Nationalwillens zu geben. Sobald der Anlaß sich fand, nahm Wekerle den günstigen Moment wahr, und der Erfolg rechtfertigte, wie man sicht, sei» Vorgehen. Die Neujahre rede de-Ministerpräsidenten drückt der durch ibn geschaffenen kirchenpolitischen Lage das Siegel der Endgiltigkeit auf und zeigt, daß Herr Weierle für Ungarn gegenwärtig der richtige Mann am richtigen Platze ist. Wir konnten schon mehrfach o»,! krieg gegen Fpgstkre, ck ZN.Enen d.e ballen e>„ Eentralbnreau für Aneknnsiserlbe,^ Absatz zu errichten den Auftrag erhalte» ha. -- ^ aewe blichen und commerz'ellen Verdanke baben d r L . -r stch ^ Welche Vor.beilc sich >"-r ur D-u ^..d er- ösLm welche Ansfichten 5^aö"öarLr1tn^ sich du der Schweiz gegenwärtig genießt Köln Zig " »' einem Artikel wie folgt: n'rob di- Möglichkeit eine» vermehrten SS2SLL L« «>- konnten, so werden wir dazu noch »uhr fetzt >n curriren Wenn wir con ti» islande sein wo die'stolliütze sich io weientlich z» llnkunsten Frankreichs oer- schöben babem clh hen wir' zu einigen Be.,vielen über, io N »den w-. N die Anffuhr lederner c-chnlnvaare» »» Jahn 18 >l "us a. ul, land rund 1 «ME Francs betrug, der eine franzoniche Eni utr m rniid I (BOOM Francs geiennbersiand. Wenn man bsnick ichtigl dab die Franken trüber M Hranc-S Nir 100 K2, Icht a^r 1..» zu zahlen haben, io zeig« »ck, von ielbst. weiche AuSsuhrvermebrung N,.I- »„IN.'«,»,, kan». Aebniich zeigt sich das bei Zuck, r sur uns hier entstehe» kan». Aebniich zeigt »a in Hüten und noch niebr beim Würfelzucker, sich bei dem Dentich- land nur eine Million. Frankreich dagegen fast N. Millionen einsübrte. Bei diesem Arlikel ist aber der Zoll von w.vU aus 2ö FreS. erhöht worden. Ein anderer großer *lu»slihr. arlikel sind wollene und Halbwolle»c «ander und ho a- mentierwaare» Ten i-A.t-D FreS. dent'cher Einsuhr stehen hier übel 2'/- Millionen sranzösilcher Einfuhr gegenüber und der sto» ist kür Frankreich von 6?> aus 2ö<> Frcs. erhöht worden. Be, seidenen und halbseidenen Bändern und Pvsamenlicrwaaren besieht n ähnliches Verhältnis, Der Zoll betrügt hier 200 §rcS. gegen l > bez. SO nach dein früheren Zolltarif. üi> beträchtliche Verschlimmerung der überaus bedenk lichen .ze. >» der sich die in Frankreich herrschende republikanische Partei in Folge dcS Paiiai-iascaudalS besindet, ist durch die trüben wirthschaslliche» Ver bältnisse in Paris cingelrclcn. Die aus Erhaltung einer starren Hockschutzzollpolilik gerichteten Bestrebungen der gegen wärligen Dcpntirtcnkammcr haben schlimme Erscheinungen i», nationalen Wirthschaftslebcu herbeigesüvrt. die von Tag zu Tag fühlbarer werten und ain Iabresschlnß naturgemäß de». Einzelnen wie der Eksamiiilheil um so deutlicher zum Bewußtsein foninieii, als die Ergebnisse des WcibnachlS- unk NcnjahrsgeschäftcS wcit hinter allen Erwartungen ziirnckgeblicben sind. Dazu kommt der üble Eindruck, den der Ausbruch des Zollkrieges »ist der Schwei; im Lande erzeugt hal. Viele und wichtige der wirthschastlichen Fäden, die sich von Frank reich nach der Schweiz hinübcrfpannen, sind jählings ab gerissen, die Schweizer haben den ihnen in schroffster Foriu aufgekriingcnen Tarifkrieg inst einer erbitterten Entschlossen heit ausgenommen, die aus die Franzosen bcstürzcnd einwirkt und ihren Unmulk gegen die jetzige Kammer noch mehr an- stachclt. Ucblcr beinahe, als der Verlust dcS schweizerischen Absatzgebietes, wird der Verlust der politischen Sympathien der Eidgenossenschaft cmpsnnden. „Wir haben keine» Freund mehr in Europa", wird geklagt, „als Rußland — aber wie weit ist dieser Freund!" Allein auch vom rein wirlbschafllichcn Gescchlspunele erzeugt der Abbruch der Beziehungen zur Schweiz um so ernstere morgen, als das Gespenst einer allgemeinen Gcschäsiskiisc iinmcr bedrohlicher am Gesichtskreis einer nabe» Zukunft anssteigt Tie AnSsubr stockt, auswärtige Aiisträgc lausen bei den Industriellen mir spärlich ein, der Frcmdciizuslnß nach Paris bat sich trotz aller Ahleugnungen vermindert, die Verbraucher von Lnrusivaarcn ini eigenen Lande schränken sich ei», wie seit Jahre» nicht. Noch sechs Monate so schlechte Geschäfte, und wir sind alle ruinirt, klagen zahlreiche Gewerbetreibende und Kauflenle. Solche Verhältnisse und Stimmungen sind der richtige Wucherboden silr SocialismuS und BoulangiSmus, die sich denn auch schon rüsten, bei der erhofften Tbeilung der politischen Erbschaft des Opportunismus ausgiebige Stücke an sich zu dringen. In den Mitbcwerb treten die Radikalen, die in diesen Tagen bereits einen an sich nicht beträchtlichen, vielleicht aber als Zeichen zu deutenden Erfolg errungen haben, indem sie den Kammerlitz des Departement» Drcstnc, den bisher Ney- naut, der frühere EabinetStircclor Loubet'S, imie halte, für ihren Eandidaten Vlanc eroberten. — Der „GauloiS" warf in seiner letzten Nummer des alten Jahres die Frage aus: „Wie dieser Laae entgehen ?" DaS ist die Frage, die seil dem Beginn des Panamascandalö mit seiner durch ganzFrank- rcich gehenden tiefen Bewegung Minister und Parlamentarier be schäftigt und auf die noch immer keine Antwort gefunden ist. In dessen bat ein junger, feuriger und fanatischer Deputirter als die nach seiner Meinung einzig mögliche Lösung vorgeschlage»: Krieg!" Ter „Gvulois" ist froh» daß alle maßgebenden Personen diese Lösung bekämpfe». Zu denke» gicbt der Vor schlag aber dock. Ist Frankreich wirklich das Land der Ueber- raschlingen. so bürgt auch nichts dagegen, daß sich eine ganze Anzahl „seurigcr und fanatischer Deputirter" zusammenthun und cincn Boulangcr finden, der tollkühn genug ist, das Ventil nach außen zu öffnen. Der gehässige Meinungsaustausch zwischen EriSvi und Marquis di Rndini über die Erneuerung der Tripel-Allianz ist ans dem beste» Wege, geschlichlet zu werden. Wie auS Nom berichtet wird, verlautet seit einigen Tagen in dortigen politische» Kreise», daß der König die bestimmte Absicht habe, durch seine persönliche Intervention die Polemik zwischen EriSpi unk Marquis di Nutini zu schlickten, »m so mehr, als derselbe schon zu »ichrcrc» Malen Gegenstand diploma tischer Noten gewesen sein soll. Ter König wünscht, daß man heule nicht mehr darüber disculire, ob man mit Rück sicht aus die Handelsbeziehungen der drei telhciligle» Mächte gut daran actban habe, den Vertrag vierzehn Monate vor seinem Ablauf wieder zu erneuern. Er «st der Ansicht, daß die handelspolitischen Beziehungen, wie sie Erispi mit Deutschland und Oesterreich in Geltung zu dringen beabsichtigte, de» Zwecken der italienischen Politik nicht entsprochen habe» würden. Eingeweihte versichern mit Vesiimmlbeit, daß der Wiedererneuerung des Vertrages auch ohne de» persönliche» Einsluß des Königs selbst nichts u» Wege gestanden hätte. Uebrigens hatte ja Erispi bereits zur Zeit seines Sturzes Verhandlungen betreffs der Wiedercrnencrnng de» Vertrags angeknüpsl. — Tie „Gazelta dcl Popolo" von Turin, welche allgemein als das Organ Blin's angesehen wird, veröffentlicht einen Artikel, der in Italien das größte Aussehen erregt. Die „Gazctta" spricht nämlich i» einem Artikel über die Frage der Banlinspectionc» die Ansicht ans, daß die Verantwort lichkeit dcö Minister,»»,S in dieser Frage eine sehr große sei, und ertbeill denisclbe» den Rath, den nationalen Ehrgeiz unberücksichtigt zu lassen und mit der Wahrheit hcrvorzu- kvmincn. Dieser Artikel wird als ein Beweis für die Richtig keit der jüngste» Gerüchte angcsebc», »ach welchen die Stellung des Minisicriumö erschüttert fei, seitdem die Frage der Banken sich ans der Tagesordnung befände; indessen ist diese Auffassung kaum berechtigt. Für die politische Entwickelung Englands ist das neue Jahr ein bedeutsames. Nur wenige Wochen noch trenne» uns von der Eröffnung der Parlaincnlsscssion, welche die Entscheidung über daS i risckc Erp erinicnt Gladstone^s bringe» wird. Die Aussichte» desselben haben sich unter dem Eindrücke der Dubliiicr Verbrechen erheblich vermindert. Wäbrcnd der greise Premier am 28. v. M. i» Biarritz seinen 8!t. Geburtstag feierte, sah sich die irische Regierung mit Hinblick ans die biskerigen negativen Ergebnisse der über das Attcnlal in Erckange Eourt ringeleiteten Untersuchung ge- uölhigt, die Wiederbelebung einer Klausel der am >4. Sep tember vor. Is. von Morlcy unter großem Partei-Tamtam aufgehobenen irischen Zwangsaclc in Erwägung zu ziehen. Feuilletsn. Für die Ehre der Familie. Roman von Llarissa Lohde. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Der Commerzienrath ging sogleich der kleinen corpulcnte» und sehr bewegliche» Dame, die einen etwas ausfallenden Anzug und viele Brillanten trug, entgegen und stellte sie dem Präsidenten und dessen Gemalsti» als seine Schwester, die Pflegemutter von Elöbctti's Zwillingsschwcster Margot, die verwittwcte Frau Homberg, vor. Die Präsidentin musterte die sich vor ibr Verneigende mit einem Zug leisen Spottes um den Mund. Wie sehr plebejisch diese Frau Homberg dock auSsab —, an Margot freilich, deren Aehiilickkcit mit Elsbetb auffallend war, und die mit ikrcn klaren Kindcraugen so unbefangen zu ihr aussah, kennte sic kaum etwas auSzusetzcn sinke». Jedenfalls ver- rielb cS aber nickt gar z» großen Tact, daß sie auch heute, wobl nach sonstiger Gewohnheit, dieselbe Toilette wie ihre Schwester, die Gefeierte des AbcndS, angelegt hatte, — beide in weißem Krepp und einem Strauß jener weißen, rötblich angehauchten Rosen, welche den Namen dlurliiux rnaickz sübrcn, in dem dunkelblonden Haar und a», An schnitt de» Kleides. Diesen lisliiiguirlen Anzug hätte sie beute El-betk allein überlassen sollen, die nur durch die kost bare Perlenschnur, die Arnold ibr selbst beute als Braut geschenk um den Hal- gelegt hatte, von ihr fick unterschied. Es war, als sähe man dasselbe Bild in verschiedener Be leuchtung. Lackende» Leben bei Beiden, aber bei Elsbetb ein Hauch der Schwärmerei, bei Margot in Gang und Be wegung eine gewisse Willenskraft und Entschloffcnbeit, die sie mit der ibr sonst durchaus nicht äbnlichcn Baronin Sdcrner gemein zu haben schien. Tie Familien,eene, z>. welcher die anwesenden Gäste eine Lrt von Staffage gebildet hatten, war nun beendet, Wirtb »nd Wirtbin widmeten sich mir verdoppeltem Eifer den übrigen Geladenen, worin sie vom Baron und der Barem» Spcrner und dem Brautpaar eifrig iintcrstützt wurden. Auch der Präsident zeigte sich sehr liebenswürdig und zugänglich, obwohl der ihn »mgebcnkc Kreis ihm ziemlich fremd war; aus der Stirn seiner Galt!» lag dagegen eine Wolke, die keine Bemühung zu verscheuchen vermochte. Die Tbüren zu den Spcisesälcn wurden geöffnet; von dem Eommerzienrath, welcher der Präsidentin den Arm gereicht batte, geführt, betraten die Gäste die biskcr ver schlossen gehaltenen Räume. Von anfmcrksamen gnt ge schulten Dienern ward ein erlesenes Mahl anfgelragen, wurden köstliche Weine scrvirt. Trotz aller Fülle waltete aber auch hier jene Gediegenheit und Einfachbeit, die Paul Wolde» so gern als altmodisches Spießbürgcrtbum bc- zeichncte. Er sah aus den größten Tlieil der bei seinem Vorninnd verkehrenden Gesellschaft mit unsäglichem Hochmulh herab, batte sich jetzt, wie er sagte, vom Tische der StandcS- persone» zu der Welt, in welcher man sich nicht langweilt, geflüchtet und übte seinen Wiv an de» Toasten, die, vom Eommcrzienratb und dem Präsidenten eröffnet, in der That kein Ende nehmen zu wollen schienen. „Margot, ich ratbe Dir, wenn Du demnächst beirathen wirst, laufe mit Deinem Erwählten einfach davon", ries er seiner ibm gcgenübersitzcnden Schwester zu; „da- kann ja kein Mensch auSbalten " „Elsbetb siebt aber gar nicht unglücklich dabei ans", lachte Margol, „obwohl ick nicht bestreiten will, daß sie lieber mit Arnold in einer Ecke allein als dort am Ehrenplatz in der Mitte der Tafel wäre." „L, dieser Präsibentensolui und Musterknabe!" seufzte Paul „Seltsame Schwäger bringen mir meine schönen Schwester», bin wirklich neugierig, mit welcher Spccies Du mich »och beglücken wirst, Kleine." „Das weiß ick auch »ock nicht", antwortete Margot, wäbrcnd ein vcrrätberischeS Rolk ibre Wangen färbte, unk ein scheuer, zagbastcr Blick ibre» Tikchnackbar, einen breit schulterigen, gut gewachsenen jungen Mann mit blondem Haar und Bart, klugen grauen Augen und einem energischen, intelligenten Gesichte streifte, „jedenfalls werde ich mir aber Ratbe zu ziehe»? Dem Bruder war cs nicht entgangen, welche Rickstu Margot'S Alige» »»willkürlich genommen hatten, und kadu gereizt, ivandle er sich an den »eben der Schwester sitzend -Herr» und sagte »eckend: „Werden Sic de»» nickt auch i» einen Toast ausbringen, Herr Becker?" „Ich süble mich da;» in keiner Weise veranlaßt", - widerte der junge Mann ruhig. „Sic verstehen es aber wirklich besser als die meist der Redner, die wir heule hier gehört bähen; wie sch sprachen Sie auf de», Arbcitcrfesle", siel Margot schnell e bemüht, der verletzenden Acnßcrung ihres Bruders die Sp> abzubrcchcn. „Wo daS Her; diclirt. wird'S der Zunge leicht", i widerte Herr Becker, unwillkürlich warm werdend. „W stille, welche hier dem Herrn Eomincrzienra Rvfickc ein Loblied zu singen glauben, von der eigcnllich Bedeutung dieses Mannes." „Die kennt allein nur der Herr Ingenieur Becker, sei lcchte Hand , spottete Paul; aber jener achtele nickt aus t -o», sondern hielt sich an die Worte unk cnlgcgnele: „Ich würde stolz sein, dürfte ich auf kiffe Bezeichn» Anspruch machcn. Waren alle Arbeitgeber wie der H, Evlnnierzienrath, wir hätten keine Socialdemokratie." Lbttn^'2'" Bewegung hielt sich Paul bc „Haben Sic Erbarmen! Soll ick, gar noch ein soci polilifck'eS Ge,prack, ankeren!" stöhnte er, „während im Kniiftl.-raiige fchc» fortdauernde Marter» erleiden „,ns, du dtti, w仫,. »m.vtmiz -m' " °l> >' Paul ff'ckle die Achseln „Tempi pn^atü Ick, habe dl Onkel rorgffchlagen. er solle de» Speiscsaal und die e steßenden Zimmer durch emiae Künstler. d,e ich ihm empseh! wollte, au-inalcn lasten und sie neu möbliren WaS aniwer „Das bat er auch nicht, er braucht es zu anderen Zwecken", erwiderte Becker ernst. „Er muß de» Arbeiter» Paläste bauen", böbnte der Maler. Becker stand im Begriff, eine schaffe Antwort zu geben, da wurde durch das Aufbcbcn der Tafel zu Margor« großer Erleichterung das Gespräch unterbrochen. Die Gesellschaft kehrte in die andere» Zimmer zurück; der Präsident »nd seine Gemahlin hielten noch eine Art von Ecrclc und empfahlen sich dann bald. Es war, als sei mit ihrer Ent fernung ein Alp von den Gastgebern n»d einem großen Tbeil ihrer Gäste genommen Erst jetzt ließ man sich zum Sratspicl uud zum gemüthlichen Plaudern nieder, erst >etzt wagte kaS Brautpaar sich dem Gcnusfc seines Glückes im steten Bcicinandcrsci» zu überlassen, erst jetzt gab die fröh liche Jugend sich »och für ein paar Stunden den Freuden des Tanzes bin. Paul Wolken balle sich nickt daran detbeiligt, sondern sich sogleich nach Aufhebung der Tafel fortgeschlichen. „Verlorener Abend", seufzte er, während er au« dem Hause trat und mit den Augen noch einmal die Fenster- reihe» >,versieg. „Welch'Opfer muß man der Familie bringen! Den Abend, für den sic mich zu sich eingelaken bat, an dem >ch sie Wiedersehen sollte, mußte ich mit diesen Spießbürgern verleben! Alis morgen dann, ans morgen!" Er drückte die Hand aus die Brust, wo er ein Briefchen verwahrte, das er vor wenigen Stunden erkalten, »nd La ib» in die lebhafteste Aufregung versetzt batte. Ganz mit seinen Gedanke» beschäftigt, schritt er Weiler und bemerkte dabei nicht, daß eine männliche Gestalt ans dem Parke her» vergetreten war unk ibm Lurch die dunkel», menschenleeren Alleen svlgtc, die er durchschreiten niußte, um von Martiniken- sclde, wo die Fabrik und da- Wohnhaus seine- Vormundcs lag, wieder nach der Stadt zu gelangen. „Herr Paul Woldcn", vernahm er plötzlich eine Stimme hinter sich und gewahrte, sich erschrocken umsehend» beim scheine der i» der Nähe stehende» Straßenlaterne einen ihm völlig unbekannten, in einen Mantel gehüllten Mann, in welchen, er eine» Bittsteller veriiiulbele. „Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?" herrscht» er ihn an.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite